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|32|8 LINZ 23. BIS 25. SEPTEMBER 1856 Krise AM ZIEL – UND AM ENDE?
ОглавлениеIrgendwie ist der Schwung weg. Zwei Mal ist die Generalversammlung ausgefallen, wegen der missgünstigen preußischen Behörden im Rheinland und der Cholera, jetzt tagen die Vereinsvertreter in Linz. In die Freude, dass das Treffen überhaupt zustande gekommen ist, mischt sich Ernüchterung: Prominente Vorkämpfer der katholischen Bewegung fehlen, viele Piusvereine sind kaum noch aktiv, einige haben sich schon aufgelöst. Die wichtigsten Ziele scheinen erreicht: In Preußen sichert die 1850 revidierte Verfassung der Kirche Freiheit und Besitz, mit Österreich hat der Heilige Stuhl 1855 ein Konkordat geschlossen. Für alles Weitere kämpfen jetzt die Bischöfe.
Ist die Generalversammlung am Ende? Der Optiker Ludwig Merz aus München ist jedenfalls der Meinung, dass es wie bisher nicht weitergehen kann. Er beantragt, das Treffen nur noch jedes zweite Jahr abzuhalten und „bei entstehenden Schwierigkeiten“ auf die öffentlichen Versammlungen zu verzichten. Diese hätten „nur lokalen Wert“ und dienten „mitunter der Eitelkeit der Redner“.
Besonders der Vorschlag, nur noch alle zwei Jahre zu tagen, erhält viel Zuspruch. Doch Friedrich Michelis, Sprecher des zuständigen Ausschusses, spricht sich vehement dagegen aus. Ein entsprechender Beschluss wäre in seinen Augen „ein offenbares Misstrauensvotum, welches wir gegen die Lebensfähigkeit der Generalversammlung aussprechen“. Und auch an den öffentlichen Reden möchte Michelis in jedem Fall festhalten. Diese bildeten „nicht das Wesen, aber doch eine sehr wesentliche Zugabe“ der Versammlungen.
Unstrittig ist, dass sich die Aufgaben der Generalversammlung verschieben: weg vom politischen Kampf für die Kirche hin zum Caritativen, zur Mission und zur Bildung. Es gilt jetzt, wie es in einem Beschluss heißt, umso eifriger „die höheren Prinzipien und Anschauungen der katholischen Kirche nach allen Seiten hin ins Leben einzuführen“. Michelis zieht aus diesen veränderten Rahmenbedingungen jedoch ganz andere Schlüsse als Merz. Er plädiert dafür, den neuen Aufgaben entsprechend nicht nur Vertreter der eher politischen Piusvereine, sondern auch aller anderen katholischen Vereine einzuladen, dazu Redakteure der Presse und andere katholische Prominente – mit Stimmrecht.
Eine der prägenden Gestalten der ersten Generalversammlungen ist der spätere Altkatholik Friedrich Michelis.
|33|WAS NOCH?
Nach dem Abflauen der politischen Kämpfe richtet sich die Aufmerksamkeit der Redner verstärkt auf einen neuen Gegner: den Materialismus der Naturwissenschaften. Dem österreichischen Episkopat wird die „Wiederherstellung der ehemaligen Universität Salzburg“ empfohlen, „Zöglinge der höheren Bildungsanstalten“ sollen Gelegenheit erhalten, sich auch religiös zu bilden. Die katholische Tagespresse macht weiter Sorgen, die Generalversammlung empfiehlt zum einen die in Frankfurt am Main erscheinende Zeitung „Deutschland“ und zum anderen „aufs Dringendste“ die Förderung des katholisch-konservativen Pressvereins. Der Passionistenpater Ignatius, ein Sohn des Earl Spencer, bittet um das Gebet für die Rekatholisierung Englands – ein Anliegen, das sich die Generalversammlung zu eigen macht. Um die Amerika-Auswanderer soll sich der Bonifatiusverein kümmern.
Nach drei Jahren Pause findet der Katholikentag 1856 im idyllischen Linz statt. Hier eine Ansicht von 1839.
Und Michelis setzt sich durch. Die Katholikentage finden weiterhin jedes Jahr statt, und sie werden sogar von drei auf vier Tage verlängert. Aus der Generalversammlung des katholischen Vereins wird die der katholischen Vereine. Während der Niedergang der Piusvereine nicht aufzuhalten ist, blüht das Vereinswesen insgesamt weiter auf, nach wie vor angeregt und gefördert von den Katholikentagen. Und die öffentlichen Veranstaltungen, in denen auch Michelis „nur eine Zugabe, nicht die Hauptsache“ sieht, werden nach und nach zum eigentlichen Kern der Generalversammlungen.