Читать книгу Verdorbene Jugend - Horst Riemenschneider - Страница 39

Als Friedensstifter

Оглавление

Zwischen einzelnen Dörfern gab es Hader und Streit, zwischen anderen Frieden und Beistand. Wie das entstanden ist, weiß ich nicht. So musste ich als Dietzhäuser aufpassen, wenn ich durch Wichtshausen kam. Zu Schmeheim bestand von den Dietzhäusern aus ein ähnliches Verhältnis. Die taten niemand etwas. Sie mussten aber, wenn es einmal Kino gab, nach Dietzhausen. War ich mit anderen zusammen in Wichtshausen, stellte ich fest, dass die Dietzhäuser mit der Stänkerei anfingen.

Ich selbst hatte auch mit einem Wichtshäuser ein Problem. Das bestand schon im ersten Lehrjahr, als ich noch nicht in Dietzhausen wohnte. Den habe ich aber handgreiflich beruhigt. Als wir wieder zur Lehrwerkstatt zurückversetzt wurden, musste ich im Umkleideraum immer an seinem Spind vorbei, was er in der kurzen Zeit oft nutzte, mir von hinten die Beine zu stellen. Er arbeitete in der Lehrwerkstatt II, wo er Maschinenbauer lernte. So trafen wir wieder zusammen und das Theater vom ersten Lehrjahr setzte sich fort. Ich muss einfügen, dass der Wichtshäuser fast einen Kopf größer war als ich und recht breite Schultern hatte. Noch ein paar Zentimeter und man hätte ihn als Hüne bezeichnen können. Er hatte eine sehr hohe Stimme, die nicht zu seiner Körpergröße passte. Er war ständig darauf aus, mich Zwerg zu ärgern.

Als ich wieder einmal von meinem Spind zu den Waschbecken wollte – der Lehrausbilder vom Dienst war nicht zu sehen und ich musste mich ebenso beeilen wie der Wichtshäuser, weil wir mit dem gleichen Zug fahren wollten –, trat er mir erneut von hinten an die Beine. Nun rappelte ich mich auf und wendete das erste Mal im Ernstfall einen beim Jiu Jitsu gelernten Griff an. Der Wichtshäuser fand sich eingeklemmt zwischen zwei Heizkörpern wieder. Er konnte nur staunen und wusste nicht, wie ihm geschehen war. Ich war auf ihn zugelaufen und habe ihn mit dem Kopf in den Bauch gestoßen und gleichzeitig seine Kniekehlen gefasst. Der Schwung von meinem Anlauf ließ ihn so zurücktaumeln, dass wir dann bald an der Fensterwand angelangt waren, wo sich die Heizkörper befanden. Ich drohte ihm, wenn er das noch einmal tun würde, käme noch Schlimmeres auf ihn zu. Dabei hätte er mich fast am ausgestreckten Arm verhungern lassen können, so stark hätte ich ihn eingeschätzt. Er ließ mich daraufhin in Ruhe.

Das hatte nun nichts mit den Dorfgeschichten zu tun, denn wenn wir nach Wichtshausen kamen, habe ich ihn nicht gesehen. Die beiden Dörfer Schmeheim und Wichtshausen hatten den Nachteil, dass ihre Bewohner immer nach Dietzhausen mussten, wenn sie mit dem Zug fahren wollten. Die Wichtshäuser mussten dazu durch halb Dietzhausen. Die Schmeheimer dagegen konnten am Rand ein kurzes Stück entlang.

Ich habe versucht, auf die Dietzhäuser Heißsporne einzureden, dass sie Ruhe geben. Es war ein Herbsttag im Jahr 1942, ein Sonnabend, da sollte in Dietzhausen Kino sein. Meine Freunde aus Schmeheim wären gern zum Kino gekommen, doch sie hatten Bedenken, wegen der zu erwartenden Schlägerei. So machte ich in Dietzhausen unter meinen neuen Kumpels klar, dass der, der die Schmeheimer angreift, auch mich angreifen würde. Ich würde dann auf der Seite der Schmeheimer stehen. So hatte ich erst einmal freies Geleit für die Schmeheimer erwirkt und sie kamen auch.

Der Film war zu Ende und wir standen gemeinsam vor der Gaststube, in welcher der Film vorgeführt wurde. Unser Treffpunkt war sonst mehr die Gaststätte am Bahnhof. In diese hier, die mitten im Dorf an der Hauptstraße lag, gingen wir nur zum Kino hin. Der Film war so zeitig vorgeführt worden, damit auch wir jüngeren ins Kino konnten. Wir standen also zusammen und auf einmal fing ein Dietzhäuser an zu stänkern. Ich weiß nicht, ob er die Abmachung nicht kannte oder ob er Streitlust bekommen hatte. Er war gut ein Jahr jünger als ich, kräftig und einen halben Kopf größer. Er war nicht davon abzubringen, den Schmeheimern „in die Fress“ zu hauen. Wegen der Verdunkelung war es nicht sehr hell in dem Vorraum vor der Gastwirtschaft. Ich forderte den jungen Stänkerer auf, Ruhe zu geben oder er läge als erster am Boden. Er gab nicht Ruhe und da lag er, ohne, dass ich eine Hand aus der Hosentasche getan hatte. Darüber wunderten sich außer Rolf Triebel alle. Vor allem weil ich meine Hände nicht gebraucht hatte, um einen zu Boden zu bringen. Noch dazu einen größeren und kräftigeren. Ich drohte, dass ich mit Händen noch besser und mehr könne und Rolf Triebel ebenfalls. So war Ruhe eingekehrt und ich schlug einen Freundschaftspakt mit den Schmeheimern vor.

Verdorbene Jugend

Подняться наверх