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04. Falle für den Sündenbock

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Kommissarin Marlene Kemper sieht deutlich, wie viel Überwindung es Andrea Uhlen kostet, in den Gegenüberstellungsraum zu treten. »Sehen Sie sich die Männer genau an«, sagt Marlene und deutet auf die sieben Männer, die durch den Einwegspiegel zu sehen. Andrea Uhlen nagt nervös an ihrer Unterlippe und lehnt das Pfefferminzbonbon ab, das Marlene ihr anbietet.

Die Männer stehen in einer Reihe drüben im Vorführraum. Sie sind alle um die 1,70 Meter groß, blond bis brünett, tragen Jeans, schäbige Lederjacken und Lederhandschuhe. Genauso hat Andrea Uhlen vor zwei Tagen den Mörder ihres Mannes beschrieben.

Jetzt steht Andrea stumm an der Glasscheibe. Ihre Hände zittern. Kommissarin Marlene Kemper sieht, wie ihr Kollege Nils Krüger, der sich drüben mit der Nummer 3 als »Verdächtiger« eingereiht hat, unruhig von einem Fuß auf den anderen tritt.

»Nummer 4«, sagt Andrea Uhlen plötzlich. »Das ist der Mann, der Gerhard erschossen hat. Ich werde diese stechenden Augen nie vergessen. Und die Form seiner Lippen und die Tätowierung auf dem Handrücken.«

Marlene nickt der Protokollführerin zu, die Andreas Angaben notiert und sagt: »Danke Frau Uhlen. Eine Beamtin wird Sie heimbringen.«

Mit der Akte des »Verdächtigen Nr 4« unterm Arm nimmt Marlene den Fahrstuhl hinauf zu den Büros der Mordkommission. Der Verdächtige Nummer 4 ist Leo Treske, in Ganovenkreisen auch der »schöne Leo« genannt. Aus seiner Akte weiß Marlene, dass er eine Menge auf dem Kerbholz hat. Es scheint also gut möglich, dass er jetzt sogar vor einem Mord nicht zurückgeschreckt ist.

Oder vielleicht hat er Gerhard Uhlen und seine Frau nur überfallen wollen und dabei die Nerven verloren?, überlegt Marlene. Anders kann sie sich den Mord nicht erklären.

Es ist am Dienstagabend geschehen. Andrea Uhlen und ihr Mann wollten nach einem Theaterabend heimfahren. Marlene erinnert sich noch genau an Andreas Zeugenaussage: »Auf dem Parkplatz des Theaters kam ein mittelgroßer, brünetter Mann in Jeans und Lederjacke auf uns zu. Er bedrohte uns mit einem Revolver und verlangte Geld. Doch als Gerhard nach der Brieftasche in sein Jackett griff, schoss der Gangster sofort.«

Andreas Mann war tödlich getroffen zusammengebrochen. Außer der Beschreibung, die Andrea von dem Mörder geliefert hat, gibt es nur noch ein paar vage Beobachtungen von Zeugen, die einen Mann hatten weglaufen sehen.

Marlene Kemper blättert noch in den Akten mit Andreas Aussage und Leo Treskes Vorstrafenregister, als ihr Kollege Krüger hereinkommt. Er ist immer noch in der Aufmachung, in der er eben in der Identifizierungsparade gestanden hat. Er zieht die Lederhandschuhe aus und schlüpft aus der Jacke. »Hat Andrea jemanden erkannt?«

Marlene nickt. »Sie hat Leo Treske identifiziert. Die Nummer 4.«

»Da bin ich aber überrascht«, sagt Krüger. »Leo macht doch normalerweise keine Raubüberfälle, sondern treibt nur brutal die Schulden für die Spielclubs ein.«

»Fragen wir doch Leo am besten einmal selbst!«, meint Marlene.

Doch als der »schöne Leo« der Kommissarin gleich darauf gegenübersitzt, hat er erst einmal selbst eine Frage an Marlene: »Wer hat mich verpfiffen?«

Marlene Kemper beschließt, mit offenen Karten zu spielen. »Es war ein anonymer Anrufer. Jemand sagte, du hättest Gerhard Uhlen auf dem Gewissen. Er nannte uns die Adresse des Appartements deiner Freundin, in dem wir dich dann gestern Abend geschnappt haben.« Sie zupft ein frisches Pfefferminz aus der Packung und bietet auch Leo eins an. Als er zugreift sieht Marlene den bunten Schmetterling, der auf seinem Handrücken tätowiert ist.

»Dieses Luder!«, knurrt er.

»Welches Luder?«

»Die Witwe«, grollt Leo. »Andrea Uhlen, so heißt sie doch, oder? Sie hat mich angeheuert, um ihren Mann zu erschießen.«

Marlene wechselt einen erstaunten Blick mit Krüger.

»Die beiden hatten irgendwelche Eheprobleme, und Geld spielte auch eine Rolle«, erzählt Leo. »Andrea Uhlen hat mich vor einer Woche in Pascals Spielklub angesprochen. Sie tat ungeheuer geheimnisvoll und sprach von einem Auftrag, den sie für mich hätte. Zwanzigtausend Euro hat sie mir geboten, damit ich ihren Mann erschieße. Die eine Hälfte im Voraus, die andere Hälfte hinterher.«

»Sie hat dich beauftragt?« Krüger hebt die Augenbrauen. »Das sollen wir glauben?«

Leo hebt die rechte Hand: »Genauso ist es gewesen. Die Dame wollte sich natürlich nicht im Club über die Details auslassen, deshalb sind wir ins Appartement meiner Freundin gegangen und haben alles ausgehandelt. Es sollte wie ein verunglückter Raubüberfall aussehen.«

»Und du hast den Job übernommen?«, fragt Marlene.

Leo Treske nickt schuldbewusst. »Ich brauchte das Geld. Deswegen habe ich den Job angenommen und Uhlen erschossen.«

»Selbst wenn Andrea Uhlen dich beauftragt hat«, meint Krüger zweifelnd, »warum hätte sie uns dann den anonymen Tipp geben sollen, wo wir dich finden?«

»Sie will das Geld sparen«, meint Treske »Die zweiten zehntausend Euro. Sie ist eben ein Luder.«

Marlene lutscht nachdenklich an ihrem Pfefferminz und überlegt, ob Leos Version wohl wahr ist. Krüger ist immer noch nicht überzeugt. »Gesetzt den Fall, dass deine Geschichte stimmt«, sagt sie zu Leo. »Dann muss sie doch befürchten, dass du sie belastest, genau wie du es jetzt tust, und wir sie als Anstifterin eines Mordes festnehmen.«

»Sie rechnet eben damit, dass Sie mir nicht glauben«, meint Leo trocken. »Und genauso ist es ja wohl auch. Sie ist schon clever, dieses Biest. Hätte sie mir das Geld bezahlt, sähe es jetzt anders aus – dann hätte ich sie jederzeit erpressen können!«

Angesichts von Leos Vorstrafenregister zweifelt Marlene keine Sekunde daran, dass es dies auch getan hätte.

»Krüger«, sagt Marlene zu ihrem Kollegen. »Holen Sie mir sofort Andrea Uhlen her. Ich kann beweisen, dass sie Leo schon vor dem Mord auf dem Parkplatz getroffen hat.«

Wie kann Marlene das beweisen?

Lösung:

Andrea Uhlen behauptete bei der Identifizierung, Leo unter anderem an seiner Tätowierung auf dem Handrücken wieder erkannt zu haben. Dabei trugen alle Männer in der Parade Handschuhe.

Ratekrimis zum Selberlösen : 40 x dem Täter auf der Spur

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