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Wir gingen weiter, und irgendwann erkundigte ich mich laut, warum wir nicht auf diese Idee gekommen waren: in dem polnischen Dorf warme Milch zu verlangen. Weder Bauer noch Emmerich wussten darauf eine Antwort, und zwischen uns entstand ein merkwürdiges Schweigen, in dem ich förmlich mitlesen konnte, wie sie, ebenso wie ich, von der warmen Milch träumten. Sie trugen sie mit sich und schleppten schwer an der Last. Ich konnte nahe­zu hören, wie Bauer mit sich selbst darüber sprach, obwohl Emmerich zwischen uns ging. Emmerich geriet ins Straucheln und suchte Halt an meinem Arm. Ihr Traum von warmer Milch linderte mir die Schmerzen meines eigenen Traums.

Wir kamen an eine Kreuzung und fragten uns, ob wir nicht doch besser auf der Karte nachsehen sollten. Aber sie befand sich in der Innentasche von Emmerichs Mantel, und den Mantel zu öffnen hätte sich angefühlt wie ein Bad in Eiswasser. Wir entschieden uns schließlich, diejenige Straße zu nehmen, die südwärts führte, und blödelten herum, dass es im Süden bestimmt nicht so kalt wäre. Ein blasses Licht streifte den Himmel, ebenso weit entfernt und unnütz wie ein Geldstück unter der Erde. Unter dem aluminiumfarbenen Himmel ragten da und dort Bäume in den Feldern auf, auch rund aufgeschichtete Heuballen, die gänzlich von Schnee bedeckt waren. Im Frühjahr hatten wir in den Heuballen welche gefunden. Nicht direkt wir selbst, Emmerich, Bauer und ich, aber wir wussten, dass man dort welche gefunden hatte. Heute aber wäre es sinnlos gewesen, sich durch den Schnee dorthin zu kämpfen, um sie zu durchsuchen. Wer würde sich schon bei einer solchen Kälte in einem Heuhaufen aufhalten? Zumal die Kälte nicht erst gestern eingesetzt hatte.

Plötzlich sagte Bauer: »Und was, wenn wir keinen finden?«

»Na, was schon?«, gab Emmerich zurück.

Bauer ahmte den Schritt eines Greises nach, tat, als würde er sich auf dem Weg noch mehr abmühen als wir, und sagte: »Wie weit wollen wir denn noch gehen, bevor wir umkehren? Wie lange sollen wir noch hier draußen bleiben?«

»Warten wir wenigstens noch ab, bis es Nacht wird«, entgegnete Emmerich. »Damit es so aussieht, als hätten wir es versucht.«

Ich sagte: »Aber wenn der Wind wieder losgeht, kehren wir schon vorher um. Was soll’s!«

Bauer raunte uns zu, dass Graaf uns umbringen würde.

»Nicht so schnell wie der Wind«, sagte ich darauf halb resigniert, halb fröhlich.

Ein Wintermahl (eBook)

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