Читать книгу Reisen ans Ende der Welt - Ibn Battuta - Страница 29
ОглавлениеÜber dem Grabmal befindet sich eine hölzerne, mit Silberplatten ausgelegte Balustrade, über der ein silberner Kandelaber hängt. Die Türeinfassung ist ebenfalls aus reinem Silber, und darüber sieht man einen golddurchwirkten Seidenvorhang. Es handelt sich um die letzte Ruhestätte Harun ar-Raschids, des Herrschers der Gläubigen – Gott möge ihn segnen! Wenn ein Besucher vor diesem Grabmal steht, so versetzt er ihm mit dem Fuß einen Tritt und spricht ein Segensgebet für Harun ar-Raschid.
Über Sarakhs erreichten wir Zawa, die Stadt des frommen Scheichs Qutb ed-Din Haidar, der den Haidari-Orden armer Brüder gründete. Dies sind Fakire, die in ihren Händen, Ohren und am Hals eiserne Ringe tragen. Ja, sie gehen sogar so weit, solche Ringe um ihr Geschlechtsteil schmieden zu lassen, damit sie nicht in Versuchung geraten, einen Beischlaf auszuführen.
Unsere Reise fortsetzend, kamen wir nach Naisabur (Nishapur), eine der vier Hauptstädte Chorasans. Ihrer Schönheit, Obstanlagen, Wasserläufe und Mühlen wegen wird sie auch »Klein-Damaskus« genannt. Viele Kanäle durchqueren sie; ihre Basare sind vorzüglich ausgestattet und beeindrucken durch ihre Weiträumigkeit. Inmitten des Basars erhebt sich die wunderbare Moschee mit ihren vier Schulen. Hier erwirbt sich eine große Zahl von Studenten die Kenntnisse in der Koranlehre und in der Rechtsprechung, sodass die Schule im ganzen Land einen vorzüglichen Ruf genießt. Von Naisabur wird sehr viel Seide nach Indien ausgeführt.
In Naisabur hatte ich mir einen jungen türkischen Sklaven gekauft. Als ihn der gelehrte und fromme Scheich Qutb ed-Din an-Naisaburi sah, warnte er mich: »Dieser Bursche ist für dich nicht passend; verkaufe ihn wieder!« – »Gut. Wenn du es meinst«, antwortete ich und verkaufte den Sklaven im Laufe der nächsten Tage an einen Händler. Als ich mich später in der Stadt Bistam aufhielt, bekam ich einen Brief von einem Freund aus Naisabur, in dem er mir mitteilte, dass dieser Sklave einen Jungen ermordet habe und nun zum Tod verurteilt und hingerichtet worden sei. Für diesen wunderbaren Hinweis bin ich dem Scheich dankbar – Gott möge es ihm lohnen!
Über Bistam gelangte ich in die Gegend von Qundus und Baghlan mit Obstgärten und Flussläufen. Wir nahmen bei einem Scheich der armen Brüder mit Namen Shir Siyah Quartier und hielten uns vierzig Tage auf, um die Kamele und Pferde ausruhen und weiden zu lassen. Die Bevölkerung hält hier ihre Tiere ohne Hirten im Freien, da jedes Stück mit einem Brandzeichen versehen ist. Auch wir taten dies mit unseren Kamelen und Pferden. Als ich eines Nachts die Tiere überprüfen ging, vermisste ich drei Pferde. Nach zwei Wochen wurden sie wieder von Tataren in unser Lager gebracht, da sich die Diebe vor der Strafe, die dort sehr hoch ist, fürchteten. Auch zwei weitere Pferde, die man uns entwendet hatte, gelangten später wieder in unseren Besitz.
Ein anderer Grund für unseren langen Aufenthalt war die Furcht vor großen Schneefällen. An unserem weiteren Weg liegt nämlich das Hindukusch-Gebirge. Der Name heißt so viel wie »Mörder der Inder« und wurde deshalb geprägt, weil viele Mädchen und Jungen, die man in Indien als Sklaven aufgekauft hatte, in diesen Bergen an der ihnen ungewohnt großen Kälte und in den Schneemassen umgekommen sind. Die Überquerung des Passes nimmt einen ganzen Tag in Anspruch. Wir warteten daher das Einsetzen der warmen Witterung ab und brachen dann auf. Gegen Ende der Nacht gelangten wir auf die Höhe, auf der wir einen Tag lang bis Sonnenuntergang weiterzogen. Vor den Kamelen breiteten wir Decken aus, damit sie nicht im tiefen Schnee versanken.
In dieser Höhe trafen wir auf eine Siedlung mit Namen Andar (Andarab). In früheren Zeiten gab es hier nämlich eine Stadt, deren Spuren fast ganz verschwunden sind. Wir fanden in einer Herberge Unterkunft, die dem ehrenwerten Muhammad al-Mahrawi gehörte. Unser gegenseitiges Verhältnis war sehr gut. Wenn wir nach dem Essen unsere Hände wuschen, trank er in Hochachtung vor uns das Wasser, in dem wir uns gewaschen hatten. Schließlich begleitete er uns noch bis zum Hindukusch. Als wir dort in einer heißen Quelle unsere Gesichter gewaschen hatten, riss die Haut auf und bereitete uns große Schmerzen.
Nachdem wir das Gebirge überschritten hatten, verweilten wir an einem Platz, genannt Banj Hir (Panjhir), was »Fünf Berge« bedeutet. Die früher schöne und volkreiche Stadt, die an einem Fluss und einem See lag, in denen man Rubine fand, wurde von Dschingis Khan, dem Tataren, zerstört und hat seitdem nicht mehr die geringste Bedeutung erlangt.
In den Bergen von Pashay wohnten wir in der Herberge des ehrwürdigen Scheichs Ata Awliya, des »Vaters der Heiligen«, der im Persischen auch Sisad Salah, also »Dreihundert Jahre« heißt. Man erzählt sich, dass er 350 Jahre alt sei. Er wird von vielen Menschen, auch Prinzen und manchem Sultan, besucht. Als ich ihm begegnete, umarmte er mich. Seine Haut ist frisch und zart, wie ich es selten zu sehen bekam. Man würde ihn normalerweise auf fünfzig Jahre schätzen. Er berichtete mir, dass er alle hundert Jahre frische Haut und neue Haare bekomme. Ich erkundigte mich, ob er irgendwelche Überlieferungen des Propheten wisse – ein mögliches Zeichen für die Richtigkeit seiner Altersangaben. Bei seinen vielen Erzählungen kamen mir doch zahlreiche Zweifel, und nur Gott wird wissen, inwieweit es bei ihm mit der Wahrheit bestellt ist.
Der Emir von Parwan, der mich beim Empfang beschenkte, schrieb sofort an seine Untergebenen in der Stadt Ghazna, die mich ehrenvoll aufzunehmen hätten. Es war bereits Sommer, als wir nach Al-Charkh kamen, wo wir eine Gruppe der armen Brüder und Theologiestudenten trafen, mit denen wir das Freitagsgebet sprachen.
Den größten Teil der Stadt Ghazna, die wir als nächsten Ort besuchten, fanden wir in Ruinen liegend vor. Ihr Sultan Mahmud war einer der bedeutendsten Herrscher, der besonders nach Indien vorstieß und dort Städte und Festungen eroberte. Im Winter, wo es extrem kalt ist, ziehen die Bewohner nach Kandahar. Ich selbst habe diese Stadt auf meiner Reise nicht berührt.
Unsere nächste Station war Kabul, in früheren Zeiten eine große Stadt, die jetzt von einem persischen Stamm bewohnt wird, der sich Al-Afghan nennt. Die Afghanen verfügen über starke Streitkräfte, und die meisten von ihnen sind Räuber. Ihr Hauptberg ist der Kuh Sulaiman (Takht-i Sulaiman). Von ihm erzählt man sich, dass ihn König Salomon, nach dem er auch benannt ist, bestiegen und auf das Land Indien herabgesehen habe, das damals noch mit Finsternis bedeckt war. Heute wohnt der König der Afghanen an diesem Berg.
Bei der Festung Karmash, die zwischen zwei Bergen liegt, pflegen die Afghanen den Reisenden aufzulauern und sie zu überfallen. Während wir durch den Engpass zogen, geschah es uns ebenso. Die afghanische Räuberbande hatte sich über uns in den Felsen versteckt, doch wir beschossen sie sofort mit Pfeilen, worauf sie die Flucht ergriffen und uns des Weges ziehen ließen. In Shashnagar (Hashtnagar), dem letzten Ort im türkischen Bereich, verbrachten wir die nächste Nacht. Vor uns lag ein Marsch von fünfzehn Tagen durch die große Wüste, die nur nach der Regenzeit, Anfang Juli, durchquert werden kann. Hier weht der tödliche Samum, der die Körper wie bei einer Verwesung zusammenschrumpfen lässt, sodass der sterbende Mensch seine Gliedmaßen verliert. Dieser Wind fegt auch über die Wüste bei Schiras hinweg. Eine große, vor uns reisende Karawane, bei der sich der Kadi von Tirmidh befand, verlor durch diesen Wind viele Kamele und Pferde. Uns jedoch geschah nichts, sodass wir sicher und wohlbehalten Banj Ab (Panjab), die »Fünf Flüsse« von Sindh, erreichten – Gott, der Allmächtige, sei dafür gepriesen!
Damit endet das, was wir über unsere erste Reise zu berichten haben.