Читать книгу PERRY RHODAN-Kosmos-Chroniken: Alaska Saedelaere - Hubert Haensel - Страница 8

2.

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Erinnerung.

Innerhalb von Minuten schlug das Wetter um. Düstere Gewitterwolken beherrschten den bis eben türkisfarbenen Himmel, und nur hie und da geisterten noch die Strahlenfinger beider Sonnen durch Wolkenlöcher.

Erstes Donnergrollen zwang die Männer und Frauen des Demontagetrupps, im Eilschritt die verfallene Piste zu überqueren. Eine üppige Pflanzenwelt hatte den Betonplast aufgesprengt. Die Gebäude am Rand der Piste waren ebenfalls baufällig; zu akzeptieren, dass sie erst vor wenig mehr als dreißig Jahren errichtet worden waren, fiel schwer.

Trotz des aufkommenden Sprühregens hielt Alaska Saedelaere einen Augenblick lang inne. Der dampfende Dschungel erschien ihm wie ein monströses Lebewesen, fremd und mit menschlichen Sinnen nicht zu begreifen.

Point of last return war ein orakelhafter Name für die kleine Welt fern aller Schifffahrtsrouten, deren strategisch günstige Lage zur galaktischen Eastside ihr einziger Vorteil war. Während die Blues-Kriege allmählich abebbten, hatte die Solare Abwehr mit dem Bau des Stützpunkts begonnen. Aus Gründen, die Saedelaere ohnehin wenig interessierten, war die Geheimdiensttätigkeit nie über die Errichtung dreier kuppelförmiger Bauten und der Landepiste hinausgekommen. Das Gerücht kursierte, der Planet hätte sich gegen die Menschen zur Wehr gesetzt und hätte die Techniker nur geduldet, weil sie gekommen waren, um aufzuräumen. Alaska hielt das für Raumfahrergarn, das Neulinge wie ihn ängstigen sollte.

Daran dachte er, als er sich mit dem Handrücken den Regen aus dem Gesicht wischte. Die Nässe brannte unangenehm, fast wie Säure auf der Haut.

»Die Arbeit wartet, Alaska! Niemand bezahlt Sie fürs Philosophieren.«

Er schreckte aus seinen Gedanken auf. Die Kollegen wussten nicht, dass Point of last return seine erste fremde Welt war. Ebenso wenig, dass er schon mit fünf Jahren davon geträumt hatte, zu den Sternen zu fliegen – ein Traum, der ihn während der Ausbildung wiederholt in Bedrängnis gebracht hatte. Zumal sein Abschluss einer gehobenen Flottenlaufbahn nicht eben förderlich gewesen war.

Der Donner kam näher, und der Regen wurde dichter. Ein Raunen hing in der Luft. Zweifellos stammten die Geräusche von den Pflanzen, die sich zuckend über die Piste wanden.

Alaska fröstelte und schlug den Kragen seines Overalls hoch. Die Kombination schlotterte um seinen Körper. Ohnehin nur Haut und Knochen, hatte er während der letzten Tage vor Aufregung wenig gegessen. An der Demontage eines aufgelassenen SolAb-Stützpunktes teilzuhaben, das war ungefähr, als hätte man ihn überraschend aufgefordert, dem Großadministrator Perry Rhodan oder dessen Stellvertreter Reginald Bull die Hand zu schütteln.

Obwohl es weiß Gott keine militärischen Geheimnisse zu entdecken gab, blieb für Saedelaere das Flair galaktischer Geschichte. Er arbeitete für eine bedeutende solare Firma, die Interstellar Equipment and Positronic Inc., zwar nur für eine aufs Abwracken von Schiffen und Raumstationen spezialisierte Tochtergesellschaft, aber die Aufstiegschancen bestärkten ihn in der Gewissheit, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Fast zu spät bemerkte er das Hindernis vor sich. Alaska strauchelte und konnte sich gerade noch abfangen. Der Auflageteller einer der zwölf Teleskoplandestützen des Schweren Kreuzers war weit in den Boden eingesunken, und die heimische Flora rankte üppig an der mehrfach mannsdicken Säule in die Höhe.

Saedelaeres Blick folgte den peitschenden Zweigen. Weit musste er den Kopf in den Nacken legen, um mehr als hundert Meter über sich den Ringwulst des Kugelraumers zu sehen. Die Düsenöffnungen waren groß genug, selbst Lastengleitern einen bequemen Einflug zu bieten. In Gedanken sah er die gleißenden Partikelströme der Impulstriebwerke zünden und die Piste mit einer Feuerlohe überfluten. Von urzeitlichem Tosen begleitet, löste sich das Schiff vom Boden, stieg erst majestätisch langsam, aber dann rasch schneller werdend in den Himmel und war Sekunden später nur noch als flammender Stern zu sehen.

Im Gegensatz zu seiner Vorstellung würde sich der Kugelraumer niemals mehr erheben. Zwei Wochen waren für die Feinarbeit des Demontagetrupps kalkuliert, der die wertvollen High-Tech-Aggregate einer privaten Nutzung zuführen sollte. Den Rest würden danach Abwrackroboter besorgen.

Obwohl sein Nacken zu schmerzen begann, starrte Alaska unverwandt in die Höhe. Schiffe wie dieses – die TERRA-Klasse mit zweihundert Metern Durchmesser – galten als die Arbeitstiere in der Solaren Flotte. Hauptsächlich wurden sie für Erkundungsmissionen, aber auch als bewegliche Angriffskreuzer eingesetzt. Die wertvollen Transformgeschütze waren längst von der Solaren Abwehr geborgen worden. Alle anderen Waffensysteme unterlagen nicht der militärischen Geheimhaltung.

Unbekannte hatten das Schiff wrack geschossen; eine Notlandung war dennoch möglich gewesen. Saedelaere fühlte sich von dem stählernen Gebirge geradezu erdrückt. In dem Moment glaubte er zu ahnen, was Rhodan und Bull empfunden haben mussten, als sie im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert als erste Menschen auf dem heimischen Mond den gestrandeten, fünfhundert Meter durchmessenden Forschungskreuzer der Arkoniden entdeckt hatten. Die Begegnung mit den Arkoniden war der Grundstein für mittlerweile nahezu eineinhalb Jahrtausende Raumfahrtgeschichte geworden.

Das Summen des Kombi-Armbandgeräts schreckte Alaska aus seinen Gedanken auf. »Wir haben den Zeitplan einzuhalten, Saedelaere. Beeilung also, oder ich lasse Sie zu einem anderen Projekt versetzen!«

Die obere Polrundung des Schiffes entzog sich seinen Blicken. Sogar aus größerer Distanz hätte er die Nordhalbkugel nicht sehen können, weil dichter Brodem den Stahl umfloss. Der Regen schoss wie ein Sturzbach über den Ringwulst in die Tiefe. Saedelaere zog den Kopf zwischen die Schultern, als er im Eilschritt die Wasserwand durchbrach.

Der Antigrav hob ihn zur Bodenschleuse empor. Die Schäden im Bereich des Shift-Hangars hielten sich in Grenzen, wohingegen die höher liegenden Decks weitgehend verwüstet waren. Die Zerstörungen erweckten den Eindruck schwacher Transformexplosionen. Bekannt war einzig und allein, dass unidentifizierte Raumer den Aufklärer angegriffen hatten. Die galaktopolitische Lage war und blieb höchst brisant. Eine Vielzahl kleiner Sternenreiche rebellierte gegen die Mutterwelt Terra und das Solare Imperium. Dem Carsualschen Bund ebenso wie dem Imperium Dabrifa oder der Zentralgalaktischen Union traute Saedelaere einen solchen Überfall zu, auch wenn er es nicht gewagt hätte, die Vermutung laut zu äußern. Andererseits machten Piraten immer häufiger von sich reden. Ihre Anführerin, hieß es, sei eine Greisin. Und das alles war vermutlich erst der Beginn umfassender Sezessionsbestrebungen, die das Ende des terranischen Sternenreichs heraufbeschwören konnten.

Mit atomaren Schneidbrennern und Desintegratoren hatten die Arbeiter einen Weg zu den Impulstriebwerken, Stützmassetanks und Felddüsen gebahnt. Während Saedelaere sich durch einen engen Seitenkorridor zwängte, der in Sonnenglut geschmolzen und bizarr wieder erstarrt war, dachte er an das heraufziehende Unwetter. Er glaubte zu spüren, dass sich die Atmosphäre mit Energie auflud.

Minuten später erreichte er die erste der großen, den Waffensystemen vorgeschalteten Speicherbänke. Teile des Zwischendecks waren herabgebrochen, mannsdicke Feldleiter hingen wie die Eingeweide einer urweltlichen Kreatur herab. An ihren Bruchstellen glommen irisierende Feuer.

»Die Messinstrumente liegen bereit. Kümmern Sie sich um die Peripherie! Wir haben Schwankungen im Energiepegel, die eingedämmt werden müssen. Falls Kriechströme weiterhin die Isolationen unterwandern, holen wir uns bald heiße Ohren.«

Saedelaere nickte knapp. Jedes Wrack barg Gefahren, Interstellar Equipment and Positronic Inc. hatte ausdrücklich darauf hingewiesen. Aber gerade diese Gefahr bedeutete zugleich einen unwiderstehlichen Reiz: Demjenigen, der die hochgezüchtete Technik in allen Situationen beherrschte, stand die Milchstraße offen. Über diesen Umweg in die Technikercrew eines der neuen Großraumschiffe aufgenommen zu werden, erhofften sich viele, die aus den unterschiedlichsten Gründen zunächst ihre Zukunft in der Privatwirtschaft gesucht hatten. Auch Alaska Saedelaere träumte inzwischen wieder von einer Karriere in der Solaren Flotte, obwohl er vor beinahe zehn Jahren abgewiesen worden war. Ihre körperliche Konstitution entspricht nicht den Mindestanforderungen ..., hieß es in einem standardisierten Schreiben der Flottenverwaltung, das er wie eine persönliche Herausforderung in seinen Unterlagen verwahrte.

»Ich bin zu groß, zu dürr – und zu unbedeutend«, hatte Alaska geschimpft. »Mangelnder Ehrgeiz wird mir ebenfalls unterstellt. Das lasse ich so nicht auf mir sitzen.«

Seine zwei Meter Körpergröße waren vererbt. Ebenso der hagere Wuchs. Er sei klapperdürr, behaupteten manche. Saedelaere tat das mit einem Achselzucken ab. Er konnte essen, soviel er wollte, und setzte kein Gramm Fett zu. Und was die Bedeutungslosigkeit anbetraf: Mit vielen wichtigen Persönlichkeiten des Solaren Imperiums hatte er gemeinsam, dass er auf der Erde geboren worden war. Auch wenn seine Eltern sich nie über den exakten Geburtstermin hatten einigen können – es war um Mitternacht vom 2. auf den 3. Dezember des Jahres 3400 gewesen, eine seltsame Unklarheit, die ihn in Jugendjahren veranlasst hatte, abwechselnd an jedem von beiden Tagen zu feiern.

Mit knappen Schaltungen justierte er die Messgeräte. Die Anzeigen blieben im Normbereich. Nahezu zwanzig Minuten lang untersuchte Saedelaere die Isolierung der Speicherbank – bis er einen ersten Energieabfall registrierte.

Fahrig wischte er sich über die Stirn. Er schwitzte. Die Speicherbank war gesperrt, also hatte kein Endverbraucher Zugriff. Die Anzeige des Messgeräts veränderte sich dennoch mit Werten, die nur einen Schluss zuließen: Irgendwo im Wrack wurden soeben Waffensysteme hochgefahren.

Saedelaere winkelte den linken Arm mit dem Minikom an. »Die Geschütze abschalten! Sofort! Was hier an Energie abfließt ...«

»Wir haben einen Computerfehler«, antwortete eine bebende Stimme. »Der Vorgang ist nicht zu stoppen.«

»Was geht hier eigentlich vor?«

»Zwei Thermogeschütze mittschiffs laden. Sie wurden aktiv, als wir die Hauptwandler abbauten ... Mein Gott, die sind taub, da fließt nichts in die Projektoren. Das kriegen wir nicht unter Kontroll...« Die Stimme überschlug sich und verstummte.

Ohrenbetäubender Lärm brandete auf. Eine unsichtbare Faust fegte Saedelaere gegen die Speicherbank. Vergeblich riss er die Arme hoch, um den Aufprall abzufangen, ein heftiger Schmerz raubte ihm fast die Besinnung.

Er stürzte, überschlug sich und rollte den plötzlich schräg stehenden Boden hinab. Begriffe wie oben und unten verwischten innerhalb eines einzigen erschreckten Herzschlags.

Gleißende Lichtbogen ließen Verkleidungen zähflüssig abtropfen. Dröhnend schlug etwas Gewaltiges neben Saedelaere auf, eine zweite Druckwelle wirbelte ihn herum. Ein unerträglicher Schmerz tobte in seiner linken Schulter; Oberarm und Schlüsselbein mussten mehrfach gebrochen sein. Alaska schaffte es nicht mehr, sich aufzurichten ...

... und gerade dieser Umstand rettete ihm das Leben. Eine tonnenschwere Stahlplatte schrammte an der Wand entlang und verkantete sich im letzten Moment, bevor sie alles unter sich zermalmt hätte. Ein mörderischer Schlag nagelte Alaska auf den Boden.

Im nächsten Moment schien eine glühende Helligkeit alles zu verbrennen. Alaska Saedelaere hörte sich schreien. Es war ein unmenschlicher Schrei, der im Chaos des Maschinenraums dennoch ungehört verhallte. Saedelaeres letzter Gedanke galt der Feuerwoge, die sengend zwischen den Aggregaten hindurchtoste.

Erwachen.

Der Übergang kam abrupt. Die Hitze wich einer inneren Kälte und der Erkenntnis, dass er noch lebte. Alaska wusste nicht, wie er dem Inferno entronnen war. Vielleicht hatte die über ihm verkantete Stahlplatte den Feuersturm abgelenkt.

Er schaffte es nicht, die Lider zu öffnen. Auch die Lippen brachte er nicht auseinander, er produzierte lediglich tief in der Kehle ein dumpfes Gurgeln. Die Welt erschöpfte sich für ihn in fahler Düsternis und vagen Schatten. Sie pulsierten, schienen in der einen Sekunde anzuschwellen und schrumpften in der nächsten zur Bedeutungslosigkeit. Schließlich beugte sich einer dieser Schatten über ihn und bildete Tentakel aus. Die Berührung war wie ein tiefer Nadelstich, der alle Gedanken lähmte.

Alaska Saedelaere registrierte, dass viel Zeit verstrich, doch er konnte die Spanne nicht einordnen. Minuten reichten nicht mehr, es mussten Stunden sein, die er in absoluter Reglosigkeit verbrachte.

Der Techniker verfluchte seine Hilflosigkeit.

Irgendwann begann er zu verstehen, dass Medikamente die Schmerzen betäubten. Seine Haut war großflächig verbrannt, er lag in einem Regenerationstank, der die Körperfunktionen stabilisierte und mit Nährflüssigkeit ein beschleunigtes Zellwachstum anregte.

Ich häute mich wie ein Reptil, schoss es ihm durch den Sinn. Aber wenigstens lebe ich.

Waren die Kollegen ebenfalls gerettet worden? Die Frage quälte ihn. Nach einer Weile glitt er wieder hinüber ins Reich der Träume. Er schlief ruhig und tief, und als er erneut erwachte, hatten die Schatten menschliche Konturen angenommen, wenngleich er die Augen noch immer nicht richtig aufbekam.

»Wie fühlen wir uns, Mr. Saedelaere?« Die Stimme klang hohl und wurde von einem leichten Echo begleitet. Wie in einem leeren Raum.

Tief atmete Alaska ein und brachte dann stockend hervor: »Ich weiß nicht, wie Sie sich fühlen – mich interessiert, ob alle aus dem Wrack entkommen sind.«

Es war mühsam, die Augen zu öffnen. Alaska blickte in das starre Gesicht eines Aras. Der eiförmige, hochgewölbte und haarlose Schädel des Galaktischen Mediziners schwebte irgendwie im Nichts.

Der Ara seinerseits musterte ihn, als taxiere ein Sammler ein seltenes exotisches Insekt, schrecke aber aus unbekanntem Grund davor zurück, dieses einmalige Geschöpf in seine Sammlung aufzunehmen. Erst allmählich registrierte Saedelaere, dass er selbst den Mediziner nur als Hologramm sah. Die dreidimensionale Wiedergabe erklärte die unwirkliche Akustik, denn das Bild entstand als Head-up-Display auf der Innenseite des seltsamsten Helms, den Alaska je getragen hatte.

Gut eine Handbreit vor seinem Gesicht wölbte sich die dunkle Fläche. Das Ding war deutlich größer als die üblichen Raumhelme und saß nach unten offen auf den Schultern. Die zweifellos vorhandene Polsterung war nicht zu spüren. Sensoren an hauchdünnen Fäden tasteten Alaskas Schläfen ab und bewegten sich immer weiter in sein Gesicht hinein.

»Er phantasiert«, hörte Saedelaere eine zweite Stimme sagen. »Wie Sie es vorhergesehen haben, Dr. Tarlam. Vermutlich wird er nie die ungeheuerliche Tragweite des Unfalls akzeptieren. Falls es wirklich ein Unfall war ...«

»Das zu beurteilen steht uns nicht zu, Dr. Ramuddi. Unsere Aufgabe ist, dieses bislang einmalige Phänomen medizinisch zu dokumentieren.«

»Für mich hat die Wiederherstellung des Patienten Priorität, Tarlam. Das mag Ihnen als Ara seltsam erscheinen, aber ich habe einen medizinischen Eid abgelegt. Das Wohl meiner Patienten steht über dem Aspekt, mit ihren Krankheiten horrende Summen zu verdienen. Ich hoffe, dass Saedelaere eines Tages sein Leben normal weiterführen kann.«

Der Ara lachte spöttisch. »Das nenne ich terranische Borniertheit. Ich frage mich, weshalb ihr nicht schon in eurem eigenen kleinen Sonnensystem zugrunde gegangen seid. Die Gefahr, hochaktive Erreger einzuschleppen, steigt mit jedem Lichtjahr, das Raumschiffe tiefer in den Kosmos vordringen.«

»Natürlich lässt sich mit der Angst der Patienten gut verdienen«, brauste Ramuddi auf. »Manchmal frage ich mich genau deshalb, ob die Aras perfekte Mediziner oder gerissene Kaufleute sind.«

»Wie stark sind die Verbrennungen?«, fragte Saedelaere zögernd.

»Welche Verb...?«

»Sagte ich es nicht? Er verdrängt die Verantwortung. Weil er das Geschehen selbst herbeigeführt hat. – Woran erinnern Sie sich, Mr. Saedelaere?«

Alaska schwitzte und fror gleichzeitig, als die Holos beider Mediziner ihn herausfordernd anblickten. Vergeblich wühlte er in seiner Erinnerung nach einem Hinweis darauf, wie er das Wrack des 200-Meter-Kreuzers verlassen hatte. Er wusste es nicht. Doch er begann sich zu entsinnen, dass seine Verbrennungen nur partiell und keineswegs so schwerwiegend gewesen waren wie die Splitterbrüche der linken Schulter und des Oberarms. Aber das alles war verheilt ...

... vor allem lag es etliche Jahre zurück.

Alaska atmete hastiger. Die Sensoren wichen zurück, als sein Gesicht zu zucken begann. Er stöhnte, als sich ihm Bilder der jüngsten Vergangenheit ins Bewusstsein drängten.

Alaska Saedelaere glaubte sich selbst zu sehen, wie er auf einen Torbogentransmitter zuging. Es war nicht das neueste Modell, aber in der Zuverlässigkeit seit Jahrhunderten unübertroffen. Mit dem Aufbau des Entstofflichungsfeldes sprangen die Sendekontrollen auf Grünwerte um.

Ein amüsierter Ruf hielt ihn zurück: »Hast du das Bild dabei, Alaska?«

Er zögerte, aber das Feixen des Transmittertechnikers verriet, welches Bild Barthold meinte. Vor zwei Wochen, nach einer halb durchzechten Nacht, hatte Barthold ihm das Holo einer dreibusigen Zaliterin zugesteckt und behauptet, eines nicht mehr fernen Tages wäre man durchaus in der Lage, eine subatomare Abtastung während eines Transmitterdurchgangs vorzunehmen. »... stell dir vor, Alaska, du könntest alles und jeden verändern. Und nach deinem Tod wirst du aus dieser Schablone zu neuem Leben erweckt. Sooft du willst.«

Er hatte irritiert abgewinkt. »Das wäre nicht mehr ich. Weil meine Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte fehlen würden, wäre das immer nur ein wiederhergestellter Status quo. Langweilig.«

»Ich hätte nichts dagegen, stets von neuem in diesem Alter zu erwachen. Funktioniere eine Schablone um, und deine Geliebte hat plötzlich drei Brüste. So wie die hier. Was hältst du davon, Alaska?«

»Verschone mich damit!«, hatte er abgewehrt und an Liv gedacht, die er in wenigen Wochen wiedersehen würde. Nahezu ein halbes Standardjahr stand ihnen für gemeinsame Unternehmungen zur Verfügung.

Bartholds Holo hatte er ... Er wusste nicht mehr, wo es abgeblieben war ...

Sein Gesicht juckte höllisch. Unwillkürlich wollte er mit beiden Händen zugreifen – aber er konnte die Arme nicht bewegen.

»Das Fesselfeld besteht zu Ihrem eigenen Schutz, Mr. Saedelaere«, behauptete eine Stimme, die Alaska mittlerweile als die von Dr. Ramuddi erkannte.

Was um alles in der Welt war mit ihm los? Warum akzeptierte er die Situation ohne Protest? Gedankenfetzen erschreckten ihn. Sie wirbelten wie in einem irrealen Kaleidoskop durcheinander und ließen sich nicht beeinflussen. Schreckgeweitete Augen starrten ihn aus dem Nichts heraus an. Panik und Entsetzen spiegelten sich in verzerrten Grimassen, von denen nur ein Teil menschlich wirkte.

Alaskas Gesicht tobte. Er redete sich ein, dass der Heilungsprozess die Nerven rebellieren ließ, denn die Explosion hatte sein Gesicht verbrannt. Zugleich wusste er, dass er sich selbst belog. Dass die Mediziner ihn argwöhnisch beobachteten, spürte er deutlich. Auch, dass sie ihn fürchteten. Hatten sie ihn ans Bett gefesselt, damit er sich den Helm nicht vom Schädel ziehen konnte?

Vergeblich spannte er die Muskeln an. Er war nicht bereit, sich mit der Hilflosigkeit abzufinden. Messgeräte reagierten mit schrillen Tonfolgen auf seine wachsende Anspannung.

»Ich verlange einen Anwalt«, stieß er hervor – und biss sich sofort auf die Zunge. Was hatte er anderes getan, als einen Transmitter zu benutzen? Oder wollte er sich nicht erinnern?

»Sie sind krank, Mr. Saedelaere.«

»Der letzte Medocheck auf Bontong beweist das Gegenteil«, brachte er hervor.

»Sie waren vier Stunden lang verschollen. Das wurde minutiös rekonstruiert. – Unklar ist, wo Sie sich während dieser Zeit befanden. Dass etwas Absonderliches mit Ihnen geschah, steht außer Frage.«

Alaska schwieg. Vergeblich wühlte er in seiner Erinnerung nach etwas, von dem er aber noch nicht wusste, wie es aussah.

»Die Wahrheit, Mr. Saedelaere! Sie allein kennen sie.«

Er lauschte dem eigenen hastigen Atmen und dem unerklärlichen Pochen, das von der Stirn über die Wangenknochen bis zum Kinn hinab seine Wahrnehmungen ausfüllte.

»Erinnern Sie sich!« Die Stimme wurde hart und unnachgiebig. Sie erhielt einen fast schon hypnotischen Zwang.

Vom ersten Augenblick an war es eine Art Hassliebe gewesen, die ihn mit der Dschungelwelt Point of last return verbunden hatte. Vor allem hatte er Monate benötigt, die Folgen der Explosion zu überwinden. Mehrere Techniker waren damals ums Leben gekommen, seine eigenen Verbrennungen hatten nur seelische Narben hinterlassen. Dagegen war der Transmitterunfall ...

Die Bilder vor seinem inneren Auge vermischten sich wie zwei übereinander geblendete Trivid-Szenen. Je hartnäckiger er sich dagegen sträubte, desto deutlicher trat die Gegenwart in den Vordergrund.

Vier Stunden fehlten in seiner Zeitrechnung.

»Sie können sich unmöglich so lange im Hyperraum befunden haben, Mr. Saedelaere«, drängte eine neue Stimme. »Sie wurden manipuliert. Sagen Sie mir, von wem und zu welchem Zweck!«

Seine Gedanken rasten. Zum wiederholten Mal sah sich Alaska Saedelaere auf der Handelsstation Bontong den Transmitter betreten – und scheinbar ohne Verzögerung erreichte er die Transmitterhalle auf Peruwall.

Aber was war mit seinem Gesicht geschehen? Es gehörte ihm nicht mehr, war im einen Augenblick gefühllos taub und schien im nächsten in hellen Flammen zu stehen. Dann spiegelte sich fahler Feuerschein auf der Helminnenseite – ein Eindruck, der ihn frösteln ließ.

»... nehmen Sie mir endlich den Helm ab und geben Sie mir einen Spiegel!«, verlangte er.

»Verzichten Sie besser darauf, Mr. Saedelaere. – Sie würden sich kaum gefallen.«

»Glauben Sie, dass ich die Wahrheit nicht ertrage?«

»Drei Menschen sind tot. Andere haben den Verstand verloren. – Und das nur ... weil Ihr Gesicht ... sich auf eine Art und Weise verändert hat, die wir noch nicht verstehen. Möglicherweise lässt sich der Vorgang rückgängig machen, aber dafür brauchen wir Ihre Mithilfe.«

Alaska hielt den Atem an. Erst als er schon glaubte, ersticken zu müssen, rang er keuchend nach Luft. »Wie schlimm ist es?«, stieß er bebend hervor. »Wie schlimm?«, wiederholte er Sekunden später und stemmte sich mit aller Kraft gegen die Fesseln. »Was ist das in meinem Gesicht?«, schrie er dann mit sich überschlagender Stimme. »Ihr könnt es mir nicht vorenthalten! Ich will es sehen!«

Da war ein kurzer, kaum wahrnehmbarer Druck im Nacken. In seinen Adern wallte es heiß auf. Ein Wechselbad aus Hitze und Eiseskälte schüttelte ihn. Alaska Saedelaere schrie – aber sein Schreien wurde mit jeder Sekunde leiser.

Das injizierte Beruhigungsmittel wirkte schnell und zuverlässig.

PERRY RHODAN-Kosmos-Chroniken: Alaska Saedelaere

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