Читать книгу Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson - Страница 37
ОглавлениеAN WILLIAM KENNEDY, SAN JUAN STAR:
Aufgebracht darüber, dass jemand vom San Juan Star seinen Einakter als »angeberisches Gefasel« bezeichnet hat, holt Thompson ein letztes Mal zu einem Schlag gegen die rotarische Mentalität des amerikanischen Journalismus aus.
29. Oktober 1959
Otisville, New York
Mein lieber Schreiberling,
Ihr rotarischer Dummkopf von Verleger ist einer der originellsten Denker, dem ich seit einiger Zeit über den Weg gelaufen bin. Ich konnte nicht ahnen, dass mein »Drama« auf Anhieb den Richtigen trifft.
Irgendein Kretin hat seine »Kritik« auf die Rückseite meines Manuskripts gekritzelt, von wegen »angeberisches Gefasel«. Nette Formulierung, oder? Der Mann ist eine echte Leuchte.
Ich sollte aber vielleicht erwähnen, dass meine Figur Avare9 genau die gleiche Formulierung benutzt, um das Lincoln-Zitat in dem Stück zu kommentieren. Mit all der inbrünstigen Beschränktheit seines Schlages sagt er: »Oh, Sie dachten wohl, dieses angeberische Gefasel interessiert mich, oder?« Avare ist meiner Auffassung eine dermaßen überzogene Karikatur eines verblödeten Labersacks, dass ich kaum zu hoffen wagte, sein Ebenbild einmal in Fleisch und Blut zu sehen. Doch Ihr windiger Chef scheint genau so einer zu sein, und jede Wette, dass es der helle Wahnsinn sein muss, für jemand wie ihn zu arbeiten.
Und Ihre Worte wiederum: ein Papierstapel voller »aufgewärmter Klischees mit internen Anspielungen« ist eine ziemlich passende Beschreibung des gegenwärtigen Journalismus, würde ich sagen. Warum schreiben Sie diesen »ernsthaften Essay« nicht selbst, den Sie von mir so vehement einfordern?
Sie können von mir nicht erwarten, dass ich Ihnen einen Packen Plattitüden schicke, um damit Ihre stinkende Leiche von Zeitung zu dekorieren, als wär’s die amerikanische Flagge, die einen Sarg voller Müll bedeckt. Wenn Sie Ihre Leser mit Lincoln und Jesus kleinkriegen wollen, dann nur zu. Die Männer jedoch, die für den »Niedergang« verantwortlich sind, sind Männer wie Ihr geistreicher windiger Chef, die auf ihren pompösen Ärschen sitzen und ein Geschrei über »angeberisches Gefasel« anstimmen, während ihre angeheuerten »literarischen« Schreiberlinge Tag und Nacht schuften, um nichts als Schund zu produzieren.
Sie liefern den Beweis, dass ich richtig liege, Freund Kennedy, und ich denke, das wissen Sie so gut wie ich. Mein Stück zu veröffentlichen wäre eine kleine Blamage gewesen, da bin ich sicher, und ich hätte zu gerne das Gesicht des Verlegers gesehen, als er es gelesen hat. Ich weiß, wovon ich rede, Kennedy, und wenn das ein wenig zu brutal für euch »ernsthafte« Leute ist, um es verdauen zu können, dann umso besser. Warum veröffentlichen Sie statt meines Stücks nicht die Strophen der Nationalhymne? Das wäre mehr nach Ihrem Geschmack, und Sie müssten dann auch nicht so viel abtippen. Plattitüden sind eine sichere Nummer und es ist leicht, so zu tun, als würde man sie nicht sehen, doch mit der Wahrheit verhält es sich anders.
Für den Fall, dass ich mal in der Nähe bin, nehme ich Ihre Einladung zu einem kleinen Besäufnis gerne an. Ich schätze, dass Sie ziemlich in Ordnung sind und Charakter haben. Umso beschämender ist es, dass Sie sich als Sprachrohr des internationalen Rotariertums verdingen. Aber es ist eben so, dass wir alle etwas zu essen brauchen, und wenn ich mal so alt bin wie Sie, sitze ich womöglich im gleichen Boot. Ich hoffe es nicht, aber man kann es nie ausschließen.
Auf jeden Fall danke für Ihre freundlichen Worte über den Roman, und ich wünschte, ich könnte das gleiche über Ihre Zeitung sagen. Aber so billig bin ich nicht zu haben, und so bleibt mir nur, auf Wiedersehen zu sagen und mich für einen interessanten Briefwechsel zu bedanken.
ETC. – HST