Читать книгу Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson - Страница 12
ОглавлениеAN SALLY WILLIAMS:
Sally Williams zog von Eglin, wo sie mit ihrem Vater, einem Oberst lebte, nach Mobile, Alabama, um dort als Kosmeti kerin zu arbeiten. Thompson feiert hier das Leben als »Slacker«.
17. Januar 1958
110 Morningside Drive, Apt. 53
New York, New York
Mein verrücktes Huhn,
genau, ich bin’s wieder: wahrscheinlich sehr zu Deiner Überraschung, sofern Du zu den Menschen gehörst, denen ich zuletzt geschrieben habe. Denn offenbar erwecke ich nicht den Eindruck, einer von der Sorte zu sein, von dem man jemals wieder etwas hört … außer natürlich, wenn er zufällig Geld braucht.
Wie auch immer: Mir war gar nicht klar, dass ich so viele merkwürdige, zynische Bekannte habe. Jeder will mich zu einer Religion bekehren, mir Sympathie entgegenbringen, Hoffnung spenden, Geduld aufbringen, jede Art von idiotisch-priesterlicher Fürsorge, damit ich für die finsteren Zeiten der Arbeitslosigkeit gerüstet sei.
Arbeitslos, hol’s der Teufel: Ich finde es großartig. Es gefällt mir, den Tag zu verschlafen und nichts zu tun zu haben, außer zu lesen, zu schreiben und ins Bett zu gehen, wann immer mir danach ist. Es gefällt mir, morgens aufzuwachen und mich auf der Stelle wieder hinzulegen, wenn das Wetter mies ist. Kurzum, ich bin in einer Situation, die kaum besser sein könnte: allerdings unter der Voraussetzung, genug Geld für Essen und Miete zu haben.
Hab ich aber nicht … und deshalb muss ich arbeiten: Aber was soll’s? Soll ich heulen und um Vergebung bitten? Soll ich mich zu Tode schämen und meine Seele unendlichen Qualen aussetzen, die nur durch das Mitleid der halben Welt gelindert werden können? Nein, das wäre das Letzte. Ich bin es leid, Briefe zu kriegen, in denen mir gesagt wird: »Kopf hoch«, ich solle »mich aufrichten«, »nicht den Mut verlieren«, »beten und tugendhaft sein« und Bücher von Horatio Alger lesen. Es gefällt mir, arbeitslos zu sein. Ich bin faul. Es gibt haufenweise Jobs, aber ich habe verdammt noch mal keine Lust darauf. Es ist ganz einfach: Du arbeitest in Fort Walton, weil du ein guter Sportjournalist bist … und du hängst in New York herum, weil du kein so guter Sportjournalist bist. Alles ist relativ … und hier kommt meine Ode:
»Ah, lebt dort ein Mann, seine Seele geplagt, der niemals zu sich selbst gesagt, als er wohlig in seinem Kuschelbett lag:
Zur Hölle die Miete … ich trink jeden Tag!«
Lass uns die Gläser erheben auf die animalischen Freuden, auf Eskapismus, Regen auf dem Dach und Instantkaffee, auf die Arbeitslosenversicherung und auf Bibliotheksausweise, auf Absinth und großherzige Vermieter, auf Musik und warme Körper und Verhütungsmittel … und auf das »gute Leben«, was immer es sei und wo immer es sich zufällig findet.
Lass uns bis auf die Knöchel ausziehen und alle Sinnenfreuden auskosten: Lass uns über die Welt lachen, wie sie sich durch Atompilzwolkenbrillen spiegelt … und ich gehe davon aus, dass auch wir lieber die Miete zahlen: Zwangsräumung ist, gleich nach Hunger, der schlimmste Begriff des Wörterbuchs.
Hier hast Du es also: das Bekenntnis eines Slackers zu den Vergnügungen des Daseins. Ich sollte es vierzig Mal abtippen und es an alle schicken, die mir ihr Beileid aussprechen, beiliegend das Motto des Monats: »Jeder zehnte Cent zur Rettung von Hunter.«
Ich werde Dich wissen lassen, wenn ich im letzten Stadium der Erniedrigung angelangt bin … Arbeit: dürfte in naher Zukunft unausweichlich sein, aber ich werde mein Bestes tun, einen Job zu finden, der leicht von der Hand geht. Dann wär’s auch an der Zeit für Dich, mich besuchen zu kommen. Bis zum Sommer dürfte ich hier sein. Und auch Dir würde ein bisschen Erholung gut tun.
Lass von Dir hören und schreib mir, wann Du kommst. Bis dahin …
… auf ein Neues:
Hunter