Читать книгу Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson - Страница 18
ОглавлениеAN SUSAN HASELDEN:
Schließlich zieht Thompson doch noch in seine eigene »Junggesellenbude« – ein kleines schwarz gestrichenes Kellerapartment in Greenwich Village. Seine freie Zeit verbringt er vor allem damit, sich in der Umgebung der Columbia University herumzutreiben.
13. April 1958
57, Perry Street
New York City
Liebe Susan,
was soll das heißen, wenn Du schreibst, Du hättest uns »wahrscheinlich beide umgelegt«? Würde man meine Irrwege der letzten drei Jahre zusammenzählen, würde es vermutlich reichen, um von hier bis Cape Town zu kommen; ich würde nichts als einen Lendenschurz tragen, und es gäbe nicht den klitzekleinsten Ärger. Und was den Kongo angeht, weiß ich genau, dass ich einen kompletten Harem sicher durchs ganze Land geleiten könnte. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass ich alles und jeden geleiten könnte; außer vielleicht einer Gruppe kichernder Jungfrauen.
Mit Deinen Briefen – wie jungfräulich und kichernd sie auch daherkommen mögen – gelingt es Dir jedenfalls immer, mich ein wenig aufzuheitern. Und, seltsam genug, scheine ich gerade jetzt, wo die Dinge besser laufen als erwartet, das Bedürfnis nach einer Aufmunterung durch andere umso stärker zu spüren. Ich glaube, der Grund dafür ist die Erkenntnis, dass ich für einen relativ langen Zeitraum ein Bewohner New Yorks sein werde. Nicht dass ich mich für eine bestimmte Anzahl von Monaten dazu verpflichtet hätte; doch es erscheint mir notwendig, eine Weile hier zu bleiben. New York ist alles zugleich – Erziehung, Initiation, Stimulans. Die Stadt gibt einem eine Perspektive, die man, glaube ich, unmöglich irgendwo sonst auf der Welt bekommen kann. Aber Gott erbarme sich derer, die dann mit dieser Perspektive tatsächlich zu leben vermögen.
Ganz im Ernst, dieser verdammte Ort ist wie aus einer frühen Erzählung von William Saroyan: die einsamen verwelkten kleinen Mauerblümchen aus Hattiesburg, Mississippi; frustrierte, Hymnen singende Mädchen aus China; wilde Mischlinge aus der ganzen gottverdammten Welt; das Mädchen von nebenan aus Dayton, Ohio; schüchterne Neo-Intellektuelle aus Parsons, Kansas (die mich ein bisschen an Dich erinnern); und wer alles sonst noch. Um jemanden zu zitieren: »Ich sehe jetzt alles mit neuen Augen!« Das Zentrum Manhattans ist ein Irrenhaus, Harlem die Hölle auf Erden, die Bronx, Queens und Brooklyn sind Gräber, und das gottverdammte Village reicht völlig, um jeden unerschrockenen Strandräuber vor Angst erstarren zu lassen. Hast Du bemerkt, dass die Sonne NIEMALS IN MEIN APARTMENT REINSCHEINT? Kannst Du Dir vorstellen, was das bedeutet – wie sich diese ständige Dunkelheit auf einen Menschen auswirkt? Kannst Du Dir vorstellen, dass ich Leute kenne, die in einer Bar LEBEN – und dorthin auch ihre Post bekommen? Es gibt Menschen hier, die so einsam sind, dass ich es selbst nicht aushalte, mit ihnen zu reden. Gott, was für ein tragisches Paradox.
Ich bin jetzt auf eine Antwort gestoßen – natürlich eine sehr allgemeine, aber immerhin eine Antwort. Ich habe entweder großes Glück oder ich bin sehr verrückt, dass ich sie in jungen Jahren gefunden habe, wie auch immer, ich hab sie. Ich werde Dir das alles genauer erklären, wenn ich mehr Zeit habe.
Dieses Apartment, nebenbei bemerkt, scheint direkt aus einem »Low Bohemia«-Film zu stammen. Ich hab es von einem arbeitslosen Liedermacher übernommen, der ohne Tageslicht schon halb verkümmert war. Der offizielle Mietvertrag läuft immer noch über einen Drogenabhängigen, der vor zweieinhalb Jahren aus der Stadt gezogen ist, und der jederzeit zurückkehren und wieder einziehen könnte – wer weiß, was dann los wäre. Vielleicht sollte ich mich besser auf den Weg machen und im Swimming Pool des Owl Creek wohnen. Geldsorgen – Schulden, wie üblich.
Das wär’s. Du hast noch gar nicht gesagt, wann Du herkommst, fällt mir gerade ein, dann beim nächsten Mal.
Bis dann,
Hunter