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|46|15 FRANKFURT AM MAIN 21. BIS 24. SEPTEMBER 1863 Pater Theodosius DAS STRENGE REGIMENT DER BARMHERZIGEN SCHWESTERN

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„Es müssen die Fabriken zu Klöstern werden!“, ruft der Kapuzinerpater Theodosius Florentini aus dem schweizerischen Chur in Frankfurt aus – und meint es wörtlich. Im böhmischen Oberleutensdorf hat er etwa drei Jahre zuvor eine stillgelegte Tuchfabrik erworben, in der jetzt 124 Arbeiter beschäftigt sind. „Weil die Fabrikdirektoren kostspielige Leute sind, … habe ich barmherzige Schwestern hingeschickt“, erläutert der Pater, der sich als „fabrikbesitzender Bettler“ vorstellt.

Diese Schwestern vom Heiligen Kreuz, deren Kongregation Pater Theodosius gegründet hat, führen ein strenges Regiment. Eine hat die Oberaufsicht, die anderen leiten das Büro und überwachen die Arbeiter. Der Kündigungsschutz ist schwach ausgeprägt. „Es wird keiner behalten, der sich ein unsittliches Wort erlaubt“, erklärt der Pater. Auch der Besuch der Messe am Sonntag ist Pflicht. Der Arbeitstag wird durch gemeinsame Gebete strukturiert, er dauert von 6 bis 11 und von 13 bis 19 Uhr. Für kranke Arbeiter gibt es eine kostenlose Anstalt, ein kleines Waisenhaus ist in Planung.

Damit geht es den Arbeitern in Oberleutensdorf vergleichsweise gut. Von der allgemeinen Lage der Fabrikarbeiter zeichnet Theodosius, wie andere Redner auch, ein düsteres Bild. Der Mensch werde „zur wahren Verdienstmaschine für den Fabrikherrn“: Arbeit von 5 bis 21 Uhr, allenfalls eine einstündige Mittagspause, staubige, gesundheitsschädliche Luft, ein kläglicher Verdienst, keinerlei Absicherung bei Krankheit. Vor allem beklagt Theodosius aber, „welch’ entsetzlichen Einfluss auf die sittlichen Zustände und auf die Familienverhältnisse die Fabriken gar oft ausüben“. Die Kirche der Arbeiter, ihr Ziel am Sonntag, sei das Wirtshaus. „Also müssen wir den Fabriken entgegenarbeiten?“, fragt der Pater.

WAS NOCH?

Erstmals tagt die Versammlung in einer Stadt, deren Bevölkerung überwiegend nicht katholisch ist. In Resolutionen verurteilt sie Verleumdungen in Wissenschaft und Presse. Sie betont die Pflicht, Gesetzen entgegenzutreten, die die Freiheit der Kirche beschränken, und das Recht der Kirche, über die Wissenschaft zu urteilen, soweit sie religiöse Wahrheiten berührt. Nachdrücklich verurteilt sie „Gräuel in Russisch-Polen“, wo gerade ein Aufstand gegen die russische Vorherrschaft blutig niedergeschlagen wird. Die Versammlung empfiehlt das Studium der Sozialen Frage, die „nur im Geiste des Christentums“ gelöst werden könne, sieht sich aber selbst noch nicht in der Lage, sich dazu zu äußern. Christoph Moufang, der seine innerkirchlichen Gegner nicht selten in Rom denunziert, ruft dazu auf, Vorurteilen durch Offenheit zu begegnen: „Wir sind eigentlich liebenswürdig!“ Der 20-jährige Student Georg von Hertling wirbt als Vertreter der „Aenania“ in München und der „Winfridia“ in Breslau sowie des katholischen Lesevereins in Berlin für die katholischen Studentenverbindungen. Er weist auf Gefahren der akademischen Freiheiten hin und spricht sich gegen das Duell aus. „Wahrlich, Deutschland ist nicht verloren, wenn unsere Jugend solche Zierden aufweist“, lobt ihn der Katholikentagspräsident Wilderich von Ketteler. Hertling wird 1917 Reichskanzler.

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Der Kapuzinerpater Theodosius Florentini macht ungewöhnliche Vorschläge zur Lösung der Arbeiterfrage.

Die Antwort gibt er selbst: „Nein, meine Herren! Die Fabriken sind an sich keine Sünde, die Maschinen sind keine Sünde, es braucht nur, dass sie im rechten Geist und Wesen ausgebeutet und benützt werden.“ Der Pater ist sich sicher: Die Soziale Frage kann durch das Christentum – und nur durch das Christentum – gelöst werden.

Auch andere Redner beschäftigen sich in Frankfurt mit diesem Thema, zu dem in den Vorjahren etwa der Mainzer Bischof von Ketteler und Adolph Kolping wichtige Impulse gegeben haben. In den Anfangsjahren der Generalversammlung ging es vor allem darum, die Not der Massen durch milde Gaben zu lindern. Doch Schritt für Schritt entwickeln die deutschen Katholiken darüber hinaus eine katholische Soziallehre, die eine grundsätzlich gerechtere Gesellschaft zum Ziel hat. Pater Theodosius spricht in seiner viel beklatschten Rede zahlreiche zukunftsweisende Ideen an: Sparkassen, Genossenschaften, Vermögensbildung der Arbeiter, Beteiligung an Gewinn und Kapital. Zentral ist für ihn die „Assoziation“, die Vergemeinschaftung der Fabrikarbeiter.

Stolz berichtet Theodosius schließlich, seine Fabrik habe jüngst Gewinn erwirtschaftet. Doch der Pater ist längst mehr Bettler als Fabrikbesitzer. In seinem unerschütterlichen Optimismus verhebt er sich mit seinen vielfältigen Unternehmungen. Private Geldgeber und Banken haben ihm großzügig Kredit gewährt, aber die Bilanzen sind geschönt. Als Theodosius 1865 stirbt, bricht sein Unternehmen zusammen. Was bleibt, ist die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz. Sie umfasst heute mehr als 3.000 Frauen in 19 Ländern.

Hundert Katholikentage

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