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IV. Reise von Konstantinopel nach Beirut.
ОглавлениеIch verschob meine Reise von Tag zu Tag, denn die Berichte aus Beirut und Palästina lauteten gar zu ungünstig. Als ich mich bei meiner Gesandtschaft um einen Ferman (türkischen Paß) bewarb, widerrieth man mir die Reise nach jenen Ländern. Die Unruhen am Libanon, sowie die Pest, seien zu mächtige Feinde, um sich ohne die dringendste Notwendigkeit einer solchen Gefahr auszusetzen.
Ein Geistlicher, der vor zwei Monaten von Beirut gekommen war, versicherte mich, die Unsicherheit sei so groß, daß selbst er, als Arzt, weit und breit bekannt, sich nicht über eine halbe Stunde von der Stadt entfernen dürfe, ohne sich den größten Gefahren Preis zu geben. Er rieth mir bis Ende September in Konstantinopel zu bleiben, und dann mit der Karavane der Griechen nach Jerusalem zu reisen. Dieß wäre die einzige Art, sicher dahin zu gelangen.
Da traf ich eines Tages einen Pilger in der Kirche, der aus Palästina kam. Auch ihn fragte ich um Rath. Er bestätigte nur, was mir der Priester gesagt, und fügte noch hinzu, daß einer seiner Gefährten auf dem Rückwege ermordet worden, und er selbst ausgeplündert und nur durch die besondere Gnade Gottes dem Tode entronnen sei. Den Worten dieses Menschen glaubte ich gar nicht. Er erzählte seine Begebenheiten so ziemlich als Münchhausen, vermuthlich um Bewunderung zu erregen. Ich setzte meine Nachforschungen solange fort, bis ich so glücklich war, Jemanden zu treffen, der mir das Gegentheil versicherte. Auf jeden Fall überzeugte ich mich, daß in Konstantinopel über diesen Punkt eben so wenig die Wahrheit zu erfahren sei, wie irgend wo. Endlich entschloß ich mich, mit der nächsten Gelegenheit wenigstens bis Beirut zu gehen, dort dachte ich die Wahrheit zu erfahren.
Man riethmir, die Reisein Männerkleidung zu machen, allein ich fand diesen Rath nicht klug, indem meine kleine magere Gcstalt wohl für einen Jüngling, mein ältliches Gesicht aber für einen Mann gepaßt hätte. Da mir aber der Bart fehlte, so würde man die Verkleidung gleich geahnet und ich mich dadurch mancher Unannehmlichkeit ausgesetzt haben. Ich zog es vor, meine einfache europäische Tracht, die aus einer Blouse und Beinkleidern bestand, beizubehalten. Auf dem Kopfe trug ich einen runden Strohhut. In der Folge wurde ich immer mehr überzeugt, wie gut ich gethan, mein Geschlecht nicht zu verläugneu. Man begegnete mir überall mit Achtung und hatte oft Nachsicht und Güte für mich, gerade weil man auf mein Geschlecht einige Rücksicht nahm.
schiffte ich mich also in Gottes Nahmen auf einem Dampfschiffe des österreichischen Lloyds, dem »Erzherzog Johann« ein.
Mit wehmüthigem Gefühle stand ich auf dem Verdecke, und sah dem Leben und Treiben, das vor so einer weiten Reise an allen Orten und Ecken herrscht, halb gedankenlos zu. Und abermals stand ich in diesem Gewühle ganz allein, nur auf Gott und mein Vertrauen gewiesen. Keine freundliche theilnehmende Seele geleitete mich an Bord. Alles fremd — die Menschen, die Sprache, das Land, das Klima, die Sitten und die Gebräuche — Alles fremd! Doch ein Blick hinauf zu den Sternen, ein Gedanke: Du bist nicht allein, so lange p« an Gott haltst, senkte Ruhe in meine Seele, und bald, gewann ich es über mich, mit stiller Heiterkeit Alles zu beobachten, was um mich vorging.
Da war ein altes Mütterchen, das sich von ihrem Sohne nimmer trennen konnte, immer und immer schloß sie ihn wieder in ihre Arme, und küßte und segnete ihn. Arme Frau, wirst du ihn wiedersehen? oder wird die kühle Erde für dieses Leben die Scheidewand? — Gott segne euch Beide!
Da stürmte eine Schar von Freunden des Schiffspersonals heran, die das Schiff von oben bis unten durchstöberten, und Vergleiche machten zwischen diesem und einem englischen oder französischen.
Da gab es ein Gedränge an der hängenden Schiffstreppe mit Kisten und Koffern und Körben. Menschen drängten sich dazwischen hinauf und hinab. Türken und Griechen und Andere balgen sich um die besten Plätze auf dem Oberdeck, und in wenig Augenblicken war der große Oberraum in ein Bivouaque umgestaltet. Matten und Betten wurden überall ausgebreitet, Lebensmittel aufgespeichert, Geschirre dazu in Ordnung gestellt, und kaum waren diese Anstalten halb geendet, so fingen die Türken mit den Waschungen des Gesichtes, der Hände und Füße an, breiteten Teppiche aus und verrichteten ihre Andacht. In einer Ecke des Schiffes war sogar ein kleines sehr niedriges Zelt gespannt, und so fest verschlossen, daß ich lange nicht entdecken konnte, ob Menschen oder Waaren darunter verborgen seien. Man bemerkte keine Bewegung unter demselben, erst nach mehreren Tagen erfuhr ich von einem Türken, daß ein Scheik von der syrischen Küste zwei Mädchen in Konstantinopel gekauft habe, und sie sorgfältig dem Blicke der Neugierigen zu verbergen suche. Ich war neun Tage mit diesen armen Geschöpfen auf demselben Schiffe, und hatte während dieser langen Zeit keine Gelegenheit, eine davon zu sehen. Selbst bei der Ausschiffung hüllten sie sich so ein, daß es unmöglich war, zu erspähen, ob sie weiß oder schwarz seien.
Um 6 Uhr ertönte die Glocke als Zeichen zur Entfernung der Fremden, und nun erst konnte man die eigentlichen Reisegefährten erkennen. Ich schmeichelte mir, mehrere Franken darunter zu finden, die vielleicht eben solche Reiseprojecte hätten, wie ich — aber mit jeder Minute schwand meine Hoffnung mehr und mehr; ein Franke nach dem andern verließ das Schiff, und endlich sah ich mich ganz allein unter all' den fremden Nationen.
Nun wurden die Anker aufgerollt, und langsam begann unsere Abfahrt aus dem Hafen. Ich sandte ein kurzes, aber inniges Gebet zu Gott, ich flehte um seinen Schutz auf dieser gefahrvollen weiten Reise, und gestärkt und beruhigt konnte ich neuerdings der Geschäftigkeit meiner Reisegesellschaft, die nach Beendigung ihrer Andacht sich zum frugalen Mahle gesetzt hatte, Aufmerksamkeit schenken. Die Nahrung dieser Leute bestand während der ganzen Zeit, die sie auf dem Dampfschiffe zubrachten, in kalten Speisen, als: Käse, Brot, harten Eiern, Sardellen, Oliven, Nüssen, sehr vielen Zwiebeln und getrockneter Mischmisch, eine Gattung kleiner Aprikosen, die sie anstatt des Kochens eine Stunden vor der Mahlzeit im Wasser weichen ließen. Auf einem Segelschiffe nehmen sie gewöhnlich ein Windöfchen nebst Holzkohlen mit, um sich Pilav, Bohnen, Hühner, Kaffee u.s.w. zu kochen, was ihnen natürlich auf einem Dampfschiffe untersagt ist.
Der herrliche Abend hielt mich noch immer wie gebannt auf dem Verdecke, ich schaute mit wehmüthigem Blicke nach der entschwindenden Kaiserstadt, bis endlich ein sanftes Dunkel in Verein mit der immer größeren Entfernung Alles wie mit einem Schleier deckte, und nur hin und wieder die Spitze eines Minarets auftauchte, mir ein letztes Lebewohl zuzuwinken; — aber wer vermag meine Freude zu fühlen, als ich in meiner Nähe einen Reisenden, einen Franken erblickte. So war ich denn nicht mehr allein, — ja, für den ersten Augenblicke waren wir sogar Landsleute, denn was die Menschen in Europa auch scheidet, und in einzelne Nationen theilt, ein fremder Welttheil verbindet sie wieder. Wir fragten nicht? Gehören Sie nach England, Frankreich, Italien? wir fragten: Wohin geht wohl Ihre Reise? Und als es sich zeigte, daß dieser Herr ebenfalls nach Jerusalem zu gehen gedenke, so hatten wir über diese Reise so viel zu sprechen, daß uns gar nicht einfiel, nach unserem gegenseitigen Vaterlande zu fragen. In der überall herrschenden Sprache der Franzosen unterhielten wir uns und waren zufrieden, uns gegenseitig verstehen zu können. Erst am folgenden Tage erfuhr ich, daß er ein Engländer sei, und Bacleth heiße.
In Konstantinopel hatte er mit mir gleiches Schicksal gehabt. Auch er konnte weder bei seiner Gesandtschaft noch bei anderen Leuten sichere Nachrichten hinsichtlich der Möglichkeit der Reise nach Ierusalem erhalten, und so ging auch er auf Gerathewohl nach Beirut. Wir nahmen uns vor, die Reise von Beirut nach Jerusalem gemeinschaftlich zu machen, wenn es anders möglich sei, durch die wilden Völker der Drusen und Maroniten zu dringen, und so stand ich nun nicht ohne Schutz in der weiten Welt, ich war geborgen bis nach Jerusalem — was wollte ich mehr? Jerusalem war das Ziel meiner Reise, und dieß hatte ich nun Hoffnung zu erreichen.
Auf dem Schiffe befand ich mich übrigens sehr wohl. Mit großer Überwindung hatte ich mich entschlossen, wieder auf den zweiten Platz zu gehen, aber als ich das Dampfschiff des österreichischen Lloyds betrat, lernte ich erst kennen, was Eintheilung und Ordnung vermag. Männer und Frauen sind da abgesondert, man findet Waschbecken, hat eine gute Kost, und kann in der Rechnung nicht betrogen werden, da sie der zweite Kapitän besorgt; und so wie hier, fand ich es in der Folge auf allen Dampfschiffen.
Wir durchschnitten das Meer von Marmora, fuhren an den sieben Thürmen vorüber, und ließen die Prinzeninseln links hinter uns.
Des folgenden Tages, am
18. Mai 1842.
erreichten wir sehr zeitlich das Städtchen Galipoli, welches an den Dardanellen oder dem Hellespont auf einer Anhöhe liegt. Einige Riste von beinahe ganz verfallenen Ruinen geben den Vorübereilenden Stoff genug, an die ehemals blühende Vorzeit zu denken. Wir hielten nur ein Viertelstündchen, um durch neue Ankömmlinge das Verdeck noch belebter zu machen.
Das Meer ist nun in einer Länge von fünf und zwanzig Seemeilen bis Sed Bahe in ein so schmales Bett eingeengt, daß es einem Kanale gleicht, der gegraben wurde, das Meer von Marmora mit dem Archipel zu verbinden, und führt daher mit Recht den Namen: Die Straße der Dardanellen. Links hat man stets das Festland Asiens, und rechts eine Erdzunge Europa's, die bei Sed Bahe ihr Ende findet. Die beiderseitigen Ufer sind kahl und öde. Es ist ein gewaltiger Kontrast, der jeden fühlenden Reisenden ergreift, welcher vom Bosphorus auf einmal hieher versetzt wird. Ach, was bot dieser Boden einst? Welche Heldenthaten bewahrt uns die Geschichte von diesen Gegenden? Mit jeder Minute näherten wir uns dem klassischen Boden mehr und mehr. Ach, daß es uns nicht vergönnt war, manche der griechischen Inseln, an welchen wir so nahe vorüberfuhren, zu betreten. Ich mußte mich mit dem Gedanken an die Vergangenheit, an die Geschichte der Vorzeit Griechenlands und seiner Helden begnügen, ohne die Schauplätze dieser Thaten sehen zu können.
Die beiden Dardanellen-Schlösser, Tschenekalesi und Kilidil Bahar, von denen das asiatische schon mehr einer Ruine, das europäische einer Festung gleicht, ließen uns unangefochten vovrübergleiten. — Und was soll ich erst von meinen Empfindungen sagen, als wir den Gefilden Troja's nahten?
Ich war stets auf dem Verdecke, um ja nichts zu übersehen, und getraute mir kaum zu athmen, als ich die Ebene Troja's erblickte.
Da mag diese berühmte Stadt gestanden seyn, jene Erhöhungen sind vielleicht die Ruhestätten eines Achilles, Patroklus, Ajax, Hector und noch vieler anderer Helden, welche ähnliche Verdienste um ihr Vaterland sich erworben hatten, aber nicht so glücklich waren, der Nachwelt bekannt zu werden. Wie gerne hätte ich an Ort und Stelle der Geschichte nachgeträumt, die mir in der Jugend so viel Verehrung und Interesse eingeflößt, und damals schon den Wunsch in mir rege gemacht hatte, einst diese Länder zu besuchen, — ein Wunsch, der nun theilweise in Erfüllung ging. Aber zu schnell flogen wir vorüber. — Öde und verlassen ist die ganze Gegend. Ich sah weder Feld noch Dorf. — Trauern die Menschen oder die Natur? — Die Menschen könnten es mit Recht, denn nimmer werden sie, was sie einst waren.
Im Laufe des Tages kamen wir an mehreren Inseln vorüber. Im Vordergrunde ragte die Spitze des Hydrä empor, nun tauchten die Samothraken auf, und bald segelten wir ganz nahe an Tenedos vorüber. Diese Insel gewährt Anfangs keinen schönen Anblick, aber kaum hatten wir einen kleinen Vorsprung umfahren, so erblickten wir eine Festung, welche wie zum Schutze der hinter ihr liegenden Stadt bestimmt zu seyn scheint, ausgedehnt an der Meeresküste.
Nachdem wir Tenedos verlassen hatten, verloren wir rechts (links behält man immer das Festland Asiens im Angesicht) auf kurze Zeit alle Inseln aus dem Gesichtskreise, erreichten aber dann die schönste unter ihnen, Mytilene, die mit Recht von den Dichtern als das feenartigste Eiland besungen wurde. Wir fuhren über sieben Stunden lang an ihrer Küste. Sie gleicht einem Garten von Oliven, Orangen, Granatbäumen u.s.w. Der Hintergrund ist durch eine doppelte Reihe gezackter Berge geschlossen, und die Stadt selbst liegt ungefähr auf dem halben Wege. Sie zieht sich rings um einen Hügel, auf welchem Festungswerke angebracht sind, während vorne ein schöner Hafen und rückwärts eine tiefe Bucht die Stadt umgürtet. Einzelne Masten blickten herüber, und bezeichneten uns, wie weit die Bucht reiche. Von diesem Punkte an sahen wir ein Dorf gereiht an das andere, freundlich hervorblickend aus dem Schatten üppig blühender Bäume.
Auf dieser Insel einen Frühling zu durchleben, müßte ein großer Genuß seyn.
Bis spät in der Nacht blieb ich auf dem Verdecke; so reich, so abwechselnd in den Bildern vorüber gleitender Inseln ist diese Fahrt auf dem ägäischen Meere. Hätte ich zaubern können, ich würde die Sonne so lange an den Horizont gebannt haben, bis wir.im Hafen von Smyrna eingelaufen wären. Leider verbarg uns die Nacht manche schöne Insel, die wir am folgenden Morgen nur auf der Karte sehen konnten.
19. Mai 1842.
Schon lange vor der Sonne war ich aus meiner Warte, auf dem Verdecke, um Smyrna von Weitem begrüßen zu können.
Eine doppelte Bergkette immer höher empor steigend, verkündete die Nähe der reichen Handelsstadt. Zuerst erblickt man das alte, halb verfallene Kastell auf einer Anhöhe, und dann die Stadt, die sich an dem Fuße desselben längs dem Gestade hinzieht; den Schlußstein dieses Gemäldes bilden die Brüderberge.
Der Hafen ist sehr groß, gleicht aber mehr einer Rhede, und darum wäre Platz genug vorhanden, um ganze Flotten aufzunehmen. Es lagen viele Schiffe vor Anker, und eine große Lebhaftigkeit war überall sichtbar.
Die Frankenstadt, welche man von Bord des Schiffes ziemlich übersehen kann, breitet sich längs des Hafens aus, und hat viel vom europäischen Typus.
H. v. Crammer war von meiner Ankunft unterrichtet, und hatte die Güte, mich vom Bord des Schiffes abzuholen. Wir ritten gleich nach Hazilar, dem Sommer-Aufenthalte vieler Städter, wo er mich seiner Familie vorstellte.
Hazilar mag von Smyrna 1¼ deutsche Meilen entfernt seyn. Der Weg dahin ist über alle Beschreibung schön, daß man die Länge desselben gar nicht in Acht nimmt. Gleich außer der Stadt ist ein großer Platz an einem Fluße, wo die Kameele Rast halten, und wo sie beladen oder entlastet werden; ich sah eine ganze Herde dieser Thiere. Von ihren Führern, Arabern oder Beduinen, lagen einige auf Matten, der Ruhe genießend, während sich andere in vollster Thätigkeit mit ihren Kameelen beschäftigten — ein ächt arabisches Gemälde, welches mir so neu war, daß ich meinen Langohr unwillkührlich anhielt, um diese Scene mit Muße zu betrachten.
Unweit dieses Lagers ist der Hauptbelustigungs- und Versammlungsplatz der Städter. Eine Kaffeebude und einige Reihen Bäume bilden diesen Ort, an welchen sich Gärten an Gärten, alle überreich an schönen Fruchtbäumen, schließen. Besonders herrlich macht sich die Blume des gefüllten Granatbaumes, die voll und im hellsten Roth zwischen den Blättern glänzet. Am Wege blühte überall, wild wachsend, Oleander. Wir durchstreiften schöne Gehölze von Cypressen und Oliven. Noch nirgends sah ich eine so schöne, üppige Vegetation, wie hier. Wundervoll nimmt sich dieses Thal, dessen eine Seite, umgeben von schroffen, wilden Gebirgen, einen gar sonderbaren Gegensatz zu der übrigen blühenden Landschaft bildet, von dem Hügel aus, welchen man überschreitet. Dazu die vielen kleinen Züge von sechs bis zehn und zwanzig Kameelen, die uns bald mit bedächtigem Schritt entgegen kamen, bald von unsern flinken Eselchen überholt wurden. Bei so vielen neuen und schönen Gegenständen wird man es wohl sehr natürlich finden, daß mir die Zeit zu schnell entfloh.
Die Hitze in Smyrna soll im Sommer nicht drückender seyn, als in Konstantinopel. Das Frühjahr kommt aber zeitlicher und der Herbst währt länger. Dieß erklärt mir auch die schöne Vegetation, die ich hier im Vergleiche zu Konstantinopel sehr bedeutend entwickelt fand.
Das Landhaus des Herrn v. C. steht mitten in einem schönen Garten, es ist groß und aus Stein gebaut; die Zimmer sind hoch und geräumig, mit Marmor oder Ziegeln gepflastert. Im Garten sah ich die erste Dattelpalme, ein wunderschöner Baum mit hohem, schlanken Stamme, von dessen Spitze fünf bis sechs Schuh lange Blätter sich herabbeugen, und eine großartige Krone bilden. In diesen Gegenden, so wie auch in jenen Syriens, wo mich meine Reise noch hinführte, wächst der Baum nicht so hoch, wie in Egypten, und trägt auch keine Frucht. Er steht blos als herrliche Zierde neben dem Granat- und Orangenbaum. Eben so sah ich in diesem Garten viele Sorten der schönsten Akazien, darunter so ungeheure große, umfangreiche Bäume, wie bei uns nur immer ein Nuß- oder Lindenbaum ist. —
Die Besitzungen der Städter gleichen sich alle sehr. Die Häuser stehen in den Gärten, und das Ganze ist mit einer Mauer umgeben.
Abends besuchte ich mit Herrn v. C. einige Bauernfamilien. Herr v. C. sagte mir, daß diese Leute sehr arm seien, allein ich fand sie gut gekleidet und wohnlich eingerichtet. Ihre Häuser sind von Stein und die Zimmer geräumig; — Alles ohne Vergleich besser, als in Galizien und in Ungarn an den Karpathen.
Diesen Tag im Kreise einer so liebenswürdigen Familie zugebracht, zählte ich unter einen der angenehmsten. Wie gerne würde ich die herzliche Einladung, mehrere Wochen bei ihnen zu bleiben, angenommen haben, wenn ich nicht schon so viele Zeit in Konstantinopel verloren hätte. Und so schied ich am
20. Mai 1842.
Vormittags von Frau v. C. und deren liebenswürdigen Kindern. Ihr Herr Gemahl begleitete mich nach Smyrna. Wir durchstreiften absichtlich viele Gassen des Frankenviertels, deren ich die meisten recht hübsch und freundlich, eben und gut gepflastert fand. Die Gasse, in welcher die Konsuln wohnen, ist die schönste. Die Häuser sind schön und von Stein gebaut. Die Vorhalle eines jeden Hauses ist gar zierlich mit kleinen oft farbigen Kieselsteinen ausgelegt, welche Kränze, Sterne und Würfel bilden. In diesen Hallen hält sich die Familie meistens während des Tages auf, da es kühler ist als in den Gemächern. An das Haus schließt sich gewöhnlich ein artiger Garten.
Die Türkenstadt ist freilich ganz anders, sie ist von Holz gebaut, und winklicht enge, und Hunde liegen in den Gassen gerade so, wie in Konstantinopel oder Brussa. Und warum soll es hier auch anders aussehen? Hier und dort wohnen Türken, und weder die einen noch die andern haben das Bedürfniß, luftig und rein zu wohnen, wie wir verwöhnte Franken.
Die Bazare sind nicht gedeckt, und auch hier muß man die schönen Waaren hinter Schloß und Riegel suchen.
Eine Parthie nach Burnaba, welches unweit der Stadt, an der Küste liegt, und eben so wie Hazilar, der Aufenthalt der Städter während des Sommers ist, verdient gemacht zu werden. — Die Ansichten dahin sind wechselnd, der Weg sehr gut. Das Ganze gleicht einem sehr gedehnten Dorfe, dessen Häuser alle in der Mitte der Gärten stehen, die mit einer Mauer umgeben sind.
Vor der Akropolis hat man die schönste Ansicht im Rundgemälde. Man überblickt hier alles vereint, was auf den andern Parthien nur theilweise geboten wird.
In Smyrna sah ich die schönsten Frauen, die mir bisher vorgekommen sind. Selbst auf meiner ferneren Reise fand ich wenig so schöne, schönere gar nicht. Diese Zaubergestalten sind aber nur unter den Griechinnen zu suchen. — Die schöne reiche Tracht erhöht den Reiz dieser lieblichen Grazien noch viel mehr. Besonders geschmackvoll wissen sie den kleinen, rundlichen Feß zu stecken, unter welchem ihr üppiges Haar in schönen Flechten über die Schultern fällt, oder sich nebst einem reich gestickten Tuche um Kopf und Stierne windet.
Smyrna besitzt aber nicht bloß die schönsten Frauen, es ist auch berühmt als Geburtsort eines der größten Männer. O Homer! in dem heutigen Griechenland würdest du keinen Stoff mehr zu deiner unsterblichen Iliade finden.—
Um 5 Uhr Abends verließen wir Smsrna's Hafen. Die Ansicht der Stadt gestaltet sich von dieser Seite schon nach der ersten Seemeile viel großartiger, als jener von Konstantinopel. Hier erst entfaltet sich die ganze Größe der Türkenstadt, die auf der andern Seite durch das Frankenviertel halb verborgen ist.
Das Meer ging hoch, und starke Gegenwinde hemmten die Eile unsers trefflichen Schiffes. Doch, Gott sei Dank, wenn das Meer nicht gar stark stürmt und brauset, übt es keine Macht mehr über meine Gesundheit. Ich befand mich wohl, und sah mit großem Vergnügen die hohen Wellen unserem Schiffe entgegen tanzen. Unsere Reisegesellschaft hatte sich in Smyrna um einige Franken vermehrt.
21. Mai 1842.
Gestern Abends und heute den ganzen Tag fuhren wir beständig zwischen Inseln. Die bedeutendsten darunter waren Scio, Samos und Kos, und selbst diese bilden ein garstiges Bild, unwirthliche, kahle Gebirge und öde Gegenden. Nur auf der Insel Kos sahen wir eine artige Stadt nebst bedeutenden Festungswerken.
22. Mai 1842.
Diesen Morgen liefen wir gleich nach 5Uhr in den wunderschönen Hafen von Rhodus ein. Erst hier bekam ich die deutliche Vorstellung eines Seehafens. Von allen Seiten ist dieser Hafen von Mauern und Felsstücken umgeben, und nur eine Einfahrt von vielleicht 150 bis 200 Schritten ist dem Schiffer geöffnet. Da kann nun jedes Schiff ruhig liegen, mag der Sturm von außen auch noch so wüthen; der einzige Nachtheil ist, daß das Einlaufen selbst bei ruhiger See eine schwierige Aufgabe, bei stürmischem Wetter aber ganz unmöglich ist.
An beiden Seiten des Hafeneinganges stehen runde Thürme, ihn zu beschützen. Die ehrwürdige Johanniter-Kirche und der Pallast des Komthurs ragen hoch über Häuser und Festungswerke heraus.
Der Schiffskapitän verkündete uns die angenehme Nachricht, daß wir von jetzt bis 3 Uhr Nachmittags die Stunden auf dem Lande zubringen könnten. Kleine Böte umschwärmten schon lange unser Schiff, und so verloren wir keinen Augenblick mehr, uns an das Land setzen zu lassen. Kaum die Erde betreten, hatten wir nichts eifriger zu thun, als nach der Stelle zu forschen, wo einst der berühmte Koloß gestanden haben mag. Wir konnten nichts ermitteln, den weder unsere Bücher noch die hiesigen Menschen vermochten uns mit Bestimmtheit den Ort anzugeben. Wir verließen also die Küste, um uns dafür durch den Anblick der alterthümlichen Stadt zu entschädigen.
Diese Stadt ist mit dreifachen starken Festungswerken umgeben. Über drei Zugbrücken gelangten wir hinein. Sehr überrascht wurden wir durch die schönen Gassen, die wohlerhaltenen Häuser, und die ganz vorzügliche Pflasterung. Die Hauptstraße, wo die Häuser der ehemaligen (Johanniter) Maltheser-Ritter stehen, ist breit; die Gebäude sind massiv Stein, sie gleichen ordentlichen Festungen. Oberhalb der gothischen Thore prangen die Wappen sammt der Jahreszahl in Stein gemeißelt. Das französische Wappen mit den drei Lilien, und der Jahreszahl 1402 erscheint am häufigsten. Die Kirche und das Haus des Komthurs stehen auf dem höchsten Punkte.
Von außen sieht alles so gut erhalten aus, daß man glauben sollte, die Ritter seien nur ausgezogen, ihr Siegespanier auf das heilige Grab zu pflanzen. Ausgezogen sind sie wohl — um in eine bessere Heimath einzugehen. Jahrhunderte wehen über ihre Asche, die zerstreut in allen Theilen der Welt liegt. Doch ihre Thaten sind gesammelt vor Gott und den Menschen, und bewundert leben sie fort im Angedenken der Letzteren.
Die Kirche, das Haus des Komthurs, und viele andere sind im Innern nicht halb so gut erhalten, wie der erste Anblick vermuthen läßt. Dieß kommt daher, weil der obere Theil der Stadt wenig bewohnt ist. Da herrscht eine schauerliche Leere und Stille. Wir konnten überall ruhig und ungestört herumwandeln, ohne von lästigen Neugierigen begafft oder beleidigt zu werden. Mstr. B., der Engländer, nahm einzelne Skizzen einiger Schönheiten, der gothischen Thore, Fensterwölbungen, Balcone u.s.w. in sein Handzeichenbuch auf, und kein Bewohner trat ihm störend entgegen.
Das Pflaster in der Stadt und selbst in den Straßen, die sich um die Festungswerke ziehen, besteht aus lauter gleichen, schönen Kieselsteinen, oft von bunten Farben, wie Mosaik, und noch so gut erhalten, als ob diese Arbeit erst kürzlich beendet worden wäre. Freilich fährt hier kein belasteter Wagen, der die Steine zermalmt, denn der Gebrauch des Fuhrwerks ist in diesen Gegenden gänzlich unbekannt; alles wird von Pferden, Eseln und Kameelen getragen.
Auf den Wällen stehen noch die Kanonen aus den Zeiten der Genueser. Die Lafetten sind äußerst plump und die Räder bestehen aus runden Tafeln ohne Speichen.
Von diesem Standpunkte aus kann man die Ausdehnung und Stärke der Festung vollkommen übersehen. Drei hohe Wälle umgeben die Stadt, die so für die Ewigkeit gebaut scheinen, daß sie fast unbeschädigt in ihrer ganzen Pracht noch da stehen. An einigen Orten ist das lebensgroße Bildniß der heiligen Maria an den Mauern der Wälle ausgehauen.
Die Umgebung ist reizend und gleicht einem wahren Lustpark. Viele Landhäuser liegen in diesem großen Naturgarten zerstreut. Die Vegetation ist so üppig, wie in Smyrna.
Die Bauart der Häuser unterscheidet sich hier schon merklich. An vielen sind Thürme angelehnt, und die Dächer sind flach und bilden lauter Terrassen. Alle sind aber aus Stein gebaut. Gar sonderbar kamen mir die mit großen steinernen Kanonenkugeln eingefaßten Straßen vor, welche im untern Theile der Stadt liegen und meist von Juden bewohnt sind.
Eben so überraschend war für mich die Tracht des Landvolkes, das ganz schwäbisch gekleidet ist. Vergebens erkundigte ich mich nach der Ursache dieser Erscheinung — in den Büchern, die wir bei uns hatten, fand ich keinen Aufschluß darüber, und mit den Eingebornen konnte ich nicht sprechen.
Um 3 Uhr Nachmittags waren wir wieder an Bord, eine Stunde später segelten wir dem offenen Meere zu. Heute sahen wir nichts mehr als eine lange und hohe Gebirgskette des asiatischen Festlandes, Zweige des Taurus. Die höchsten Gipfel schimmerten im Abendlichte silberweiß, sie waren mit Schnee bedeckt.
23. Mai 1842.
Heute wurden unsere Sehorgane in ziemlicher Ruhe gelassen, wir waren auf hoher See. Erst spät Abends erblickten die Matrosen in weiter Ferne, gleich einer Nebelwolke, die Gebirge von Cypern. Ich hatte kein so geübtes Auge, ich sah nichts, als abermal den Sonnenuntergang auf dem Meere — ein Schauspiel, von dem ich mir eine viel erhabenere Vorstellung machte. Der Auf- und Untergang der Sonne auf diesem Elemente ist nicht halb so schön, wie in einer großen Gebirgslandschaft. Der Himmel ist gewöhnlich wolkenlos und die Sonne sinkt nach und nach ohne Strahlenbrechung, ohne Farbenspiel in's nasse Grab hinab, und betritt eben so einförmig des Morgens ihre alte Bahn. Wie erhaben ist dagegen dieses Schauspiel auf dem Rigi-Kulm in der Schweiz? Dieß ist fürwahr ein Bild, um in Andacht aufgelöst auf die Knie zu sinken und in lautlosem Staunen Gott in seinen Werken zu bewundern.
24. Mai 1842.
Als ich um 5 Uhr Morgens auf das Verdeck kam, sah ich die Insel Cypern, die, je mehr man ihr naht, desto häßlicher erscheint. Sowohl die Gebirge, als auch der Vordergrund sahen höchst traurig und öde aus. Um 10 Uhr fuhren wir im Hafen von Larnaka ein. Die Lage dieses Städtchens ist eben so häßlich; einer arabischen Sandsteppe ähnlich, ragen einzelne fruchtlose Dattelpalmen über die steinernen dachlosen Häuser.
Ich würde gar nicht an's Land gestiegen seyn, wenn nicht der Herr Doktor Faaslanc, den ich in Konstantinopel kenner gelernt, und der vier Wochen vor meiner Abreise als Quarantaine-Arzt hieher gekommen war, mich abgeholt hätte. Die Straßen von Larnaka sind nicht gepflastert, und wir mußten im eigentlichen Sinne des Wortes bis über die Knöchel in Sand und Staub herumwaten. Die Häuser sind klein, die Fenster unregelmäßig, bald hoch und bald niedrig angebracht, und mit sehr engen hölzernen Gittern versehen. Die Dächer bilden Terrassen. Diese Bauart fand ich in der Folge in ganz Syrien.
Von einem Garten oder grünen Plätzchen war nirgends eine Spur. Die Sandfläche erstreckt sich bis an die Gebirge, die von dieser Seite gesehen, ein eben so farbloses ödes Bild gewähren. Hinter diesen Bergen soll die Insel das Bild einer üppigen Landschaft bieten. Dahin und nach Nikosia, der Hauptstadt der Insel, von Larnaka 6 Stunden entfernt, kam ich nicht.
Herr Doktor F.... führte mich in seine Wohnung, die viel besser aussah, als ich vermuthete, indem sie aus zwei sehr großen, hohen Zimmern, man könnte sagen Sälen bestand. Eine behagliche Kühle war überall verbreitet.
Öfen oder Kamine sah ich nicht, denn hier vertritt schon eine ziemlich laue Regenzeit die Stelle des Winters. Im Sommer soll die Hitze oft unerträglich seyn, und bis über 36 Grad Reaum. steigen; heute hatten wir in der Sonne 30 Grad nach Reaumur.
Auf eine glückliche Rückkehr in mein theures Vaterland ward mit echten alten Cvperwein getrunken. Ach, werd' ich es wieder erblicken? — Gewiß, wenn meine Reise nur halb so glücklich fortgeht, wie bisher. Syrien ist zwar ein böses Land, und das Klima schwer zu ertragen, aber Muth und Vertrauen zu Begleitern, hoffe ich doch meine Aufgabe zu lösen. — Der gute Doktor war in großer Verlegenheit, daß er mir nichts als Cyperwein und einiges Bisquit aus seinem Vaterlande serviren konnte. Obst gibt es zu dieser Zeit noch nicht, und die Kirschen gedeihen hier nicht mehr, weil das Klima schon zu heiß ist. In Smyrna aß ich die letzten für dieses Jahr. Als ich mich des Nachmittags wieder eingeschifft hatte, kam Mstr. B. in Gesellschaft des englischen Konsuls an Bord, um, wie er sagte, eine so wackere Frau, die es wagen könne, eine so große, beschwerliche Reise ganz allein zu unternehmen, kennen zu lernen. Noch mehr wuchs sein Erstaunen, als er hörte, ich sei eine ganz bescheidene Wienerin. Er war so gütig, mir für den Fall der Rückreise sein Haus als Absteigequartier anzubieten, und mich zu fragen, ob er mir mit einigen Empfehlungsschreiben an englische Konsulen in Syrien dienen könne. Wie sehr rührte mich diese herzliche Theilnahme von einem ganz fremden Manne, und noch dazu von einem Engländer, die man für kalt und unhöflich hält!
25. Mai 1842.
Heute früh sah ich Syriens Küste, die sich immer herrlicher gestaltete, je mehr wir sie in der Nähe betrachten konnten; allein das Ziel dieser Reise, Beirut, blieb uns neidisch bis auf den letzten Augenblick verborgen. Noch mußte eine Spitze umsegelt werden, und dann erst erschien dieß Eden dem entzückten Auge in der ganzen Fülle seiner Pracht. Gerne hätte ich auf dieser kurzen Strecke, von der letzten Spitze bis in den Hafen, das Schiff in seinem Laufe angehalten, um diesen herrlichen Anblick länger zu genießen. Zwei Augen sind für diese Ansicht zu wenig, und der Gegenstände zu viel, man weiß wahrlich nicht, wohin man seine Blicke zuerst wenden soll, auf die Stadt mit ihren vielen alterthümlichen Thürmen, die an die Häuser angebaut sind, und ihnen das Ansehen alter Ritterburgen geben — oder auf die vielen Landhäuser im Schatten üppiger Maulbeerpflanzungen — oder auf das schöne Thal, das sich zwischen Beirut und dem Libanon ausbreitet — oder endlich auf das wunderbare Gebirg selbst? Die gewaltigen Formen dieses großartigen Gebirges, die eigenthümliche Farbe der Felsenmassen, der schneebedeckte Rücken derselben, fesselten meine Aufmerksamkeit am längsten.
Kaum rollte der Anker in die Tiefe, so war schon unser Schiff von einer Menge kleiner Barken umschwärmt, es ging hier noch viel stürmischer zu, als in Konstantinopel. Die halb nackten, ungemein lebhaften Araber oder Fellahs sind so dienstfertig, daß man sich ihrer nicht genug erwehren kann. Es wäre nöthig, diese armen Leute mit dem Stocke zurückzuweisen — eine andere Erklärung verstehen sie nicht. Da das Wasser hier sehr seicht ist, und man selbst mit der kleinen Barke nicht ganz an das Ufer fahren kann, kamen abermals gleich wieder andere dieser Braunen Gestalten durch's Wasser heran, packten uns unter beständigen Streit und Zank auf den Rücken und brachten uns wohlbehalten an das nahe Ufer.
Bevor man mit dergleichen Menschen als z. B. Barkenführer, Eseltreiber, Träger u.s.w. in Verkehr kommt, thut man sehr gut, sich um den Preis zu erkundigen, den man für solche Dienstleistungen zu zahlen hat. Ich fragte gewöhnlich den Schiffskapitän oder einen schon mit Allem bekannten Reisenden. Wenn man diesen Leuten auch das Doppelte des gewöhnlichen Preises gibt, so sind sie dennoch nie zufrieden und begehren stets Backschisch (Trinkgeld). Darum muß man die erste Gabe immer sehr klein einrichten, um noch etwas für das Trinkgeld zu bewahren. Endlich hatte ich das einzige hier bestehende Gasthaus des Herrn Battista glücklich erreicht, und freute mich schon herzlich auf einige Ruhe und Erholung; da erscholl auf einmal der Schreckensruf: ,,Kein Platz". Wer kann sich meine bejammernswürdige Lage in diesem Augenblicke wohl vorstellen? — Kein zweiter Gasthof, kein Kloster, ach gar kein Ort war vorhanden, wo ich Verlassene hätte Zuflucht suchen können. Dieß vermochte endlich doch so viel über den Wirth, daß er mich zu seiner Frau führte, und mir eine Privatwohnung zu suchen versprach.
Nun war ich zwar unter Dach und Fach gebracht, aber weder Ruhe ward mir zu Theil, noch ein Winkelchen, um mich umkleiden zu können. Ich saß bei der Wirthin von 11 Uhr Vormittags bis 5 Uhr Abends — ach, wie lange däuchte mir diese Zeit. Ich konnte weder schreiben, noch lesen, noch — schwätzen, denn weder die Frau noch Kinder sprachen eine andere Sprache, als die arabische. Ich hatte also Zeit, das Treiben und Leben dieser Leute zu studiren, und sah, daß die Kinder hier bei weitem lebhafter sind, wie jene in Konstantinopel, das war eine Beweglichkeit und ein Geschwätz sonder gleichen. Die Frau that nach der Sitte dieses Landes Nichts, als mit den Kindern spielen oder mit der Nachbarin plaudern, während der Mann die Küche und den Keller und alle Einkäufe besorgt und außerdem noch die Gäste selbst bedient; ja sogar den Tisch für Weib und Kinder deckte und besorgte er. Er erzählte mir, daß seine Frau in längstens 8 Tagen in ein Kloster nach dem Libanon gehen werde, um dort mit den Kindern während der heißen Jahreszeit zu verweilen.
Welch' Unterschied zwischen einer Orientalin und einer Europäerin!!
Die Hitze fand ich auf dem Meere bisher noch immer recht erträglich, ein sanfter Wind fächelte uns beständig Kühlung zu und ein schützendes Zelt gegen die Sonnenstrahlen war über uns ausgespannt. Aber welch ein Abstand, wenn man das Land betritt! — Hier saß ich im Zimmer und die Schweißtropfen perlten beständig an meiner Stirne. Erst jetzt fing ich an zu fühlen, was es heiße, sich unter der tropischen Sonne zu befinden. Ich konnte die Stunde nicht erwarten, wo mir ein Zimmer zugewiesen würde, um Wäsche und Kleider zu wechseln; doch so gut sollte es mir heute nicht ergehen, denn um 5 Uhr kam die Botschaft von Mr. B. mit der angenehmen Nachricht, daß er sich erkundigt und erfahren habe, man könne weiter reisen, indem von den Drusen und Maroniten auf diesem Wege gar nichts zu befürchten wäre und die Pest nur in solchen Orten herrsche, die wir obnedieß nicht zu betreten hätten. Er habe schon einen Diener gemiethet, der zugleich Koch und Dragoman (Dolmetsch) vorstelle, Lebensmittel und Kochgeschirre seien gekauft und Plätze auf einer arabischen Barke bestellt. Ich hätte nichts anderes zu thun, als um 6 Uhr am Ufer zu seyn, wo mich sein Diener erwarten würde. Diese angenehme Nachricht versetzte mich in die heiterste Stimmung. Ich vergaß auf Hitze und Ermüdung, dachte an keinen Wäschwechsel, sondern schnürte mein Bündelchen und eilte an's Ufer. Von der Stadt sah ich nur einige Straßen, in denen es sehr lebhaft zuging. Eben so sah ich viele Beduinen und Araber, die nur mit einem Hemde bekleidet waren und sehr braun aussahen. Ich war vor der Hand nicht so begierig, die Stadt Beirut und ihre Umgebung genauer zu besehen, da ich ja bald wieder zurückkehren und dann das Versäumte nachzuholen gedachte.
Vor Sonnenuntergang saßen wir schon auf dem Fahrzeuge, das uns nach dem so sehnlich gewünschten heil. Boden , nach Jaffa tragen sollte. Alles war in Ordnung, nichts fehlte, als die Hauptsache — der Wind.
Dampfschiffe gehen von Beirut nach Jaffa nicht, man muß sich mit Barken begnügen, die weder Reinlichkeit noch Bequemlichkeit bieten, wo man keine Kajüte, kein Zelt findet, und die Tage und Nächte unter freiem Himmel zubringen muß. Die Ladung dieser Barke bestand aus Töpferwaaren und aus Reis und Korn in Säcken geladen.
Es ging gegen Mitternacht und noch saßen wir im Hafen, kein sanfter Wind schwellte die Segel.
Ich hüllte mich fest in meinen Mantel und lagerte mich in Ermanglung einer Matraze, auf die Säcke; doch war mein Körper noch zu wenig ermüdet, um auf solch ungewohntem Lager Ruhe finden zu können. Mißmuthig erhob ich mich wieder und betrachtete mit neidischen Blicken die nicht sanft schlummernden, sondern tapfer schnarchenden Araber, die rings herum ebenfalls auf den Säcken gelagert waren. Um meiner armen Seele einen poetischen Schwung zu geben, versenkte ich mich in Betrachtung der unnachahmlichen Landschaft bei Mondbeleuchtung, wobei es aber nicht ohne Gähnen abging. Meinem Gefährten mag es nicht anders ergangen seyn, denn auch er verließ dieß weiche Lager und starrte verdrießlich in's Weite. Endlich gegen 3 Uhr Morgens, den
26. Mai 1842.
Mr. B. hatte mit dem Schiffskapitän bedungen, so nahe als möglich an der Küste zu fahren, damit wir die an ihr liegenden Städte sehen konnten. Anlegen durfte er unterwegs nicht, außer bei Casarea, denn in Sur und an mehreren andern Orten war die Pest.
Dergleichen Verträge muß man schriftlich auf dem Konsulat machen, und nie mehr als die Hälfte des Preises im Vorhinein zahlen. Mit der andern Hälfte müssen die Leute stets im Zaum gehalten werden. Selbst bei der größten Vorsicht geht es selten ohne Streit und Zank ab; da muß man nur gleich Anfangs sein Recht behaupten und nicht in der geringsten Sache nachgeben; auf diese Art allein verschafft man sich Ruhe.
Gegen 7 Uhr früh kamen wir an der Stadt und Festung Saida vorüber. Die Stadt nimmt sich gut aus und besitzt einige große Häuser. Die Festung ist durch eine kleine Bucht des Meeres von der Stadt getrennt, und durch eine hölzerne Brücke mit ihr in Verbindung gesetzt. Sie sieht sehr zerstört aus, mehrere Breschen sind noch in demselben Zustande wie nach der Eroberung durch die Engländer im Jahre 1840 und ein Theil des Mauerwerks liegt im Meere. Im Hintergrunde sieht man auf einem Berge Ruinen, wie von einer alten Burg.
Der nächste Ort, den wir sahen, war Sarepta, wo der Prophet Elias von der armen Witwe während einer Hungersnoth ernährt wurde.
Der Libanon wird nun immer nieder und niederer; dagegen erhebt sich sein Namensgefährte, der Antilibanon. Er ist eben so hoch, wie ersterer, und ihm auch in der Form ganz gleich. Beide sind mit Schneefeldern durchzogen. Zwischen ihnen steht ein dritter Bergkoloß, der Hermonie.
Nun folgte die Stadt Tyrus oder Sur, jetzt einsam und verödet, denn die größte Geißel der Menschheit, die Pest herrscht daselbst im hohen Grade. Man sieht einige verfallene Festungswerke, und mehrere Fragmente von Säulen, die zerstreut am Ufer liegen.
Und nun sollte ich Orte schauen, nach welchen sich viele sehnen, und deren Anblick doch nur wenigen zu Theil wird; mit klopfendem Herzen sah ich unverwandt nach der Gegend, wo ich endlich die Stadt St. Jean d'Acre und im Hintergrunde den Berg Karmel, von den Meereswogen umspült, erblickte. Dieß also ist der heilige Boden, auf welchem Christus für uns Menschen gewandelt ist. Beide sieht man schon aus großer Ferne.
Die Nacht senkte sich zum zweiten Male mild und heiter über die Erde, allein mir brachte sie wieder keine Ruhe. Daß man sich doch die Bequemlichkeit eben so schnell ab- als angewöhnen könnte! Wie leicht wäre dann das Reisen; so aber kostet es gar manchen Kampf, sich von den Beschwerden nicht abschrecken zu lassen. Doch nur Geduld, dachte ich, es wird schon noch ärger kommen, — sollte ich glücklich zurückkehren, werde ich abgehärtet seyn, gleich einem Eingebornen.
Unsere Mahlzeiten und unser Getränk waren einfach, wie unsere Barke und unsere Schlafstätte. Pilav hatten wir des Morgens, Pilav des Abends, und lauwarmes Wasser mit etwas Rhum gemischt, war unser Getränk.
Von Beirut bis in die Nähe von St. Jean d'Acre ist die Küste, so wie ein ziemlich breiter Streif des Landes, unfruchtbar und versandet. Bei St. Jean d'Acre ändert sich alles — man sieht wieder hübsche Landhäuser, umgeben von Pomeranzen und Zitronen-Pflanzungen und eine großartige Wasserleitung, die das liebliche Thal durchschneidet. Nur der Berg Karmel ist öde und unfruchtbar und bildet einen grellen Gegensatz zu dieser blühenden Landschaft; er ragt weit in das Meer hinaus und trägt auf seinem Rücken ein großes, schönes Kloster.
Die Stadt St. Jean d'Acre und ihre Festungswerke sind seit dem letzten Kriege vom Jahre 1840 noch ganz zerstört und seufzen vergebens nach einer Wiederherstellung. Häuser und Moscheen sind voll Kugeln und Löcher. — Alles liegt und steht noch, als wäre der Feind erst gestern abgezogen. Sechs Kanonenschlünde sind drohend auf dem Walle aufgepflanzt. — Stadt und Festung liegen meerumgürtet auf einer Erdzunge.
27. Mai 1842.
In der Nacht kamen wir nach Cäsarea. — Mit wahrer Demosthenischer Beredsamkeit suchte uns der Schiffspatron von dem Vorsatze, hier zu landen abzubringen; er stellte uns die Gefahren vor, denen wir ausgesetzt wären, und was wir Alles von den Beduinen und den Schlangen zu befürchten hätten; erstere pflegen hordenweise sich in den Ruinen aufzuhalten, um die Reisenden von ihren Effekten und ihrer Barschaft zu befreien, sie wissen aus Erfahrung, daß solche Orte nur von neugierigen, wohlhabenden Franken besucht werden, darum sind sie hier beständig auf der Lauer, gleich den einstmaligen gemächlichen Raubrittern des guten alten deutschen Reiches. Ein eben so gefährlicher Feind sind die vielen Schlangen, die in dem alten Gemäuer und auf dem wild bewachsenen Boden den darüber Schreitenden bei jedem Tritte lendensgefährlich werden können. Wir wußten dieß alles sehr genau, theils aus Reisebeschreibungen, theils aus mündlichen Überlieferungen, allein es that unserer Neugierde keinen Einhalt. —
Dem Kapitän selbst war es weniger der Gefahr wegen, als um den Zeitverlust zu thun, darum suchte er uns von dieser Exkursion abzuhalten; doch es half ihm alles nichts, — er mußte Anker werfen, den Tag erwarten, und uns dann auf dem Boote an's Land setzen.
Unsere Waffen bestanden aus Sonnenschirmen und Stöcken (letztere trugen wir, um das Gesträuch zu sondiren); unsere Begleitung aus dem Kapitän, dem Diener und zwei Matrosen.
Wir trafen richtig zwischen den Ruinen einige verdächtige Gestalten, herumstreifende Beduinen. Zum fliehen war es zu spät; wir gingen ihnen daher herzhaft entgegen, sehen sie furchtlos und freundlich an, sie uns desgleichen, und damit war alles abgethan. Wir stiegen von einer Ruine zur andern, und hielten uns gewiß über zwei Stunden auf, ohne von diesen Leuten und noch weniger von Schlangen beunruhigt zu werden. Von den letzeren sahen wir nicht einmal eine einzige.
Ruinen sind da im Ueberflusse vorhanden. Ganze Seitenwände und Mauern, die wohl Privathäusern, aber keinen Tempeln oder Prachtgebäuden angehört haben mögen, stehen noch beinahe unversehrt da. Stücke von Säulen liegen in Menge zerstreut herum, aber ohne Fries, Kapitäler und Fußgestelle.
Ein ganz eigenes nie gekanntes Gefühl erweckte es in mir, auch da zu gehen, wo Christus ging. Jeden Fleck, jedes Gebäude betrachtete ich mit doppeltem Interesse. Vielleicht, dachte ich, betrete ich diese Stelle, dasselbe Haus, das einst von Jesus besucht wurde. Glücklich und selig kehrte ich auf unsere Barke zurück.
Um 3 Uhr Nachmittag befanden wir uns hart unter Jaffa's Mauern. Das Einlaufen in den Hafen, der sehr versandet ist, wird als gefährlich geschildert. Man sagte uns, wir würden manche Trümmer gestrandter Schiffe und Barken sehen; doch so sehr ich meine Augen anstrengte, — ich gewahrte nicht das Geringste. Wir liefen glücklich ein, und so mit war diese kleine Reise beendet, auf der ich viel Interressantes und Neues an Gegenständen gesehen, und auch das Leben der Matrosen kennen gelernt hatte. Oft, wenn Windesstille eintrat, lagerten sich unsere Araber auf den Boden, bildeten einen Kreis, sangen Lieder, die aber so eintönig und harmonielos klangen, als man es sich nur denken kann; dazu klatschten sie in die Hände und erhoben zeitweise ein hölzernes Gelächter dazu. Ich fand nicht nur nichts Anziehendes an dieser Unterhaltung — im Gegentheil, es machte auf mich einen melancholischen Eindruck, wenn man sieht, wie weit diese guten Menschen noch in Allem zurück sind.
Die Tracht dieser Leute war höchst einfach: ein Hemd deckte nothdürftig ihre Blöße, und ein Tuch um den Kopf geschlagen, schützte sie vor dem Sonnenstiche. Der Kapitän zeichnete sich nur durch den Turban aus, der gar komisch zur übrigen halb nackten Gestalt paßte. Ihre Kost bestand aus einem einzigen warmen Gerichte, das sie Abends aßen, entweder Pilav oder Hülsenfrüchte. Während des Tages begnügten sie sich mit Brot, und manchmal einer Gurke dazu. Ihr Getränk war Wasser.
Die Stadt Jaffa hat ein ganz eigenthümliches Aussehen. Sie erstreckt sich vom Strande des Meeres bis an die Spitze eines ziemlich bedeutenden, ganz einzeln stehenden Hügels. Die untere Straße, von einer Mauer umgeben, scheint breit zu sein, die übrigen laufen auf den Höhen und scheinen auf den unter ihnen liegenden Häusern zu ruhen. Von der Barke aus gesehen, hätte man behaupten mögen, daß die Menschen auf den platten Dächern herum wandelten.
Da in Jaffa weder ein Gasthof, noch ein Kloster, das Reisende beherbergt, ist, so ging ich zum k. k. österreichischen Konsul, Herrn Da..., der mich recht herzlich aufnahm und bei seiner Familie einführte, die nebst der Frau aus drei Töchtern und eben so vielen Söhnen besteht. Ihre Tracht war türkisch. Die Töchter, worunter zwei ausgezeichnet schön waren, trugen weite Beinkleider, eine Binde um die Mitte und einen Kaftan darüber. Auf dem Kopfe hatten sie einen kleinen Feß, die Haare waren in fünfzehn bis zwanzig kleine Flechten getheilt, und mit kleinen Goldmünzen durchzogen. Am Ende jedes Zöpfchens war eine etwas größere befestigt. Den Hals schmückte ein Collier von Goldmünzen. Eben so war auch der Anzug der Mutter. Wenn ältere Frauen wenig oder keine Haare haben, so ersetzen sie durch künstliche Seidenzöpfchen, was die Natur nicht mehr gewährt.
Das Anheften der Münzen ist in Syrien so gebräuchlich, das daß ärmste Weib, Mädchen oder Kind, so viel als möglich davon an sich trägt. Wenn es keine Goldmünzen sind, so begnügen sie sich mit Silbergelde, und wenn sogar dieses mangelt, mit Kupfer- oder sonstiger kleinen Scheidemünze.
Der Konsul und seine Söhne waren ebenfalls türkisch gekleidet, nur hatte der Vater statt des Turbans einen alten dreieckigen Hut auf dem Kopf, was über alle Beschreibung lächerlich aussah. Eine Tochter und ein Sohn dieses guten, halb türkisch und halb europäisch gekleideten Mannes waren einäugig, ein Gebrechen, welches in Syrien ziemlich häufig vorkommt. Man schreibt es der trockenen Hitze, dem feinen Sandstaube und dem grellen Lichte der Kalkgebirge zu.
Da ich in Jaffa zeitlich ankam, so ging ich in Begleitung eines Sohnes des Herrn Konsuls in der Stadt und deren Umgebung umher. Die Stadt gleicht an Schmutz, Unebenheiten u. dgl. allen bisher gesehenen. Nur die untere Straße am Meere ist breit und belebt, und wird immer von vielen beladenen und unbeladenen Kameelen durchzogen. Der Bazar besteht aus jämmerlich hölzernen Buden, deren Inhalt gemeine Lebensmittel und ganz gewöhnliche Waaren sind.
Die Umgebung ist schön und äußerst fruchtbar. Große und viele Gärten mit Obstbäumen von allen Gattungen südlicher Früchte und mit der undurchdringlichen Hecke des indianischen Feigenbaumes umpflanzt, bilden einen Halbkreis um den untern Theil der Stadt.
Der indianische Feigenbaum, den ich hier zum erstenmale erblickte, sieht sonderbar aus. An dem Stamme, welcher sehr niedrig ist, sprossen 1 Schuh lange, ½½ Zoll dicke Blätter hervor. Selten bildet der Baum Äste, sondern ein Blatt entsproßt dem andern, und auf dem äußeren Blättern setzt sich die Frucht an, die 2 bis 3 Zoll lang seyn mag. Oft setzen sich 10 bis 20 solcher Feigen an ein Blatt an.
Ich konnte nicht begreifen, wie alle Bäume in diesen heißen Ländern, ohne erquickenden Regen, so frisch und schön aussehen können. Hier fand ich die Erklärung in den vielen Kanälen, welche die Gärten durchschneiden und künstlich bewässern. Auch der starke Thau und die kühlen Nächte erfrischen die bei Tag hinwelkende Natur. Aber eine Hauptzierde unserer Gärten fehlt jenen ganz, nämlich ein schöner Wasen mit Feldblumen. Hier wächst der Baum und das Gemüse aus rein sandigen oder steinigen Boden hervor, was der Schönheit der Ansicht wohl von Ferne nicht schadet, aber in der Nähe eine etwas unangenehme Überraschung bietet. Von Blumen sah ich gar nichts.
Um Jaffa ist Alles dergestalt mit tiefem Sande umgeben, daß man bei jedem Schritte bis über die Knöchel hineinsinkt.
Herr Konsul D.. versieht zwei Konsulate, das Österreichische und das Französische, hat aber von beiden nichts als die Ehre. Für manche ist dieß viel, für die Meisten aber ein wirkliches Nichts. Doch diese Familie scheint viel auf Ehre zu halten, denn stets vererbte sich diese Stelle vom Vater auf den Sohn. Auch der jetzige aspirirt schon auf dieß Amt.
Abends wohnte ich bei meinen freundlichen Wirthen einem echt orientalischen Gastmahle bei.
Auf der Terrasse des Hauses wurden Matten, Teppiche und Polster ausgebreitet und in die Mitte ein ganz niedriges Tischchen gestellt. Um dieses lagerte oder setzte sich die Familie mit untergeschlagenen Beinen herum. Mir gab man einen Stuhl, der aber höher war als das Tischchen. Auch legte man für mich und den Herrn Konsul alte Eßbestecke, aus irgend einer Rumpelkammer hervorgesucht, neben die Teller; die übrigen hatten Messer und Gabel an der Hand, nämlich: die Finger.
Die Gerichte sagten mir gar nicht zu. Ich war noch zu sehr Europäerin und zu wenig bei Eßlust, um nur erträglich zu finden, was diesen guten Leuten ein Hochgenuß schien.
Das erste Gericht bestand aus einem leckeren Pilav, zusammengesetzt aus Schöpfenfleisch, Gurken und viel Gewürz, wodurch es für meinen Gaumen viel unschmackhafter war als der gewöhnliche Pilav. Dann folgten aufgeschnittene Gurken mit etwas Salz, jedoch Essig und Oel, die Hauptfache erwartete ich vergebens, ich mußte sie so hinabschlucken. Hierauf kam Reis in Milch gekocht und mit einer solchen Portion Rosenöhl gewürzt, daß mich schon der Geruch allein übersättigte. Endlich erschien der Nachtisch, bestehend aus kleinen ungeschälten Gurken, — die meine Tischgenossen mit Haut und Haar gar säuberlich verspeisten — einen alten Schafkäse und gebrannten Haselnußkernen. Das Brot ist flach, wie Pfannenkuchen, und wird nicht in Öfen, sondern auf Platten oder beiße Steine gelegt, und wenn es unten gebacken ist, auf die andere Seite gewendet. Übrigens schmeckt es dennoch besser, als man vermuthet.
Unser Tischgespräch war höchst interessant. Einige der Familie sprachen etwas Weniges italienisch, und selbst dieß Wenige mit so viel griechischen Dialekt, daß ich mehr errathen mußte, was man sagen wollte. Gewiß ging es ihnen eben so mit mir. Der Herr Konsul behauptete zwar, sehr gut französisch zu können, allein für diesen Abend schien es seinem Gedächtnisse so ziemlich entfallen zu seyn. Gesprochen wurde viel, verstanden wenig. Eine Sache, die sich oft in gelehrten Zirkel ereignen soll, wie man sagt; desto weniger hatte es also bei uns zu bedeuten.
Gurken hat man in Syrien eine Menge Sorten, sie sind eine Lieblingsspeise der Armen und Reichen. Ich fand jedoch keine Gattung schmackhafter, als unsere heimische Gurke. Die zweite Lieblingsfrucht ist die Wassermelone, hier Bastek genannt, die ich auch nicht größer und schmackhafter wie jene im südlichen Ungarn fand.
Das Haus des Konsuls sieht sehr groß aus, die Bauart desselben ist so regellos, daß man in dem großen Raum sehr wenig Bequemlichkeit und nur wenige Gemächer findet. Die Zimmer sind groß und hoch, äußerst nothdürftig eingerichtet und etwas unordentlich gehalten.
Ich schlief in dem Zimmer der verheiratheten Tochter, wären aber nicht Betten darin gestanden, ich würde dieses Gemach eher für ein altes Magazin, als für ein Schlafzimmer angesehen haben.
28. Mai 1842.
Um 5 Uhr früh holte mich der Diener des Mr. B. zur Fortsetzung unserer Reise ab. Ich kam zum englischen Konsul, und traf dort weder ein Pferd noch irgend Etwas zum Aufbruche vorbereitet. Auf solche Unordnungen muß man im Orient immer gefaßt seyn. Man kann sehr froh seyn, wenn Pferde und Mucker (eine Benennung für Pferde- und Eseltreiber) nur um einige Stunden später kommen, als sie bestellt sind. So kamen auch unsere Pferde, statt um 4 Uhr, erst um halb sechs Uhr. Unser Gepäck war bald aufgeladen, denn wir ließen das meiste in Jaffa, und nahmen nur das höchst Nöthige mit.
Schlag 7 Uhr ritten wir aus Jaffa's Thoren und kamen gleich außer der Stadt an einem großen Brunnen vorüber, dessen Bassin von Marmor ist. An solchen Plätzen herrscht beständig die größte Lebhaftigkeit, und nirgends anders kann man so viele Weiber und Mädchen sehen, wie da.
Der Anzug des weiblichen Geschlechtes von der ärmeren Klasse besteht aus einem blauen Hemde, das sich ganz oben anschließt und bis hinab über die Fußknöchel geht. Den Kopf und das Gesicht verhüllen sie ganz, oft lassen sie nicht einmal Öffnungen für die Augen. Dagegen sieht man auch wieder welche, die das Gesicht unverhüllt haben, dieß ist aber die bedeutend kleinere Zahl.
Sie tragen die Wasserkrüge auf dem Kopfe oder auf der Achsel, gerade so, wie vor mehreren tausend Jahren, so wie man sie auf den ältesten Bildern gezeichnet findet. Aber von Grazie im Gange, von Anmuth in ihren Bewegungen und von Schönheit des Körpers oder Gesichtes, wie manche Schriftsteller behaupten, sah ich leider nichts — dagegen Schmutz und Armuth, und zwar mehr, als ich erwartete.
Zwischen Gärten fortreitend, begegneten wir alle Augenblicke einer kleinen Karavane von Kameelen.
Gleich außer den Gärten erblickt man die große und fruchtbare Ebene Saron, die sich über vier Stunden in die Länge zieht und noch mehr in die Breite auszudehen scheint. Hin und wieder sind Ortschaften auf Hügeln gebaut und das Ganze gewährt das Bild einer sehr fruchtbaren und bewohnten Gegend, wir sahen auch überall große Herden von Schafen und Ziegen, von welchen die Letztern meistens schwarz oder braun sind, und sehr lange, herabhängende Ohren haben.
Den Vordergrund der Landschaft bildet das Judäer Gebirg, das aus lauter kahlen Felsen zu bestehen scheint.
Nachdem wir ungefähr zwei Stunden in dieser Ebene, die aber nicht so sandig ist, wie die nahe Umgebung von Jaffa, geritten waren, kamen wir zu einer Moschee, hielten daselbst ein Viertelstündchen an, und verzehrten unsern Morgenimbiß, der aus hart gesottenen Eiern nebst einem Stückchen Brot und lauwarmen Cisternenwasser bestand. Unseren armen Thieren erging es nicht einmal so gut — die bekamen nichts, als Wasser.
Den Ort verlassend und den Weg über die Ebene fortsetzend, hatten wir nicht nur schrecklich von der Hitze, welche auf 30 Grad Reaum. stieg, zu leiden, sondern auch von einer Gattung kleiner Mücken, die uns in großen Schwärmen umgaben, sich in Nase und Ohren und überall einnisteten, und uns so quälten, daß wir alle Geduld und Standhaftigkeit zusammenfassen mußten, um nicht auf der Stelle umzukehren. Zum Glücke trafen wir diese Quälgeister nur in jenen Gegenden wo, das Getreide bereits geschnitten noch auf dem Felde lag. Sie sind nicht viel größer als Stecknadelköpfe, und gleichen mehr den Fliegen, als den Mücken. Wo man sie trifft sind sie stets in großer Menge vorhanden und stechen so gewaltig, daß man nicht selten blutige Beulen davon trägt.
Die Vegetation war hier der Jahreszeit schon so vorangeeilt, daß wir bereits an vielen Stoppelfeldern vorüberkamen, und das Getreide zum Theil schon eingetragen fanden. In ganz Syrien und auch in dem Theile von Egypten, in welchen mich die Reise später führte, sah ich niemals Feldfrüchte, Holz, Steine u.s.w. einführen, sondern immer tragen. In Syrien begriff ich es wohl, da sind die Wege daran Ursache, denn außer den vier oder fünf Stunden über die Ebene von Saron ist der Boden zu steinig und uneben, daß man selbst mit den kleinsten und leichtesten Wagen nicht fortkommen würde. In Egypten jedoch ist dieß nicht der Fall, und dennoch der Gebrauch der Wagen nicht eingeführt.
Komisch sieht es aus, wenn man oft ganze Züge von kleinen Eseln sieht, die so hoch und breit von allen Seiten mit Getreide belastet sind, daß man weder Kopf noch Füße erblickt. Die Garben scheinen sich selber fortzuschieben, als ob sie durch Dampf getrieben würden. Kaum ist solch ein Zug vorüber, so erscheinen graue hohe Köpfe und rund umher thurmhohe Ladungen, daß man vermeint, Frachtwägen und nicht die Thiere der Wüste, die Kameele, daher kommen zu sehen. Immer und immer ist die Aufmerksamkeit des Reisenden mit so vielartigen fremden Gegenständen beschäftiget, die er wohl nie in der Heimath erblicken kann.
Gegen 10 Uhr kamen wir nach Ramla, welches auf einer kleinen Anhöhe liegt, und schon von weiter Ferne sichtbar ist. Noch ehe wir das Städtchen erreichten, passirten wir ein Olivengehölz. Wir ließen die Pferde unter einem schattigen Baume stehen, uvd gingen rechts in das Gehölz, ungefähr 40 Minuten weit, bis zu einem Thurme, dem Thurme der vierzig Märtyrer, der in den Zeiten der Tempelritter in eine Kirche verwandelt worden war, und jetzt Derwischen zum Wohnorte dient. Es ist eine Ruine, und kaum begreift man, wie noch Menschen darin hausen können.
In Ramla hielten wir nicht an. Das Kloster steht auf demselben Platze, wo einst das Haus Josef's von Arimathäa stand.
Die Klöster gleichen in Syrien mehr Festungen, als friedlichen Wohnungen. Sie sind gewöhnlich mit hohen, festen Mauern umzogen, und mit Schießscharten versehen. Die große Pforte ist immer fest verschlossen, oft von innen noch überdieß verrammelt und befestigt; nur ein ganz kleines Pförtchen wird dem Ankömmlinge geöffnet, und dieß nur, wenn Frieden und keine Pest im Lande herrscht.
Endlich um Mittag kamen wir an das judäische Gebirge. Hier muß man Abschied nehmen von dem schönen fruchtbaren Thale und von dem herrlichen Wege. Es beginnt die steinige Region, aus der man sich nicht leicht wieder herausarbeitet.
Gleich am Eingange des Gebirges liegt links ein höchst ärmliches Dörfchen, und in dessen Nähe eine Cisterne, an welcher wir Rast machten, um uns und unsere armen Thiere zu tränken. Nur mit vieler Mühe und etwas Geld gelang es uns, ein Bischen Wasser zu erhalten, denn alle Kameele, Esel, Pferde, Ziegen und Schafe von nah und fern waren hier versammelt, und leckten begierig jeden Tropfen dieses Elementes auf. Ich trank hier ein Wasser, so schmutzig, trüb und lau, daß ich wohl nie gedacht hätte, noch froh seyn zu müssen, mit so eklichem Getränke meinen Durst zu stillen. Wir füllten neuerdings unsere ledernen Flaschen, und zogen wohlgemuth den steinigen Pfad entlang, der oft so schmal wurde, daß wir nur mit großer Mühe und vieler Gefahr den uns entgegenkommenden Kameelen ausweichen konnten. Ein Glück, daß meistens einige dieser Thiere Glöckchen an dem Halse tragen, und man beizeiten durch den Schall aufmerksam gemacht, Vorkehrungen treffen kann.
Die Beduinen und Araber haben gewöhnlich nichts als ein Hemd an, das ihnen oft kaum bis an's Knie reicht. Der Kopf ist mit einem Leinwandtuch bedeckt, um welches ein dicker Strick zweimal gewunden ist, was sich sehr gut ausnimmt. Manche haben noch über ihr Hemd einen gestreiften Kotzen. Die Füße sind nackt. Die Reichern unter ihnen, oder ihre Häuptlinge, tragen mitunter Turbane.
Nun geht es immer aufwärts, in Schluchten zwischen Felsen und Gebirgen, über Steingerölle fort. Hin und wieder sieht man einige Ölbäume aus den Felsenrißen hervorsproßen. So häßlich dieser Baum auch ist, in diesen öden Gegenden gewährt er doch dem Auge einen freundlichen Anblick. Manchmal erklimmt man Höhen, von welchen man weit über die Ebene, bis hin an das Meer sieht. Solche Ansichten begeistern noch mehr das Gefühl, das gewiß jeden Reisenden erfaßt, wenn er denkt, wo er wandelt und wohin sein Ziel gerichtet ist. Jeder Schritt, der weiter führt, leitet an religiös merkwürdigen Stellen vorüber, — jede Ruine, jedes Bruchstück eines Thurmes oder einer Burg, über die sich terassenförmig die schroffen Felsenwände erheben, spricht von längst vergangener Zeit.
Nach einem fünfstündigen unausgesetzten Ritte vom Eingange des Gebirges auf diesem schlechten Wege, ward mir durch die ungewohnte Hitze, und durch den gänzlichen Mangel an Labung und Erholung, plötzlich so übel und schwindlich, daß ich mich auf dem Pferde kaum mehr zu erhalten vermochte. Obwohl wir schon im Ganzen, nämlich von Jaffa bis hieher, eilf Stunden geritten waren, wollte ich aus Angst, daß Mr. B. mich nicht für schwach und kränklich hielte, und mich am Ende von Jerusalem nicht mehr zurück nach Jaffa nähme, ihm meine Ermüdung und mein Unwohl nicht gestehen. Ich stieg also vom Pferde ehe ich herabfiel, und ging zitternd und schwankend neben her, bis ich mich wieder so viel erholt hatte, um aufsitzen zu können. Mr. B. hatte sich vorgenommen, den Ritt von Jaffa bis Jerusalem, eine Tour von sechszehn Stunden, in einem Zuge zu machen. Er fragte mich zwar, ob ich mich stark genug fühle, dieß auszuhalten; ich wollte aber seine Güte nicht mißbrauchen und versicherte ihn, daß ich schon noch fünf bis sechs Stunden reiten könne. Glücklicherweise befielen ihn kurze Zeit nach diesem Vorschlage dieselben Zustände, die früher mir zu Theil geworden, und nun meinte er, es wäre doch besser, im nächsten Dorfe einige Stunden auszuruhen, da wir ohnehin die Thore von Jerusalem vor Sonnenuntergang nicht mehr erreichen konnten. Ich pries Gott im Stillen für diesen glücklichen Zufall, und stellte das Ruhen oder Gehen ganz seinem Willen anheim, weil ich schon sah, daß er das erstere im Sinne hatte, und so erreichte ich meinen Zweck, ohne meine Schwäche gestehen zu müssen. Wir blieben also im nächsten Dorfe Kariet el Aneb, dem einstmaligen Emmaus, wo Jesus den Jüngern begegnete, und wo man noch ziemlich gut erhaltene Ruinen einer christlichen Kirche sieht, die jetzt in einen Stall verwandelt ist. Hier herrschte vor mehreren Jahren ein berüchtigter Räuber und zugleich Scheikh des Ortes, der keinen Franken durchließ, ohne nach Willkühr Tribut von ihm erpreßt zu haben. Seit der Regierung Mehemed Ali's hörte dieß auf, so wie auch in Jerusalem, wo man ebenfalls früher den Eintritt in die Grabeskirche und in andere heilige Orte bezahlen mußte. Selbst von Räubereien, die sonst in diesen Gebirgen an der Tagesordnung waren, hört man jetzt äußerst selten etwas.
Wir nahmen Besitz von der Vorhalle einer Moschee, in deren Nähe die herrlichste Quelle aus einer Grotte hervorsprudelte. Nicht bald erquickte und stärkte mich etwas so, wie diese Quelle. Ich erholte mich in Kurzem und genoß noch einen recht freundlichen und herrlichen Abend.
Kaum erfuhr der Scheikh des Dorfes, daß Franken da seien, als er uns vier oder fünf Gerichte sandte, wovon aber für unsern Gaumen nur die saure Milch genießbar war. Die übrigen Gerichte, ein Gemisch von Honig, Gurken, hart gesottenen Eiern, Zwiebel, Oel, Oliven u.s.w., überließen wir großmüthig dem Dragoman und dem Muker, die bald damit fertig wurden. Eine Stunde später kam der Scheikh selbst, uns seine Aufwartung zu machen. Wir lagerten uns auf die Terrassen der Vorhalle, die Männer rauchten und tranken Kaffee. Dabei wurde ein Gespräch geführt, das der Dragoman übersetzte, und das sehr langweilig war. Endlich fiel es dem Scheikh doch ein, daß wir von der Reise ermüdet seien. Er nahm Abschied und versprach uns unaufgefordert, zwei Mann Wache zu senden, was er auch that. Wir konnten also mit größter Sicherheit unter freiem Himmel mitten in einem türkischen Dorfe, zur Ruhe gehen.
Noch ehe wir uns der Ruhe überließen, bekam mein Reisegefährte den höchst originellen Einfall, um Mitternacht aufzubrechen. Er fragte mich zwar, ob ich Angst hätte, meinte aber, daß man um diese Zeit sicherer wäre, wie gegen Morgen; um Mitternacht würde man gewiß Niemanden auf einem so gefährlichen Wege vermuthen. Ich hatte wohl ein Bischen Furcht, allein mein Ehrgeiz erlaubte mir nicht, die Wahrheit zu gestehen, und somit erhielten unsere Leute den Befehl, um zwölf Uhr zur Weiterreise bereit zu seyn.
So zogen wir vier Personen um Mitternacht, ohne alle Waffen durch die ödesten und schrecklichsten Gegenden. Zum Glück sah der Mond so freundlich lächelnd auf uns herab und beleuchtete die Pfade, daß die Pferde mit festem Tritt über Stock und Stein dahin schreiten konnten. Wie so manches Schattenbild schreckte mich nicht! Ich sah Leben und Bewegung, Gestalten von Riesen und Zwergen, bald auf uns zueilend, bald sich hinter Felsenmassen verbergend, oder in ihr Nichts zusammensinkend. Licht und Schatten, Angst und Furcht trieben so ihr Spiel mit meiner Einbildungskraft.
Einige Stunden von unserm Nachtlager entfernt, kamen wir an ein Flußbett, über welches eine steinerne Brücke führt. Merkwürdig ist dieses Flußbett nur darum, weil David die fünf Kieselsteine, mit denen er den Riesen Goliath bekämpfte, daraus geholt hat. — In dieser Jahreszeit fanden wir kein Wasser, das Bett war ganz ausgetrocknet.
Ungefähr eine Stunde, ehe man Jerusalem erreicht, öffnet sich das Thal, und kleine Fruchtfelder deuten auf eine etwas belebtere Gegend, und auf die Nähe der geheiligten Stadt; still und gedankenvoll ritten wir unserem Ziele zu, und strengten mit doppelter Kraft unsere Augen an, um durch das Halbdunkel, das uns die Fernsicht so neidisch beschränkte, durchzudringen. Schon glaubten wir von der nächsten Höhe die heilige Stadt zu erblicken — doch Täuschung ist des Menschen Loos! Wir mußten noch eine Höhe erreichen, und — noch eine — da lag endlich der Oelberg vor uns, und dann —