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Kapitel 5

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Eine Woche später beschließen die drei einen ‚Familienrat‘ abzuhalten. Diese Form des Gedankenaustauschs hatten sie sich bereits seit Beginn ihrer Therapien angewöhnt. Leider blieb es in letzter Zeit nur beim Vorsatz. Wie das eben so ist. Wenn man nicht aufpasst und im Alltag eigentlich alles läuft, lässt man Gewohnheiten schleifen, die einem gut tun. Das Resultat ihrer Nachlässigkeit durften sie dann gemeinsam auf der Autobahn erleben.

Mika nahm sich extra den Nachmittag frei. Zum einen, weil sie sich zusammensetzen und reden wollen. Zum anderen, weil Keno – falls alles klappt – einen Käufer für seine heißgeliebte Maschine gefunden hat. Über ein Internet-Portal hatten sie dermaßen schnell einen Interessenten für das Motorrad begeistern können, dass es fast schon unheimlich war. Mika nahm es als Vorsehung. Heute will der Typ vorbeikommen. Er konnte sein Glück gar nicht fassen, die von ihm gesuchte Maschine zu einem wirklich fairen Preis zu ergattern. Gestern brachte es Keno auf stolze 45 herzzerreißende Seufzer in einer halben Stunde. Mika hat mitgezählt. Weltrekord!

Der Kleine lächelt vor sich hin, während er drei Becher aus dem Küchenschrank nimmt. Gestern Abend hat er eine geschlagene Stunde mit David telefoniert. Mikas Lächeln verzieht sich kurz zu einem breiten Grinsen. Wenn Keno wüsste, wie oft ich schon mit David über ihn geredet habe … Der würde mir den Kopf abreißen. Doch David ist so einfühlsam. Keiner versteht besser als er wie ich ticke. Mika kramt klimpernd die Löffel aus der Schublade. Eifersucht. Eigentlich hätte er bei Kenos aufbrausendem Charakter damit rechnen müssen. Doch Mika war einfach so … bezaubert von Johns Verhalten ihm gegenüber, dass er Kenos aufflammenden Widerwillen einfach übersah. Zugegeben, zu Beginn ihrer Dreierbeziehung war es auch Mika nicht immer leicht gefallen, ein Zimmer zu betreten und die beiden knutschend und in inniger Umarmung zu ‚ertappen‘. Doch da sich John auch Mika gegenüber geöffnet und Emotionen zugelassen hat, kam der Kleine schnell mit ihrem Arrangement zurecht.

Auch David hatte Mika gestern gut zugeredet. „Du kennst ihn doch. Wenn Keno von einem so mächtigen Gefühl wie Eifersucht übermannt wird, dann haut es ihn aus den Socken. Ich wünschte, Ben würde … ach, egal. Becirce deinen süßen Wilden in nächster Zeit einfach ein bisschen mehr.“

„Mein süßer Wilder …“, murmelt Mika schmunzelnd, als er einige Süßigkeiten in eine Schale füllt. Nervennahrung hat sich bei ihren – oftmals hitzigen – Diskussionen immer als ratsam erwiesen. Er schiebt seine Ratlosigkeit, Kenos Eifersucht betreffend, beiseite. Heute geht es darum, dass alle drei Männer endlich mal wieder zusammen sitzen und miteinander reden.

Nachdem Mika drei Latte gezapft hat, marschiert er mit vollem Tablett ins Wohnzimmer.

„Ooh, geil! Mon chérie! Her damit! Her damit!!“, johlt Keno übertrieben und zappelt dabei wie ein Erstklässler.

„Bist du sicher, dass du einen Kaffee willst?“, fragt Mika stirnrunzelnd. Seine Frage ist nicht ernst gemeint und so überhört er geflissentlich das prompte „Fuck you“ aus Kenos Richtung. Natürlich ist er überdreht. Irgendwie muss er seine Nervosität rauslassen. Der Abschied von seinem zweirädrigen Begleiter scheint ihm schwerer zu fallen als er zugibt. Dass er es dennoch tut … dafür liebt ihn Mika umso mehr. Cat hat zwar in der vergangenen Woche immer mal wieder versucht, das Ruder herumzureißen … doch John und Mika waren einfach nicht umzustimmen. Da half kein „Man könnte doch …“ oder „Ich hab‘ da eine Idee!“ Kein noch so ausgeklügelter Vorschlag fand Gnade vor ihren Ohren. Das ist wirklich hart für Keno.

Mika fällt seufzend neben ihm auf die Couch. Zufrieden schmiegt er sich an seinen Wilden, der dadurch prompt ruhiger wird. Ein starker Arm greift um Mikas Schultern und drückt ihn besitzergreifend. John sitzt ihnen in seinem Lieblingssessel gegenüber. Gleichmütig rührt er in seinem Kaffee.

Wie immer dauert es eine Weile, bis sich ihr Gespräch auf das Wesentliche fokussiert. Zuerst werden Alltäglichkeiten erzählt und Neuigkeiten über Bekannte und Freunde ausgetauscht.

Schließlich macht John – wie so oft – den Anfang. Während er genüsslich eine Praline zerkaut, trägt er seine Gedanken vor.

„Also, Jungs! Ich hab‘ nachgedacht!“, setzt er bedächtig an. „Nachdem, was in letzter Zeit so alles an Scheißdreck über uns hereingebrochen ist, denke ich …“

„Scheißdreck?“, knurrt Keno dazwischen. „Meinst du damit etwa mich?“

John hält kurz inne und schießt einen gefährlichen Blick in Kenos Richtung ab.

„Auch!“, bietet er dem Störenfried Paroli. „Aber ich meine nicht dich als Mensch, sondern dein mehr als erbärmliches Verhalten. Muss ich noch deutlicher werden?“

Angepisst schiebt sich Keno ein weiteres Mon Chérie in den Mund. Nur weil Mika ihm beruhigend über den Oberschenkel streichelt, belässt er es bei einem giftigen Blick.

„Okay“, lenkt John ein. „Ich will niemanden persönlich angreifen. Die Umstände haben uns alle ein wenig aus der Bahn geworfen. Doch ich glaube, dass Darth Vader sicherlich recht hat. Edward wird diesen Gift-Cocktail nicht überleben; zumindest nicht bei klarem Verstand.“

Mika schüttelt tadelnd den Kopf. „Du sollst George doch nicht immer so nennen!“

John grinst. „Es bereitet mir aber jedes Mal enorme Freude, mein Schatz.“ Er nimmt einen Schluck Kaffee. „Wie auch immer. Wenn wir mal die Aufregungen der letzten Wochen beiseitelassen, fällt mir auf, dass wir auch sonst nichts von dem machen, was wir uns eigentlich mal vorgenommen haben. Wir wollten reisen, uns Ausstellungen ansehen, Mika wollte einen Kurs im Zeichnen belegen, Cat eine zusätzliche Sprache lernen und ich wollte eigentlich mal meine Mom besuchen.“

Sofort hebt Mika entschuldigend die Arme. „Die Arbeit im ‚Bohne‘ füllt meine Zeit fast aus. Da bleibt mir noch nicht mal die Möglichkeit der Abendschule. Dafür bin ich einfach zu kaputt. Ein bisschen Sport und mal einen Nachmittag frei … so wie heute … das war’s dann auch schon.“

Keno zieht ihn in seine Arme und zerzaust Mikas Haare. „Ich hab‘ dir immer gesagt, dass du nicht deine ganze Zeit da verbringen sollst. Du machst dich zum Sklaven. Soll Ralf doch jemand anderen finden. Du musst doch nicht arbeiten! Nicht wegen der Kohle!“

Mika kichert, als Keno ihm knurrend in den Nacken beißt. „Ich weiß!“, stimmt er lachend zu. „Doch es macht mir ja auch Spaß!“

„Dann geh‘ doch nur zwei oder drei Tage die Woche hin!“, wirft John ein. „Ich finde auch, dass du mehr Zeit mit was anderem verbringen solltest.“

Überrascht reißt Mika die Augen auf. „Echt? Ich dachte, ich geh‘ dir auf die Nerven, wenn ich womöglich öfter zu Hause bin und dass du es gut findest, wenn du beim Arbeiten Ruhe hast.“

„Jaa“, lenkt John ein. „Schon. Doch der Punkt ist, dass du für meinen Geschmack zu viel arbeitest. Du bist erst 23. Mach‘ lieber jetzt noch was anderes und verbring‘ nicht deine ganze Zeit damit, andere Leute zu bedienen.“

Erstaunt lehnt sich Mika zurück. „Hmm“, erwidert er nachdenklich. „Ich denk‘ mal drüber nach. Zeichnen lernen wäre schon toll …“, räumt er schüchtern ein.

„Ja!!“, stimmt Cat begeistert zu. „Und dann darfst du immer und immer wieder mein anbetungswürdiges Genital zu Papier bringen!“

„Uuuuh!“ Gleichzeitig geben John und Mika einen genervten Laut von sich, um anschließend in lautes Gelächter auszubrechen.

„Und ihr?“, hakt Mika schließlich atemlos nach. „Keno verbringt inzwischen die halbe Zeit mit Jackson und den Rest mit Edwina, dass er schon eine Teeallergie hat …“

„Jackson hat sich ja wohl jetzt erledigt …“, murmelt Keno deprimiert. Doch trotzdem fällt er in das allgemeine Gekicher ein. „… Und John programmiert sich die Finger wund … wofür? Wenn wir tatsächlich ausreichend Kohle haben …“, fährt Mika fort.

Keno winkt großspurig ab. „Ausreichend? Ist ja wohl untertrieben!“

„… Also …“ Mika zuckt mit den Schultern. „Was hindert uns eigentlich daran, mehr Zeit für uns selbst und miteinander zu verbringen?“

Keno presst nachdenklich die Lippen aufeinander. „Mich befriedigt die Arbeit mit Edwina schon … hilflosen Menschen zu einem neuen Leben verhelfen ist einfach geil … doch ich glaub, ich könnte einen Urlaub vom Leid anderer dringend brauchen.“

„Das glaub‘ ich auch!“, pflichtet John inbrünstig bei. „Noch vor zwei Monaten warst du so eine süße Schlampe! Und jetzt bist du nur noch genervt und sofort auf Hunderttausend, wenn wir dir quer kommen.“

„Und du brauchst bald ‘ne Brille, wenn du weiter so viel vor der Glotze hängst“, wirft Mika spontan ein.

„Jaa“, gibt John zögernd zu. „Kevin und ich liegen gerade in den letzten Zügen eines größeren Projektes. Danach ist erst mal wieder Pause. Doch so ganz kann ich ihn nicht hängen lassen. Er ist ein alter Kumpel von der Schule und mehr auf die Kohle angewiesen als ich.“ John zuckt entschuldigend mit den Schultern.

„Schon“, hakt Mika nach. „Aber du kannst doch nicht dein ganzes Leben danach ausrichten, dass ein Kumpel von dir ständig genug Geld hat. Vielleicht könntest du auch einen Gang zurückschalten und …“

Es klingelt.

„Fuck! Das ist der Typ wegen dem Motorrad“, flucht Keno und springt auf.

Sie unterbrechen ihre Kaffeerunde, um gemeinsam den Verkauf über die Bühne zu bringen. Keno ist relativ gefasst. Als der Kaufvertrag unterschrieben ist, atmet Mika erleichtert auf. Er hat’s tatsächlich getan, seufzt er innerlich. Gott sei Dank!

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