Читать книгу Ratekrimis für Jugendliche – 40 spannende Geschichten zum Raten - H.P. Karr - Страница 4

02. Ein Fall für Betty

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Betty hatte nichts gegen Stefan. Überhaupt nicht. Betty mochte Stefan sogar, und das nicht nur, weil er ihr gerade seine Matheaufgaben zum Abschreiben gegeben hatte. Bloß das Stefan sie immer »Blondie« nannte, mochte sie nicht.

»Was sagt denn dein Vater dazu, wenn du dich in seine Arbeit als Kommissar einmischst?«, fragte sie, während sie schnell die Lösungen für die drei Gleichungen in ihr Heft eintrug. Auf dem Schulhof des Einstein-Gymnasiums herrschte wie immer in der großen Pause Radau. Frau Schiller und Herr Kindler hatten Aufsicht und sorgten dafür, dass die Raucher aus der Oberstufe in ihrer Ecke blieben und es keine Prügeleien zwischen den Jungs aus der Unterstufe gab.

Stefan zuckte mit den Schultern. »Warum soll mein Vater etwas dagegen haben? Schließlich will ich später auch mal zur Kripo!«

»Ach!« Betty klappte ihr Matheheft zu.

»Mein Vater bildet neben seiner Arbeit im Einbruchsdezernat junge Polizisten an der Polizeischule aus und gibt Kurse für Kollegen aus anderen Städten«, erklärte Stefan.

»Klingt interessant!«, meinte Betty.

Stefan sah sie an.

»Ist was?«, wollte sie wissen.

»Du bist im Zirkus aufgetreten?«

»Im Varietee«, berichtigte Betty. »Als Assistentin bei meinem Vater. Er möchte, dass ich später einmal seine Nummer übernehme.«

»Und was für eine Nummer ist das?«

Betty hielt Stefan grinsend seinen Schlüsselbund hin. »Er ist einer der besten Zauberer, die es gibt. Seine Spezialität sind Taschendieb-Tricks.«

Stefan starrte verblüfft auf seine Schlüssel. »Du hast doch nicht etwa...«

Mit einem zufriedenen Lächeln gab Betty ihm den Schlüsselbund zurück. »Doch, hab ich.«

»Ich habe gar nichts gemerkt!«, sagte Stefan.

Wieder grinste Betty. »Natürlich nicht! Sonst hätte ich ja auch was falsch gemacht. Bei einem Taschendieb merkst über überhaupt nichts!« Und damit hielt sie Stefan sein Portmonee hin, das er eben noch in der Hosentasche gehabt hatte.

Dass Stefan Betty am Nachmittag auf der Wiese neben dem Recyclinghof wiedertraf war reiner Zufall. Oder auch nicht, denn irgendwie hatte er sich daran erinnert, wie sie gesagt hatte, dass sie nachmittags manchmal auf der Wiese wäre. Betty hatte eine Decke ausgebreitet und brütete über ihren Englisch-Aufgaben.

»Hi!«, sagte sie, als Stefan auftauchte. »Bist du in Englisch genauso gut wie in Mathe?«

»Geht so«, meinte Stefan. Jedenfalls waren sie zusammen gut genug, um die Aufgaben ziemlich schnell fertig zu machen.

»Super!« Betty verstaute ihre Sachen in ihrem Rücksack. Als ihr Handy herausfiel, hob Stefan es auf. »Gibst du mir deine Nummer?«

»Wozu?«

Stefan wedelte mit seinem Handy. »Damit ich dir schreiben kann. Und zum Anrufen.«

»Du willst mich anrufen?

»Warum nicht?«

»Na gut.«

Stefan programmierte gerade Bettys Nummer ein, als drüben auf dem Recyclinghof ein Motor aufheulte und gleich darauf Reifen quietschten. Ein dunkler Volkswagen schoss aus der Einfahrt raste davon.

»Komisch!«, sagte Betty.

Stefan spitzte die Ohren. »Ich glaube, da ruft jemand um Hilfe!«

In einem großen Bereich des Recyclinghofes türmten sich meterhoch alte Waschmaschinen, Kühlschränke und Küchenherde. Weiter hinten waren Autowracks gestapelt, und überall gab es Haufen mit Metallschrott. »Altmetall Gert Hunold« stand auf der Tafel über dem properen Bürocontainer.

»Hallo?«, rief Betty.

Nichts.

Stefan kletterte die Metallstufen zum Bürocontainer hoch und sah drinnen nach. Der Platz hinter dem abgestoßenen Schreibtisch war leer. Auf dem Computermonitor flimmerte der Bildschirmschoner. »Niemand da!«, meldete er.

Betty spitzte die Ohren. »Da hinten!«

»Da hinten« war hinter dem Bürocontainer, und da fanden sie schließlich den Schrottplatzbesitzer. GERT stand auf dem Etikett an der Brust seines verdreckten Blaumanns. »Hilfe!«, stöhnte Gert Hunold. Er lag mit den Beinen unter einem zerschrammten Gefrierschrank. Um ihn herum türmten sich ausrangierte Küchengeräte.

Stefan versuchte den Gefrierschrank anzuheben. »Ich schaffe es nicht!«, stöhnte er. »Los, Betty, fass mal mit an!«

Aber auch gemeinsam gelang es ihnen nicht, den schweren Schrank hochzuheben. Stefan zog sein Handy heraus und wählte den Notruf. »Ich rufe die Feuerwehr!«

Der Schrotthändler verdrehte die Augen. »So ein verdammter Mist!«, fluchte er. »So ein Mist, verdammter!«

»Tut Ihnen was weh?«, fragte Betty. »Haben Sie sich was gebrochen?«

Gert Hunold schüttelte heftig den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich hänge hier nur fest!«

Während Betty sich um Hunold kümmerte, sah Stefan sich um. Die Stelle, an der der hohe Gefrierschrank gestanden hatte, war noch deutlich zu erkennen. Die Umrisse des Rahmens hatten sich im Boden eingedrückt, das Gras unter der Standfläche war gelb. Direkt daneben blitzte etwas in der Sonne. Ein silberner Löffel, mit einem Wappen am Stiel. Zwei frische Fußspuren konnte Stefan noch in dem Matsch ausmachen. Die eine - eine geriffelte Gummisohle - stimmte genau mit den Gummistiefeln des Schrottplatzbesitzers überein. Die andere war ebenso frisch und stammte offenbar von ein Turnschuhen. Nur knapp einen Meter weiter lag ein leerer Besteckkasten, der so neu war, das er zwischen dem Schrott auffiel. »Leer!«, stellte Stefan fest, als er den Kasten öffnete.

»Was ist denn?«, flüsterte Betty.

»Irgendwas stimmt hier nicht!«, erwiderte Stefan ebenso leise.

Ehe er erklären konnte, was er meinte, rollte schon der Einsatzwagen der Feuerwehr auf den Platz. Der Einsatzleiter erfasste die Lage von Gert Hunold sofort und versuchte, den Gefrierschrank anzuheben. Doch es gelang ihm nicht, ihn von der Stelle zu bewegen. Erst als ihm ein Kollege zur Hand ging, schafften sie es gemeinsam, den Schrank zur Seite heben. Stöhnend setzte der Schrotthändler sich auf. Er betastet seine Beine. »Alles heil!«

»Bleiben Sie sitzen, bis der Krankenwagen kommt!«, riet der Einsatzleiter. »Wie ist das eigentlich passiert?«

»Ich habe einfach nur Pech gehabt!«, jammerte Gert Hunold. »Der Schrank ist auf mich draufgefallen.«

Betty sah, wie Stefan die Stirn in Falten legte. Zugleich nagte er mit den Schneidezähnen an der Unterlippe. Irgendetwas schien ihn zu stören. Dann fiel auch ihr auf, was Stefans Misstrauen erregt hatte.

Aber da sagte Stefan auch schon: »Hier sind doch noch Fußspuren von einer zweiten Person!« Er deutete auf die Spuren der Turnschuhe. »Außerdem lag noch dieser silberne Löffel hier, und dort der leere Besteckkasten.«

Der Einsatzleiter der Feuerwehr sah sich den Löffel genau an. »Das Wappen kenne ich doch!«, sagte er mit einem langen Blick zu dem Schrotthändler. »Es war letzte Woche in der Zeitung abgebildet, als Einbrecher auf dem Schloss des Grafen Kemper oben auf dem Berg eingestiegen und das 168-teilige Silberbesteck der gräflichen Familie gestohlen hatten!«

Betty spürte, wie ihr Nacken prickelte. Das wurde ja richtig spannend - wie war der Löffel aus dem Diebesgut hier auf den Schrottplatz gekommen?

Der Feuerwehrmann hielt Hunold den Löffel hin. »Was ist hier passiert?«

Hunolds Blick flackerte. »Der Junge hat Recht«, sagte er mit einem bösen Blick zu Stefan. »Ich war nicht allein. Mein Neffe Udo war noch hier. Er hilft mir manchmal auf dem Platz, aber so richtig getraut habe ich ihm nie. In den letzten Tagen hat er sich immer hier hinten herumgetrieben. Heute wollte ich einmal nachschauen, was er dort tat. Ich habe beobachtet, wie er den Gefrierschrank hier zur Seite gehoben hat und dann den Besteckkasten aus dem Versteck dahinter holte. Da war mir klar, dass Udo in irgendwelche unsauberen Sachen verwickelt war. Ich habe ihn zur Rede gestellt. Er ist wütend geworden und hat den Gefrierschrank umgestoßen, sodass er auf mich fiel. Dann hat er das Silberzeug aus dem Besteckkasten in eine Plastiktüte gepackt und sich davongemacht!« Hunold hob hilflos die Schultern. »Mich hat er hier liegen gelassen. Wenn der Junge und seine Freundin mich nicht gefunden hätten...«

Seine Freundin! Betty wurde rot, aber als sie sah, dass auch Stefan rot wurde, fand sie das gar nicht mehr schlimm. Stefan ihm denn jetzt schon wieder verdächtig vorkam. Dann fiel auch ihr es auf. »Der Mann lügt ja!«, sagte sie. Die Feuerwehrmänner schauten sie verblüfft an. Stefan hatte schon sein Handy herausgeholt. »Kriminalpolizei?«, fragte er. »Kann ich mal Kommissar Hansen sprechen?«

»He!«, meinte der Einsatzleiter der Feuerwehr. »Wie kommt ihr beiden darauf, dass der Schrotthändler hier nicht die Wahrheit erzählt hat?«

Betty zwinkerte Stefan zu. »Aber das ist doch ganz logisch!«

Und Stefan sagte: »Herr Hunold hat bestimmt zusammen mit seinem Neffen Udo den Einbruch beim Grafen begangen. Sie haben die Beute hier versteckt und sind heute wohl darüber in Streit geraten - und dann hat sich Udo damit davongemacht und seinen Komplicen hier hilflos liegen gelassen.«

Was war Stefan und Betty aufgefallen?

Lösung:

Der Schrotthändler behauptete, sein Neffe habe den schweren Gefrierschrank allein zur Seite gehoben, um an die versteckte Beute zu kommen. Das konnte nicht stimmen: der Schrank war so schwer, dass erst zwei Feuerwehrleute es schafften, ihn beiseite zu heben. Also konnte auch Udo nur mit Hunolds Hilfe den Schrank zur Seite bewegt haben.

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