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Im Dienst des Herrschers von Indien

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Delhi ist eine gewaltige, Weltruf genießende Stadt, die Schönheit und Befestigungsanlagen in sich vereint. Sie wird von Mauern umgeben, wie man sie in keinem Land der Erde kennt. Delhi ist die größte Stadt Indiens, die größte sogar von allen Städten des Islam im Osten.

Delhi hat eine große Flächenausdehnung und sehr viele Gebäude. Es besteht aus vier benachbarten, zusammenhängenden Städten. Neben der von den Heiden erbauten Altstadt, die im Jahre 584 (1188/89 n. Chr.) von den Muslimen erobert wurde, gibt es den Siri oder als »Wohnung des Kalifats« bezeichneten Stadtteil, den Togluk-Abad, den vom Vater des gegenwärtigen Herrschers erbauten Teil, und den Jihan-Penah, wo sich Mohammed Schah, der Sultan von Indien, aufhält. Dieser wollte die vier Städte von Delhi durch eine einzige Mauer verbinden, begann auch mit dem Bau, ließ ihn aber dann aufgrund der ungemein hohen Kosten wieder einstellen.

Besonders bemerkenswert ist die Stadtmauer, die nicht ihresgleichen kennt. Ihre Breite beträgt elf Ellen. In ihr sind Kasematten eingebaut, in der sich die Torwächter und die Nachtwachen aufhalten. Außerdem enthalten sie Lebensmittelmagazine, Räume für die Kriegsausrüstungen, Wurfmaschinen und die »Donnerin« (Brandsatz-Schleudermaschinen). Ohne schlecht zu werden, halten sich hier Getreide und Reis für lange Zeit. So sah ich, wie man Reis aus dem Magazin holte, der zwar ganz dunkel geworden, aber von ausgezeichnetem Geschmack war, und den Sultan Balban vor 90 Jahren hier eingelagert hatte. Im Innengang der Mauer können Reiter und Fußgänger von einem Ende der Stadt zum anderen marschieren. Durch Fenster, die sich zur Stadtseite hin öffnen, dringt das Tageslicht ein. Der untere Teil der Mauer ist aus Steinen erbaut, der obere aus Ziegelsteinen. Die in großer Zahl vorhandenen Türme stehen dicht beisammen. Delhi hat insgesamt 28 Tore.

Die Hauptmoschee der Stadt ist von außerordentlicher Größe. Ihre Wände, ihr Dach und ihr Fußboden bestehen aus weißen, kunstvoll polierten und behauenen Steinen, die durch Blei untereinander verbunden sind. Zum Bau ist kein Stück Holz verwendet worden. In der Mitte der Moschee erhebt sich eine gewaltige Säule, die aus einem unbekannten Metall angefertigt ist. Von einem der Gelehrten erfuhr ich, dass man sie Haft Jusch nenne, »Sieben Metalle«, aus denen sie zusammengesetzt sei. An dieser Säule hat man ein Stück von der Länge eines Zeigefingers poliert, wobei ein außergewöhnlicher Glanz entstanden ist. Die Säule, die sich mit Eisen nicht ritzen lässt, hat eine Höhe von dreißig Ellen. Mit einem Turbantuch, das wir um sie herumlegten, stellten wir den Umfang fest; er beträgt acht Ellen.

Das Minarett der Moschee sucht seinesgleichen in den islamischen Ländern. Es ist aus roten, kunstvoll behauenen Steinen erbaut und außerordentlich hoch. Die Aufsätze des aus weißem Marmor bestehenden Turmknaufs sind aus reinem Gold. Der Aufgang wurde derart breit angelegt, dass über ihn ein Elefant emporsteigen könnte. Beim Bau sollen auch Elefanten die Steine in die Höhe getragen haben. Nebenan wollte Sultan Kutb ed-Din ein noch weit höheres Minarett errichten lassen, das aber nicht vollendet wurde, da der Sultan, als ungefähr ein Drittel fertig war, verstarb. Sultan Mohammed, der in dieser Tatsache ein böses Omen sah, ließ von weiteren Bauarbeiten ab. Immerhin gehört dieses unvollendete Minarett, über dessen Aufgang drei Elefanten nebeneinander gehen könnten, zu den Weltwundern, ist es doch als Rumpf so groß wie das eigentliche Minarett. Ich bestieg es eines Tages und hatte von oben einen eindrucksvollen Blick auf die Stadt.

Während mir Scheich Kemal ed-Din, der Oberrichter, die Geschichte der indischen Könige erzählt hatte, erlebte ich jedoch den gegenwärtigen König in den Tagen meines Aufenthalts in diesen Ländern selbst.

Sultan Mohammed Schah hatte sich selbst den Beinamen Abu’l-Mujahid, »Vater des Glaubenskampfes«, gegeben. Er ist unter allen Menschen derjenige, der es am meisten liebt, Geschenke zu machen und – Blut zu vergießen. An seiner Tür findet man stets einen Armen, der reich beschenkt, oder einen Lebenden, der umgebracht wird. Die Erzählungen über seine Großmut und Tapferkeit, über seine Härte und Brutalität gegen Verbrecher sind weltbekannt. Dennoch ist er wieder der demütigste Mensch, vornehmlich Recht und gleiche Behandlung zum Grundsatz seines Handelns machend. Die Zeremonien der Religion werden von ihm genau beachtet; er ist streng auf die Einhaltung der Gebetsvorschrift bedacht und ahndet es ebenso streng, wenn man sie nicht wahrnimmt. Er gehört zu den Herrschern, die laufend vom Glück begünstigt werden und deren außerordentlicher Erfolg das Maß des Alltäglichen überschreitet. Eine Charaktereigenschaft aber übt den größten Einfluss auf seine Handlungen aus: die Freigebigkeit. Vieles in seinem Tun grenzt nahezu an Wunderdinge, doch rufe ich Gott, seine Engel und seine Propheten als Zeugen an, dass alles, was ich über ihn zu berichten habe, unverbrüchliche Wahrheit ist. Gott wird mir als Zeuge genügen.

Es ist Brauch bei diesem Volk, dass nur derjenige zum Palast und zum Audienzsaal Zutritt hat, den der Sultan dafür ausersehen hat. Er bestimmt auch für jeden, wie viele Diener und Gefährten ihn begleiten dürfen. Am dritten Tor des Palastes, durch das man eintreten darf, notieren die Sekretäre: »Der Soundso ist um die 1. oder 2. Stunde oder später angekommen.« Nach dem letzten Abendgebet liest der Sultan diese Liste durch, auf der auch verzeichnet ist, was sich sonst noch am Palasteingang und in dessen Umgebung zugetragen hat. Es ist außerdem Sitte, dass jeder, der sich länger als drei Tage entfernt hat, ob nun entschuldigt oder nicht, nur mit Sondererlaubnis des Sultans den Palast wieder betreten darf. Kann nun ein solcher Mann eine Entschuldigung, etwa wegen Krankheit, vorbringen, so bietet er dem Sultan ein passendes Geschenk an. Dies tun auch jene Leute, die von einer Reise zurückkommen. So schenkt der Gelehrte einen Koran, ein Buch oder Ähnliches, der Fakir einen Gebetsteppich, einen Rosenkranz oder Zahnstocher, Emire und Leute von ähnlichem Rang schenken Pferde, Kamele oder Waffen.

In einem geradezu gigantischen Audienzsaal, der Hezar Ustun, »Tausend Säulen«, genannt wird, hält der Sultan vor versammeltem Volk seine Audienzen ab. Die Säulen bestehen aus lackiertem Holz, die eine Holzdecke mit wunderbarer Bemalung tragen. Bei einer Audienz, die meistens nach dem Nachmittagsgebet oder ganz früh am Morgen stattfindet, sitzt der Sultan auf einer mit weißen Stoffen bedeckten Erhöhung, auf der ein Thron errichtet ist. Seinen Rücken stützt ein großes Polster; rechts und links von ihm liegen Ruhekissen. Er sitzt nach indischer Sitte wie etwa bei der Ablegung des Glaubensbekenntnisses. Hat er nun Platz genommen, so steht der Wesir vor ihm, zusammen mit den Sekretären. Hinter ihnen wiederum befinden sich die Kammerherren. Großkammerherr ist Firuz Malik, der Vetter des Sultans und dessen Statthalter. Unter allen Kammerherren steht er dem Herrscher am nächsten. Nach ihm folgen der Leibkämmerer, dessen Stellvertreter, der Befehlshaber des Schlosses und dessen Stellvertreter, die beiden ersten Kämmerer und schließlich die Masse ihrer Untergebenen. Nach den Kammerherren ordnen sich in der Rangfolge ungefähr hundert Palastoffiziere ein.

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