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|20|2 BRESLAU 9. BIS 12. MAI 1849 Politik IM BELAGERUNGSZUSTAND
ОглавлениеPolitik ist ein heikles Geschäft im Breslau des Frühjahrs 1849. Nach blutigen Barrikadenkämpfen steht die Stadt unter Belagerungszustand, alle politischen Versammlungen sind grundsätzlich verboten. Die Generalversammlung wird trotzdem genehmigt. „Wäre ganz Breslau ein katholischer Verein, so gäbe es keinen Belagerungszustand“, heißt es aus der preußischen Militär- und Polizeibehörde.
Vor allem eine Frage bewegt die Teilnehmer: Soll ein deutscher Nationalstaat auch das katholische Österreich umfassen – das wäre die „großdeutsche“ Lösung –, oder ist ein „kleindeutscher“ Staat unter Führung Preußens das Gebot der Stunde? Die Mehrheit der in Breslau versammelten Katholiken hat eine klare Meinung: Sie wünscht sich ein Deutschland, in dem Österreich eine führende Rolle spielt. Die Rheinländer zum Beispiel erhoffen sich so mehr Distanz zu den ungeliebten, protestantischen Preußen in Berlin. Als Vorkämpfer der großdeutschen Lösung profiliert sich, wie schon im Paulskirchen-Parlament, der Präsident des ersten Katholikentages, Franz Joseph Buß aus Baden. Auf einer Versammlung der Piusvereine des Rheinlands und Westfalens im April 1849 setzt er sich gegen die Fraktion der Unpolitischen und deren Wortführer Ignaz Döllinger weitgehend durch. Und wäre es nicht dumm, wenn die |21|Katholiken nicht mit der geballten Macht ihrer Vereine für die Staatsform streiten würden, die ihren Interessen entspricht? Ausgerechnet die Österreicher fordern in Breslau jedoch nachdrücklich, sich in politischen Fragen so weit wie möglich zurückzuhalten, denn das österreichische Vereinsgesetz ist sehr restriktiv gegenüber politischen Vereinen. Wenn die Generalversammlung sich zu politischen Zielen bekennen würde, müssten die österreichischen Vereine ausscheiden.
WAS NOCH?
Die Generalversammlung betont die Elternrechte in der Erziehung, setzt sich für katholische Schulen ein und fördert die Verbreitung katholischer Schriften. Für die „beste Broschüre über Unterrichtsfreiheit“ wird „der Preis der Ehre“ ausgelobt. Mit Blick auf die „geistigen Bedürfnisse“ der Amerika-Auswanderer werden die Ludwigs- und Leopoldsvereine unterstützt. Ausführlich diskutieren die Versammelten die Soziale Frage. Sie empfehlen unter anderem, weitere Vinzenzvereine für die Armenfürsorge, Heime für Kleinkinder und Volksbibliotheken zu gründen. Um kranke Arme sollen sich Frauenvereine kümmern.
Breslau beherbergt trotz blutiger Barrikadenkämpfe den zweiten Katholikentag – hier ein Blick auf die Verteidigung der Barrikade am hohen Hause in der Nicolaistraße am 7. Mai 1849.
Zudem fürchtet die Generalversammlung in Breslau, sich über politische Fragen zu zerstreiten. Der Mainzer Theologe Johann Baptist Heinrich rügt den nicht anwesenden Buß, ohne ihn namentlich zu nennen, als einen um den Verein verdienten Mann, der sich „in der Kaiseridee habe befangen lassen“. Die Generalversammlung beschließt: „Die korporative Beteiligung der katholischen Vereine an rein politischen Fragen bleibt ganz ausgeschlossen. Jedem Vereinsmitgliede muss es überlassen werden, was für eine politische Ansicht es zu der seinigen macht. Es werden somit die Einzelvereine gewarnt, auf unstatthafte Weise politische Fragen des Tages in den Kreis ihrer Wirksamkeit zu ziehen.“
In der Einleitung zur Dokumentation der Tagung wird die Genugtuung deutlich, „eine wegen politischer Lieblingsideen Einzelner mögliche Spaltung“ abgewehrt zu haben. Die katholische Politik sei identisch mit der „Verwirklichung der kirchlichen Freiheit“ – und alles andere ergebe sich daraus von selbst. Papst Pius IX. unterstützt diesen Kurs. Er fordert, „jeglichen Verdacht politischen Treibens mit Abscheu“ von sich zu weisen. Sein Brief ist ausgerechnet an Buß adressiert, den Präsidenten des vorangegangenen Katholikentages. Dieser schreibt später enttäuscht, es wolle ihm scheinen, „als sei die Universalität der katholischen Nation hinübergetreten in die engen Verhältnisse – eines Vereines“.
Franz Joseph von Buß war ein überzeugter Vorkämpfer für die „großdeutsche Lösung“.