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02. Überfall vor Ladenschluss

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Obwohl alles in dem Juwelierladen auf einen Überfall hindeutet, hat Kommissarin Marlene Kemper ein ungutes Gefühl. Der Tatortfotograf lichtet die feuchte Fußspur ab, die vom Eingang über den hellen Teppichboden zur Verkaufsvitrine führt, hinter der aufgeregt und immer noch scheinbar ganz unter dem Schock des Überfalls stehend, der Juwelier Horst Mack auf und ab geht. Die Fußspur führt um die Theke herum bis ins Büro des Ladens.

»Ich wollte gerade abschließen, als der Mann auftauchte!«, gibt der Juwelier gerade bei Marlenes Kollegen Krüger zu Protokoll. »Er bedrohte mich mit einer Pistole...«

»Und dann?« Marlene Kemper übernimmt die Befragung. Der Juwelier drückt eine Kompresse auf die Platzwunde an seiner Stirn. »Der Gangster zwang mich, ins Büro zu gehen. Er schlug mich mit der Waffe nieder. Ich war wohl einige Minuten bewusstlos. Als ich wieder aufwachte, taumelte ich nach vorn und sah, was er im Laden angerichtet hatte.«

Hilflos deutet er auf die leeren Vitrinen. Da sieht alles nach Profiarbeit aus: Modeschmuck und wertlose Stücke liegen noch zwischen den verwaisten Preisschildern auf den Samttabletts. Die wertvollen Stücke sind verschwunden.

»Wie viel fehlt?«, fragt Marlene Kemper.

Der Juwelier rauft sich die spärlichen Haare. »Brillantschmuck, Perlenketten. Der Schaden beträgt wohl eine halbe Million.«

»Sie haben hoffentlich Beschreibungen der Stücke?«

»Natürlich.« Der Juwelier führt Marlene in sein Büro. Marlene Kemper sieht, dass die feuchte Fußspur auf dem hellen Teppich dort direkt vor dem Schreibtisch abbricht.

»Hier, die Versicherungsunterlagen!« Der Juwelier drückt Marlene Kemper einen Aktenordner in die Hand. »Zum Glück habe ich die aktuelle Kollektion zusätzlich versichern lassen.«

»Wirklich - ein Glück!«, murmelt Marlene Kemper. Auf dem Schreibtisch des Juweliers entdeckt sie einen Stapel Rechnungen. Scheinbar desinteressiert blättert sie darin herum und sieht darunter auch ein paar dringende Mahnungen und gerichtliche Mahnbescheide. »Die Geschäfte gehen nicht gut?«, fragt sie den Juwelier und bietet ihm ein Pfefferminzbonbon an.

Mack lehnt dankend ab. »Das hat doch nichts mit dem Überfall zu tun, oder?«

»Wer weiß?«, sagt Marlene Kemper.

Eine halbe Stunde später kann der Leiter der Spurensicherung Marlene Kemper einen ersten Bericht geben: »Interessant sind die Fußspuren auf dem Teppich«, sagt er. »Feuchtigkeit und Sand. Der Sand scheint vom Spielplatz im Stadtpark auf der anderen Straßenseite zu stammen. Wir haben dort schon Vergleichsproben genommen.«

Kommissarin Marlene Kemper lässt den Juwelier in Krügers Obhut und verlässt das Geschäft, um sich drüben im Stadtpark auf der anderen Seite des Straße etwas umzusehen. Draußen herrscht seit Mittag ein düsteres Schauerwetter. Feiner Nieselregen schlägt Marlene ins Gesicht. In dem kleinen Pavillon am Kinderspielplatz sitzt eine traurige Gestalt auf der Plastikbank. Marlene geht zu dem Mann. »Hallo Berber-Kurt!«, sagt sie. »Immer noch kein Zuhause gefunden?«

»Ich kann sitzen, wo ich will!«, brummt der Mann in der schmutzigen Jacke. »Solange ich niemandem was tue.«

»Eben!«, meint Marlene Kemper. »Wie lange sitzt du schon hier? Hast du etwas von dem Überfall beim Juwelier gegenüber bemerkt?«

»Überfall?«, stottert Kurt. »Sie werden mir das doch jetzt nicht in die Schuhe schieben wollen?«

Marlene Kemper sieht an Kurt herunter. Er trägt verwaschene Jeans und dicke, unförmige Arbeitsschuhe mit hellen Sandstreifen an den Rändern der Sohle.

»Komm mal mit!«, fordert Marlene Kemper ihn auf.

Juwelier Mack starrt Berber-Kurt an wie einen Geist aus einer anderen Welt. Die Kommissarin hat den Obdachlosen in den Laden gebracht.

»Nein«, sagt Mack dann. »Das war nicht der Räuber!«

»Sehn Sie!«, verkündet Kurt und will sich umdrehen, doch Kommissarin Marlene Kemper hält ihn zurück.

»Wenn du schon hier bist, können wir auch ein kleines Experiment machen!«, meint sie. »Du spielst jetzt mal den Gangster, Kurt!«

Sie schiebt den protestierenden Mann zur Ladentür und winkt Mack heran. »Sie wollten also den Laden gerade abschließen...«

Widerstrebend folgt Mack den Anweisungen der Kommissarin. Kurt reagiert auf Marlenes Regieanweisungen wesentlich enthusiastischer. Er bedroht Mack mit dem ausgestreckten Zeigefinger, der eine Waffe darstellen soll und treibt den Juwelier durch den Laden ins Büro. Er hinterlässt dabei eine deutliche, feuchte Fußspur auf dem Teppich.

»Im Büro hat der Täter Sie also niedergeschlagen!«, sagt Marlene Kemper und drückt Mack in seinen Schreibtischsessel. »Um anschließend den Schmuck auszuräumen und zu fliehen.«

Mack nickt. Kurt geht aus dem Büro, wandert im Laden von Vitrine zu Vitrine und wendet sich dann zur Ladentür.

»Sehen Sie, was ich sehe?«, fragt Marlene Kemper den Juwelier? »Es ist der Beweis, dass Sie den ganzen Überfall von vorn bis hinten erfunden haben.«

Was meint Marlene?

Lösung:

Bei der Demonstration des Überfalls hinterließ Kurt auf dem Weg zum Büro feuchte Fußspuren auf dem Teppich, und genau so eine Spur hinterließ er auch, als er dann abschließend zur Ladentür zurückging. Diese letzte Fußspur war der Beweis, dass Juwelier Mack gelogen hatte: Wäre er wirklich überfallen worden, hätte der Gangster nicht nur die Fußspur hinterlassen, die von der Ladentür ins Büro führte, sondern auch eine Spur, die wieder aus dem Laden hinaus führte. Doch die einzige Fußspur, die gefunden wurde, war die, die bis uns Büro führte. Sie war von Mack selbst gelegt worden.

Ratekrimis zum Selberlösen : 40 x dem Täter auf der Spur

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