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|34|9 SALZBURG 21. BIS 24. SEPTEMBER 1857 Katholiken im Orient FÜRS ÜBERGEWICHT DER DEUTSCHEN NATION
ОглавлениеSoll die Generalversammlung den in Österreich gegründeten „Verein der Unbefleckten Empfängnis Mariens“ empfehlen? Diese Frage wird in Salzburg ausführlich diskutiert. Der neue Verein, der mit seinem Namen das 1854 vom Papst verkündete Mariendogma propagiert, unterstützt die Katholiken im Orient, „insbesonders im Gesamtgebiete des türkischen Reiches“, er will dort den Priestermangel beheben und Kirchen bauen. Doch er verfolgt auch politische Ziele. Die Generalversammlung soll ihn nicht nur wegen „seines frommen und segenreichen Zweckes“, sondern ausdrücklich auch wegen „der Wichtigkeit und Bedeutung dieser Länder für Deutschland und Österreich“ fördern.
Der Optiker Ludwig Merz aus München ist zunächst skeptisch. Er warnt vor einer Zersplitterung der Missionsvereine, die Leute würden sich bald nicht mehr auskennen. Und tatsächlich: Da gibt es den Bonifatiusverein, zuständig vor allem für die Katholiken im protestantischen Norden, den Xaverius-Verein, einen Vorläufer des heutigen Missionswerkes „missio“, einen Verein vom heiligen Grabe in Köln, einen Cyrill- und Methodius-Verein, der die orthodoxen Griechen unterstützt, und viele andere.
Friedrich Michelis, inzwischen Pfarrer in Albachten bei Münster, betont dagegen, Österreichs „von Gott ihm angewiesene Aufgabe“ und eine neue welthistorische Lage erforderten einen neuen Verein. Er verweist auf die Geschichte des Byzantinischen Reiches, auf die Kreuzzüge und auf die Mission der Jesuiten. Deutschland trete wieder „in seine katholischen Rechte“ ein, wenn es „jetzt recht lebhaft für den Orient wirke“.
Im Jahr zuvor ist der blutige Krimkrieg zu Ende gegangen, der sich an Streitigkeiten um die Schutzherrschaft über die Christen im Heiligen Land entzündet hatte: Russland kämpfte gegen das Osmanische Reich, das sich mithilfe von Frankreich, England und dem Königreich Sardinien noch einmal behaupten konnte. Österreich mobilisierte lediglich seine Truppen, um Russland zum Rückzug aus der Walachei und Moldau zu zwingen. Doch die Donaumonarchie ging finanziell und politisch geschwächt |35|aus dem Krieg hervor. Der „Orient“ beginnt 1857 schon in Bosnien, das ein halbes Jahrhundert später von Österreich-Ungarn annektiert werden sollte. Es gelte sicherzustellen, dass „der in Bosnien bestehende Muselmannsstamm, wenn eine Änderung vorgehe, nicht der griechischen, sondern der katholischen Kirche zufalle“, erklärt der österreichische Baron Stillfried in Salzburg.
WAS NOCH?
Die 9. Generalversammlung sollte eigentlich in Köln stattfinden, wurde dort aber nicht rechtzeitig genehmigt. Auch Anfragen an andere Orte außerhalb Österreichs blieben erfolglos. Eine Frühmesse ist, einer Vorgabe von 1853 folgend, der „Wiedervereinigung Deutschlands im katholischen Glauben“ gewidmet. Die Vereine sollen Marienanstalten zum Schutz weiblicher Dienstboten gründen und sich, „so viel es zwecktunlich ist“, an Bruderschaften annähern. Eine Kommission in Köln soll die Gründung eines katholischen Pressvereins vorbereiten. Beim abschließenden Festkonzert werden Händel, Bach, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Spohr, Weber, Schubert und Mendelssohn Bartholdy gespielt – also nicht nur Werke katholischer Komponisten.
Auch Merz meldet sich noch einmal zu Wort: Er erinnere sich jetzt daran, dass „die Franzosen die Missionen in der Levante für ihre politischen Zwecke ausbeuten“. Deswegen nehme er seine Bedenken zurück und unterstütze den Antrag, „damit Österreich in den Stand gesetzt werde, sein Protektorat wieder aufzunehmen, und die deutsche Nation im Orient wieder das Übergewicht bekomme“.
Die Generalversammlung empfiehlt schließlich aber auch den „segensreichen“ Lyoner Missionsverein „auf das wärmste“, auch Gebetsvereine für das Heilige Land werden immer wieder gefördert. Der Unbefleckte-Empfängnis-Verein setzt sich bis zum Untergang der Habsburgermonarchie für die Katholiken im Orient ein. Auf Palästina richten sich weiterhin religiöse Sehnsüchte ebenso wie imperialistische Begehrlichkeiten. Nach dem Ersten Weltkrieg wird es schließlich britisches Mandatsgebiet.
Auch im Orient gibt es Christen, die bei der Generalversammlung ein Thema sind. Diese Abbildung aus dem späten 19. Jahrhundert zeigt ein Mitglied der mit Rom unierten Kirche der Maroniten (links) neben zwei weiteren Christen aus dem Libanon.