Читать книгу Rußatem - Hubert Wiest - Страница 8
KAPITEL FÜNF
ОглавлениеQuinn wollte schreien, wollte jubeln. Er hatte es geschafft. Es war der absolute Wahnsinn. Sein Traum ging in Erfüllung!
Ein breites Lächeln zog sich über sein Gesicht. Wie ferngesteuert bewegte er sich auf die rettende Tür zu, die ihn vor dem Transport nach draußen bewahrte.
Er fühlte, wie eine warme Hand nach seiner griff. Kalanas Worte drangen nicht mehr in sein Bewusstsein vor. Irgendetwas in ihm weigerte sich, diese Laute zu übersetzen. Er wollte seinem schlechten Gewissen keine Nahrung geben. Ganz tief in seinem Inneren war eine mahnende Stimme, die ihn überreden wollte, bei Kalana zu bleiben. Mit ihr nach draußen zu fahren. Nein, jeder war für sein Leben selbst verantwortlich – tausend Mal hatten sie das in der Schule gelernt. Und die drei Musketiere, das war doch nur ein lächerlicher Kindertraum, weit ab von der Wirklichkeit. Sie waren der Fantasie eines Autors entsprungen, der sein Leben bestimmt selbst nicht auf die Reihe gekriegt hatte. Schlag um Schlag rang seine Vernunft das Gewissen nieder, verbannte es in die hintersten Winkel seines Bewusstseins.
„Gratuliere, Quinn“, lächelte ihn ein Aeronaut an, der höchstens ein paar Jahre älter war als Quinn und trotzdem schon den Trupp anführte.
„Ich bin Cassaio, Leutnant Cassaio, einer deiner Ausbilder. Willkommen bei den Aeronauten.“
„Woodburn, Quinn.“
Mit einem Ruck zog Quinn seine Hand aus Kalanas und ging.
Der silbergraue Gleiter der Aeronauten parkte direkt vor dem Transportterminal. Als sich Quinn in einen der gepolsterten Schalensitze fallen ließ und durch die abgedunkelten Scheiben nach draußen blickte, kam er sich schon wie ein Vincoonstar vor. Der Gleiter beschleunigte und schoss auf die oberste der fünf Straßenebenen. Quinn hatte so ein wunderbares Kribbeln im Bauch. Es fühlte sich unglaublich wichtig an, auf alle anderen herunterschauen zu können. Die fünfte Ebene war VIPs und Behördenfahrzeugen vorbehalten. Die Aussicht war phänomenal. Grau glitzernde Wolkenkratzer zogen sich in alle Richtungen bis zum Horizont. Und darüber lag wie aus Kristall geschnitten die gigantische Kuppel, die das Leben in Jaikong so lebenswert machte. Oben, fast im Zentrum der Kuppel, leuchtet das Grau ein wenig heller. Dort musste die Sonne stehen. Was für ein herrlicher Tag. Quinn wollte schreien vor Glück. Doch da drängte sich das Bild von Kalana dazwischen. Ihre Enttäuschung brannte sich übermächtig in sein Bewusstsein ein. Ein stechender Schmerz wie von einem Zahnarztbohrer durchfuhr ihn, als er in seiner Erinnerung noch einmal seine Hand aus ihrer zog. Mann, er sollte sich eigentlich freuen. Er hatte es geschafft. Sein Traum wurde gerade Wirklichkeit. Das Schicksal belohnte ihn für all die harte Arbeit auf den Vincoonspielfeldern. Und dann quälte ihn wieder der Gedanke an Kalana.
Quinn wusste nicht, wie lange die Fahrt dauerte. Er konnte sich nur noch erinnern, als sie die Abfahrt direkt neben dem Aero-Tower nahmen. Das blauschwarz verglaste Hochhaus überragte alle umstehenden. Der weiße Adler des Aeronauten-Wappens prangte über dem Eingangsportal.
Die Schleuse zur Tiefgarage wurde von schwer bewaffneten Aeronauten bewacht. Kanonengroße Egalisierer sicherten die Zufahrt.
„Die Sicherheitskontrollen sind verstärkt. Alarmstufe gelb. Da dauert es immer etwas länger“, erklärte Cassaio, als sie sich in die Warteschlange einreihten. „Wegen der Phunks. Es sind Anschlagspläne bekannt geworden“, fügte er düster hinzu.
Quinn nickte. Die Bedrohung durch die Phunks-Terroristen war in den letzten Monaten erheblich gestiegen. Vor zehn Jahren waren Kalanas Eltern bei einem Anschlag der Phunks ums Leben gekommen. Und schon musste er wieder an Kalana denken. Der dritte Industrie-Ring war nicht so schlimm wie der vierte oder fünfte und außerdem würde er als Aeronaut die Phunks bekämpfen. Er würde auf der Seite der Guten stehen, den Tod von Kalanas Eltern rächen. Kalanas Vater hatte er nur ein oder zwei Mal gesehen, aber Elga Zookie, Kalanas Mama, hatte er noch gut in Erinnerung. Sie war eine unglaublich warmherzige Frau gewesen. Immer hatte sie sich Zeit genommen, die Geschichten der Kinder anzuhören. Großzügig durften sich alle aus ihrem Süßigkeitenschrank bedienen.
„Aussteigen, Quinn“, rief Cassaio.
Quinn schreckte auf. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er der Letzte war. Der Gleiter war längst zwischen anderen Einsatzfahrzeugen in der Tiefgarage geparkt.
„Du meldest dich in Ebene 23 beim Kadettenempfang. Dort bekommst du deine Ausrüstung und ein Zimmer zugewiesen.“
„Jawohl, Ebene 23, Kadettenempfang“, wiederholte Quinn und folgte Cassaio zum Aufzug.
„Wir sehen uns morgen zum Einführungsunterricht“, verabschiedete sich Cassaio von Quinn.
Ebene 23 wimmelte nur so von stahlgrau uniformierten Kadetten. Fertig ausgebildete Aeronauten trugen die gefürchteten blauschwarzen Uniformen.
Quinn erhielt vom Quartiermeister seine Ausrüstung in einer riesigen Tasche. Das Emblem der Aeronauten war außen aufgedruckt. „Hier noch unterschreiben“, schnauzte ihn der Mann an. „Du bist in Zimmer 23341 untergebracht, den Gang ganz vor, dann links und den zweiten wieder rechts.“
Quinn nickte und ging. Er war total aufgeregt. Stolpernd rumpelte er mit jemandem zusammen. Als er aufsah, blickte er in wasserblaue Augen. Die blonden Haare der Kadettin reichten bis zu den Hüften. Das Mädchen lächelte ihn herausfordernd an.
„Tschuldigung“, murmelte Quinn und ärgerte sich, dass er sich wie ein Trottel benahm.
„Bist du neu hier?“, fragte das Mädchen und strich sich die Haare aus der Stirn. Das half nichts. Sofort rutschten sie ihr wieder ins Gesicht.
„Ja, gerade angekommen“, stotterte Quinn und hob wie zum Beweis die schwere Tasche, „suche mein Zimmer.“
„Wo musst du hin?“
Quinn sah auf dem Formular nach, das er vom Quartiermeister bekommen hatte. „23341.“
Das Mädchen strahlte ihn an. „Cool, dann bist du bei Kirk.“
Quinn zuckte mit den Schultern.
„Kirk ist mein …“, dann hielt sie kurz inne, ließ ein weiteres Lächeln aufblitzen und begann den Satz von Neuem, „Kirk ist ein Freund von mir.“
Als Quinn das Lächeln mit einem planlosen Nicken erwiderte, bot sie an: „Ich bring dich hin. Am ersten Tag scheint hier alles total kompliziert zu sein. Aber das gibt sich schnell. Ich bin übrigens Lyrah.“
„Woodburn, äh, ich meine Quinn.“ Eigentlich stellte sich Quinn im Umgang mit Mädchen alles andere als dämlich an, wenn man einmal von Kalana absah. Er musste sich nicht einmal besonders bemühen. Irgendwie lief das immer. Aber heute war wohl nicht sein Tag.
Quinn folgte Lyrah durch die Gänge. Es kam ihm vor, als gingen sie im Kreis.
„Vincoon?“, fragte Lyrah und schüttelte ihren Kopf. Quinn konnte sich nicht erinnern, jemals so hellblonde Haare gesehen zu haben. Dabei wirkten sie ganz natürlich, bestimmt nicht gefärbt. Woher wusste das Mädchen, dass er ein Vincoon-Spieler war. Warteten sie schon auf ihn? Wahrscheinlich hatte sich längst herumgesprochen, dass er den Zehnjahresrekord seiner Schule aufgestellt hatte.
„Na, ich mein dein blaues Auge“, fügte Lyrah mit einem Zwinkern hinzu.
„Ach so das, nein … Das war ein Unfall auf dem Abschlussfest.“
„Schade, ich dachte, du spielt Vincoon. Also ich spiele, seit ich drei bin. Hab schon in der B-Jugend-Auswahlmannschaft gespielt, immer im Mittelfeld.“
„Doch, doch“, beeilte sich Quinn, die Sache richtigzustellen, „natürlich spiele ich auch Vincoon. Deshalb bin ich ja hier bei der Aeronauten.“
Das Mädchen blieb augenblicklich stehen und drehte sich zu Quinn um. Er hatte Mühe abzubremsen, um nicht wie ein Vollidiot in sie hineinzulaufen. Lyrah schüttelte ihren Kopf „Das hören sie hier gar nicht gerne.“
„Was?“
„Na, dass du wegen Vincoon zu den Aeronauten gekommen bist. Sicherlich haben sie hier herausragende Teams und die Nachwuchsarbeit ist phänomenal, aber in erster Linie dienst du als Kadett der Aeronauten. Die wenigsten schaffen es in die Auswahlmannschaften.“
Quinn schluckte. „Ja, genau. So sehe ich das auch.“
Lyrah war vor einer Tür stehen geblieben und klopfte. Es dauerte, bis sich eine verschlafene Stimme meldete: „Herein.“
Quinn erschrak, als sie eintraten. Das fensterlose Zimmer war eine winzige Kammer. An einer Wand waren zwei Bettmulden übereinander eingelassen. Gegenüber schlossen zwei Spindtüren bündig mit der Wand ab und dann gab es noch zwei Bildschirmarbeitsplätze. Das war alles. Wenn man in der Mitte des Raums stand und die Arme ausstreckte, konnte man fast die Wände berühren. Aus dem oberen der beiden Betten tauchte ein Junge mit kurz rasierten Haaren auf. Er sah Quinn wenig begeistert an. „Was willst du?“, fragte er mürrisch.
Quinn stellte die schwere Tasche auf den Boden. „Ich bin Quinn. Sie haben mich in dieses Zimmer eingeteilt.“
Der Junge drehte sich im Bett um und murmelte. „Da musst du nicht so einen Aufstand machen. Siehst doch, dass das obere Bett meines ist. Also nimmst du das untere und lässt mich in Ruhe weiterschlafen.“
„Alles klar, Kirk?“, rief Lyrah und drängte sich von hinten in die winzige Kammer.
Sofort tauchte Kirk wieder aus seinem Bett auf. Diesmal mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Seine Müdigkeit schien wie weggewischt. „Hi Lyrah. Ja, alles klar. Es nervt nur, dass ich mein winziges Zimmer mit dem da teilen muss.“
„Er ist auch Vincoon-Spieler“, erklärte Lyrah, als müsste sie Quinn verteidigen. „Sag mal, welche Position spielst du eigentlich?“
„Mittelfeld, offensives Mittelfeld.“
„Genau wie ich.“ Lyrah schenkte Quinn ein geheimnisvolles Lächeln.
„Immer mit der Ruhe“, mischte sich Kirk ein und ließ sich aus seinem Bett gleiten. Jetzt stand er zwischen den beiden und sah Lyrah an. „Die Auswahlspiele werden zeigen, wer es in die Aero-Cadets schafft. Und ich glaube nicht, dass der dabei ist.“ Dabei deutete er mit dem Daumen auf Quinn.
Quinn ließ sich auf sein Bett fallen, um ein wenig Abstand zu diesem Kirk zu bekommen. Mann, war ihm der Typ unsympathisch.
„Ciao, Quinn. Ciao, Kirk. Bis morgen“, verabschiedete sich Lyrah.
Als die Tür hinter Lyrah ins Schloss gefallen war, baute sich Kirk direkt vor Quinn auf:
„Eine Sache will ich gleich mal klarstellen“, schnauzte Kirk.
„Ja?“, stotterte Quinn wie ein eingeschüchterter Erstklässler. Dabei kam er sich unglaublich dämlich vor. Dieser Kirk hatte ihm gar nichts vorzuschreiben.
„Von Lyrah lässt du deine Finger! Haben wir uns verstanden?“
„Also …“
„Lyrah ist meine Freundin“, erklärte Kirk und verschränkte seine Arme.
Quinn wollte noch etwas erwidern, sagen, dass das Kirk gar nichts anginge und …
Doch Kirk war schon wieder nach oben in sein Bett geklettert, als wäre er an einer Antwort von Quinn nicht im Geringsten interessiert.
Am nächsten Morgen riss der Wecker Quinn viel zu früh aus dem Bett. Es war noch stockdunkel. Quinn brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass das an der fensterlosen Kammer lag. Albträume hatten ihn durch die Nacht verfolgt. Kalana. Er wollte sich nicht mehr daran erinnern und verdrängte die verblassenden Erinnerungen.
„Trödel nicht so rum“, fauchte Kirk, der schon in seiner stahlgrauen Kadetten-Uniform vor dem Bett stand. „Es gibt Frühstück bis sieben. Um sieben Uhr fünfzehn beginnt der Unterricht in 2301.“
„Danke“, murmelte Quinn und riss nervös am Reißverschluss seiner Tasche. Er hatte sich gestern Abend nicht mehr darum gekümmert. Mit fahrigen Bewegungen schaufelte er durch den Inhalt der Tasche und versuchte, eine komplette Uniform herauszufischen. Ein etwa vierzig Zentimeter langer Metallstab fiel dabei heraus und donnerte auf den Boden.
„Mann, du Idiot, pass gefälligst auf deinen Egalisierer auf!“
Ehrfürchtig hob Quinn die Waffe auf und legte sie vorsichtig zurück in die Tasche. Natürlich wusste er, was ein Egalisierer war. Jedes Kleinkind kannte die Waffe der Aeronauten. Irgendwie war Quinn heute Morgen total durch den Wind. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis seine Uniform einigermaßen korrekt saß.
Das Frühstück war schnell erledigt. Es gab eine ernährungstechnisch ausgewogene Paste, die alles Notwendige enthielt. Quinn freute sich schon darauf, andere Kadetten im Unterricht kennenzulernen. Aber die Sache war gar nicht so einfach. Alle schienen auf Kirk zu hören und der brauchte nicht einmal Worte, um klarzumachen, dass Quinn unerwünscht war. Quinn hatte den Fehler gemacht, Lyrah als Erstes zu begrüßen und gemeint, er könnte neben ihr sitzen. Doch das war Kirks Platz. Wie ein geprügelter Hund zog Quinn ab und setzte sich weit hinten, ganz außen in eine Reihe. Dort saß er ganz alleine.
Auf die Sekunde pünktlich betrat Cassaio den Hörsaal. Er ließ die Tür hinter sich zuschlagen. Augenblicklich war selbst das leiseste Flüstern verstummt.
„Guten Morgen, Kadetten!“
„Guten Morgen, Leutnant Cassaio!“
Auf einen Wink Cassaios setzten sich alle.
„Nehmt euch einen Moment Zeit, um eure Nachbarn anzusehen!“
Alle Kadetten blickten nach links und rechts. Quinn hatte keinen Nachbarn. Da sorgte Cassaio mit einem kurzen Schlag auf das Pult für Ruhe: „Es ist unwahrscheinlich, dass am Ende der Kadettenausbildung eure Nachbarn noch da sind. Mehr als die Hälfte von euch wird die Ausbildung nicht zu Ende bringen. Und falls ihr nur wegen einer Karriere als Vincoon-Spieler gekommen seid, könnt ihr gleich eure Sachen packen. Jedes Jahr beginnen über tausend Kadetten die Ausbildung. Davon schafft es nur ein halbes Dutzend in unsere Auswahlmannschaft, die Aero-Cadets.“
Quinn lief eine Gänsehaut über den Rücken. Aero-Cadets – schon der Klang dieser legendären Nachwuchsmannschaft löste ein wohliges Kribbeln bei ihm aus. Er würde es allen zeigen und sich an Kirk vorbei in die Mannschaft spielen. Lyrah würde ihn bewundern. Das Problem mit Kirk würde sich dann ganz schnell lösen.
„Wer kann mir die Hauptaufgaben der Aeronauten nennen?“, stieg Cassaio ohne Vorgeplänkel in den trockenen Unterrichtsstoff ein.
„Verbrecher fangen“, rief einer aus der ersten Reihe, ohne sich zu melden.
„Du verlässt augenblicklich meinen Unterricht und packst deine Sachen“, schnauzte Cassaio. Der Typ aus der ersten Reihe stand auf und schlich benommen davon.
„Bei den Aeronauten herrscht Disziplin. Das hier ist keine antiautoritäre Sing- und Tanzschule. Wer meint, etwas zum Unterricht beitragen zu können, meldet sich über den Touchscreen, der an jedem Arbeitsplatz angebracht ist.“
„Ja, Toto“, rief Cassaio einen Jungen auf, der neben Kirk saß.
„Die Aeronauten sorgen für die Einhaltung der Luftgesetze. Menschen in den Industrie-Ringen dürfen den ihnen zugewiesenen Ring nur mit einem entsprechenden Visum verlassen. Der Zutritt nach Jaikong wird von den Aeronauten kontrolliert.“
„Sehr gut, das hört sich schon besser an. Wie oft dürfen die Menschen aus den Industrie-Ringen nach Jaikong reisen?“
Kirk wurde aufgerufen. „Das ist in der Luftkurverordnung festgeschrieben. Alle Menschen aus den Industrie-Ringen erhalten einmal im Monat einen zweistündigen Aufenthalt im Luftkurzentrum von Jaikong. Zusätzliche Luftkurstunden können durch herausragende Arbeitsleistung gewährt werden. Die ordnungsgemäße Durchführung der Luftkuren obliegt den Aeronauten.“
Quinn rutschte nervös auf seinem Stuhl. Woher wusste Kirk das alles. Hätte er schon irgendwelche Gesetze, Verordnungen oder Dienstanweisungen lesen müssen?
„Ausgezeichnet“, lobte Cassaio ausgerechnet Kirk. „Und was willst du uns sagen, Quinn?“
Erschrocken fuhr Quinn hoch. Ja, Cassaio meinte ihn. Irgendwie musste er auf diesen verdammten Touchscreen gekommen sein.
„Also, die Aeronauten müssen auch“, stammelte Quinn, um Zeit zu gewinnen. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.
„Ja?“
Diese zwei Buchstaben brachten Quinns Gehirn fast zum Stillstand. Dahinter verbarg sich keine aufmunternde Frage, es hieß vielmehr „Wenn du jetzt keine vernünftige Antwort lieferst, kannst du auch gleich gehen, wie dieser andere Versager.“ Geschieht dir nur recht, meldete sich jetzt auch noch sein schlechtes Gewissen und Quinn musste an Kalana denken. Kalana, die jetzt irgendwo draußen im dritten Industrie-Ring saß, deren Eltern von den Phunks bei einem Anschlag ermordet wurden. Und plötzlich fiel Quinn die Antwort ganz leicht: „Eine weitere Aufgabe der Aeronauten ist es, Jaikong von Phunks zu säubern, um dauerhaften Frieden zu gewährleisten.“
„Ja, so könnte man sagen“, meinte Cassaio und nickte wohlwollend. „Die Phunks-Terroristen, oder PT, sind eine ernste Bedrohung für die Ordnung in Jaikong und den Industrie-Ringen. Die PT fordern ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht aller Menschen in Jaikong. Aber das würde zu Jaikongs Zusammenbruch führen. Die Filteranlagen der Kuppel können unmöglich weitere 30 Millionen Menschen mit gesunder Atemluft versorgen. Und warum sollten Menschen, die nicht bereit waren, alles für Jaikong zu geben, den Bewohnern Jaikongs die Lebensgrundlage entziehen? In Jaikong erhält jeder die gleiche Chance. Alle durchlaufen dasselbe Schulsystem. Es ist nur gerecht, wenn die Leistungsträger der Gesellschaft in Jaikong leben dürfen und die anderen ihre Aufgaben in den Industrie-Ringen versehen. Ich möchte betonen, dass es weder Strafe noch Schande ist, in den Industrie-Ringen zu leben. Im ersten Industrie-Ring ist das Leben kaum schlechter als in Jaikong. In engster Nachbarschaft zur großen Kuppel sind noch viele positive Lufteffekte wahrzunehmen. Und selbst weiter draußen im vierten oder fünften Industrie-Ring ist Leben noch lebenswert. Kein Mensch muss verhungern oder verdursten. Die Anforderungen sind geringer und bieten ein ansprechendes Umfeld für Minderleister. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, sich durch persönlichen Einsatz nach oben zu arbeiten. Auch Arbeitern aus dem Fünften ist es schon gelungen, sich bis nach Jaikong hochzudienen. Das kommt nicht einmal so selten vor.“
Diese Worte beruhigten Quinn ungemein. Wenn es sogar Menschen aus dem Fünften schaffen, wäre es für Kalana gar kein Problem. Und die Lebensqualität im Dritten war gar nicht so schlecht. Es kam nur darauf an, was man daraus machte.