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KAPITEL ACHT

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Erschrocken fuhr ich hoch. Ich rumpelte mit meinem Kopf gegen das Bett über mir. Eine Sirene heulte wie eine Säge. In meinem Hals war ein ekeliges Kratzen. Ich musste husten. Das Kratzen blieb.

Erst allmählich begriff ich, dass ich nicht aus einem Albtraum aufwachte, sondern mittendrin steckte.

Aus allen Betten krochen Frauen. Sie bewegten sich.

„Amali“, flüsterte ich. Ihr Kopf tauchte verschlafen über mir auf. Dann ließ sie sich aus dem Bett gleiten.

Aus Lautsprechern dröhnte eine Stimme: „Schichtwechsel! Betten machen! Arbeitsbeginn in siebzehn Minuten.“

Aus dem Bett gegenüber stieg ein Mädchen mit dunklem Lockenkopf. Sie war bestimmt nicht viel älter als wir. Fröhlich strahlte sie uns an. „Ihr seid neu hier?“

„Ja, gestern angekommen“, sagte ich. Amali nickte wortlos.

„Wo habt ihr vorher gearbeitet?“

Ich schüttelte meinen Kopf. „Wir kommen aus Jaikong.“

„Tut mir leid.“

„Wie lang bist du schon hier?“

„Sie haben mich letztes Jahr nach der Abschlussprüfung rausgeschickt. Null Punkte in Englisch. Ich bin übrigens Gloria.“

„Amali.“

„Kalana.“

„Ihr müsst eure Decken ordentlich falten. Schaut her!“, erklärte Gloria. „Die alte Gaschel macht euch die Hölle heiß, wenn die Karos nicht exakt aufeinanderliegen.“

Nervös zupfte ich an meiner Decke herum. Amali stand mir im Weg.

„Ihr müsst euch beeilen“, drängelte Gloria sanft.

Es war ein schreckliches Gefummel die Decke exakt zu falten.

Wir waren die Letzten, die den Schlafsaal verließen. Aus einer Plastiktonne an der Tür fischte Gloria Brot und gab es uns. „Frühstück“, murmelte sie.

Das Brot war steinhart. Daran biss man sich höchstens die Zähne aus.

„Du musst es eine Weile im Mund behalten, dann wird es weich“, erklärte Gloria.

Wir folgten ihr durch Gänge. Hinter einer dreifachen Schleuse lag die Produktionshalle. Sie war riesig, fast so groß wie ein Vincoon-Stadion. Exakt ausgerichtete Werkbänke füllten die Halle. An der Decke war ein Schienensystem montiert. Dort hingen Drahtkörbe herab. Sie rasten hin und her und transportierten Bauteile zu den Arbeitsplätzen.

„Was steht ihr hier herum?“, schnauzte uns eine Stimme von hinten an.

Gloria verlor für einen Augenblick das Strahlen aus ihrem Gesicht. Nervös fuhr sie sich durch ihre Locken: „Die beiden sind neu, Kalana und Amali.“

Erschreckt drehte ich mich um. Die stahlgrauen Augen eines Mannes mit militärischem Bürstenhaarschnitt starrten mich an. Ich sah zu ihm auf. Dabei blickte ich in behaarte Nasenlöcher, die mit den buschigen Augenbrauen um die Wette wucherten.

„Was sollen wir machen?“, fragte ich vorsichtig.

„Entgratung und Montage“, brüllte uns der Bürstenkopf an. „Plätze 328 und 329. Spielzeugroboter entgraten und zusammenschrauben“, knurrte er.

„Was ist Entgratung?“ Ich versuchte den Gesichtsausdruck, den mir Frau Alenkowa als umwerfend beigebracht hatte. Irgendwie wollte es heute nicht klappen.

Bürstenkopfs Blick sagte mir, dass ich besser nicht gefragt hätte. Er knurrte mich an: „Dort draußen finde ich in einer halbe Stunde hundert Leute, die mir die Füße küssen, wenn sie bei Plastic Fantastic Spielzeug entgraten und montieren dürfen.“

Gloria nahm Amali und mich am Handgelenk und zog uns ganz schnell weiter. „Ich erkläre es den beiden, gar kein Problem. Sie werden gleich in ihrer ersten Schicht die Mengenvorgaben schaffen. Ganz bestimmt.“ Vor den meisten Werkbänken standen bereits Arbeiterinnen und Arbeiter und fingerten an irgendwelchen Plastikteilen herum.

„Das ist Lenket, er kümmert sich darum, dass der Laden läuft. Er ist die rechte Hand von Direktor Bo“, flüsterte mir Gloria zu.

Unsere Arbeitsplätze waren ganz hinten. Ropex stand schon am Tisch daneben. Unglücklich hielt er ein kleines Plastikteil in der einen Hand und eine Feile in der anderen. Amali rannte auf ihn zu und umarmte ihn.

„Lass das besser!“, meinte Gloria. „Draußen könnt ihr machen, was ihr wollt, aber nicht in der Fabrik. Direktor Bo duldet keine Techtelmechtel, wie er es nennt.

Ropex fuhr mit der Feile über die ungeraden Kanten eines Plastikkäfers.

„Die überstehenden Plastikreste wegmachen, das ist entgraten“, erklärte Gloria.

Mit einem Gongschlag begann die Sechs-Uhr-Schicht. Augenblicklich wurde es in der Produktionshalle still. Jedes Gespräch, alles Tuscheln und Flüstern verstummte.

Ein wenig ratlos stand ich vor meiner Werkbank. In den Drahtkörben darüber lagen hellblaue Plastikteile, Schräubchen, Gummibänder, kleine Elektromotoren und Computerbauteile. Auf der Werkbank lag eine bebilderte Anleitung, um die Spielzeugroboter zu montieren. Ich schnappte mir die hellblauen Plastikteile, feilte die Kanten gerade und setzte den Roboter zusammen. Der kleine Kerl lächelte mich freundlich an. An Stelle von Füßen hatte er kleine Gummiraupen. Den Motor und die Elektronik einzubauen, war ein ziemliches Gefummel. Aber schließlich zog ich die letzten Schräubchen fest.

„Beeil dich“, flüsterte mir Gloria zu. „Du musst hundert Stück in einer Schicht schaffen. Die zählen das nach.“

Ich sah meinen ersten Roboter zufrieden an, da bemerkte ich, dass er nur einen Arm hatte. Ich hatte vergessen, den zweiten einzubauen. Verdammter Mist, jetzt war es zu spät. Bevor ich ihn wieder zerlegte, würde ich besser einen neuen Roboter zusammensetzen. Verstohlen blickte ich links und rechts über meine Schulter, stopfte den missratenen Roboter in meine Tasche und begann, einen neuen zu montieren. Diesmal ging es schon ein wenig schneller. Mit jedem neuen Roboter wurden mir die Handgriffe geläufiger und nach einer Stunde hatte ich 15 Roboter zusammengeschraubt. Das reichte noch nicht. Ich musste schneller werden. Ohne den Blick ein einziges Mal von der Werkbank zu wenden, flogen meine Finger von Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt. Ich hatte nicht einmal Zeit nachzusehen, wie es bei Gloria und Amali lief. Stück für Stück holte ich auf. Endlich zog ich das letzte Schräubchen meines fünfzigsten Roboters fest. Puh, Halbzeit. Ich wagte nicht einmal, zur großen Hallenuhr zu schauen. Das würde zu viel Zeit kosten. Bestimmt ein halbes Dutzend Mal hatte ich mir den Schraubenzieher mittlerweile in die Hand gerammt. Das tat verdammt weh. Wenigstens war die Luft in der Halle gut. Kein Ruß oder Dreck und das Kratzen im Hals ließ spürbar nach.

Nur Schweißgeruch mischte sich gegen Ende der Schicht unter die Atemluft. Neunundneunzig, hundert, hunderteins, hundertzwei, hundertdrei, dann schlug der Gong. Unsere Schicht war zu Ende. Erschöpft ließ ich mich auf den Werktisch fallen und atmete ganz tief durch.

„Beeilung, du musst deinen Arbeitsplatz aufräumen und dann schnell raus hier. Wenn du zu lange in der Halle bleibst, wird Lenket richtig fies. Das ist Luftdiebstahl.“

Mit letzter Kraft zwang ich mich, die übrig geblieben Teile aufzuräumen. Dann drehte ich mich um und stakste wie ein Roboter zum Ausgang. Gloria war auch gerade fertig geworden. Am Ausgang stand Lenket und knurrte Ropex an. „Nur neunundachtzig Käfer. Ich wollte mindestens hundert sehen.“

„Es war mein erster Tag“, erwiderte Ropex matt.

„Morgen bekommst du eine letzte Chance. Wenn du die Vorgabe nicht schaffst, fliegst du.“

Wie ein geprügelter Hund zog Ropex ab.

Mir konnte es nicht schnell genug gehen, Lenkets Blick zu entkommen.

Draußen im Gang, als sich die letzte Schleusentür hinter uns geschlossen hatte, spürte ich augenblicklich wieder dieses Kratzen im Hals. Mein Aerometer zeigte ein zartes Hellgelb. Ich begriff, warum doppelte oder dreifache Schichten so beliebt waren.

Rußatem

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