Читать книгу Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson - Страница 23
ОглавлениеAN ANN FRICK:
Während seiner Schichten bei Time feilt Thompson an seinem literarischen Stil, indem er Der große Gatsby und In einem andern Land vollständig abtippt und dabei akribisch den Bau der Sätze studiert. Fasziniert davon, dass sich Thompson so intensiv mit amerikanischer Literatur beschäftigt, schrieb ihm Frick einen langen Brief, in dem sie ihn um Empfehlungen für ihre Literaturliste bat. Sie ist diejenige unter seinen Freundinnen, die Hunter einmal heiraten will.
19. Dezember 1958
Time & Life Building
Rockefeller Center
New York
Liebe Ann,
das hier ist eine geliehene Schreibmaschine, und vermutlich mache ich vier Millionen Tippfehler, also nimm’s mir nicht übel und verlier nicht die Geduld.
Um bei Deinen Fragen zu bleiben:
… zur letzten Woche: Schöne neue Welt (Huxley), Der große Gatsby (Fitzgerald), In einem andern Land (Hemingway), The Organization Man (Whyte), Alle meine Träume (Jaffe) – letzterer fällt etwas aus der Reihe, doch der wird jedes Mädchen interessieren, das vorhat, nach New York zu kommen und dort zu arbeiten. Und ja, die Fortsetzung meiner Liste folgt keiner Systematik; die erwähnten Bücher sollte niemand verpassen, so sehe ich das, aber ich könnte noch bestimmt hundert weitere nennen, was nicht besonders ergiebig wäre. Es ist jedenfalls phantastisch, dass Du ein bisschen angefixt bist, und ich werde das für zukünftige Briefe im Hinterkopf behalten. Vielleicht ist es uns ja schon gelungen, Deinen Geist aus dem Sumpf zu ziehen!
Mein Talent zum Tanzen – wie Du es ausgedrückt hast – hat sich in den letzten Jahren nicht weiterentwickelt, einfach weil ich nicht einmal Gelegenheit hatte, auch nur daran zu denken, geschweige denn, es zu tun. Meine vier Jahre in der Tanzschule waren ungefähr so nützlich wie meine zwei Jahre Klavierunterricht, und ich kann gar nicht verstehen, wie eine dermaßen vergeudete Kindheit so viel Spaß machen konnte. Wenn Du nun das Gefühl hast, ich sollte eines von beiden angehen, lade ich Dich – in Vorfreude – dazu ein, mich dabei zu unterstützen. Ich kann Dir versichern, dass ich weder dem Klavierspiel noch der Tanzfläche abgeneigt bin. Ich mache mir nichts daraus, bin aber auch nicht dagegen: eine großartige Haltung für einen Mann in meiner Situation, wie ich finde.
Hier nun die Punkte auf meiner »Sorgenliste«:
1. Geld
2. Geld
3. Geld
danach flacht es etwas ab …
4. die Sorge, dass ich nicht so stark bin, wie ich mir einbilde und mich in Folge dessen auf die idiotische Realität einlasse und mir einrede, meine Schwäche sei ein Zeichen von »Reife«.
5. die Sorge, dass ich niemals mehr jemandem über den Weg laufen werde, bei dem es so »stimmt«, dass ich mich verlieben könnte, oder vielleicht sollte ich besser sagen: »um zusammen glücklich zu sein«.
6. die Sorge, dass ich in einem Land mit halbgebildeten Flagellanten (schlag diesen Begriff nach, es wird Dir guttun) lebe, die eine »freie, gleiche, standardisierte, selbstzufriedene und im Zerfall begriffene Gesellschaft« geschaffen haben und alles dafür tun wollen, dass sich nichts daran ändert; dies steht in krassem Widerspruch zu dem, wie ich leben will, ohne dabei meine Selbstachtung zu verlieren.
7. meine weiteren Sorgen sind unbedeutend und kommen und gehen von Tag zu Tag. Was sind Deine »Sorgen«?
[...] Lass Dir abschließend gesagt sein, dass Du »nicht gewöhnlich« und sicherlich nicht »glatt« bist.
Love, Hunter