Читать книгу Ratekrimis für Jugendliche – 40 spannende Geschichten zum Raten - H.P. Karr - Страница 5
03. Diebstahl in der U-Bahn
ОглавлениеIn der U-Bahn herrschte wieder einmal das übliche Gedrängel - wie jeden Dienstag, wenn sie nur fünf Stunden hatten und deshalb in den Mittagsverkehr gerieten. »He!«, protestierte Max, als Stefan ihm beim Einsteigen auf den Fuß trat.
»Sorry!«, sagte Stefan, aber in Wirklichkeit war es ihm irgendwie egal, denn in diesem Moment kam Betty über den Bahnsteig gehetzt. Sie schaffte es gerade noch in den Wagen.
Max fand, dass sich Betty ziemlich auffällig für Stefan interessierte. Das lag wahrscheinlich daran, dass Stefan Skateboard fuhr und so blond war wie die Jungs von der Boygroup, für die alle Mädchen in Moment schwärmten.
»Ich habe gehört, dass ihr Detektiv spielen wollt?«, meinte Max zu Stefan und Betty. »Stimmt das?«
Betty musterte Max. Max war etwas kleiner als sie, und auch ein bisschen weniger sportlich. Aber dafür hatte er ein nagelneues Smartphone dabei.
»Detektiv spielen?«, fragte sie grinsend. »Lass mich raten: Du willst dabei mitmachen?«
Max nickte. »Ich kann alle Informationen heranschaffen. Ich habe einen neuen Computer daheim, mit superschnellem Internet-Anschluss und...«
»Detektive brauchen keine Computer!«, meinte Stefan. »Detektive brauchen Beobachtungsgabe, logisches Denkvermögen und Intuition.«
»Hab ich auch!«, meinte Max. Natürlich hatte er das. Hatte das nicht jeder?
Betty war seltsam still geworden. Sie stieß Stefan an. »Siehst du das?«
Ein schlanker, gut gekleideter junger Mann mit Gel im Haar hatte seine Hand in den Rucksack einer blonden Frau geschoben, die sich gerade mit ihrem Stadtplan beschäftigte. Allem Anschein nach war die Blondine eine Touristin. Und der Mann…
»Der klaut!«, zischte Max.
»Und zwar ziemlich geschickt!«, kommentierte Betty. Immerhin war ihr Vater ein Variete-Zauberer und hatte ihr ein paar Taschendieb-Tricks beigebracht.
Der junge Bursche zog ein grünes Portmonee aus dem Rucksack der Blondine und wandte sich dann schnell um.
»Nächste Haltestelle Burgplatz!«, kam die Ansage aus den Lautsprechern.
»Wir müssen die Polizei holen!« Stefan hantierte mit seinem Handy.
»Hier im Tunnel funktioniert dein Handy nicht!«, belehrte Max ihn: »Aber auf dem Bahnsteig stehen immer Männer vom Sicherheitsdienst. Sagt denen Bescheid. Ich halte den Dieb auf!«
Ehe die beiden noch fragen konnten, was er damit meinte, stoppte die U-Bahn auch schon. Stefan und Betty drängten sich nach draußen, um nach den Männern des Sicherheitsdienstes Ausschau zu halten. Auch der Dieb hatte es auf einmal ziemlich eilig - er stieg aus und ließ dabei das Portmonee fallen. Als er sich zur Rolltreppe wandte, zerrte Max auf einmal an seiner Jacke und rief mit weinerlicher Stimme: »Nein, bitte, Vati, lass mich nicht alleine, bitte, bitte nicht!«
Die ersten Leute wurden aufmerksam, als der Dieb versuchte, sich von Max loszumachen. Max klammerte sich aber noch fester an ihn und jammerte weiter: »Ich will nicht zurück ins Heim! Ich möchte weiter bei dir bleiben.«
Der Dieb sah sich hektisch um. »Unerhört!«, sagte eine Frau.
»Der arme Junge!«, meinte jemand anderes.
»Das ist nicht mein Junge!«, schrie der Dieb. Er versuchte wegzulaufen, aber Max hielt ihn fest. Und dann tauchten auch schon Betty und Stefan mit zwei Wachmännern auf.
Zehn Minuten später saßen Max, Betty und Stefan im kargen Wachzimmer des Sicherheitsdienstes. Fenster gab es nicht, denn das Büro lag gleich am Bahnsteig auf der untersten Ebene der U-Bahn-Station. An den Metalltischen spielten ein paar Wachleute Skat.
Hinter einer Glastür, im Büro des Schichtleiters, wurde im Moment der Taschendieb befragt. Die Polizei war auch schon verständigt. Am Wachtisch mit den zahlreichen Videomonitoren knatterte der Sprechfunk. »Wir haben die blonde Touristin gefunden, die bestohlen worden ist!«, meldete sich eine Streife, die am nächsten Bahnhof gewartet hatte. »Wir bringen sie mit der nächsten U-Bahn zum Burgplatz zurück.«
Max lächelte zufrieden. »Damit hätten wir den Fall ja aufgeklärt!« Betty musterte ihn - zum ersten Mal richtig, wie es Max vorkam. »Das war eine gute Idee von dir, um den Dieb aufzuhalten!«, sagte sie.
»Detektive müssen nicht nur logisch denken, sondern auch improvisieren können!«, sagte Max.
Stefan schüttelte ungläubig den Kopf. »Nun hör dir diese halbe Portion an!«, grinste er.
Max war das gewohnt. »Frau Schiller hat euch doch erklärt, warum ich mit vierzehn schon in eure Klasse gehen darf!«, sagte er.
Betty sah Stefan fragend an. »Hat sie?«
»Max ist hochbegabt!«, sagte Stefan. »In der Klasse mit den Gleichaltrigen hat er sich gelangweilt. Er lernt unheimlich schnell und hat deshalb zwei Schuljahre überspringen dürfen.«
»Genau!«, sagte Max und setzte schnell hinzu: »Nicht, dass ich mir was darauf einbilde, dass ich schlauer bin...«
»Natürlich nicht!«, meinte Betty und schaute Max ganz unschuldig an. »Hast du nicht gesagt, dass du ein Smartphone hast?«
»Klar!« Max griff ins eine Tasche ... das Handy war weg.
»Suchst du das hier?« Grinsend hielt Betty ihm das Handy hin.
»Sie ist eine Taschendiebin!«, meinte Stefan.
»Ich bin im Variete groß geworden!«, stellte Betty richtig. »Ich kann klauen, aber ich bestehle keine Leute.« Sie gab Max sein Handy zurück, und ehe der sie fragen konnte, wie sie es geschafft hatte, ihm das Gerät aus der Tasche zu stehlen, kam der Wachleiter aus dem Büro.
»Jetzt zu euch dreien!«, meinte er. »Den Taschendieb haben wir erst einmal in einen Raum gebracht, wo er auf die Polizei wartet. Nun brauchen wir noch eure Aussagen.«
Im Büro des Wachleiters erspähte Stefan sofort in einem Plastikkasten die Sachen, die man dem Taschendieb abgenommen hatte. Während Betty und Max erzählten, was sie in der U-Bahn beobachtet hatten, sah Stefan sich die Sachen an:
-fünf Travellerschecks im Wert von 500 Euro
-ein paar Münzen im Wert von dreizehn Euro und 40 Cent
-eine Tageskarte für die U-Bahn für den heutigen Dienstag, den 14. Juni
-ein Streichholzheftchen aus der MONDIAL-Disco
-eine Schachtel filterlose Zigaretten
-eine angebrochene Packung Kaugummi,
-eine entwertete Eintrittskarte für das Klerkenbrock-Museum vom Freitag vergangener Woche und
-ein Schlüsselbund mit vier Schlüsseln
Der Wachleiter hatte Stefans Interesse für die Sachen bemerkt. »Das haben wir bei der Leibesvisitation bei dem Mann gefunden. Er hat sofort alle Sachen aus dem gestohlenen Portmonee eingesteckt und das leere Portmonee dann weggeworfen - aber wir haben es ja Gottseidank gefunden.«
»Alte Taschendieb-Regel«, meine Betty: »Man darf nie etwas behalten, was auf den Diebstahl hinweist!«
Der Wachleiter sortierte die Dinge: »Das hat er angeblich im Portmonee der Touristin gefunden: Die Schecks und den Münzen. Der Kaugummi, die U-Bahn-Tageskarte, die Eintrittskarte für das Museum und die Streichhölzer.« Er schob die Sachen auf eine Seite. »Alles andere, sagt er, gehört ihm: die Schlüssel und die Zigaretten.«
»Er hatte Zigaretten dabei, aber keine Streichhölzer?«, wunderte sich Stefan. »Und die Touristin soll Streichhölzer dabei gehabt haben - aber keine Zigaretten?«
»Das hat mich auch gewundert«, meinte der Sicherheitsmann und klappte das Briefchen mit den Streichhölzern auf. Zwei Streichhölzer waren herausgebrochen. Auf dem Deckel war mit Kugelschreiber etwas notiert: »Freitag, 13 Uhr Klerkenbrock-Museum, Saal 3. Bild 12.«
»Mysteriös!«, sagte Max. »Höchst mysteriös.«
»Der Dieb behauptet, er habe keine Ahnung, was das zu bedeuten habe, denn er sagt ja, dass die Streichhölzer der Touristin gehören!« Der Mann dämpfte vertraulich die Stimme. »Allerdings weiß ich von einem Bekannten bei der Polizei, dass man am Freitag letzter Woche im Klerkenbrock-Museum im Saal 3 gegen 12 Uhr ein Hehler verhaftet wurde, der bekannt dafür ist, dass er Taschendieben ihre Beute abkauft - Schmuck oder Uhren etwa. Gut möglich, dass unser Taschendieb mit dem Mann verabredet war.«
»Aber nur, wenn die Streichhölzer dem Dieb gehören«, meinte Max. »Denn in dem Briefchen ist der Termin im Museum notiert.«
»Das bestreitet der Dieb natürlich!«, sagte der Sicherheitsmann. »Er behauptet steif und fest, dass die Streichhölzer in der Tasche der Touristin gewesen seien.«
Ein Sicherheitsmann brachte die blonde Touristin herein. Die Frau lächelte Stefan, Betty und Max an. »Ich habe gehört, dass ihr eingegriffen habt, als ihr den ... wie sagt man... Pickpocket bemerkt habt!« Sie hatte einen amerikanischen Akzent. »Danke!«
»Miss Coltrane ist erst gestern angekommen!«, erklärte der Sicherheitsmann seinem Chef. Er zeigte ihm das Flugticket der Touristin. »Sie wohnt im Kronberg-Hotel. Sie studiert Kunstgeschichte und will sich hier verschiedene Museen ansehen.«
»Auch das Klerkenbrock-Museum?«, fragte Stefan plötzlich.
Die Amerikanerin nickte erstaunt. »Ja! Gleich morgen!«
Das war Moment, in dem Stefan die Stirn in Falten legte, aber ehe er etwas sagen konnte, meinte Max: »Damit ist jetzt sonnenklar, dass sie Streichhölzer hier nicht der bestohlenen Frau, sondern dem Dieb gehören!«
»Genau!«, sagte Stefan. »Das wollte ich auch gerade sagen.
Was war den beiden aufgefallen?
Lösung:
Es war Dienstag, als der Dieb die Amerikanerin bestahl. Die Amerikanerin war erst einen Tag zuvor - also am Montag - in der Stadt eingetroffen, wie ihr Flugticket bewies. Der in den Streichhölzern notierte Treff im Klerkenbrock-Museum war aber für den Freitag der vergangenen Woche angegeben, und da die bei dem Dieb gefundene Eintrittskarte für das Klerkenbrock-Museum bereits entwertet war, hieß dies, dass der Treff offenbar bereits am vergangenen Freitag stattgefunden hatte - als die Amerikanerin nicht gar nicht in der Stadt war.