Читать книгу Ratekrimis für Jugendliche – 40 spannende Geschichten zum Raten - H.P. Karr - Страница 8
06. Der John Lennon-Coup
ОглавлениеStefan hatte von manchen der Musiker, von denen Dieter Schiffer Autogramme besaß, noch nie etwas gehört. Schiffer hatte einen kleinen CD-Laden hier am Rand der Altstadt, aber viele seiner Besucher kamen nicht her, um sich das neueste Album irgendeiner Boygroup zu kaufen, sondern um sich Schiffers Autogrammsammlung in dem kleinen fensterlosen Raum hinter dem Geschäft anzusehen.
»Kennst du den?« Betty zeigte auf das Bild eines dicklichen Mannes in einem mit Glitzersteinen besetzten weißen Showanzug. »E- l - v - i« versuchte sie das Autogramm zu entziffern.
»Das ist Elvis Presley!«, stöhnte Stefan. »Den kenne ja sogar ich. Mein Großvater hat noch eine Menge alter Schallplatten von ihm!«
Der kleine Ausstellungsraum hatte nur eine Tür zum Laden, und durch die kam Schiffer jetzt herein. »Feierabend!« Er klatschte in die Hände. »Ich schließe den La...« Er brach ab und starrte auf einen Ausstellungstisch. »Das darf doch nicht wahr sein! Meine Beatles-Sammlung!«
Stefan und Betty sahen sofort, was er meinte: Von den vier Autogrammkarten, die ausgestellt gewesen waren, fehlte eine. Schiffers Stimme überschlug sich fast: »Diese vier Autogramme gehörten zusammen - ich habe sie mir persönlich geholt, als die Beatles auf Tournee hier in Deutschland waren.« Er deutete auf die drei Autogramme von George Harrison, Paul McCartney und Ringo Starr. »Jeder hat mir sein Autogramm persönlich gewidmet: For my friend Dieter Schiffer.«
Die Autogrammkarten steckten in aufstellbaren Plexiglasrahmen. An dem Platz, an dem das Bild von John Lennon gestanden haben musste, lag ein zusammengefalteter Brief.
»Vorsicht!«, sagte Stefan, als Schiffer danach griff. »Da könnten Fingerabdrücke...« Doch Schiffer hatte den Brief schon auseinandergefaltet. Stefan konnte mitlesen: »Wenn Sie das John Lennon-Autogramm wieder haben wollen, halten Sie tausend Euro bereit«, stand da in der Schrift eines Computerdruckers.
Schiffer schluckte. »Was soll das?«
»Das ist doch ein Fall für uns!« Betty präsentierte Schiffer eine Visitenkarte der DREI DETEKTIVE. »Sie haben doch bestimmt schon von uns gehört!«
»Heute Mittag waren alle vier Autogramme noch da!«, sagte Schiffer hektisch. »Um vierzehn Uhr, als ich den Laden geöffnet habe und die Alarmanlage hier hinten im Ausstellungsraum einschaltete, stand das John Lennon-Autogramm noch an seinem Platz.«
Stefan sah sich die beiden Metallschranken am Durchgang zum Plattenladen an. »Das ist Ihre Alarmanlage?«
Dieter Schiffer nickte. »Sie funktioniert genauso wie die Diebstahlsicherungen in Kaufhäusern. Auf jedem Autogramm ist ein Sicherheitsetikett angebracht, das einen Alarm auslöst, sobald man es durch die Sicherheitsschranke dort bewegt.«
»Aber heute Nachmittag wurde kein Alarm ausgelöst?«, vergewisserte sich Betty.
»Nein. Es waren auch nur ein paar Leute im Laden und hier in der Ausstellung.« Schiffer überlegte. »Ludmilla, meine geschiedene Frau!«, sagte er dann etwas kleinlaut. »Sie bekommt noch Geld von mir. Und mein Bruder Kuno. Der ist ständig pleite und versucht sich dauernd Geld von mir zu leihen. Ludmilla war gegen vierzehn Uhr zwanzig hier und ging zehn Minuten später. Sie hat ungefähr fünf Minuten hier hinten in der Ausstellung verbracht, weil ich gerade vorn im Laden einen Kunden bedient habe. Kuno kam dann gegen fünfzehn Uhr und hat versucht, mich anzupumpen. Als ich ihm kein Geld gegeben habe, hat er sich im Laden umgeschaut und ist danach noch kurz hier in den Ausstellungsraum gegangen. Was er hier gemacht hat, habe ich nicht gesehen, weil ich vorn auf ein paar Teenager aufpassen musste. Ihr wisst ja, diese Teenager...«
»...klauen manchmal!«, ergänzte Stefan, als Dieter Schiffer verstummte.
Schiffer nickte. »Ja.«
Betty hatte inzwischen an der Wand einem Schaltkasten entdeckt. »Wird hier die Alarmanlage ein- und ausgeschaltet?«
»Ja, genau.« Schiffer öffnete den Kasten und stutzte. »Sie ist abgeschaltet worden«, stellte er fest und schüttelte fassungslos den Kopf. »Aber dazu muss man den Nummerncode kennen! Außer mir wissen nur Ludmilla und Kuno die richtigen Zahlen.«
Für Stefan war damit zumindest schon eins klar: »Einer der beiden hat also heute Nachmittag die Alarmanlage ausgeschaltet und beim Hinausgehen das John-Lennon-Autogramm mitgenommen und seinen Erpresserbrief hingelegt. Dass er den ausgedruckten Brief schon mitgebracht hatte, spricht dafür, dass der Diebstahl geplant war.«
Betty nagte an ihrer Unterlippe. Das hatte sie sich von Stefan abgeschaut. Sie fragte: »Aber wieso verlangt der Dieb denn von Herrn Schiffer tausend Euro für das Autogramm. Wieso versucht er denn nicht, das Autogramm einfach zu verkaufen. Es gibt sich überall Autogrammbörsen, und sogar im Internet.«
»Das gestohlene Autogramm ist doch genau zu identifizieren!«, sagte Stefan. »Es steht FOR MY FRIEND DIETER SCHIFFER über der Unterschrift.«
»Genau«, sagte Dieter Schiffer. »Und weil es zu den anderen Autogrammen von Paul, George und Ringo hier gehört, kann der Dieb fest damit rechnen, dass ich auch alles dafür geben würde, um es zurückzubekommen.«
Betty sah Stefan an. »Und was nun?«, fragte sie. »Zwei Verdächtige scheinen wir ja zu haben.«
Stefan brauchte nicht lange zu überlegen. Er drückte Dieter Schiffer sein Handy in die Hand. »Rufen Sie Ihre geschiedene Frau und Ihren Bruder an und bitten Sie sie, vorbeizukommen!«, sagte er. »Aber erwähnen Sie auf gar keinen Fall die Autogramme und dass eins davon gestohlen ist!«
Dieter Schiffer zögerte einen Moment. Dann wählte er eine Nummer. »Ludmilla? Könntest du vorbeikommen? Wir können uns noch einmal über das Geld unterhalten, das du von mir bekommst.«
Nachdem er aufgelegt hatte, wählte er erneut. »Kuno? Komm doch noch einmal vorbei. Vielleicht kann ich dir doch etwas Geld leihen!«
Er gab Stefan das Handy zurück. »Ich hoffe, ihr wisst, was ihr tut!«, meinte er. Sein Blick fiel auf die drei restlichen Autogramme der Beatles. »Die räume ich am besten weg, damit mir nicht noch eines gestohlen wird!«
»Genau!«, sagte Stefan und schaute zu, wie Schiffer die drei Autogramme in einen Stahlschrank einschloss.
»Einer von Ihnen beiden hat hier heute Nachmittag eins der wertvollen Beatles-Autogramme gestohlen!«, sagte Stefan eine Stunde später zu Ludmilla Schiffer und zu Dieters Bruder Kuno. »In einem Brief verlangt der Dieb tausend Euro für die Rückgabe.«
Ludmilla Schiffer sah sich in dem Ausstellungsraum um. Ihr Blick streifte den leeren Tisch, auf dem die Beatles-Autogramme gestanden hatten.
»Und was habt ihr beide damit zu tun?«, wollte sie von Stefan und Betty wissen.
»Wir versuchen den Diebstahl aufzuklären!«, sagte Betty. Dieter Schiffer lehnte neben der Tür und sah sich alles schweigend an. Sein Bruder Kuno wanderte etwas nervös zwischen den Tischen mit den Autogrammen der Beach Boys, der Bee Gees und der Backstreet Boys auf und ab. »Kinder als Detektive!«, schnaufte er in Dieters Richtung. »Du spinnst ja!«
Ludmilla meinte spitz: »Wenn es um eines seiner Autogramme geht, wird Dieter sich ja wohl nicht lumpen lassen und bezahlen. Aber als Erpresserin wäre ich nicht so blöd, Briefe zu hinterlassen. Telefonisch ist das viel einfacher - ich hätte angerufen und meine Forderung gestellt. Oder eine Textnachricht geschickt!«
Kuno riss sich von einem T-Shirt los, auf dem sich Carlos Santana mit einem Autogramm verewigt hatte. »Also wenn ich an der Stelle des Erpressers wäre«, sagte er, »würde ich die tausend Euro nehmen und das geklaute Autogramm trotzdem weiterverkaufen. So ein echter John Lennon bringt in Sammlerkreisen bestimmt seine zwei- bist dreitausend Euro!
»Die Autogramme sind doch alle Dieter persönlich gewidmet, wenn ich mich richtig erinnere!«, mischte Ludmilla sich ein.
»Na und?«, zuckte Kuno mit den Schultern. »Manche Sammler kümmert es nicht, wenn so eine wertvolle Autogrammkarte aus dubiosen Quellen auftaucht!«
Betty und Stefan bemerkten, dass Dieter Schiffer etwas nervös wurde. Sie konnten es ihm auch nicht verdenken, dass er endlich wissen wollte, wer ihn bestohlen hatte. Betty zog Stefan zur Seite. »Ich glaube, ich weiß, wer der Dieb ist!«, flüsterte sie.
»Ich auch!«, sagte Stefan und wandte sich an Dieter Schiffer: »Ihr Bruder Kuno hat Sie bestohlen, das ist jetzt ganz klar!«
Wie kam Stefan dem Täter auf die Spur?
Lösung:
Kuno wusste als Einziger, dass das Autogramm von John Lennon gestohlen worden war, obwohl Stefan nur von »einem der wertvollen Beatles-Autogramme« gesprochen hatte und Dieter Schiffer vor dem Eintreffen von Ludmilla und Kuno die restlichen drei Autogramme weggeschlossen hatte.