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Der neue Ausgangspunkt

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1850–1851

Der Anbruch des Jahres 1850 bedeutete auch für Hudson Taylors Leben einen Neuanfang. Ein Werk, von dem er kaum etwas wusste, nahm ihn mit all seiner Energie gefangen. Vielleicht verlangte es das Opfer seines Lebens. Wie er es beginnen sollte, wusste er nicht. Was war er und was vermochte er, ein Apothekergehilfe in einer Kleinstadt Englands, schon für China zu tun? Aber Gottes Ruf hatte ihn erreicht. Es gab für ihn kein Zurückblicken mehr. Was immer dieser Ruf in sich schließen mochte, für ihn enthielt die Zukunft nur eins: Seines Meisters Willen in und für China zu tun. Er begann um klare Leitung zu beten und suchte alles über sein späteres Wirkungsfeld zu erfahren.

In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wusste man nur wenig über China. Wohl waren der Küste entlang fünf Vertragshäfen1 als Residenz für Ausländer geöffnet worden. Die London Missionary Society arbeitete hier bereits seit vierzig Jahren und hatte durch andere Missionen Verstärkung erhalten.2 Doch stand die Arbeit noch im Anfangsstadium. Jenseits der Vertragshäfen war praktisch noch nichts unternommen worden. Es gingen fantastische Gerüchte um. Der Reichtum und die Gelehrsamkeit der Chinesen und die Wunder ihrer uralten Kultur, wovon einige Leute, die das Land bereist hatten, berichteten, wurden einzig übertroffen von Berichten anderer, die von Grausamkeiten und Unwissenheit erzählten. Nur wenige Ausländer waren je in das Landesinnere vorgedrungen. Darum wusste Hudson Taylor nicht, wohin er sich wenden sollte, um Beschreibungen über China zu erhalten. Er kannte nur einen Bekannten, Mr Whitworth, Gründer und Leiter der Sonntagsschule, der kürzlich Verbindung mit der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft aufgenommen hatte, von dem er vielleicht etwas mehr erfahren konnte. Zumindest musste Mr Whitworth etwas über die Verbreitung der Bibel in China wissen. Vielleicht besaß er sogar eine Kopie der chinesischen Bibel oder wenigstens Teile davon. So suchte Hudson Mr Whitworth eines Tages auf.

Der Besuch war ermutigend. Sein alter Freund konnte ihm tatsächlich ein chinesisches Lukasevangelium im Mandarindialekt leihen. Welch ein Erlebnis!

Wahrscheinlich erfuhr Hudson Taylor durch Mr Whitworth von Dr. Medhurst, einem Glied der London Missionary Society. Dieser hatte ein Buch über China geschrieben, und ein Exemplar fand sich sogar in der Bibliothek des Pfarrers, zu dessen Gemeinde Hudson gehörte. Er lieh es sich aus und erfuhr dadurch, welche Ausbildung er wählen sollte. In diesem Buch wurde nämlich die Wichtigkeit ärztlicher Arbeit auf dem Missionsfeld betont. Als kaum Neunzehnjähriger konnte er jedoch mit dem Medizinstudium noch nicht beginnen, aber das Studium der chinesischen Sprache konnte und wollte er sofort aufnehmen.

Er machte sich denn auch mutig an die Arbeit, obgleich er weder einen Lehrer noch Bücher außer dem geliehenen Lukasevangelium zur Verfügung hatte. An die Anschaffung einer chinesischen Grammatik oder eines Wörterbuches durfte er wegen des hohen Preises nicht denken. Doch vollbrachten harte Arbeit und angeborener Scharfsinn Wunder. Schon nach wenigen Wochen kannten sein Vetter und er bereits die Bedeutung von mehr als fünfhundert chinesischen Schriftzeichen. In einem Brief an Amalie erklärte er ihr die angewandte Methode.

„Wir lesen ein bestimmtes Wort in einem kurzen Vers der englischen Übersetzung und suchen vielleicht ein Dutzend oder mehr weitere Verse, in denen dasselbe Wort vorkommt. Dann betrachten wir den ersten Vers in Chinesisch und durchforschen alle anderen nach dem gleichen Schriftzeichen, das für das bestimmte englische Wort zu stehen scheint. Dieses Wort schreiben wir uns in Englisch und Chinesisch auf einen Streifen Papier. Daraufhin durchsuchen wir das ganze Evangelium nach dem gleichen Schriftzeichen in anderen Verbindungen. Finden wir dann dasselbe Wort auch in der englischen Übersetzung, so schreiben wir es mit Tinte in unser Wörterbuch und fügen seine Bedeutung mit Bleistift dazu. Zeigt es sich später, dass wir es richtig gedeutet hatten, überschreiben wir es mit Tinte. Zuerst kamen wir nur langsam voran, doch jetzt können wir sehr viel schneller arbeiten, weil wir mit wenigen Ausnahmen alle gewöhnlichen Schriftzeichen kennen.

Ich stehe nun jeden Morgen um fünf Uhr auf, gehe aber abends umso früher zu Bett. Wenn ich nach China ausreisen will, muss ich jetzt tüchtig lernen. Ich bin fest entschlossen zu gehen und bereite mich, so gut ich kann, darauf vor. Das Lateinstudium werde ich auch wieder aufnehmen, dazu die griechische Sprache lernen und die Anfangsgründe des Hebräischen. Daneben werde ich meine Allgemeinbildung vertiefen, so gut ich kann.“

Damals gab er auch sein warmes Federbett auf, um sich für eine rauere Lebensweise abzuhärten. Bei seiner praktischen Denkweise erkannte er, dass er bereits in Barnsley etwas für die Sache unternehmen konnte, der er sein Leben verschrieben hatte. Er konnte beten und geben, außerdem andere zum Beten und Geben anleiten. Weil die Methodisten in China keine eigene Arbeit hatten, sah er keinen Weg zur Verbindung mit diesem Land. Die Arbeit in den Vertragshäfen wurde durch andere Missionen getan. Er aber sehnte sich nach der weiten, wartenden Welt des unerreichten Inlands, das noch immer nichts vom Evangelium wusste.

Mr Whitworth lieh ihm gelegentlich Zeitschriften, in denen von einer neuen Bewegung in Hongkong durch einen Dr. Gützlaff berichtet wurde. Als er von der Gründung einer neuen Missionsgesellschaft in London hörte, die ausgerechnet das unternehmen wollte, wozu ihn sein eigenes Herz trieb, war seine Freude groß. Interdenominationell in ihrem Charakter plante die „Chinesische Gesellschaft“, wie sich dieses neue Unternehmen nannte, die Anstellung von chinesischen Evangelisten, die sich in Zusammenarbeit mit Dr. Gützlaff in das Problem der Evangelisation des unerreichten Inlands teilen sollten. Eine Anzahl arbeitete bereits unter seiner Aufsicht im Innern des Landes, und der Erfolg, der ihre Anstrengungen zu begleiten schien, war groß.

Brennend vor Liebe zu Jesus und voll Eifer für die Sache Seines Reiches war Dr. Gützlaff vor wenigen Monaten von Hongkong zurückgekehrt und hatte von England aus einen ungewöhnlichen Missionskreuzzug unternommen. Von Irland zog er nach Ungarn und erinnerte die christlichen Gemeinden in allen Hauptstädten Europas an ihre Pflicht gegenüber den Millionen Chinas, die noch ohne Evangelium lebten. Und die Herzen wurden tatsächlich von dieser Not gepackt. Gützlaff forderte vor allem zum Gebet auf, dem Gebet um eine Ausgießung des Heiligen Geistes auf China in seiner jahrhundertealten Finsternis. Das aufrichtige Gebet brachte wie immer auch hier praktische Früchte. Sowohl in London als auch auf dem Kontinent bildeten sich Gruppen, von denen bleibender Segen ausging.

Gützlaffs Frömmigkeit war tief und aufrichtig, seine Pläne weitgespannt und sein Optimismus unbegrenzt. Er besaß ungewöhnliche Gaben und nahm als Dolmetscher bei der britischen Regierung in Hongkong eine einflussreiche Stellung ein. Seine Begeisterung für die Ausbreitung des Evangeliums war so groß, dass er wiederholt sein Leben bei gewagten Versuchen, in das Innere des Landes vorzudringen, und auf Reisen der Küste entlang aufs Spiel setzte. In chinesischer Kleidung unternahm er in der Zeit zwischen 1831 bis 1835 sieben Reisen an der Küste entlang und stieß dabei bis Tientsin vor. Als Segler besaß er erstaunliche Kenntnisse und arbeitete sogar eine Zeit lang als Steuermann auf einer chinesischen Dschunke. Ein anderes Mal ließ er sich als Koch anstellen und gelangte dadurch in Gegenden, die kein ausländisches Boot je erreicht hatte. Auf diese Weise konnte er die Wahrheit in Christus Jesus bekannt machen. Er lebte nur für das eine Ziel: die Ausbreitung des Königreichs Christi. Dafür gab er sein ganzes Einkommen, seine bemerkenswerten Verstandes- und Körperkräfte und seine gesamte Zeit her. Er schrieb und veröffentlichte achtzig Werke in nicht weniger als acht verschiedenen Sprachen, sowie eine Übersetzung des Alten und Neuen Testaments in Chinesisch. Er gründete den „Chinesischen Verband“, eine einheimische Missionsgesellschaft, deren Mitglieder das Evangelium in jedes Gebiet der achtzehn Provinzen hinaustragen sollten. Man kann fast behaupten, dass er Europa zur begeisterten Unterstützung dieses Unternehmens gewann und überall Gebetsgruppen und Vereinigungen zur Förderung des Werkes ins Leben rief. Die neue Gesellschaft in London war nur eine davon. Sie fand bei Hudson Taylor sogleich wärmsten Anklang.

Nach den Berichten, die Dr. Gützlaff mitgebracht hatte, hatten die Evangelisten der „Chinesischen Gesellschaft“ in China überall erstaunlichen Eingang gefunden. 130 Männer durchzogen predigend das ganze Inland und verbreiteten Tausende von Neuen Testamenten, Bibeln und zahllose Traktate. Sie schrieben lange und ausführliche Briefe aus beinahe allen Provinzen Chinas und berichteten von Reisen, die sie bis an die Grenzen der Mongolei und Tibets gebracht hatten. Und schließlich hatten sie „nach einem Examen mit befriedigendem Bekenntnis ihres Glaubens“ nicht weniger als 2871 Bekehrte getauft. Solche Erfolge in solch kurzer Zeit mussten das tiefste Interesse wecken.

Diese Entwicklung erfreute Hudson Taylor den ganzen Frühling und Sommer hindurch. Eine ausgezeichnete Zeitschrift, die im März 1850 zum ersten Mal herausgegeben wurde und die neuesten Berichte über Dr. Gützlaffs Evangelisten in China und Missionsnachrichten aus andern Weltteilen vermittelte, wurde von ihm sogleich abonniert. Das jahrelange Studium dieser Zeitschrift bedeutete für ihn eine wertvolle Schulung in Missionsgrundsätzen und der Missionspraxis. Er entnahm ihr auch, dass sich auf dem Kontinent und in Großbritannien viele für die Evangelisation Chinas tatkräftig einsetzten. Gott benutzte diese Zeitschrift, um Taylor in eine neue Welt christlicher Unternehmungen einzuführen. Sie war in ihrem Charakter frei von Sektiererei und in ihren Beiträgen international ausgerichtet. Sie wurde von Gott dazu gebraucht, den noch nicht Zwanzigjährigen für die weitreichenden Verbindungen in den kommenden Jahren vorzubereiten.

„The Gleaner“ (Die Ährenlese) – so hieß die Zeitschrift – wurde von den Sekretären der neu gegründeten Chinesischen Gesellschaft in London herausgegeben. Am 29. Juli schrieb Hudson an Mr Georg Pearse und bat ihn um „einige Rundbriefe oder Kollektenkarten, sowie alle Informationen und Bestimmungen, die mir helfen, das Werk unter meinen Freunden bekanntzumachen“. Wie konnte er ahnen, wozu dieser bescheidene Anfang später führen würde!

Inzwischen fanden Berichte über den zweifelhaften Charakter von Dr. Gützlaffs Unternehmungen ihren Weg nach England. Die Antwort von Mr Pearse lautete darum entmutigend. Es folgten weitere Enthüllungen, die die Befürchtungen bestätigten, dass Gützlaff bei all seinen glänzenden Gaben und seiner seltenen Hingabe viel zu unkritisch war. Mit einem Wort: Dr. Gützlaff war systematisch betrogen worden, wie der deutsche Missionar Lobscheid entdeckte, der ihn in Hongkong vertrat. Nach dessen Bericht hatten nur wenige seiner sogenannten Evangelisten je außerhalb Kantons gearbeitet, und viele ihrer begeisterten Berichte waren in einer Opiumhöhle verfasst worden, die nur wenige Minuten von seiner Haustür entfernt war. Das war eine schmerzliche und beinahe unfassbare Enthüllung. Niemand litt mehr darunter als der edelgesinnte Leiter des Werkes selbst. Doch er überlebte diesen Zusammenbruch nicht lange. Dr. Gützlaff starb zwei Jahre später am 9. August 1851 in Hongkong.

War sein Werk aber ganz vergebens gewesen? Wohl waren seine Unternehmungen gescheitert, doch blieben seine Gebete und sein Glaube nicht ohne Wirkung. „Die Ährenlese“ berichtet darüber: „Sogar in seinen letzten Stunden waren alle seine Gedanken auf die Evangelisation Chinas ausgerichtet. Er sprach darüber mit großer Zuversicht. Im Fieberdelirium redete er verschiedentlich über seine frohe Hoffnung auf kommende Segnungen für sein geliebtes China. Von ihm kann aufrichtig bezeugt werden, dass er im Sterben und Eingehen in die Gegenwart Gottes die Millionen Chinas auf seinem Herzen trug. Doch die Ziele, die er selbst nie verwirklicht sah, und die Ideale, die er nie erreichte, fielen als guter Same in andere Herzen.“

Viele Jahre später, als die China-Inland-Mission in allen Provinzen Tatsache geworden war, erwähnte ihr Gründer gerne Dr. Gützlaff als den wirklichen Vater des Werkes im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Versagen der Pläne Gützlaffs war nicht die einzige Enttäuschung, die Hudson Taylor als Prüfung seiner Berufung nach China auferlegt war. Er durchlebte eine Not ganz persönlicher Art. Diese dauerte Monate, sogar Jahre an. Doch dadurch erstarkte sein Glaube. Gott hatte ihn doch gerade mit neuer Liebe und Kraft ausgerüstet. Er hatte Gottes Willen für seine Zukunft erkennen dürfen und sein Leben in ungeteilter Hingabe Gott geweiht. Ausgerechnet in diesen Tagen begegnete ihm der Feind mit natürlichen und verlockenden Vorschlägen.

Es begann während der Weihnachtsferien, als Amalie mit einer jungen Musiklehrerin ihrer Schule nach Hause kam. Sie hatte sich mit ihr befreundet. Miss V. war anziehend, hübsch und begabt. Sie besaß eine angenehme Stimme. Bald fühlte sie sich in diesem Familienkreis glücklich und beeindruckte natürlich besonders den Sohn des Hauses. Als seine jüngere Schwester Amalie, mit der er sich gern über seinen Ruf nach China unterhielt, entdeckte, wie Miss V. den ersten Platz im Herzen ihres Bruders einzunehmen begann, freute sie sich von Herzen darüber. Nun würde sein Leben nie einsam sein, wenn er einmal in China lebte.

Hudson erkannte die auf ihn zukommenden Schwierigkeiten. Der Gedanke lag ihm jedoch fern, dass die eine, die er liebte, sich für ein Leben in China nicht eignen könnte. Obwohl Miss V. seine Gefühle teilte, stimmte doch irgendetwas nicht. Sie hätte ihn nämlich gern zurückgehalten. Das aber erkannte er nicht. Wenn er es aber von Anfang an gefühlt haben sollte, so gab er es sich jedenfalls nicht selbst zu. Was ihm Sorgen bereitete, war seine voraussichtliche Armut. Wie sollte er je eine Frau durchbringen! Er hatte auch keine Ahnung, wie er einmal nach China gelangen könnte, wusste er doch außer der Chinesischen Gesellschaft von keiner Mission, die nichtordinierte Männer aussandte. Der Zusammenbruch von Dr. Gützlaffs Unternehmungen wirkte sich lähmend auf das missionarische Interesse für China aus. Es schien, als müsse er als unabhängiger Missionar, allein im Vertrauen auf Gott, der ihn gerufen hatte, nach China ausziehen. Das aber schloss jeden Gedanken an eine Heirat auf lange Zeit aus. Er konnte über diese Sache mit keinem Menschen reden. Bestimmt würde Miss V. bald von einem anderen geliebt werden, musste doch jeder sie lieben, der sie kannte und noch nicht gebunden war.

Das war sein Konflikt. Es war nicht eigentlich ein Kampf zwischen Liebe und Pflicht, obgleich es später zu einem solchen kam, sondern ein Zwiespalt in seinem Glauben mit Fragen und Befürchtungen. Würde sich denn in seinem Leben das göttliche Wort „Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen“ als wahr erweisen? Konnte er einfach alles Gott überlassen und Ihm völlig vertrauen, wo er doch nichts als Ungewissheit vor sich sah?

Das folgende Jahr war voller Schwierigkeiten und Nöte, in denen sich jedoch sein inneres Leben vertiefte. Weil er mit seinem Vetter das Zimmer teilte, war er selten allein. Er schrieb darüber: „Ich ziehe mich in das Geschäftshaus, den Schuppen oder sonst wohin zurück, um mit Gott allein zu sein. Da erlebe ich kostbare Augenblicke.“

Ein anderes Mal schrieb er: „Ich fühle mich stärker denn je nach China gezogen. Bedenke doch – 360 Millionen Seelen ohne Gott und ohne Hoffnung in dieser Welt! Denke an die mehr als zwölf Millionen Mitgeschöpfe, die Jahr für Jahr ohne jeglichen Trost des Evangeliums sterben! Barnsley zählt mit seiner Umgebung nur 15 000 Einwohner. Stelle Dir vor, was es bedeutete, wenn alle diese Leute im Verlauf von zwölf Monaten stürben! In China aber sterben Jahr um Jahr Hunderte für einen Mann, eine Frau oder ein Kind in Barnsley. Armes, vernachlässigtes China! Gibt es doch kaum jemanden, der sich darum kümmert.“

Derartige Aussagen eines jungen Menschen an die um einige Jahre jüngere Schwester sind besonders eindrucksvoll. Auch der nächste Brief offenbart deutlich das Anliegen, das ihn so ganz erfüllte:

„Du schlägst mir in Deinem letzten Brief vor, an die Sekretärin der Chinesischen Gesellschaft zu schreiben und sie zu fragen, ob sie mich als Verheirateten aussenden würden. Ich denke jedoch, sie würden kaum darauf eingehen, müssten sie doch annehmen, ich wünschte mich als Mittelloser zu verheiraten und sie für die Folgen zu verpflichten. Gegenwärtig kann ich ihnen auf keinen Fall etwas darüber sagen.

Wie Du weißt, habe ich nicht die geringste Ahnung, wie ich ausreisen soll. Doch ich weiß, dass ich gehen muss, ob verheiratet oder allein. Gott hat mich für diese Arbeit gerufen. Er wird die Mittel dazu geben. Ich kann Dir den gewünschten Bescheid noch nicht geben. Es ist unvernünftig, anzunehmen, Miss V. erkläre sich zur Ausreise in ein unbekanntes Land bereit, um dort zu verhungern. Ich liebe sie zu sehr, als dass ich das von ihr verlangen würde. Du weißt sehr gut, dass ich nichts besitze und auch nichts zu erwarten habe. Deshalb kann ich mich unter den gegenwärtigen Umständen nicht verloben. Mein himmlischer Vater aber weiß, was das Beste ist. ‚Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen‘, sagt Er in Seinem Wort. Ich muss im Glauben leben, in einfältigem Glauben an Ihm hangen, und Er wird alles herrlich hinausführen.

Denke nicht von mir, ich sei kühl oder gleichgültig! Doch was könnte ich tun? Ich liebe sie. Der Gedanke, einmal ohne sie nach China zu ziehen, ist für mich unausdenkbar. Ich kann sie aber auch nicht in Not bringen. Bete doch für mich!

Du meinst also, ich könnte sie bestimmt für mich gewinnen? Ausgerechnet das darf nicht sein. Woher weißt Du, dass ich sie haben könnte? Bitte, lass es mich doch wissen; denn ich bin sehr besorgt.

Wer aber wird mich einmal aussenden? Die Methodisten haben in China keine Arbeit. Weil ich nicht ordiniert bin, kann ich nicht in Verbindung mit der Kirche arbeiten. Die Baptisten und Unabhängigen haben in China zwar Stationen, aber ich teile ihre Ansichten nicht. Die Chinesische Gesellschaft verfügt nur über geringe Mittel, darum ist Gott allein meine Hoffnung. Ich brauche auch keine andere.

Ich wünsche mit Dir, die Angelegenheit könnte Weihnachten entschieden werden. Schreibe mir doch, ob sie denkt oder weiß, dass ich sie liebe! Meinst Du, ich bedeute ihr etwas? Bitte beantworte meine Fragen genau!“

Amalie muss ihm auf diesen Brief geantwortet haben. Ihr Schreiben schien ihn verwirrt, aber doch ermutigt zu haben.

„Wie oft habe ich Deine Briefe gelesen“, schrieb er zwei Wochen später, „vor allem Deinen letzten. Während ich diesen durchlese, bin ich voll widersprechender Hoffnungen und Befürchtungen. Ich will aber unbedingt Gott vertrauen.“

„Ich habe mich entschlossen, keine Zeit mehr mit Brief schreiben zu verlieren“, schrieb er später, „sondern mich in allem für das Werk meines Meisters einzusetzen. Möge Er mir helfen! Ich möchte Ihn auf allen meinen Wegen ehren. Er soll meinen Weg bestimmen. Weil ich mich zum Verlassen meines Heims entschlossen habe, bitte ich Dich, meiner vor Gott zu gedenken, dass Er mir eine geeignete Arbeit zeigt, wo ich Gutes tun und empfangen kann, damit ich für China zugerüstet werde.“

Bald darauf schrieb er an Mr Pearse in London. Es lohnt sich, diesen Brief einzufügen, zeigt er doch die Sorgfalt im Kleinsten und sein Verantwortungsbewusstsein.

„21 Cheap Side, Barnsley

23. März 1851

Mr George Pearse

Lieber Herr!

Sie denken wahrscheinlich, ich hätte die Chinesische Gesellschaft vergessen und interessierte mich nicht mehr dafür, weil ich so lange nichts von mir hören ließ. Doch dem ist nicht so, obgleich ich ihr durch die Arbeitslast nicht die gewünschte Aufmerksamkeit schenken konnte. Ich habe etwas mehr als zwei Pfund Kollekte einnehmen können. Bitte schreiben Sie mir, wie ich Ihnen das Geld zustellen kann! Inzwischen werde ich mein Möglichstes tun, um einige weitere Abonnenten zu gewinnen, denn das Wohl Chinas liegt mir sehr am Herzen. Ich möchte für dieses große Werk tauglich werden.

Bitte entschuldigen Sie die Eile und glauben Sie mir!

Ihr in unserem auferstandenen Herrn J. H. Taylor.“

Nachdem er die gewünschte Antwort erhalten hatte, schrieb er:

„Ich habe das Geld Ihren Anweisungen gemäß eingezahlt. Sie werden es am Montag erhalten. Bitte senden Sie mir eine Bestätigung, damit ich sie den Abonnenten vorweisen kann und sie sehen, dass das Geld eingesandt wurde!

Haben Sie vielleicht einen Bericht über das Werk Ihrer Gesellschaft, und wie die Mittel verwendet werden? Ich lege dem Brief eine Liste der Geber bei. Die Gaben sind klein, doch zweifle ich nicht daran, dass ich mehr einnehmen werde, sobald mehr über die Gesellschaft und ihre Tätigkeit bekannt wird. Das Feld ist tatsächlich groß, während die gegenwärtig angewandten Mittel zu seiner Entwicklung wahrscheinlich unzulänglich sind. Doch kann etwas Rechtes ‚nicht durch Macht oder Kraft‘, sondern nur durch den Einfluss des Heiligen Geistes erreicht werden. Dazu gebraucht Gott oft das Schwache dieser Welt, um die Starken unsicher zu machen. Er und Er allein vermag geeignete Arbeiter zu berufen und auszurüsten und jene, die bereits auf dem Felde sind, zu segnen und zu gebrauchen.

Ich selbst habe mich im Glauben auf Seinen Ruf der Missionsarbeit in China geweiht und studiere gegenwärtig Medizin, besonders Chirurgie, damit ich dadurch später einmal Gelegenheit zum Dienst habe. Vielleicht kann ich mich so auch besser in China durchbringen. Das lasse ich aber in Seiner Hand, weil ich glaube, dass nach Seiner Verheißung alle Dinge ‚hinzugetan‘ werden, wenn ich zuerst das Reich Gottes und Seine Gerechtigkeit suche.

Jede Anregung, die Sie mir zur Förderung der Sache vermitteln können, werde ich dankbar entgegennehmen, weil ich alles unternehmen will, um einmal brauchbar zu sein. Ihr in unserm auferstandenen Herrn

J. H. Taylor.“

Mr Pearse war offensichtlich tief beeindruckt. Er scheint sich mit seinem Komitee besprochen und daraufhin Hudson geantwortet zu haben, dass die Gesellschaft sich bereit erkläre, seine medizinische Ausbildung zu übernehmen, falls sie ihn als geeigneten Kandidaten annehmen würde.

Inzwischen hatte sich in Hull eine Stelle als Assistent bei einem bekannten Arzt, Dr. Hardy, gefunden. Dieser war mit einer Tante Hudsons verwandt. Obgleich nicht London, schien es gerade das zu sein, was er suchte. Von hier aus konnte er Barton leicht erreichen, wo Amalie und die junge Musiklehrerin noch immer in Mrs Hudsons Schule lebten.

1 Die durch den Nanking-Vertrag geöffneten Städte waren Kanton, Amoy, Fuchow, Ningpo und Schanghai. Dieser Vertrag bildete den Abschluss des Opiumkrieges mit England im Jahre 1942.

2 Die Reihenfolge der in diesen Städten begonnenen Tätigkeit britischer Missionsgesellschaften:

1807 Die London Missionary Society. Robert Morrison war ihr erster Vertreter in Kanton.

Nach dem Vertrag mit Nanking:

1843 Die Britische und Ausländische Bibelgesellschaft,

1844 Die Church Missionary Society,

1845 Die Baptist Missionary Society,

1847 Die English Presbyterian Mission, Rev. William Burns war ihr erster Vertreter.

Hudson Taylor

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