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3.

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Wieder wechselten sich Licht und Schatten ab, ebenso wie die Stille und ein unruhiges Raunen. Alaska Saedelaere schaffte es nicht, sich auf einzelne Wahrnehmungen zu konzentrieren, das Konglomerat unterschiedlichster Eindrücke verschwamm unter seiner Schädeldecke wie die Wiedergabe eines schlecht justierten Funkempfängers.

Er taumelte auf dem schmalen Grat zwischen Trance und Wachen. In diesem Zustand nahm er zwar die eigene Hilflosigkeit deutlich wahr, brachte aber nicht genügend Kraft auf, sich dagegen zu sträuben. Noch glaubte er an einen Albtraum, aus dem er jeden Moment aufschrecken musste.

Wie viel Zeit verging, vermochte er nicht zu sagen. Ob Stunden oder Tage – es interessierte ihn kaum. Diese Begriffe hatten etwas seltsam Abstraktes, er kannte ihre Bedeutung, gleichwohl blieb er davon ausgenommen, als stünde ihm alle Zeit des Universums zur Verfügung.

Du bist mit Medikamenten ruhiggestellt, damit du keinen Schaden anrichten kannst, wollte ihm eine zynische innere Stimme einreden. In solchen Augenblicken sträubte er sich gegen die energetischen Fesseln, die ihn in steriler Umgebung festhielten, und schrie seinen Zorn hinaus. Niemand erlöste ihn von der Qual, von dem dann in seinem Gesicht tobenden Feuer, das ihn schier in den Wahnsinn trieb.

Die Anfälle kamen und gingen in unregelmäßigen Abständen. Alaska konnte sie nicht kontrollieren, ihm wurde nur zunehmend bewusst, dass er im ersten Moment wiedergewonnener Bewegungsfreiheit die Finger in sein Gesicht gekrallt und das tobende Fleisch herausgerissen hätte – egal, was danach mit ihm geschah. Die Fesseln hinderten ihn daran, sich selbst zu verstümmeln.

»Wie fühlen Sie sich heute, Mr. Saedelaere?«

Alaska schreckte auf. Er reagierte verwirrt und versuchte, die beklemmende Leere in seinen Gedanken zu überwinden.

»Wir bekommen einen schönen Tag«, fuhr die Stimme fort. Jedes Wort traf den Techniker wie ein Messerstich. Verbissen starrte er auf den blinden Helm. Warum aktivierten die Mediziner nicht wenigstens das Head-up-Display, damit seine Einsamkeit weniger erdrückend wurde?

»Für mich kein schöner Tag.« Der Widerspruch reizte Saedelaere. »Solange ich nur Ihr Versuchsobjekt ...«

»Es ist bedauerlich, dass Sie Ihre Krankheit so sehen. Warum igeln Sie sich ein und lassen niemanden an sich heran?«

Alaskas zynisches Lachen klang hart und rau und überaus unnahbar. »Ich lasse niemanden an mich heran?«, echote er. »Wer hat mir diesen verfluchten Helm aufgesetzt? Seit drei Tagen warte ich, dass endlich jemand die Wahrheit sagt. Aber vermutlich hat keiner der Ärzte auch nur den Schimmer einer Ahnung.«

»Sieben«, berichtigte die Stimme, die Alaska Saedelaere keinem zuordnen konnte, den er in den wenigen nicht von Medikamenten umnebelten Stunden im Holodisplay gesehen hatte. »Seit sieben Tagen ignorieren Sie jeden Versuch einer Zusammenarbeit. Ihre Sturheit grenzt an Selbstverachtung, Mr. Saedelaere. – So kann kein gedeihliches Verhältnis zwischen uns entstehen. Wir würden Ihnen gerne helfen, aber Sie müssen sich selbst ebenfalls helfen wollen.«

Er hatte den Atem angehalten und stieß die Luft prustend wieder aus. »Sieben Tage? Wollen Sie mir das wirklich einreden? Welches Psychospiel treiben Sie?«

»Keines, Alaska. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie Alaska nenne?«

»Machen Sie, was Sie wollen. Nur bringen Sie mich wieder in Ordnung!«

»Ohne Ihre Mithilfe ist das ein schwieriges Unterfangen. Offenbar wollen Sie sich nicht erinnern.«

»Da gibt es nichts ...« Das Zucken in Saedelaeres Gesicht wurde heftiger, als bewege sich etwas unbeschreiblich Fremdes unter der Haut. »Was immer es ist, schneiden Sie das Ding weg! Worauf warten Sie noch?«

Horrorgeschichten kamen ihm in den Sinn. Von Tieren, die ihre Eier unter die menschliche Haut legten. Angeblich benötigte die schmarotzende Brut für ihr Heranwachsen Jahre, aber sobald sie die zu eng gewordene Kinderstube sprengte, war der ahnungslose Wirt dem Tod näher als dem Leben.

Alaska hatte nie darüber nachgedacht, ob man solche Medienberichte glauben durfte. Vielleicht waren sie nur die Ausgeburt phantasiebegabter Schreiberlinge, die eine Sauregurkenzeit überbrücken mussten. Erstmals fragte er sich, ob die Ursache seiner Veränderung auf Point of last return verborgen lag. Was, wenn er sich im Dschungel infiziert hatte und die Inkubationszeit erst nach Jahren endete?

»Woran denken Sie, Alaska?«

Der Techniker schreckte auf. »Nichts von Bedeutung«, antwortete er schnell und ärgerte sich zugleich, dass er abblockte. Weshalb erzählte er nicht einfach von früher?

»Wir zeichnen Ihre Mentalströme auf, Alaska, und die hektischen Ausschläge widersprechen Ihrer Behauptung. Ähnliche Oszillationen waren jedes Mal zu sehen, bevor Sie aufwachten. Erinnern Sie sich? Ihr Schlaf ist wie eine Art Koma – als wollte Ihr Geist dem Körper entfliehen.«

»Ich weiß nichts.«

»Versuchen Sie, sich zu erinnern!«

»Ich bin müde. Nehmen Sie mir den Helm ab!«

»Tun Sie etwas dafür!«

Mit geschlossenen Augen horchte Alaska Saedelaere in sich hinein. Ihm war klar, dass der andere ihn aus der Reserve locken wollte.

»Ist das keine normale Klinik?«, fragte er stockend. »Wurde ich in ein Haus für mentale Probleme eingeliefert?«

»Das Star-Spital gilt als das bedeutendste Transplantationszentrum auf Peruwall.«

»Warum operiert mich niemand?«

»Das ist ... wie soll ich sagen? ... etwas diffizil.« Die Antwort des Arztes kam zögernd. »Zudem liegt seit Tagen eine offizielle ... äh ... Anfrage vor. Sie werden heute verlegt, Alaska.«

»Gut.«

»Wollen Sie nicht wissen, wohin?«

Saedelaeres Achselzucken blieb im Ansatz stecken. »Ich hoffe, in eine Klinik, in der man mir wirklich helfen kann.«

»Nach Mimas«, sagte der Arzt.

Ein jäher Schauder überlief den Techniker. Zugleich schien sich sein Gesicht – oder was immer dessen Stelle eingenommen hatte – zu verhärten. Lebt dieses ... dieses Ding wirklich?, fragte sich Alaska Saedelaere zum wer weiß wievielten Mal. Oft genug hatte er versucht, willentlich auf die Muskelkontraktionen Einfluss zu nehmen, ohne dass ihm dies gelungen wäre.

Der Saturnmond Mimas war bekannt für seine erstklassigen Sanatorien. Im Solaren Imperium besaß der Name einen Klang wie Aralon bei den Galaktischen Medizinern. Aber Mimas war auch teuer – unerschwinglich für einen einfachen Techniker. Schon der Aufenthalt würde Unsummen verschlingen, von den Behandlungskosten ganz zu schweigen.

»Vergessen wir das Ganze«, brachte Saedelaere stockend hervor. »Meine Versicherungskategorie reicht nicht für Mimas. Von einer genetischen Rekonstruktion ganz zu schweigen.«

»Woher wollen Sie wissen, dass ein Wiederaufbau nötig wird?«

»Ich spüre, was mit meinem Gesicht geschehen ist.«

Alaska hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Arzt neben ihm zögernd nickte. »Das mit den Kosten ist geklärt«, hörte er ihn sagen. »Sie erhalten in Kürze Besuch. Eine Korvette aus dem Sonnensystem ist vor knapp einer halben Stunde gelandet.«

Nein!, schrie alles in ihm, und Alaska sträubte sich mit jeder Faser. Ich will nicht, dass sie sich meinetwegen ins Unglück stürzt. Liv kann das niemals finanzieren.

»Schicken Sie sie weg!«, forderte er den Arzt auf. »Liv soll mich nicht so sehen.«

Das Geräusch eines aufgleitenden Schotts ließ Saedelaere verstummen. Er versuchte sich vorzustellen, wie Liv Andaman stehen blieb und ihn anstarrte. Was mochte angesichts seiner Hilflosigkeit in ihr vorgehen? Sicher, sie hatten viel Spaß miteinander gehabt, aber inzwischen war er der falsche Kandidat für einen Ehevertrag. Auch wenn er es noch verdrängte, spürte er unbewusst, dass seine Veränderung nicht rückgängig zu machen war. Um wie viel besser wäre es gewesen, er hätte den Transmitter niemals verlassen. Verweht im Hyperraum – einen schöneren und schmerzloseren Tod gab es nicht.

Sekundenlang erschienen ihm die eigenen hastigen Atemzüge wie das einzige Geräusch in der bedrückenden Stille. Dann klangen Schritte auf. Unter dem Helm hörte Alaska sie nur verzerrt. Dennoch wusste er sofort, dass das nicht Liv war.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte er zögernd.

Der Besucher verharrte. »Wie geht es Ihnen, Mr. Saedelaere?«

»Bestens«, antwortete Alaska zynisch. »Und wenn ich den Helm endlich loshätte, wäre es vermutlich gar nicht auszuhalten.«

»Es freut mich, dass Sie das so gelassen sehen. Eine gewisse Portion Humor macht das Leben in allen Situationen erträglicher.«

»Ich meine es ernst«, widersprach Saedelaere. »Und um Missverständnissen vorzubeugen: Mimas ist für mich unerschwinglich.«

»Das ist erledigt, Mr. Saedelaere.«

»Ich sagte nein.«

»Sind Sie immer so hartnäckig?«

Alaska schwieg.

»Offiziell wurden Sie als Sicherheitsrisiko eingestuft«, fuhr der Fremde fort. »Was immer Ihnen zugestoßen ist, Mr. Saedelaere, die Solare Abwehr hat Anlass genug, Sie unter ihre Fittiche zu nehmen.«

»Mit anderen Worten: Niemand hat Interesse daran, mir wirklich zu helfen.«

»Sie missverstehen ...«

»Ich bin sehr wohl in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen. Ich frage mich nur, weshalb man mich absichtlich im Ungewissen lässt. Fürchtet jemand, mein Fall könnte eine Lawine anstoßen? Gibt es militärische oder nur wirtschaftliche Gründe, Mr. Unbekannt?«

»Deighton«, sagte der andere schroff. »Solarmarschall Galbraith Deighton. Falls das hilft, Ihre Vermutungen zu relativieren.«

»Ein ganz hohes Tier also.« Alaska Saedelaere pfiff anerkennend zwischen den Zähnen hindurch. »Haben Sie sich meinetwegen nach Peruwall bemüht? Und sind Sie nun enttäuscht?«

»Ganz im Gegenteil«, versicherte der Abwehrchef. Dass er als so genannter Gefühlsmechaniker in der Lage war, die Emotionen von Menschen zu identifizieren, versetzte ihn in den Rang eines Mutanten. Außerdem trug er seit über fünfhundert Jahren einen Zellaktivator und gehörte damit zum engen Kreis der potentiell Unsterblichen um Perry Rhodan.

»Im Grunde Ihres Wesens sind Sie unsicher, Mr. Saedelaere«, fuhr Deighton fort. »Sie haben keine Ahnung, wie Sie mit sich selbst umgehen sollen. Zugleich sind Sie fasziniert. Von etwas, das Sie zwar spüren, aber nicht kennen. Sie entwickeln einen Zwiespalt, der gefährlich werden kann, falls er nicht in die richtigen Bahnen gelenkt wird.«

»Und das wollen Sie übernehmen, Solarmarschall? Sie oder die SolAb? Saedelaere, die menschliche Waffe, die den Wahnsinn bringt, für mich wäre das eine aberwitzige Vorstellung. Ein Iwan Iwanowitsch Goratschin im Mutantenkorps genügt. Lassen Sie mich also aus dem Spiel.«

»Wir wollen Ihnen helfen, Mr. Saedelaere. Schon um sicherzustellen, dass der Unfall ein einmaliges Ereignis bleibt. Wo anders als auf Mimas hätten wir die Möglichkeiten dazu? Ich appelliere an Ihr Verantwortungsbewusstsein ...«

Alaska Saedelaere versuchte vergeblich, sich seiner Empfindungen bewusst zu werden. Dabei wusste er bereits, dass Galbraith Deighton Recht hatte. Es half nichts, sich in ein selbst erbautes Schneckenhaus zu verkriechen und mit dem Schicksal zu hadern. Die vielleicht einzige Chance, die ihm noch geboten wurde, durfte er nicht aus falschem Selbstverständnis ignorieren.

Der Abendwind trug das salzige Aroma des Goshun-Sees herauf. Alaska Saedelaere genoss den Rundblick von der Panoramakuppel des Wohnblocks aus. Terrania, die Hauptstadt nicht nur der Erde, sondern zugleich Zentrum des Solaren Imperiums, war eine quirlige Metropole, ein unüberschaubarer Wurmtopf ebenso bizarrer wie funktioneller Bauten, ineinander verwobener Hochstraßen und Gleiterbahnen, ausgedehnter Parks und wimmelnder Menschenmassen. Wie eine Spielzeuglandschaft erstreckte sich die gewaltige Stadt bis an den Horizont. Raumschiffe in Warteposition wirkten in Dutzenden Kilometern Distanz immer noch wie stählerne Gebirge, deren Flanken von den Strahlen der untergehenden Sonne mit Feuer übergossen wurden.

Gedankenverloren kaute Saedelaere auf seiner Unterlippe. Vor nahezu eineinhalb Jahrtausenden war die zurückkehrende erste Mondexpedition nicht wie erwartet in den Vereinigten Staaten, sondern in der damals unwirtlichen Wüste Gobi gelandet. Perry Rhodan und Reginald Bull hatten auf dem Mond ein arkonidisches Raumschiff entdeckt, mit Hilfe der weit fortgeschrittenen Technik die Dritte Macht gegründet und später die vereinte Menschheit zu den Sternen geführt.

Es gab da draußen weit mehr exotisches und intelligentes Leben, als die in ihrer Selbstherrlichkeit zerstrittenen Völker des 20. Jahrhunderts sich jemals hätten träumen lassen.

Die Erde war keine Scheibe ...

Sie hatte nie im Mittelpunkt des Universums gestanden, war nie von der Sonne umkreist worden ...

Anfangs noch ungläubig, später schon fasziniert, hatten die Menschen der Erde gelernt, dass allein in der heimischen Milchstraße auf zigtausenden Welten intelligentes Leben existierte. Viele fremde Völker waren in ihrer technischen Entwicklung den Menschen so weit voraus gewesen wie der Homo sapiens des beginnenden Atomzeitalters den Mauerbauern von Jericho achttausend Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung.

Alaska Saedelaere kniff die Brauen zusammen und legte den Kopf in den Nacken. Während im Westen das Purpur der kurzen Abenddämmerung verwehte, funkelten im Osten schon die ersten Sterne. Sein suchender Blick fand das Sternbild der Leier mit dem Hauptstern Wega: Nur siebenundzwanzig Lichtjahre entfernt – nach kosmischen Entfernungen ein Katzensprung – lebten die Ferronen. Von den Terranern unterschieden sie sich durch ihre geringere Größe, die blassblaue Haut und das kupferfarbene Haar. Das System der Wega hatte für die Menschheit auf ihrem Weg in den Kosmos einen ersten Prüfstein bedeutet, als es darum ging, die kriegerischen, echsenartigen Topsider abzuwehren.

Die Liste der galaktischen Völker war lang. Arkoniden, Akonen, Springer, Aras; die vielen Völkerstämme der tellerköpfigen Blues in der galaktischen Eastside; die gewaltigen Haluter, vor fünfzigtausend Jahren erbitterte Gegner der Lemurer, der Ersten Menschheit; Unither, Naats und die Roboterzivilisation der Posbis ebenso wie die IVs, Swoons oder gar Hornschrecken ...

Bevor er die Technikerlaufbahn einschlug, hatte Alaska mit dem Gedanken gespielt, galaktische Geschichte zu studieren. Letztlich war er vor der Theorie zurückgeschreckt. Nie hatte ihn wirklich interessiert, welcher arkonidische Herrscher wann aus welchem Grund Transmitter ächten ließ oder in welchem Jahr ein Großteil der überlebenden Lemurer vor den Halutern in die Nachbargalaxis Andromeda geflohen war.

Vielmehr hatte er sich von den gewaltigen technischen Errungenschaften inspirieren lassen, von den Sonnentransmittern zum Beispiel, die von der Ersten Menschheit für ihre Flucht benutzt worden waren. Was hätte er dafür gegeben, die blauen Riesensonnen des Sechsecktransmitters im Zentrum der Milchstraße mit eigenen Augen zu sehen – doch die Sonnen existierten seit einigen Jahrhunderten nicht mehr.

Schon immer hatte sich Alaska lieber den Wind um die Nase wehen lassen, als über Dateien zu brüten. Fünfzehn war er gewesen, als seine erste eigene Robotkonstruktion den Haushalt durcheinander gebracht hatte, und ein Jahr später hatte er den Standardgleiter eines Nachbarn zur Höchstleistung frisiert. Ohne dessen Wissen. Was ihm nach einer Beinahe-Kollision eine behördliche Verwarnung eingetragen hatte und zugleich das wohlwollende Interesse zweier Hersteller für Atmosphärentriebwerke ...

Das ferne Dröhnen eines startenden Raumfrachters schreckte Saedelaere aus seinen Überlegungen auf. Hoch am Nachthimmel gluteten die Impulsbündel aus dem Ringwulst eines Kugelraumers und ließen das Schiff in Sekundenschnelle mit den Sternen verschmelzen.

Liv verspätete sich ganz gegen ihre Art. Ausgerechnet an ihrem letzten gemeinsamen Abend. Am nächsten Morgen würde er eine Space-Jet der Tombstone-Werke besteigen, um für neun Monate zum abschließenden Trainingscamp auf den Mars zu fliegen. Danach, wenn alles wie vorgesehen klappte, hatte er den »Techniker« in der Tasche und zugleich einen Vertrag, der ihn für zwei Jahre an Tombstone band.

Keine Ahnung, was währenddessen aus Liv und ihm werden würde. In drei Monaten waren sie einander noch nicht so nahe gekommen, wie Alaska es sich anfangs gewünscht hatte. Diesen 27. Mai 3422 hatte er sich jedoch besonders markiert.

Er wischte die feuchten Handflächen an der Hose ab. Liv hatte ihm vom ersten Augenblick an gefallen, und das nicht nur, weil sie sich in der Raumschiffsfotografie schon einen Namen gemacht hatte. Einige ihrer holografischen Aufnahmen hingen in großen Ausstellungen; Liv verstand es perfekt, die Imposanz gewaltiger Schiffsrümpfe mit winzigen Details zu verbinden und den Blick der Betrachter für das Wesentliche zu schärfen. Mikrometeoriten zerfurchten selbst Terkonitstahl; Haarrisse in den Stützmassetanks eines Impulstriebwerks bedeuteten über kurz oder lang eine tödliche Gefahr.

Schritte näherten sich. Alaskas Puls raste. Er hatte sich umdrehen und Liv in die Arme schließen wollen, aber er konnte es nicht. Vielmehr stand er wie angewurzelt am Rand der Terrasse und fragte sich, was Liv wirklich an ihm fand. In spätestens ein bis zwei Jahren würde sie im Licht der breiten Öffentlichkeit stehen, dann störte der dürre, aufgeschossene Mann an ihrer Seite nur. Er war kein Medientyp, mochte sich mitunter selbst nicht. Zwei Meter Schwindsucht hatte man ihn schon genannt. Das änderte nichts daran, dass er häufig Mahlzeiten ausfallen ließ und zudem lockere Kleidung bevorzugte, in deren Taschen sich viel Werkzeug verstauen ließ.

Alaska zuckte zusammen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Er schluckte krampfhaft, als Livs Finger durch sein kurzes Haar wühlten.

»Neun Monate sind keine Ewigkeit«, begann sie, »und läppische achtzig Millionen Kilometer bis zum Mars keine Entfernung. – Was ist mit dir? Endlose Betrübnis? Oder weshalb gibt es keinen Begrüßungskuss?«

Irgendetwas warnte ihn davor, sich umzudrehen. – Da war eine Ahnung von Gefahr, die den lauen Abend Lügen strafte und eine Hitzewelle durch seinen Körper schickte. Geh!, schrien seine Gedanke. Lass mich allein! Er brachte keinen Laut hervor, schaffte es nicht einmal, sich gegen den sanften Druck zu sträuben, mit dem Liv ihn zu sich herumzog.

»Ich habe einen Fotoauftrag auf dem Mars angenommen. Für die Whistler-Company. Roboterstudien in naturbelassenem Terrain ...« Ihre grünen Augen sprühten vor Freude. Aber schon im nächsten Moment glätteten sich die Lachfalten in den Augenwinkeln, legte sich ein Schleier über ihren Blick. Liv Andaman brachte nur noch ein unartikuliertes Gurgeln über die Lippen. Ihre Hände verloren die Kraft, rutschten an seinen Armen entlang abwärts.

Alaska umklammerte ebenso blitzschnell ihre Handgelenke. »Liv«, schrie er sie an, »was ist los mit dir?«

Die junge Frau lachte wirr. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie durch Saedelaere hindurch und schien ihn nicht einmal mehr wahrzunehmen. Im nächsten Moment sackte sie in sich zusammen.

»Nein«, keuchte Alaska, während Tränen seinen Blick verschleierten. »Das wollte ich nicht. Schau mich nicht an, Liv ... Nein!« Er spürte die entsetzliche, von ihm selbst ausgehende Bedrohung. So weit es eben ging, drehte er sich zur Seite, damit Liv sein Anblick erspart blieb, während sie schwer in seinen Armen hing. Zugleich wurde alles anders. Terranias Skyline wich der nüchternen Umgebung einer Standardkabine, deren Stirnseite die dreidimensionale Abbildung des Planeten Mars zeigte. Das Bett davor war zerwühlt, der kleine Bildschirm des Interkoms mit einem Tuch verhängt. Das Schott zur angrenzenden Nasszelle stand offen.

»Ich musste Ihnen ein Kreislauf stabilisierendes Mittel injizieren.« Die Stimme des Medorobots holte Alaska vollends in die Realität zurück. Er entsann sich, dass er vor Stunden an Bord der Korvette gebracht worden war. Der Bordarzt hatte ihm ein Schlafmittel verabreicht, doch es schien wenig wirkungsvoll gewesen zu sein und hatte ihm nur neue Albträume beschert. Halb benommen musste er nach einem Fluchtweg gesucht haben.

»Ich bringe jedem den Tod, der mich ansieht«, ächzte Saedelaere. »Warum lässt du mich nicht einfach sterben?«

»Auf Mimas arbeiten die besten Mediziner des Solaren Imperiums, Sir.«

Alaska verdrehte den Kopf, um sich vielleicht in der Brustplatte des Medoroboters zu spiegeln. Er wollte nur ein wenig mehr sehen als das fahle Flackern, das er bislang kannte. Aber die Injektion begann bereits zu wirken.

Diesmal schlief er tief und traumlos. Alaska Saedelaere registrierte weder den Einflug in das heimische Sonnensystem noch die Landung auf dem Saturnmond.

PERRY RHODAN-Kosmos-Chroniken: Alaska Saedelaere

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