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Kapitel 7

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Grinsend blickt David auf das Display seines Handys. Die Herren geruhen mitzumachen, steht da – verziert mit zwei Smileys, die frech die Zunge rausstrecken. David schmunzelt. Keinen Augenblick lang hat er angenommen, dass John der Bremsklotz bei der Entscheidung sein würde. Dave kennt Mikas Männer inzwischen sehr gut; vor allem Kenos umwerfenden Charme, mit welchem er Mika oft um den kleinen Finger wickelt. So ganz sicher war er sich deshalb nicht, ob der Kleine es schafft, ihn umzustimmen. Umso erfreulicher!

„Bist du noch bei mir oder träumst du schon wieder?“, knurrt Ben ihm zu. Sie sitzen in Bens kleinem Büro im ‚Kolosseum‘ und checken die Vorratslisten fürs nächste Wochenende. Der Boss starrt tadelnd über den Rand seiner Lesebrille zu seinem freiwilligen Helfer hinüber. Ein altes verschlissenes Shirt spannt sich über die Muskeln seines gewaltigen Oberkörpers. Alles an Ben strotzt vor Kraft. Allein für seinen autoritären Blick könnte sich David ihm vor die Füße werfen. Diese herbe Strenge. Seine Reaktion auf diesen Blick rührt natürlich daher, dass Dave weiß, welche Strafen ihn erwarten ‚könnten‘. Das lässt ihm den Schweiß auf die Stirn treten, ohne dass sich Ben großartig anstrengen müsste. Die beiden sind ein eingespieltes Team … Worte sind oft überflüssig.

„Was spielst du schon wieder mit deinem Handy rum?!“, rügt Ben ihn jetzt. „Wie ein kleiner Schuljunge. Kannst du nicht nach unserer gemeinsamen Arbeit mit Blondie tratschen?“

David schießt die Schamesröte in die Wangen. Ben scheint seine Gedanken lesen zu können. Wenn Mika neben ihm säße, könnte der ihm davon ein Liedchen singen.

„Entschuldige“, murmelt Dave, senkt den Blick und steckt schnell das Handy weg. Doch er kann wirklich nichts dafür. Es ist ein Reflex. Kaum verschwindet das Gerät in seiner Hosentasche, ‚pingt‘ es erneut und landet auf wundersame Weise sofort wieder in seiner Hand.

Und ich musste keinem einen blasen. Ätsch!, ergänzt Mika hämisch. Dave kann ein Lachen einfach nicht unterdrücken.

Bens Hand streckt sich ihm quer über den Schreibtisch entgegen.

„Her mit dem Ding!“ Jetzt klingt seine Stimme schon ein wenig ernster. Automatisch reicht ihm Dave sein Handy rüber. Sich zu weigern käme ihm nie in den Sinn. Ihre Rollen sind klar definiert.

Seufzend lehnt sich Ben in seinem Chefsessel zurück und liest Mikas Nachrichten, bevor er das Gerät ausschaltet und David zurückgibt.

„Wie immer ganz schön kess, deine Freundin. Plauderst du etwa aus dem Nähkästchen? Erzählst deinem kleinen Kumpel von deinen furchtbaren Strafen … bei denen es sich ja eigentlich um Erziehungsmaßnahmen handelt, weil du es immer noch nicht gebacken kriegst, mich anständig und höflich um etwas zu bitten?“

David schluckt hart und starrt verlegen auf seine Knie.

„Siehst du mich bitte an, wenn ich mit dir rede?“

Ohooh. Bens Stimme wird leise. Das ist kein gutes Zeichen. Und dann hat er auch noch „bitte“ gesagt. So ein Mist! Warum konnte er nicht einfach die Finger vom Handy lassen? Verdammte Neugier!

„Hm?“ Langsam nimmt Ben die Brille ab und legt sie übertrieben sorgfältig auf seine Unterlagen.

„Ent … schuldige“, murmelt David noch ein wenig leiser als vorhin.

Ben presst die Lippen aufeinander. „Siehst du! Das ist exakt das Verhalten, das ich meine. Du weißt ganz genau, was ich von dir will und du tust es trotzdem nicht. Wie oft hab‘ ich dir schon befohlen, im ganzen Satz zu fragen und zu antworten? Das muss ja unglaublich schwer sein. Oder du bist einfach zu dumm!?“

Jetzt steht er auf, stemmt die Hände auf die Tischplatte und beugt sich zu David hinüber.

„Oder willst du mich provozieren? Bist du ein verfluchter Pushy Bottom, hm? Verarsch‘ mich nicht, David!“

Vor Schreck wird David kalkweiß im Gesicht.

„Nein, Ben!“, protestiert er schnell. Was denkt er nur von ihm?

„Oh! War das tatsächlich ein ganzer Satz? Zählt ‚Nein, Ben‘ als ganzer Satz? Was meinst du, David?“

Von einer Sekunde auf die andere zittert David am ganzen Körper. Wenn Ben sich so vor ihm aufbaut, ihn ankeift und runtermacht, dann verliert sein Sub ganz schnell die Fassung. Er gibt sich wirklich alle Mühe, doch ein Fehler reiht sich an den nächsten. Es ist wirklich zum Haare raufen. Er stammelt, sein Körper sackt in sich zusammen, er lässt Dinge fallen … welche Aufgabe er auch immer erhält, David vermasselt sie.

Ben riecht förmlich Daves Angst. Er liebt diese verbalen Spiele. Aber er fühlt sich auch verarscht, wenn sich David keine Mühe gibt. Und in letzter Zeit ist die Bezeichnung ‚keine Mühe geben‘ wirklich untertrieben. Ich muss die Zügel anziehen, sonst tanzt mir mein Süßer auf der Nase rum. Und das dulde ich unter keinen Umständen. Wenn er so weiter macht, werde ich noch ganz andere Saiten aufziehen müssen.

Langsam sinkt Ben zurück in seinen bequemen Stuhl.

„Ich mach‘ den Rest alleine. Hau ab und denk‘ über dein Verhalten nach.“ Mit der Rechten wedelt er nachlässig Richtung Türe. Seine Aufmerksamkeit richtet sich bereits wieder auf die vor ihm liegende Aufstellung. Er setzt die Brille auf und fixiert mit gerunzelter Stirn die Dokumente.

„Ich möchte dir aber gerne helfen“, stößt David verzagt hervor.

„Nein. Geh‘ nach Hause. Du hast doch schon lange Feierabend. Das hier ist wirklich nicht deine Aufgabe.“ Immer noch sieht Ben ihn nicht an.

„Zu dir oder zu mir?“, fragt David leise, während er seine Jeansjacke überzieht.

Jetzt hebt Ben den Blick. „Was habe ich gerade gesagt, David?“ Ben erwartet keine Antwort. „Ich habe gesagt, dass du nach Hause gehen sollst. Ich habe nicht gesagt: Geh‘ in meine Wohnung. Mein Loft ist nicht dein Zuhause, klar?“

David schießen die Tränen in die Augen. Und warum nicht?, fragt er trotzig – natürlich nur in Gedanken. Er traut sich – wie üblich – nicht eine seiner Fragen laut auszusprechen, wie:

Meldest du dich?

Wann sehen wir uns?

Soll ich morgen vorbeikommen?

Wirst du mich auch vermissen?

Denkst du an mich?

Liebst du mich?

Wie immer läuft letztendlich jeder Gedanke darauf hinaus: Ben, liebst du mich? Nur einmal, ein einziges Mal, möchte David es aus seinem Munde hören. Aber er sagt es einfach nicht. Er wird es wohl niemals sagen. Nicht, solange ich mich so dämlich benehme. Vielleicht sollte ich ihn einfach mal fragen … laut und deutlich … und im ganzen Satz.

An der Türe bleibt er noch einmal stehen. Nein! Unmöglich! Traurig dreht er sich um.

„Ich wünsch' dir einen schönen Abend, Ben!“

„Ich wünsch' dir auch einen schönen Abend, David. Und üb' schön fleißig in ganzen Sätzen zu reden. Das macht dich echt sexy!“

Für einen kurzen Moment entgleist ihm ein Mundwinkel zu einem leisen Grinsen. Aber nicht so kurz, dass David es nicht mitbekäme. Ein kleiner Trost. Doch in dem Moment, als die Türe fast hinter ihm ins Schloss fällt, hört er das gemurmelte „Ich ruf‘ dich an“. So leise, dass es kaum für Dave gedacht sein konnte. Oder doch? Diese Unsicherheit. So oft erlebt Dave diese Momente, in denen er am liebsten – wie ein Schüler – umkehren und noch mal nachhaken würde. Hast Du mit mir geredet? Bedeutet das, du würdest mich wirklich gerne sehen? Oder stellt dein Gemurmel nur eine höfliche Geste dar?! Ben! Mach‘ mich nicht wahnsinnig!

Doch so ist David nicht. Er traut sich einfach nicht. Ein solch' selbstbewusstes Verhalten entspricht nicht seinem Naturell. Jede Nachfrage, jeder Schritt zurück in dieses Büro würde ihn nur noch dümmer dastehen lassen; noch lächerlicher machen.

Bens Verhalten macht ihn verrückt. Doch David ist ebenso bewusst, dass er süchtig nach diesen Situationen ist. Er verzehrt sich danach. Ja! Stell‘ mich bloß! Mach‘ mich runter! Behandle mich wie einen dummen Jungen. Ich tu‘ alles für dich!

Langsam verlässt David das ‚Kolosseum‘. Seine Gedanken wandern zu Mika. Sie sind Seelenverwandte … völlig klar. Doch im Gegensatz zu Mika wird David schon hart, wenn er nur an das Wort „Erziehung“ denkt.

Vor einigen Tagen war Ben bereits ziemlich streng mit ihm umgesprungen. Dave kniete vor seinem Dom. Nackt bis auf sein Lederhalsband mit dem Ring, Fußfesseln, Gag-Ball und auf dem Rücken fixierten Händen. Mit den engen Handschellen konnte er kaum das Gleichgewicht halten. Von seinem übel gelaunten Meister hagelte es Tadel und Beschimpfungen. Schließlich packte Ben den ihm hilflos ausgelieferten Sub im Nacken, zwang dessen Kopf auf die Brust und knurrte ihn an.

„Ich werde nicht zulassen, dass du mich vor aller Welt blamierst, hast du verstanden?“

„Ja, Herr!“, stieß David gedämpft durch den Knebel hervor.

„Wie lange spielen wir das Spiel bereits, David, hm? Wie lange?! Ich hatte schon einmal die Nase voll von deinem Verhalten. Du pisst auf mich, gibst einen Dreck auf meine Befehle. Nicht nur, dass es mich langweilt. Langsam nervt es mich. Ich guck‘ es mir nicht mehr lange an! Wenn du nichts lernen WILLST, dann bin ich der falsche Mann für dich! Topping from the bottom kommt bei mir nicht in Frage!“

Von einer Sekunde auf die andere wurde David starr vor Entsetzen. Das war schon das zweite Mal in letzter Zeit, dass Ben ganz klar seine Ungeduld und sein Unverständnis zum Ausdruck brachte.

Mit einem deftigen Klaps auf den Hinterkopf ließ sein Meister ihn los.

Hinter Davids Rücken kramte er in irgendwelchen Sachen herum. Dessen Emotionen wechselten in irrwitziger Geschwindigkeit von Entsetzen zu Entzücken. Er wird mich züchtigen. Oh ja!! Bitte Herr, züchtige mich für mein Unvermögen, dir zu gefallen. Selbst in Gedanken stolperte David über seine Worte.

Im nächsten Moment beugte sich Ben erneut zu ihm runter.

„Ich treib‘ dir deine Widerspenstigkeit aus, mein Freund. Nimm gefälligst eine gerade Haltung an. Ab heute wird deine Erziehung erheblich verschärft.“

Kaum hatte er seine Drohung ausgesprochen, holte Ben aus und traktierte Davids Rücken mit Schlägen. Die ausgewählte Peitsche hinterließ satte rote Striemen. Diese Strafe katapultierte Bens Opfer von Null auf Hundert in einen Zustand der Euphorie, die nur ein echter Sub nachvollziehen kann. Dabei hallten in seinem Kopf ständig die von Ben gegrollten Worte nach. Von ihm unterworfen zu werden ist für David der Himmel auf Erden. Bei dieser rüden Bestrafungsaktion kam David, ohne sich selbst anzufassen. Dass er sein Sperma hinterher auflecken musste, war selbstverständlich. Sobald Ben ihm die Handschellen abnahm, stürzte sich David auf die Flecken am Boden. Dafür bekam er sein erstes Lob an diesem Abend.

Als David sein Auto erreicht, schließt er es schnell auf und lässt sich mit einem Stoßseufzer in den Fahrersitz fallen. Genüsslich reibt er über seinen Ständer, der sich allein schon durch diese Erinnerung aufgebaut hat. Ein kleiner feuchter Fleck bildet sich auf dem Stoff seiner Jeans.

„Verdammt, Ben …“, murmelt er mit glasigem Blick. „Ich werd‘ noch verrückt. Wir bewegen uns nah am Abgrund. Manchmal macht mich die Angst dich zu verlieren noch geiler. Doch dann lässt sie mich einfach nur erstarren vor Schreck. Das ist sowas von … pervers.“

Er steckt den Schlüssel ins Schloss und schnallt sich an. Denn was mach‘ ich bloß, wenn du mich wirklich verlässt?, jammert er in Gedanken weiter. Dieses Mal flipp‘ ich aus. Ich bin dir verfallen. Ich liebe dich wie keinen anderen Menschen auf der Welt. Und deine kühle Fassade bringt mich um den Verstand. David seufzt stöhnend. Ich kann nicht ohne dich sein. Meine Sehnsucht nach dir wird immer stärker. Warum empfindest du nicht genau so wie ich? Ich liebe dich! Ich liebe dich so sehr!

Mit zusammengepressten Lippen und verzweifeltem Blick parkt David seinen Wagen aus und fährt nach Hause.

*

Auch in seiner gemütlichen Wohnung findet er keine Ruhe. Statt eines vernünftigen Abendessens köpft er eine Flasche Wein und reißt dazu einen Beutel Paprika-Chips auf. Er hat noch nicht einmal daran gedacht, frisches Brot zu kaufen; wie erbärmlich. Allein Ben und sein eigenes immer drängenderes Verlangen nach ihm erfüllte nach seinem Feierabend Davids Gedanken. Beim zweiten Glas Wein schnappt er sich sein Handy und liest noch einmal Mikas Nachrichten. Dieser freche Bengel. Automatisch fängt David erneut an zu grinsen. Was würde er nur ohne seinen jüngeren Freund machen? Ihm zu helfen und Ratschläge zu erteilen gibt David selbst Auftrieb und Zuversicht, seine eigene Beziehung wieder auf die Reihe zu bringen. Ich muss mit Mika reden. Er ist mein bester Freund und der einzige, der mich versteht.

Spontan drückt David auf die Wahlwiederholung zum Bestiarium, die er in den vergangenen zwei Tagen schon so oft gewählt hat. Die Leitung ist ständig besetzt. Nur einmal klingelte es durch, doch da nahm niemand ab. So ein Scheiß! Was das wohl soll? Haben die nicht genug Leute?, denkt er leicht verärgert.

Doch jetzt sitzt er hier alleine in seinem Wohnzimmer, trinkt sich einen kleinen Schwips an und denkt über sich und Ben nach. Da kann er ruhig nebenbei diese Nummer anwählen.

Während der Alkohol ihn wohltuend wärmt, gibt David endlich einem ketzerischen Gedanken die Möglichkeit sich zu entfalten. Tagsüber hat er ihn erfolgreich unterdrückt. Er dreht und wendet ihn; kaut geradezu auf ihm herum. Im Grunde handelt es sich um eine simple Frage: Hat Ben recht? Ist er – David – tatsächlich aufsässig und fordert mit seinen Fehlern Ben bewusst heraus? So war er doch noch nie! Bei hellem Tageslicht schätzt David sein Unvermögen, Ben alles recht zu machen, als reine Schusseligkeit ein. Dummheit, vielleicht. Ungeschicklichkeit, ganz bestimmt. Unaufmerksamkeit, auf alle Fälle. Aber es soll doch keine Revolte sein, dass er ständig nur Bruchteile eines Satzes stammelt, wenn Ben ihm eine klare Frage stellt. Oder doch? Geht seine Sehnsucht nach Züchtigung schon so weit? Wird die Sehnsucht zur Sucht? Will er es erzwingen? Topping from the bottom?

„Das kann einfach nicht wahr sein!“, murmelt er halblaut vor sich hin.

„Es tut mir wirklich sehr leid, mein Herr, aber unsere Leitung ist momentan etwas überlastet. Ich bitte Sie um Verzeihung für die lange Wartezeit. Sie sprechen mit Philippe von Tharon. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

David zuckt zusammen. Während seiner Grübelei hat er es tatsächlich geschafft. Er hat den Veranstalter des Bestiariums erreicht.

„Äh …“, stottert er kurz, um seine Überraschung zu überspielen. „Mein Name ist David Goldmann. Guten Tag, Herr von Tharon …“

„Herr … Goldmann … habe ich Ihren Namen richtig verstanden?“

David nickt und trinkt einen weiteren Schluck Wein, bevor er bestätigt: „Genau!“

„Bitte, nennen Sie mich doch Philippe!“, antwortet die etwas schnöselig klingende Stimme.

„Ja, gerne … ähm … ich bin David. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich durchgekommen bin.“

„Ja, David. Wie ich bereits sagte: Wir werden momentan von Interessenten überrannt. Es tut mir sehr leid, dass Sie Unannehmlichkeiten hatten. Sie interessieren sich für eine Teilnahme?“

Langsam fängt sich Dave. „Schon“, antwortet er und nippt an seinem Wein. „Können Sie mir denn erst einmal Näheres über die Hintergründe Ihrer geheimnisvollen Aktion verraten? Wir würden uns gerne anmelden, aber ein paar weitere Informationen wären schon schön!“ Seinen letzten Satz formuliert er bewusst ironisch angehaucht. Der Typ soll ruhig merken, dass nicht alle Leute auf absolute Geheimniskrämerei stehen.

„Sie möchten zu zweit teilnehmen?“, antwortet von Tharon, ohne auf Davids Anspielung einzugehen.

„Wir wären zu fünft.“

Philippe scheint erfreut. „Oh, dann bilden Sie ja eine homogene Gruppe. Das ist sehr schön. Pro Spiel sollten nicht mehr als sechs Personen teilnehmen. Fünf sind optimal; noch besser, wenn sie sich kennen.“

‚Homogen‘ ist gut, kichert David in Gedanken.

„Und wie läuft so ein Spiel ab?“, hakt er nach.

„Nun … da wird vieles spontan entschieden. Doch ich garantiere Ihnen, dass Sie und Ihre Freunde auf Ihre Kosten kommen werden …“

„Entdecke das Tier in dir … das starke und mutige“, zitiert David einige Zeilen des Werbezettels.

„Das ist richtig“, bestätigt Philippe ungerührt. „Sie und Ihre Bekannten werden speziellen Herausforderungen gegenübertreten. Nichts Gefährliches … ich würde es ‚das Ego besiegen‘ nennen. Diese Aufgaben werden von der Gruppe umso intensiver empfunden, je besser Sie alle sich kennen. Obwohl natürlich auch zusammengewürfelte Fremde eine ganze eigene Dynamik entwickeln können.“

„Hmm“. David denkt nach. Das könnte interessanter werden, als gedacht.

„Sie können sich natürlich gerne noch einmal melden, David. Die Terminlage ist sowieso … prekär.“

Um Gottes Willen, schießt es David durch den Kopf. Bloß kein zweiter Telefonmarathon!

„Neinnein“, wehrt er daher sofort ab. „Ich denke, das Konzept wäre schon …“ Er verstummt. Wie soll er es bezeichnen? In Ordnung? Interessant? Perfekt? Die einzelnen Reaktionen – vor allem der dominanten Kerle – kann er einfach nicht einschätzen. Zudem kann das, was dieser von Tharon ihm erzählt, alles und gar nichts bedeuten.

David entscheidet sich für „… interessant für uns.“

„Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr verraten, David. Leider. Die Aufgaben richten sich ganz aktuell nach den teilnehmenden Charakteren. Psychologie spielt dabei eine große Rolle.“

„Mhm, verstehe!“, lenkt David ein. „Was soll der Spaß denn insgesamt kosten?“

„Pro Teilnehmer wird ein Grundbetrag von 100,00 Euro veranschlagt. Also 500,00 Euro für die ganze Gruppe. Das hört sich im ersten Moment nach viel Geld an, doch in dieser Gebühr sind alle Getränke enthalten, die während der Treffen verzehrt werden. Außerdem steht die Gesamtzahl der Treffen noch nicht fest. Das richtet sich nach … ach, also David. Glauben Sie mir einfach. Der Preis ist nicht überteuert. Und der Gewinn … darüber darf ich nun wirklich nicht reden.“

Er lacht ein wenig gekünstelt und fragt schließlich nach.

„Wenn Sie sich entschieden haben, dann bitte ich Sie höflichst um die Namen der Teilnehmer. Ansonsten müsste ich bedauerlicherweise das Gespräch beenden. Sie wissen ja, wie viele Leute versuchen, uns zu erreichen.“

„Alles klar!“ David hat sich entschieden. Er wird sie anmelden. 100,00 Euro sollten für jeden Teilnehmer zahlbar sein.

„Wir machen mit, Philippe!“

„Das freut mich zu hören! Ihren Namen habe ich ja bereits: David Goldmann. Wen darf ich noch notieren?“

„Ben Westphal, John Garland, Keno Catler und Mika Sundberg.“

„Wunderbar. Ich notiere. Hmm, ja … ähm … das ist … das sind dann alles Herren, ja?“, hakt er nach.

„Ist das ein Problem?“

„Nein, nein, überhaupt nicht. Die Frage sollte nicht unhöflich erscheinen. Bisher waren die Gruppen nur immer gemischt und vor allem die Damen scheinen Gefallen an dem Spielkonzept zu finden. Und der Name Mika … nun ja … könnte ja auch. Ähm … Verzeihen Sie mein Gestotter, David. Ich habe die Teilnehmer notiert. Eine sehr interessante Dynamik, einmal eine Gruppe mit fünf Herren zu leiten. Ihre Handynummer sehe ich auf dem Display. Ich werde Sie in den nächsten Tagen kontaktieren und ich bin sicher, wir werden einen recht zeitnahen Termin finden. Vielen Dank für Ihren Anruf und noch einen schönen Abend.“

„Ihnen auch“, murmelt David, doch da hat Philippe von Tharon bereits aufgelegt.

„Und vielleicht ziehst du dir mal den Stock aus dem Hintern“, grinst er amüsiert. Was für ein exzentrisches Bürschchen. Ich freu‘ mich jetzt schon drauf, wenn Ben dich das erste Mal trifft.

Bei diesem Gedanken muss er doch tatsächlich laut lachen. Das wird der Hammer!

Immer noch gackernd greift er erneut zu seinem Handy und schreibt eine SMS an Mika:

Alles klar! Die Bestien dürfen ins Bestiarium. Da gibt‘s sogar was zu gewinnen. Sehen uns morgen Mittag, dann erzähle ich dir alles. Gute Nacht, Süßer!

Good boooy, lautet Mikas Antwort, keine zwei Minuten später. Ergänzt wird seine Nachricht mit dem Bild eines kleinen hechelnden Hundes.

*

Als David fast die ganze Flasche Wein geleert hat, hört er ein leises Klimpern an der Wohnungstüre. Er runzelt die Stirn. Was ist denn das? Mit Mühe erhebt er sich von der Couch und wankt Richtung Flur. Er hat geheult und sich über seine Situation den Kopf zerbrochen; fast hätte er Ben angerufen … aber nur fast. Später hatte er erneut mit Mika gesimst und dabei die ganze Tüte Chips vernichtet. Irgendwann war er so fertig, dass er gerade noch sein Glas auf dem Tisch abstellen konnte, bevor er zur Seite sackte und einschlief. Ungeheurer Nachdurst weckte ihn vor einigen Minuten. Jetzt steht er im Türrahmen zum Flur und lauscht angestrengt. Dabei sieht er einfach zum Anbeißen aus. Seine kurzen Haare stehen wirr in alle Richtungen ab, die strahlend blauen Augen kneift er vor Aufmerksamkeit leicht zusammen. In Boxershorts und Schlafshirt mit Smiley drauf wirkt er wirklich nicht wie 35. Nein. Er könnte zehn Jahre jünger sein. Sein zerknautschter Zustand lässt ihn noch unverdorbener und verletzlicher erscheinen.

Schließlich zuckt er mit den Schultern. Er hat sich wohl getäuscht. Wo er schon mal steht, beschließt David, sich in der Küche eine Flasche Wasser zu holen. Gerade als er die Küchentüre erreicht, knackt es noch einmal am Schloss. Das Türblatt wird aufgestoßen und knallt gegen die Wand des Flurs. Im gleichen Augenblick flammt das Dielenlicht auf.

„Achtung! Kontrolle!! Alle Mann raus aus den Zellen!“, brüllt Ben und schmeißt die Türe hinter sich zu.

Wie von der Tarantel gestochen fährt David herum. Vor Schreck schlägt er sich die rechte Hand gegen die Brust. Seine Augen scheinen geradezu aus den Höhlen zu fallen.

„BEN! Was machst du denn hier?“, entfährt es ihm, während sein Herz langsam wieder zurück an die richtige Stelle rutscht.

Grinsend stemmt sein Dom die Hände in die Hüften. „Ich glaub’s einfach nicht! Wenn ich dich zu Tode erschrecke, schaffst du es im ganzen Satz zu reden! Das merk‘ ich mir.“

„Was ist los?“ David kann es immer noch nicht fassen. Seinen Wohnungsschlüssel hatte er Ben vor einer Ewigkeit geradezu aufgeschwatzt. Ben wollte ihn gar nicht haben, doch David hatte darauf bestanden. Zu jeder Zeit sollte er Zutritt zu Davids Leben haben; ihn in jeder Situation, in jedem einzelnen verfluchten Moment, kontrollieren können. Dieses Zugeständnis sollte dem riesigen brummigen Typen klar machen, was er David bedeutet. Doch Ben hat von dem Schlüssel nie Gebrauch gemacht … bis jetzt.

„Ist was passiert?“, hakt David mit ängstlicher Stimme nach. In Zeitlupe schleicht er auf seinen Liebhaber zu. Dessen massige Gestalt scheint den schmalen Flur geradezu zu sprengen.

Ben taxiert ihn nachdenklich. „Ich wollte nur kurz mit dir reden.“

Jetzt?! Spinnst du?? Was bildest du dir ein mich so zu erschrecken? – Das wäre eine verständliche Reaktion gewesen. Doch David atmet lediglich einmal tief durch, bevor er sich entschuldigt.

„Ich hätte dich auch beinahe angerufen. Ben … es tut mir leid. Ich werde zukünftig alles richtig machen. Ehrlich! Ich will dich nicht ärgern oder toppen. Das musst du mir einfach glauben. Verzeih mir, wenn ich den Eindruck erweckt hab‘!“ Geknickt senkt er den Kopf.

„Du hast getrunken“, stellt Ben sachlich fest. Schnell hebt David seinen Blick.

„Ja, aber das hat nichts zu bedeuten. Ich fühlte mich nur …“

Ben hebt resolut eine Hand. „Stop!“, unterbricht er ihn. Mitten im Satz hält David die Luft an.

„Ich wette, dass du mit Blondie telefoniert oder gesimst hast, um deinen Frust rauszulassen, stimmt’s?“

Ein stummes Nicken bestätigt Bens Vermutung.

„Mhmm … das hab‘ ich mir gedacht. Wieso kommt's dir eigentlich nicht in den Sinn, MICH anzurufen? Wieso fehlt dir der Mut, mit MIR zu reden, wenn dir irgendetwas Sorgen bereitet? Schließlich geht es doch um uns beide, oder?“

„Ich …“, setzt David an. Doch schon verstummt er wieder.

„Ja?“ Nach einem Moment des Schweigens verzieht Ben leicht den Mundwinkel. „So funktioniert das nicht, Dave. Da gibst du mir doch sicher recht, oder? Denkst du ich bin auf der Suche nach einem menschlichen Trampolin, welches nicht mit mir redet und mit leicht zu durchschauenden Manipulationen versucht, seinen Willen durchzusetzen?“

Davids Kopf sinkt immer tiefer auf seine Brust. Doch Ben spricht ein gnadenloses Urteil.

„Das was du Liebe nennst, das ist für mich nur ein perverses Spiel!“

Jetzt wacht David auf.

„Ein Spiel?? EIN PERVERSES SPIEL??!!“, schreit er zurück. „Für dich ist alles ein Spiel? Meine Gefühle? Alles was ich dir zu Füßen lege? Du bist das Allerletzte, Ben! Ich liebe dich und du spuckst drauf!“

Er zittert vor Empörung. Tränen rinnen über sein knallrotes Gesicht.

Doch statt ebenfalls herumzubrüllen, bleibt Ben eiskalt.

„Na endlich zeigst du mal so was wie echte Emotionen. Da könnte ich ja glatt applaudieren“, ergänzt er ironisch. „Denn das was du üblicherweise von mir willst, ist Schmerz. Nicht mehr und nicht weniger. Schmerz törnt dich an und reißt dich aus deiner gefühllosen Mitte. Du benutzt mich, David. Doch damit ist es jetzt vorbei. Nur weil du einen Ständer kriegst, wenn ich dich schlage, ist das noch lange keine Liebe.“

„DUU!! Du bist ja sowas von kaltherzig. Du schaffst es doch nicht mal, ir-gend-ei-ne Emotion zu zeigen. Nicht ein einziges Mal hast du mir gesagt, dass du mich liebst …“

Endlich! Endlich ist es heraus. Dem Alkohol sei Dank!! David schreit seinen größten Vorwurf heraus.

Ben kneift kurz die Augenlider zusammen. „Da hast du recht“, gibt er ungerührt zu. „Das liegt vielleicht daran, dass ich dich nicht liebe.“

Innerhalb eines Wimpernschlages bricht Davids Herz entzwei. Es seit Beginn ihrer Beziehung zu vermuten, ist eine Sache. Glasklar und ohne Umschweife die Wahrheit ins Gesicht geknallt zu bekommen, ist was völlig anderes.

Aber warum? Warum denn nur? Ich tu‘ doch alles, um deinen Forderungen gerecht zu werden. Und wir haben doch auch wirklich tolle Momente zusammen. Friedliche, zärtliche … ich kapier‘ das nicht! Ich liebe dich doch so sehr.

Davids Brustmuskeln ziehen sich vor emotionalem Schmerz zusammen. Jetzt hilft ihm auch der Alkohol nicht mehr. Schlagartig vernichtet der Schock sämtliche Promille in seinem Blut.

„Ben …“ Einzig der Name seines Geliebten schafft es krächzend aus Davids Kehle. Wie ein kleiner Junge steht er da und leidet.

Kurz wendet der Angesprochene den Blick ab. Doch dann redet er weiter; wenn auch eine Spur sanfter.

„Ich will dich nicht anlügen, David. Vielleicht hab‘ ich tatsächlich ein Problem damit, andere Menschen an mich heranzulassen. Doch wenn es dich dermaßen verletzt, dass ich dir keine Liebesschwüre leiste, warum schaffst du es nicht, mit mir darüber zu reden? Wieso musst du dich erst besaufen, um mir deine Vorwürfe ins Gesicht zu schreien?“

Ben unterbricht sich selbst mit einem wissenden Schnauben. „Lass‘ gut sein, Dave. Denn diese Frage kann ich mir selbst beantworten: Weil DU der Mittelpunkt deines Lebens bist. Alles dreht sich immer nur darum, wie tiefgreifend DU alles empfindest, wieviel Schmerz DU aushältst und wie DU auf meine Bestrafungen reagierst.“ Er holt tief Luft. „Letztendlich geht es dir am Arsch vorbei, ob ich gefühlskalt oder gestört oder einsam oder was–weiß–ich bin. Und das ist für mich keine Liebe! Das ist ein Spiel. Also komm‘ mir nicht mit deinem wässrigen Dackelblick. Ich hab‘ gedacht, du wärst anders als die üblichen Typen, die sich lediglich aufgeilen und fallen lassen wollen. Doch da hab‘ ich mich anscheinend geirrt.“

Betont lässig schmeißt er den Haustürschlüssel auf einen kleinen Tisch im Flur.

Von jetzt auf gleich wird David aus seiner Lethargie gerissen. Ben will Schluss machen!! Unter keinen Umständen darf das jetzt das Ende sein.

„Nein“, haucht er entsetzt. Beschwichtigend hebt er beide Hände. „Ben, bitte! Ich will wirklich an mir arbeiten. So wie du es sagst, hört es sich an als ob ich böswillig und berechnend wäre. Doch das … das stimmt nicht! Gib‘ mir die Chance mich zu ändern! Bitte! Bitte … lass mich nicht fallen. Ich liebe dich so sehr!“ Ich brauch‘ dich! Ich brauch‘ dich!, schreit er in Gedanken voller Verzweiflung hinterher.

Drei große Schritte und David sinkt vor Ben auf die nackten Knie. Ihn anzufassen, traut er sich nicht. Demütig senkt er erneut den Kopf.

„Bitte … bitte“, haucht er immer leiser werdend. Schließlich – nach gefühlten Stunden – fährt Bens Hand durch Daves verstrubbelten Haarschopf. „Das ist ganz sicher ein Fehler“, raunt er dabei nachdenklich.

David schüttelt langsam den Kopf. „Nein, nein“, flüstert er nachdrücklich. „Kein Fehler! Bestimmt nicht!“

Ben lächelt. „Na endlich! Tut gut, wenn du mal eine eigene Meinung hast; selbst wenn du mir widersprichst. Sieh‘ mich an, David!“

Schnell legt Dave seinen Kopf in den Nacken. Oh, mein Gott. Aus dieser Perspektive wirkt Ben noch beeindruckender. Ein wahrhaftiger Herkules starrt zu ihm herab. Für David stellt Ben die personifizierte Macht dar. Nur dieser Mann kann ihm geben, was er braucht. Das weiß David ganz genau; obwohl ihm gar nicht bewusst ist, worin seine Erfüllung besteht. Schmerz? Wirklich nur Schmerz, Unterwerfung und Pein? Nein, da muss noch mehr sein. Da IST noch mehr. Ben muss es doch auch fühlen.

Während er seine Hände vorsichtig über Bens Waden fahren lässt, gleitet dessen Hand in Davids Nacken. Langsam krault er ihn wie einen Hund.

„Ich kann deine Grenzen nicht erforschen, wenn du dich nicht öffnest“, raunt der riesige Kerl nun erstaunlich zärtlich. „Und auch wenn ich kaltherzig auf dich wirke, so bin ich doch immer ehrlich zu dir! Diese Offenheit erwarte ich auch von dir. Dann können wir es noch einmal versuchen.“

David nickt zustimmend. „Ja“, quetscht er bewegt hervor.

Bens Blick versenkt sich im Anblick des vor ihm knienden Mannes. Wenn dieser blonde Typ bloß nicht so eine verdammte Anziehungskraft auf ihn ausüben würde. Er seufzt ein letztes Mal. „Werd‘ endlich erwachsen, David.“

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