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X. Reise von Malta nach Sicilien, Neapel, Rom u.s.w.
Оглавление4. Oktober 1842.
Um 8 Uhr Abends schiffte ich mich auf dem sicilianischen Dampfschiffe „Herkules", dem schönsten und größten, das ich bis jetzt gesehen (260 Pferde-Kraft), ein. Die Offiziere desselben waren bei weitem nicht so stolz und unfreundlich, wie jene auf dem ,,Eurotas". Jetzt noch muß ich lächeln, wenn ich denke, welches Ansehen sich der Kommandant auf jenem französischen Schiffe gab; seiner Einbildung nach verdiente er so gut Admiral zu seyn als Bruys.
Um 10 Uhr verließen wir Lavalette's Hafen. Es war schon finstere Nacht, und ich begab mich in die Kabine zur Ruhe.
5. Oktober 1842.
Als ich heute Morgens auf das Verdeck eilte, waren wir schon an Siciliens Küste, und ich sah, o Wonne! grünende Hügel, bewaldete Gebirge, herrliche Triften und lachende Wiesen, ein Anblick, den mir weder Syrien, noch Egypten, noch Malta geboten hatte. Jetzt erst meinte ich Europa zu erblicken. Malta gleicht zu sehr den syrischen Gegenden, um sich schon dort auf europäischen Boden versetzt zu glauben. Gegen 11 Uhr erreichten wir Syrakus.
Wir erhielten leider nur vier Stunden Urlaub. Da mehrere Herren unter den Reisenden waren, welche in diesen Paar Stunden alle Merkwürdigkeiten der einst so reichen und herrlichen Stadt besehen wollten, gesellte auch ich mich zu ihnen, und fuhr mit an's Ufer. Kaum gelandet, umschwärmten uns eine Menge Lohndiener und neugierig gaffendes Volk, so daß wir uns ordentlich mit Gewalt durch die Menge drängen mußten. Die Herren nahmen gleich einen Lohndiener, und ließen sich zuerst zu einem — Traiteur führen, der ihnen in einer kleinen halben Stunde ein bescheidenes Gabelfrühstück zu liefern versprach. Die Aussicht auf eine gute Mahlzeit war ihnen wichtiger, als alles Übrige. Sie beschlossen, vorerst zu speisen, und dann eine kleine Wanderung zu unternehmen.
Als ich dieses hörte, handelte ich gleich mit einem Cicerone aus, wohin er mich in Zeit von vier Stunden führen solle, ging mit ihm, und ließ die Gesellschaft am Tische sitzen. Freilich genoß ich an diesem Tage nichts, als ein Stückchen Brot und einige Feigen, die ich unterweges verzehrte, dagegen sah ich aber auch Dinge, welche ich der köstlichsten Tafel vorzog.
Von der einstmals großen Stadt steht nur noch ein kleiner Theil, der höchstens von 16000 Einwohnern bewohnt wird. Allenthalben waren die schmutzigen Gassen mit Menschen angefüllt, als ob alle auf derselben wohnten, und die Häuser leer stünden.
Ich eilte mit meinem Führer flüchtig durch die neue Stadt, über drei oder vier hölzerne Brücken, nach Neapolis, dem Theile des alten Syrakus, in welchem noch die besterhaltenen Denkmäler der Vergangenheit zu sehen sind. Da kamen wir denn zuerst zum Theater. Es ist noch sehr gut erhalten; man sieht noch viele der steinernen Sitze sich terrassenförmig im Kreise erheben. Von hier begaben wir uns in das bei weitem schönere Amphitheater, in welchem unten rings herum die Gänge und Behältnisse für Thiere, oberhalb die Plätze für die Zuseher angebracht sind; Alles in so gutem Zustande, daß man mit geringem Kostenaufwands das Ganze ausbessern und noch jetzt benützen könnte. — Nun ging es zu dem Ohre des Dionisius ,das mich unendlich überraschte. Außerordentlich hohe Gemächer und Gänge sind in den Felsen zum Theil durch Kunst, zum Theil schon von der Natur gebildet. In der Mitte ist eine unendlich hohe Halle, von welcher die Gänge auslaufen. Diese Halle wölbt sich in der Höhe immer enger und enger zusammen, wird zuletzt ganz spitzig und endet mit einer ganz kleinen Oeffnung, die dem Auge nicht sichtbar ist. An riefe Oeffnung soll Dionisius von außen sein Ohr gelegt, und da Alles vernommen haben, was die Gefangenen sprachen. (Der Ort war zum Gefängnisse der Sklaven und Verbrecher bestimmt.) Gewöhnlich läßt man hier eine Pistole abfeuern, um das mehrfach wiederholte Echo zu hören. Den Eingang zu diesen Felsengängen bildet eine hohe Oeffnung, einem großen Thore ähnlich, die ganz mit Epheu bewachsen, mehr einer Laube als der Pforte eines Schreckensortes gleicht. Einige der Nebenballen dienen gegenwärtig mehreren Seilern als Werkstätten, in andern wird Salpeter bereitet. Die Gegend ringsum ist felsig, aber ohne hohe Gebirge. Ich sah viele Grotten, manche darunter mit so großartigen Eingängen, als ob sie durch Kunst in den Felsen gesprengt wären. In einer derselben stürzt Wasser herab, und bildet einen recht artigen Fall.
Die Zeit verstrich bei dieser Excursion so schnell, daß ich nicht mehr an das Besuchen der Katakomben, wohl aber an meine Rückkehr denken mußte.
Ich ging an das Meeresufer, längs welchem die Syrakusaner eine kleine, niedliche Promenade angelegt haben, und ließ mich an Bord bringen.
Von all' den Reisenden, welche sich auf unserm Schiffe befanden, hatte ich allein etwas von Syrakus gesehen, alle Andern hatten den größten Theil des erhaltenen Urlaubs im Gasthause zugebracht und waren höchstens ein Bischen in der Stadt herum spaziert. Dagegen kamen sie aber auch vollkommen gesättigt zurück, und so hatten wir, jedes nach seiner Art, unsere Wünsche befriedigt.
Um drei Uhr verließen wir den schönen Hafen von Syrakus, und nach drei Stunden erreichten wir Catanea.
Diese Fahrt ist eine der schönsten und interessantesten, man sieht immerwährend die reizendsten Landschaften des blühenden Sicilien, und schon von Syrakus aus erblickt man, bei reiner Luft, den Riesenberg Aetna, welcher sein Haupt 10,000 Fuß über die Meeresfläche erhebt.
Um sechs Uhr Abends wurden wir ausgeschifft, doch mußten sich die Weiterreisenden schon wieder um Mitternacht an Bord einfinden. — Ich war Willens, in Catanea zu bleiben, und den Aetna zu besteigen, allein als ich deßhalb Erkundigungen einzog, versicherte man mich, die Jahreszeit sei für ein solches Unternehmen schon zu weit vorgerückt, ich entschloß mich daher um Mitternacht wieder unter Segel zu gehen. Ich stieg mit einem Neapolitaner und dessen Gemahlin an's Land. Wir wollten einige Kirchen, einige Gebäude und die Stadt besehen, fanden aber die ersteren bereits geschlossen. Von außen sahen manche sehr viel versprechend aus. Wir bedauerten eine Stunde zu spät gekommen zu seyn, und spazierten nun in der Stadt herum. Ich konnte mich nicht genug über die außerordentliche Lebhaftigkeit und Überfüllung aller Plätze und Hauptstraßen, so wie auch über das Lärmen und Schreien des Volkes wundern. Die Zahl der Einwohner beträgt 50 000. Die zwei Hauptstraßen, welche vom großen Platz hinauf und hinab gehen, sind lang, breit, mit vielen herrlichen Häusern versehen und vorzüglich gut gepflastert (mit großen Steinplatten). Das Einzige mißfiel mir, daß die Leute überall, selbst in den Hauptstraßen, an den Fenstern und Balkonen, auf großen Stangen Wäsche trockneten. Das sieht gerade so aus, als ob überall Wäscherleute wohnten, und ich ließe es mir noch gefallen, wenn es saubere Wäsche wäre, so aber sieht man oft die abscheulichsten, eckelhaftesten Lumpen vor den schönsten Häusern hängen. Leider trifft man diesen Unfug in ganz Sicilien, und selbst in Neapel ist das Wäscheaushängen nur in der Hauptstraße, nämlich auf dem Toledo, verboten; in den andern Gassen hängt Alles voll.
Unter den Equipagen, deren ziemlich viele in Bewegung waren, bemerkte ich einige recht hübsche. Manche hielten auf dem Platze, ihre Besitzer sahen dem Getreibe zu, welches daselbst herrschte und schwatzten nebenbei mit Freunden und Bekannten, die sich an die Wagen drängten. So lebhaft, wie hier, fand ich es weder in Palermo noch in Neapel.
Das Kloster des heil. Nikolaus war leider geschlossen, wir konnten es folglich nur von Außen betrachten. Es ist ein großes, herrliches Gebäude, das größte in der Stadt. Noch besahen wir die Spaziergänge am Meeresufer, die wir bei unserer Ankunft nur flüchtig durcheilt, um noch etwas von der Stadt zu besehen. Schöne Alleen breiten sich am Hafen aus, sie waren aber viel weniger besucht, als die Straßen und Plätze der Stadt. Wir hatten einen wunderschönen mondhellen Abend, das Vorgebirge des Ätna mit seiner üppigen Vegetation und der Riesenberg selbst in seiner ganzen Glorie erhoben sich vor uns. Rein und wolkenlos war sein Haupt, kein Rauch entstieg seinem Krater, eben so wenig entdeckten wir, als wir am Bord waren, eine Spur von Schnee auf seinem Gipfel. — Von dieser Seite steht er von drei Seiten frei. Am Meere erblickten wir einige Haufen Lava aufgethürmt; sie sah ganz schwarz aus.
Spät gingen wir in ein Gasthaus, wo wir uns durch einige gut bereitete Gerichte erquickten, begaben uns dann an Bord und segelten um Mitternacht ab.
6. Oktober 1842.
Wir erwachten in Messina's Hafen. Von der schönen Lage dieser Stadt kann man sich beinahe keine Vorstellung machen. Ich war so entzückt von ihrem Anblick, daß ich lange auf dem Verdecke stand und gar nicht an das Landen dachte.
Ein Kranz der schönsten Gebirge und (im Hintergrunde) der gewaltigsten Felsenmassen umgibt Hafen und Stadt. Ueberall herrscht die höchste Fruchtbarkeit, Alles ist im üppigsten, heitersten Zustande. Auf der Seite gegen Palermo sieht man das unbegränzte Meer.
Ich nahm nun Abschied von dem prachtvollen ,,Herkules", weil ich von hier aus nicht gerade zu nach Neapel, sondern über Palermo reisen wollte.
An's Land gekommen, suchte ich das Handlungshaus M. auf, an welches ich ein Empfehlungsschreiben hatte. Ich ersuchte Herrn M., mir sobald als möglich einen Lohndiener zu verschaffen, damit ich Messina's vorzüglichste Merkwürdigkeiten besehen und dann meine Reise nach Palermo fortsetzen konnte. Herr M. war so gütig, mir Jemanden aus seinem Comptoir mitzugeben. Ich gönnte mir kaum eine halbe Stunde Rast und trat meine Wanderung an.
Messina schien mir vom Borde des Schiffes aus betrachtet, sehr schmal, als ich aber in der Stadt umher ging, sah ich, daß ich mich sehr getäuscht hatte.
Messina ist zwar sehr stark in die Länge gebaut, aber auch seine Breite nicht unbeträchtlich.
Ich sah mehrere recht schöne Plätze, z. B. den Hauptplatz mit einem schönen Brunnen, der mit Figuren und einem Bilde von getriebener Arbeit (in Bronce) geschmückt ist. Auf jedem Platze sind Springbrunnen angebracht, doch findet man selten etwas besonders Kunstvolles. Die Kirchen zeichnen sich weder durch schöne Fanden noch durch Reichthum an Marmor, Statuen oder kunstvollen Gemälden aus.
Die Häuser sind ziemlich gut gebaut, mit flachen Dächern; die Straßen, bis auf einige, klein, eng und äußerst unsauber. Längs des Hafens zieht sich eine ungemein breite Straße hin, an deren einer Seite recht schöne Häuser stehen. Dieß ist ein angenehmer Ort zum Spazierengehen, weil man da immer das Leben und Treiben im Hafen beobachten kann. Unter den Palästen gibt es einige hübsche; schön kann nur jener des Senates genannt werden. Da sieht man ein Stiegenhaus von wunderschöner Bauart und ganz von weißem Marmor. Säle und Gemächer sind hoch, viele gewölbt. Der königliche Pallast ist ebenfalls sehr großartig.
In der Mitte der Stadt liegt ein niedlicher Volksgarten. Die Leute scheinen aber in Italien lieber die Straßen als dergleichen Anlagen zu ihren Versammlungsorten zu wählen; denn überall fand ich die Spaziergänge leer, die Straßen belebt. Doch geht es hier im Ganzen bei weitem nicht so lebhaft zu wie in Catanea. Um eine Uebersicht von ganz Messina und der Umgebung zu haben, erstieg ich einen, nahe bei der Stadt gelegenen Hügel, auf welchem ein Kapuziner-Kloster steht, und genoß da eine Ansicht, wie es nur wenige in der Welt gibt. Als ich dieß Bild sah, begriff ich sehr leicht, daß ein Messinese nichts schön findet, als seine Vaterstadt.
Das Vorgebirge, an welchem die Stadt lehnt, ist mit dem schönsten grünen Teppiche belegt, mit den üppigsten Fruchtbäumen aller Art bepflanzt und mit Sommerwohnungen, Dörfern und Städtchen besäet. Schöne Straßen gleich weißen Bändern durchschneiden von allen Seiten die Gebirge und laufen der Stadt zu. Im Hintergrunde erheben sich die höheren Gebirge, theils bewaldet, theils kahl, theils Alpen, theils Felsenmassen. Unten an den Hügeln sieht man die lang, gedehnte Stadt, den Hafen mit den vielen Schiffen, und über den Hafen hinüber wieder Alpenparthien und Felsgebirge. Rechts und links überblickt man das Meer, gegen Palermo und Neapel unbegrenzt, während auf der Seite Catanea's das Auge durch Gebirge, darunter der Aetna, gefesselt wird.
Noch am Abende desselben Tages schiffte ich mich abermals ein und zwar auf dem „Herzog von Calabrien“, um die kurze Fahrt von zwölf bis vierzehn Stunden nach Palermo zu machen. Dieß Dampfschiff hat nur 80 Pferdekraft, und Alles darauf ist klein und beschränkt. Der erste Platz ist zwar ziemlich gut, der zweite aber nur für sehr wenige Reisende berechnet. Ich blieb, obwohl todtmüde von dem anstrengenden, unaufhörlichen Herumgehen in Messina, doch auf dem Verdecke, denn ohne den Stromboli gesehen zu haben, hätte ich keine Ruhe gefunden. Leider sah ich nur sehr wenig davon. Wir waren gegen sechs Uhr (Abends) von Messina abgefahren und bekamen den Riesenberg erst zwei Stunden später zu Gesicht; da dunkelte es bereits, auch lag der Berg so ferne, daß ich weiter nichts entdecken konnte, als einen ungeheuern Koloß, der sich aus dem Meere hoch gegen den Himmel erhob. Ich blieb bis nach zehn Uhr auf dem Verdecke, in der Meinung, wir würden näher kommen, doch wie an andern Eilanden, die gleich Nebelmassen auf dem Meere lagen, fuhren wir auch an ihm in weiter Ferne vorüber.
7. Oktober 1842.
Heute eilte ich schon vor Sonnenaufgang auf das Verdeck, um so viel wie möglich von dem Küstenlande Siciliens und Palermo begrüßen zu können. Um 10 Uhr Vormittags liefen wir in seinem Hafen ein.
Von der Lage Messina's war ich so entzückt, daß ich glaubte, nichts Schöneres mehr sehen zu können, und dennoch schwand Messina aus meinem Gedächtnisse, als Palermo vor mir lag, umgeben von den schönsten Gebirgen, aus deren Mitte sich der kolossale Felsenberg der h. Rosalia, aus lauter Granit und Porphyr bestehend, hoch in die Lüfte erhebt. Ein mehrfaches Farbenspiel, die ungeheure Höhe und die Zusammensetzung aus nichts als Felsenmassen, bilden diesen Berg zu einem der merkwürdigsten und wunderbarsten. Auf seiner Höhe steht ein Tempel und eine schöne, theils in den Felsen gesprengte, theils auf gemauerten hohen Pfeilern gestützte Straße, die man von Bord aus sieht, führt zu der hinter Felsen verborgen liegenden Kapelle und dem Kloster der h. Rosalia.
Am Fuße dieses Berges liegt ein prachtvolles Schloß, welches nach der Erzählung meines Schiffskapitäns, gegenwärtig von einer englischen Familie bewohnt wird, die dafür jährlich 30,000 fl. C.M. Miethe bezahlt. An der linken Seite Palermo's öffnen sich die Berge, und zeigen ein breites, himmlisch schönes Thal, in welchem, wie hingezaubert, die Stadt Monreal liegt. An der Küste bilden sich mehr dergleichen Ausschnitte, und man sieht die schönsten Thäler mit Ortschaften und einzelnen artigen Landsitzen.
Der Hafen von Palermo ist schön und sehr sicher. Die Einwohnerzahl der Stadt beläuft sich auf 130,000. Auch hier wimmelte unser Verdeck von Fachini's, Wirthen und Lohndienern, als kaum der Anker geworfen war. Ich erkundigte mich wieder bei dem Schiffskapitän um die Preise für Kost und Wohnung, und handelte dann noch auf dem Schiffe mit einem Wirthe aus. Auf diese Art kam ich überall am besten und billigsten durch.
Im Gasthause angelangt, machte ich es wie in Kairo. Ich sandte nach Herrn Schmitt, an den ich empfohlen war, und bat ihn, mir sogleich einen braven Lohndiener zu schicken und mir die Eintheilung zu machen, was ich täglich besehen sollte. Beides war bald geordnet, ich speiste in Eile zu Mittag und begann hierauf meine Exkursionen.
Beinahe alle Kirchen, an denen mich der Weg vorüber führte, besuchte ich, und fand sie niedlich und hübsch. Überall sah ich hübsche Palläste und viele schöne Häuser, die statt der Fenster Glasthüren haben, welche bis zur Hälfte hinauf mit eisernen Gittern versehen sind, und lauter kleine Balkone bilden. Da sitzen Abends die Frauen und Mädchen und arbeiten und — plaudern nach Herzenslust.
Die Straßen Palermo's sind bei weitem reinlicher und schöner wie jene Messina's. Die vorzüglichsten derselben, Toledo und Casaro, theilen die Stadt in vier Theile und laufen auf dem Hauptplatze zusammen. Dieß gewährt einen eigenthümlichen Anblick, wenn man so von einer Gasse in die andere sieht und überall eine bedeutende Masse von Menschen geschäftig sich hin und her bewegt. In der Toledo-Straße müssen alle Schneider vereint seyn, denn die Kaufläden zu beiden Seiten sind von diesen Handwerkern besetzt. Da sitzen sie mit ihrer Arbeit zur Hälfte im Gewölbe und zur Hälfte auf der Straße. Die Kaffeehäuser und alle Läden sind ganz offen, und gewähren den Vorübergehenden die volle Ansicht der Waaren, der Käufer und Verkäufer.
Unter den Pallästen ist der königliche der schönste. Die Kapelle darin ist von gothischer Bauart, reich und herrlich geschmückt. Die Wände sind von oben bis unten mit Mosaikgemälden belegt, deren Zeichnungen eben nicht zu den schönsten gehören, die Decke mit Zierathen und Arabesken überfüllt. Neben der Kanzel steht ein alterthümlicher Leuchter, in Form einer Säule, der bis an die Kanzel hinauf reicht, aus prächtigem Marmor gearbeitet und ebenfalls mit Arabesken überladen. An Festtagen wird eine ungeheure Wachskerze in diesen Leuchter gesteckt und angezündet.
Als ich in diese Kapelle treten wollte, ließ man mich nicht hinein, bis ich gleich den Männern den Hut vom Kopfe nahm und in der Hand hielt. Auch in einigen andern Kirchen Palermo's herrscht diese Sitte. Der Platz vor dem Pallaste gleicht einem Garten, so viele Alleen und Blumen zieren ihn. Der zweite schöne Pallast ist der des Senates, doch kann er mit jenem in Messina nicht verglichen werden.
Plätze, und zwar recht hübsche, hat die Stadt mehrere; auf jedem findet man mehrere Statuen und Säulen.
Unter den Kirchen steht die Kathedrale oben an, ihre Façade ist gothisch, sie nimmt die ganze Seite eines bedeutenden Platzes ein.
Eine schöne Vorhalle, in welcher zwei marmorne, eben nicht sehr kunstreiche Monumente stehen, führt in das Innere der Kirche, die von bedeutender Größe aber einfachem Baue ist. Die Säulen, welche je zwei und zwei an den weißen Wänden stehen, sind von egyptischem Granit, eben so die vier königlichen Grabmäler rechts am Eingange. Das schönste in der Kirche ist die Rosalienkapelle rechts, unweit des Hauptaltars, deren beide Seitenwände große Reliefs in weißem Marmor auf das kunstvollste ausgearbeitet, zieren. Das eine stellt die Vertreibung der Pest vor, das andere die Auffindung der Gebeine der heil. Rosalia.
Am Hauptaltar steht eine schöne Säule von Lapis-Lazuli, die größte und schönste, die es aus diesem Steine geben soll. Die beiden Wasserbecken mit erhabenen Figuren — am Eingange der Kirche, verdienen ebenfalls Beachtung. Die linke Seite des Platzes bildet der bischöfliche Pallast, der sich durch nichts auszeichnet.
St. Theresia ist eine kleine Kirche, und enthält außer einem, über der Kirchenthüre angebrachten wunderschönen Basrelief von Marmor die h. Familie vorstellend, wofür ein Engländer eine große Summe bot, nichts Bemerkenswerthes. Dagegen kann die nahe gelegene Kirche St. Picta schön und groß genannt werden. Ihre Façade schmücken Marmor-Säulen, der Altar ist reich vergoldet, die Decke zieren hübsche Fresken. St. Domenigo, ebenfalls eine schöne Kirche, besitzt, nach der Versicherung meines Cicerone, die größte Orgel in der Welt. Hätte er gesagt, die größte, die er gesehen, so würde ich es ihm unfehlbar geglaubt haben.
In St. Ignazio oder Olivuzo befindet sich rechts an einem Seitenaltar ein Gemälde, das immer verdeckt ist und die heil. Maria mit dem Kinde vorstellt. Der Kirchendiener behauptete, es sei ein Raphael, mir schien das Colorit zwar nicht ganz raphaelisch, doch bin ich viel zu wenig Kennerin, um darüber mit Bestimmtheit urtheilen zu können. Auf jeden Fall ist es ein schönes Gemälde. Einige Stufen tiefer als die Kirche liegt das Oratorium, das beinahe eben so groß als die Kirche ist, und mit einem schönen Altarbild geziert ist. St. Augustin verdient wegen ihrer Größe und wegen ihres Reichthums an Marmor, Skulpturen, Vergoldungen und Fresken besichtiget zu werden; St. Joseph wegen ihres Reichthums an Marmorarten. — Mehrere große Säulen darin sind aus einem Stücke. In dieser Kirche befindet sich eine reine kalte Quelle.
Noch sind in Palermo die prächtigen öffentlichen Gärten bemerkenswerth, die ich nach einem, bei dem Herrn General-Consul H. v. Wallenburg eingenommenen Mittagsmahle besuchte. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, der freundlichen Theilnahme und Güte zu erwähnen, welche mir von Seite des Herrn und der Frau v. W. bezeigt wurde. — Um wieder auf die Gärten zu kommen, bezeichne ich den botanischen, der eine Menge der seltensten Pflanzen und Bäume umschließt, die in freier Natur herrlich zusammengestellt sind, als den interessantesten.
Ganz besonders merkwürdig sind die Katakomben bei den Augustinern, die sich gleich außerhalb der Stadt befinden. Aus der Kirche, die nichts Sehenswerthes bietet, führt eine breite, steinerne Treppe in lange, breite und hohe Gänge, welche, in den Felsen gehauen, von oben ihr Licht erhalten. In den Wänden sind in kleinen Nischen, eine knapp an der andern, die Gerippe der Verstorbenen aufgestellt. Sie haben eine Art Kapuzinerkutte an, und die Hände, an welchen eine Etikette mit dem Namen, dem Geburts- und Todestage des Verblichenen hängt, kreuzweise über der Brust zusammen gelegt. Man kann sich nicht leicht etwas Grausenerregenderes denken, als den Anblick dieser Todtenschädel, dieser bekleideten Gerippe.
Manche haben noch Haare auf dem Kopfe, ja, einige hatten sogar noch einen Backenbart. Oberhalb der Nischen sind Breter gelegt, auf welchen Todtenköpfe oder einzelne Gebeine liegen, und in den Gängen stehen ganze Reihen von Särgen mit vorräthigen Gerippen, die auf ein vakantes Plätzchen warten. Liefern die Verwandten oder Freunde eines der begünstigten aufgestellten Skelette zu Allerheiligen nicht eine gewisse Zahl Wachskerzen, so wird der Arme aus dieser Gesellschaft verbannt und einer der Vorgemerkten rückt ein.
Die Leichen der Frauen und Mädchen liegen in einer andern Abtheilung wie auf einem Paradebette, in gläsernen Särgen, sind mit schönen Seidenkleidern angethan, haben Putzhauben auf dem Kopf, Krausen und Spitzen um den Hals, und durchbrochene Strümpfe und Seidenschuhe an den Füßen. Um die Häupter der Mädchen schlingt sich ein Blumenkranz, und aus all dem Flitterstaat glotzt hohlen Auges, der Todtenschädel — eine Parodie auf Leben und Tod.
Will Jemand auf diese Art verewigt werden, so müssen seine Hinterlassenen am Begräbnißtage eine bestimmte Summe für den Platz erlegen, und alle Jahre Kerzen bringen. Der Todte kommt dann in eine Kalkkammer, welche durch acht Monate hermetisch verschlossen bleibt, bis das Fleisch des Leichnams gänzlich verzehrt ist; die Gebeine werden dann an einander befestigt, angekleidet und aufgestellt.
Am Allerseelentage wimmelt es in diesen Todtengängen von Besuchern; da kommen die Verwandten und Freunde der Verstorbenen, zünden Kerzen an und verrichten ihre Andacht. Es war mir sehr lieb, diese Parade-Säle der Todten gesehen zu haben, aber wie gern eilte ich wieder hinauf nach der Oberwelt, mich mit den Lebenden zu freuen.
Ich fuhr von hier nach dem Flecken Olivuzza, um das maurische Schloß Ziza zu besuchen, dessen Lage und Umgebung sich durch seltene Schönheit auszeichnen. Nicht weit von dem alten Schlosse steht ein neues, mit einem großen Garten, der außer vielen Schönheiten auch allerhand Alfanzereien enthält, z.B. kleine Grotten, Hüttchen, hohle Baumstämme, in denen plötzlich eine verborgene Thür aufspringt, hinter welcher sich eine Nonne, ein Geistlicher oder sonst eine Figur zeigt u.s.w. Hier wächst auch noch ein Dattelbaum im Freien, er trägt zwar Früchte, sie bleiben aber ganz klein und gelangen nie zur Reife; es war der letzte, den ich sah.
Das königliche Lustschloß Favorite, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, hat eine wunderschöne Lage. Es ist im chinesischen Styl erbaut, mit einer Menge von Spitzen, Zacken und Glöckchen; sein Inneres jedoch nach europäischer Art eingerichtet, niedlich, reich, kunst- und prachtvoll. Mit Vergnügen weilt man in den Zimmern, deren jedes etwas Anziehendes birgt. So enthält z. B. eines die herrlichsten Gemälde in Aquarell, ein anderes wieder lebensgroße Porträts der königlichen Familie in chinesischem Kostüme. In einem dritten sind die Feuchtigkeit, und die dadurch an Wänden und Plafond entstandenen Beschädigungen so täuschend nachgemacht, daß man Alles für Wirklichkeit hält, und recht sehr bedauert, ein so zugerichtetes Stück unter all der Pracht und Herrlichkeit zu finden. Ein Kabinet ist ganz ausgetäfelt mit kleinen viereckichten Stückchen Marmor, von allen Gattungen und Farben, wie er auf Sicilien gebrochen wird. Die großen Tischplatten sind von versteinertem und vollstem Holze u.s.w. Zu diesen kleinen Sehenswürdigkeiten gesellt sich noch eine größere: die zauberische Aussicht, welche man von den Terrassen und von der Spitze des chinesischen Thurms genießt. Von diesem Anblick konnte ich mich am schwersten trennen: einem Maler muß hier beinahe Angst werden vor Reichthum an Stoff. Alles, was ich vom Schiffe aus gesehen, stellte sich hier meinem Auge noch entzückender dar, weil ich es von einem höhern und näheren Standpunkte überschauen konnte.
Gleich am Schlosse breitet sich der Ziergarten aus. Er ist mit großen Steinplatten gepflastert und allenthalben ist nur ein kleiner Zwischenraum für das Erdreich gelassen. Diese Zwischenräume sind nach Zeichnungen angelegt und mit niederem (nur einen Schuh hohem) Bux bepflanzt, der die Steine einfaßt und auf solche Weise Arabesken und ungeheure Blätter und Blumenkelche bildet, in denen Vasen mit lebendigen Blumen stehen. Im Hintergrunde schließt sich der Park an, der aber nur aus einigen Alleen und Wiesen besteht, die sich bis an den Fuß des Rosalienberges erstrecken.
Ich bestieg auch diesen. Die schönste gemauerte Straße, so breit, daß drei Wagen neben einander fahren könnten, zieht sich schneckenförmig über das mächtige Felsgebirge in die Höhe, so daß man ohne die geringste Beschwerde hinauf gelangen kann.
Das Kloster ist klein und ganz einfach; desto imposanter dagegen der Hof hinter demselben. Er wird durch lauter hohe schroffe Felswände eingefaßt, an welchen sich wahrhaft malerisch Epheu in den schönsten Zeichnungen hinauf rankt. Links steht eine kleine Grotte, in ihr ein Altar. Rechts im Vordergrunde führt ein hohes, breites, von der Natur gebildetes, und durch die Kunst verschönertes Thor in die Kapelle, die aus einer wundervoll geformten Naturgrotte von Fels- und Tropfsteinen besteht. Ein wahrer Schauer der Überraschung und Bewunderung bemächtigte sich meiner, als ich eintrat. Wo der Hauptaltar steht, sind die Wände mit einem feinen, zarten, smaragdgrünen Moose überzogen, durch welches das Weiß des Felsens schimmert. In der Mitte hat die Natur eine Art Kuppel gebildet, die sich spitzig verläuft. Man sieht das Ende ihrer Wölbung nicht, indem sie sich in die Dunkelheit verliert. Hin und wieder sind dann noch natürliche Nischen, Vorsprünge, Stufen u.s.w., welche man sehr zweckmäßig zur Aufstellung von Heiligenstatuen benützt hat. Links neben dem Hochaltar befindet sich aus weißem Marmor prächtig ausgehauen, das Monument der h. Rosalia. Sie ist in liegender Stellung, in Lebensgröße, auf einem zwei Schuh hohen Postamente dargestellt.
Wohl nicht leicht fühlt man sich in der zierlichsten und schönsten Kirche so zur Andacht hingerissen, wie in dieser schauerlich erhabenen Natur-Kapelle.
Der h. Rosalia, als Schutzpatronin des Landes, zu Ehren, wird alle Jahre vom 15. bis 18. Juli ein großes Fest, sowohl in der Stadt, als auf dem Berge, gefeiert. An den genannten Tagen pilgert eine Unzahl von Menschen nach der oben beschriebenen Grotte, wo man einst die Gebeine der Heiligen fand, und zwar gerade zu der Zeit, als die Pest in Palermo wüthete. Man trug sie mit großer Feierlichkeit hinab in die Stadt, und von demselben Augenblicke hörte die Pest auf.
Von dem Kloster hat man eine kleine Viertelstunde über Steingerölle zu dem Tempel zu wandern, der auf der Spitze eines Felsens steht und den Schiffenden schon von weitem sichtbar ist.
Nach der einfachsten Art erbaut, zeichnet er sich durch gar nichts aus. Seine Spitze zierte ehemals ein Standbild der h. Rosalia, in mehr als Riesengröße. Es stürzte herab, und nur der Kopf blieb unbeschädigt. Tempel und Statue gleichen jetzt einer Ruine; man geht an diesen Ort nur der himmlischen Aussicht wegen.
Auf dem Rückwege nach dem Kloster zeigte mir mein Cicerone eine Stelle, wo früher ein großer Baum stand. Vor einigen Jahren saß eine Familie im Schatten desselben, erlustigte sich in heitern Gesprächen und verzehrte dabei einen kleinen Imbiß, da stürzte der Baum plötzlich um und tödtete vier Personen.
Die Partie nach dem Rosalienberge ist in vier bis fünf Stunden bequem gemacht. Man reitet gewöhnlich auf Eseln hinauf; sie sind jedoch im Vergleich zu den egyptischen so träge, daß ich oft abstieg und lieber zu Fuß ging. Auch in Neapel fand ich diese Thiere nicht besser.
Nun wünschte ich noch Bagaria, den Sommeraufenthalt vieler Städter zu besuchen. Ich fuhr eines Morgens in Gesellschaft einer liebenswürdigen Schweizer-Familie nach dem freundlichen Orte, der ungefähr fünf Viertelstunden von Palermo entfernt ist. Der Weg dahin, zum Theil nahe am Meere, bietet eine reiche Abwechslung der herrlichsten Bilder.
Wir besahen den Pallast des Fürsten Fascello, dessen Besitzer aber selten hier wohnen muß, denn Alles sieht sehr verwahrlost aus. Zwei Säle erscheinen indessen noch jetzt bemerkenswerth. Die Seitenwände des kleineren bedecken Figuren und Zierathen, wunderschön aus Holz geschnitzt; dazwischen sind Stücke von Spiegeln eingelegt. Den gewölbten Plafond zieren ebenfalls Spiegel, die aber leider zum Theile schon erblindet sind.
Die Wände des großen Saales sind ganz überkleidet mit dem edelsten sicilianischen Marmor. Ober den Lamperien ist über den Marmor noch feines Glas gelegt, was dem Steine einen außerordentlichen Glanz verleiht. Der ungeheure Plafond ist wie jener des kleinen Saales, gewölbt und ganz mit Spiegeln ausgetäfelt, die aber noch in gutem Zustande sind. Beide Säle, besonders der größere, sollen bei Kerzenbeleuchtung einen außerordentlichen Effekt machen.
Ich brachte einen Sonntag in Palermo zu, und freute mich sehr, das Landvolk in seinem Staate zu sehen. Allein ich erblickte gar nichts Schönes, ja außer den lange hinab hängenden Schlafhauben nicht einmal etwas Eigenthümliches. Die Männer tragen Beinkleider und Spenser, und auf dem Kopfe die erwähnte Mütze; die Weiber Röcke, Spenser und ein weißes oder gefärbtes Tuch um Kopf und Hals.
Das gemeine Volk scheint weder reinlich, noch wohlhabend. Die Vornehmen und Reichen machen die Moden von Paris, London und Wien mit.
In allen Städten Siciliens fand ich den Pöbel kecker und ausgelassener als im Orient. Ich sah oft Balgereien und Zänkereien der abscheulichsten Art. Vor Betrug und Diebstahl muß man sich unter diesem Gesindel noch weit mehr in Acht nehmen, als unter den Beduinen und Arabern. Nun erst erkannte ich, wie unrecht ich jenem Volke that, es für das unausstehlichste zu halten. Das konnte nur geschehen, ehe ich Sicilien und Neapel bereisete. Mich schmerzte diese Entdeckung doppelt, denn nirgend sah ich so viel beten, so viel fasten, so viele Geistliche, wie in diesen Ländern. Dem Scheine nach sollte man die Sicilianer und Neapolitaner für die besten und redlichsten Leute halten. Aber ihr Benehmen gegen Fremde ist im höchsten Grade ungezogen, nirgends begaffte man mich so keck, wie in den sicilianischen Städten, man zeigte mit den Fingern nach mir, man lachte mich aus, die Jungen liefen mir sogar nach und spotteten laut über mich, und warum? Weil ich einen runden Strohhut trug. In Messina warf ich ihn gleich weg, kaufte einen andern Hut, und kleidete mich so, wie es hier und auch bei uns Mode ist. Dessen ungeachtet hörte das Begaffen nicht auf. In Palermo blieben nicht nur die Gassenjungen stehen, um mich zu betrachten, sogar die Honoratioren thaten mir diese Ehre an, ich mochte fahren oder gehen. Ich fragte eine Dame um die Ursache davon, und bat sie, mich zu belehren, ob etwa mein Anzug lächerlich oder anstößig sei. Sie erwiederte: keines von Beiden; was den Leuten auffalle, sei blos der Umstand, daß ich als Frau mit einem Bedienten allein gehe oder fahre. In Sicilien erschien dieß als etwas ganz Ungewöhnliches, da gingen entweder immer zwei oder drei Frauen zusammen, oder eine einzelne Frau mit einem Herrn. Nun hatte ich zwar Aufklärung, änderte aber dessen ungeachtet meine Weise nicht, ging nach wie vor mit meinem Bedienten herum, und wollte lieber ein Bischen ausgelacht werden, als Jemanden die Ungelegenheit machen, mich überall hinzubegleiten. Anfänglich war mir dieß Angaffen höchst lästig; allein man gewöhnt sich an Alles, und so ging es auch mir.
Siciliens Vegetation ist über alle Beschreibung üppig und herrlich. Blumen, Gesträuche und Pflanzen erreichen eine Größe, Schönheit und Fülle, die man nicht leicht wo wiederfinden wird. Ich sah hier eine Menge jener Aloë-Arten, die bei uns in Treibhäusern mühsam gezogen werden, und höchst selten blühen, wild wachsend, und als Einfassung für Gärten benützt. Die Stämme, worauf die Blüthen sich entfalten, erlangen oft eine Höhe von 20 bis 30 Fuß. — Die Zeit ihrer Blüthen war bereits vorüber.
10. Oktober 1842.
Nach fünftägigem Aufenthalte sagte ich Palermo Lebewohl, und fuhr bei Regenwetter ab. Es war der erste Regen, den ich seit 20. April wieder fallen sah. Die Temperatur blieb dessen ungeachtet sehr warm. An schönen Tagen zeigte das Thermometer in der Mittagssonne noch immer 20 bis 22 Grad Reaumur.
Das Fahrzeug, worauf ich mich befand, war das königliche Postdampfschiff. Wir hatten Palermo Mittags verlassen. Gegen Abend wurde das Meer ziemlich stürmisch, so daß ich einige Mal von den Wellen halb überschüttet wurde, obwohl ich mich stets in der Nähe des Steuermanns aufhielt.
Auf dieser Reise war Anfangs nichts zu sehen, als Himmel und Wasser. Erst des andern Tages, als wir uns Neapels Küsten nahten, erschien ein Inselchen nach dem andern, und endlich zeigte sich auch das Festland unsern Blicken; Capri war die erste Insel, an welcher wir ganz nahe vorüber segelten. Hierauf nahm eine große Wolke, die sich himmelwärts bewegte, meine Aufmerksamkeit in Anspruch — es war eine Rauchsäule von der Feuerstätte des Vesuv. Endlich schimmerte ein weißer Streif am Rande des Meeres, gleich einem Gürtel durch die Atmosphäre, Alles jauchzte: ,,Napoli, Napoli!" und ich sah Neapel vor mir liegen. Meine Einbildungskraft war so gesteigert, ja ich möchte sagen überspannt, durch die Schilderung über die Lage dieser Feenstadt, die ich gelesen und gehört hatte, daß ich ebenfalls wieder mehr erwartete, als ich fand. Dieß mochte zum Theile wohl daher rühren, daß ich Konstantinopel gesehen hatte und eben von Palermo kam, dessen Lage mich so entzückt hatte, daß meine Begeisterung sich ziemlich in den Schranken hielt, und ich die Lage Palermo's beinahe jener Neapel's vorzöge.
Um 2 Uhr Mittags trat ich an das Land, und bekam durch die gütige Verwendung des Herrn Brettschneider auf Santa Lucia alsogleich ein herrliches Zimmer mit der Aussicht auf den ganzen Hafen und Golf, und hinüber auf den Vesuv und dessen Umgebung. Noch denselben Tag wollte ich wie gewöhnlich, meine Schauwanderung beginnen, aber schon in Palermo hatte ich einen anhaltenden Schmerz in der Seite bekommen, so daß ich meine letzten dortigen Ausflüge nur mit großer Ueberwindung unternehmen konnte.
Hier brach das Übel aus, ich vermochte nicht mehr das Zimmer zu verlassen. Ich hatte einen Andrax auf dem Rücken bekommen, mußte einen Wundarzt holen lassen, mich durch vierzehn Tage ganz ruhig verhalten, bis sich das Wundfieber nicht mehr einstellte.
Wäre mir dieß Unglück im Orient oder selbst noch in der Quarantaine zu Malta geschehen, wer weiß, ob man dieses Übel nicht für eine Pestbeule gehalten, mich darnach behandelt, und vierzig Tage abgesperrt hätte.
Während meines Hausarrestes war meine einzige Zerstreuung in den Stunden, wo es nicht regnete, und ich mich fieberfrei fühlte, auf dem Balkon zu sitzen, die schöne Gegend zu betrachten und dem Getriebe des so außerordentlich lebhaften Volkes zuzusehen. Ich fand es sehr sittenlos, ausgelassen, streitsüchtig und arbeitsscheu. Letzteres ist ganz natürlich, denn zu seinem Unterhalte hat es wenig nöthig, und wohl nirgends arbeitet der Pöbel mehr, als er für den unumgänglichen Bedarf braucht; in Italien vollends, wo bei Tage die Hitze groß, des Abends die Temperatur so himmlisch ist, will Alles nur genießen, aber nicht arbeiten.
Ich sah Männer oft halbe Tage lang mittelst eines kleinen Stöckchens Kugeln durch einen kleinen, in die Erde befestigten Ring treiben, — eines der beliebtesten Volksspiele. Die Weiber stehen oder sitzen beständig vor den Häusern und schwätzen oder zanken, und die Kinder leben gar den ganzen Tag auf der Gasse. — Über jede Kleinigkeit gerathen sowohl Alte als Junge in Streit, dann stoßen sie mit den Füßen auf einander, was bei Weibern oder Mädchen gar anmuthig läßt! selbst mit Messern sind sie gleich bei der Hand.
Will man das Volk Neapels recht beobachten, so muß man seine Wohnung im Viertel St. Lucia aufschlagen. In den kleinen Seitengäßchen wohnen die Fischer, Fachini, Lazaroni und Schiffer, die den größten Theil des Tages auf der großen Straße St. Lucia zubringen, die zugleich eine Hauptpassage der Spazierengehenden, Fahrenden und Reitenden ist. Längs des Hafens findet man eine Menge Verkäufer von Austern und Schalthieren, die sie frisch vom Meere bringen. Die Lazaroni gehen nicht mehr halb nackt, wie sonst; auch das gemeine Volk ist ziemlich gut gekleidet, doch durchaus nicht originell.
Hier rollten auch die meisten schönen Equipagen vorüber, in welchen höchst elegante Damen und Herren sitzen.
Die Männer, selbst viele der besseren Klasse, kaufen alle Lebensbedürfnisse ein, als: Fleisch, Brot, Geflügel u.s.w. Letzteres wird in ganz Italien sehr stark gegessen. Besonders liebt man Indiane (kalkutische Hähne), die auch zerlegt und theilweise nach Gewicht verkauft werden. An Sonn- und Feiertagen sind die Kaufläden mit Waaren und Lebensmitteln, die Fleischbänke und Geflügelstände eben so den ganzen Tag eröffnet, wie an Werktagen. In ganz Italien sieht man der Art keine Heiligung eines Feiertages.
Am fünfzehnten Tage war ich wieder so weit hergestellt, daß ich mit einiger Mäßigung meine Touren beginnen konnte.
Ich beschränkte mich Anfangs auf Kirchen, Palläste und das Museum, besonders weil das Wetter über alle Maßen schlecht war. Es regnete, oder besser gesagt, der Regen strömte fast täglich vom Himmel, und in solchem Falle schießt das Wasser gleich Bächen von den Seitengassen herab, dem Meere zu. Neapel liegt größtentheils auf einer Anhöhe, Kanäle sind nirgends angebracht, folglich muß sich das Wasser selbst Bahn brechen, was zum Theil auch sein Gutes hat, weil es die Stadt, in deren Seitengassen ein Schmutz sondergleichen herrscht, ein Bischen rein fegt.
Ein Urtheil zu fällen über die Herrlichkeiten und Kunstschätze, welche ich hier und ferner in Rom, Florenz u.s.w. gesehen habe, wäre von mir, die ich keine Kennerin bin, eine Albernheit. Ich kann nur andeuten, was ich gesehen habe.
Ich hielt mich bei meinen Wanderungen größtentheils an die Eintheilung und Angaben des Reisehandbuches von August Lewald, das jeder Reisende als sehr richtig und zweckmäßig erproben wird.
Den Anfang machte ich mit dem königlichen Pallast, der nahe meiner Wohnung in St. Lucia gelegen, mit der einen Seite die Fronte gegen das Meer, mit der andern gegen den schönen, großen Platz bildet. Er hat zwei und vierzig Fenster in der Reihe. Von seinem Innern konnte ich nichts sehen, als die reich verzierte Kapelle, denn die königl. Familie war beständig anwesend, und daher der Zugang in die Gemächer nicht gestattet.
Dem Schlosse gegenüber steht die herrliche Rotunda, auch Kirche des heil. Franzesco de Paula genannt. Zu beiden Seiten dieser Kirche reihen sich, von schönen Säulen getragen, halb kreisförmige Portiken, unter welchen mehrere Kaufläden angebracht sind. Die Rotunda ist mit einer herrlichen Kuppel gedeckt, die auf 34 Marmorsäulen ruht. Die Altäre, zwischen welchen kolossale Statuen von weißem Marmor in Nischen stehen, sind rings an den Wänden angebracht, und zum Theil mit sehr schönen Altarbildern, Arbeiten neuerer Zeit, geschmückt. An dem Hauptaltare ist viel Lapis-Lazuli verschwendet. In den höhern Räumen der Kuppel laufen zwei Gallerien mit schönen, eisernen Geländern. Die ganze Kirche ist mit grauem Marmor überkleidet, sogar die Beichtstühle sind von diesem Gestein. Der Eintritt in dieses Gotteshaus überrascht, denn Alles hat hier eine eigene Gestaltung. Von außen hält man es aber eher für ein anderes Prachtgebäude, als für eine Kirche. Die berühmte Rotunda zu Rom gab das Modell für diese ab, nur die Portiken sind jenen an der Peterskirche nachgebildet.
Auf dem Platze vor dieser Kirche stehen zwei große Reiterstatuen von Erz.
Von hier kömmt man gleich in die beiden schönsten und belebtesten Straßen der Stadt, nämlich in die Chiaja und Toledo. Unweit von da steht das imposante Theater St. Carlo, welches nicht nur das größte in Italien, sondern in ganz Europa seyn soll. Schon von außen macht es einen herrlichen Anblick. Es hat eine ziemlich lange und breite Vorhalle, die auf Säulen gestützt ist, unter welcher die Equipagen vorfahren, damit man trocken und bequem aus- und einsteigen kann. Diesen Abend war „besonders große Vorstellung", ich ging hinein, und fand das Innere des Hauses wahrhaft überraschend. Es enthält sechs Stockwerke, lauter Logen. Ich zählte im ersten Range vier und zwanzig. Jede hat beinahe die Größe eines kleinen Zimmers, zwölf bis fünfzehn Personen haben bequem Raum. Einen herrlichen feenartigen Anblick soll es gewähren, wenn der äußere Schauplatz, wie dieß oft bei besondern Feierlichkeiten der Fall ist, ganz beleuchtet wird. Ober dem Portale der Bühne ist, wie beinahe in allen Theatern Italiens, eine Uhr angebracht, die nicht nur die Stunden, sondern auch die Minuten angibt. Eine „außerordentliche Vorstellung" fängt gleich nach 6 Uhr an und hört gewöhnlich eine, auch zwei Stunden nach Mitternacht auf. Ich sah diesen Abend ein kleines Ballet, darauf folgten zwei Akte einer Oper, sodann ein Luftspiel, und den Schluß machte ein großes, brillantes Ballet. Bei Beneficien gibt man absichtlich so vielerlei Vorstellungen, um das Publikum recht anzuziehen, und nebst dem sind die Preise noch um ein Fünftel niedriger.
Der größte Platz, Largo del Castello, schließt sich beinahe an das Theater an, er ist von länglicher Form und trägt mehrere pallastähnliche Gebäude; in einem derselben befindet sich das Finanzministerium und die Polizeibehörde. Ein hübscher Brunnen, an welchem das Wasser über Felsen stürzt und einen kleinen Fall bildet, ist nicht zu übersehen.
Etwas weiter links kommt man auf den Platz Medina, auf welchem der schönste Springbrunnen Neapels steht. In der Mitte dieser beiden Plätze, hart am Meere, liegt das Castell nuovo, welches ganz die Form der Bastille haben soll. Es ist stark befestigt und dient zur Vertheidigung des Hafens. An diesem geht es äußerst lebhaft zu, manche Stunde ergötzte ich mich an dem Gewühle, besonders an Sonn- und Feiertagen, wo sich Improvisatoren, Sänger, Musiker und allerlei Gaukler einfinden.
Unweit vom Hafen ist eine lange Gasse, in der sehr viele Garküchen und eine Menge Stände mit Lebensmitteln aller Art etablirt sind. Hierher geht man des Abends, wenn man das Volk um die Maccaroni-Kesseln versammelt sehen will; doch zuvor lasse man Uhr und Börse zu Hause, selbst das Sacktuch ist nicht sicher.
Von dem Gedränge und Geschrei, was da herrscht, kann man sich keinen Begriff machen. Große Kessel stehen vor den Boutiken, und mit einer großen hölzernen Gabel oder mit einem Löffel faßt der Wirth eine Portion Maccaroni auf einen Teller und reicht ihn dem Verlangenden hin. Einige verzehren ihre Lieblingsspeise mit, andere ohne Fett und Käse, je nach Beschaffenheit des Kassastandes. Alle aber essen — mit den Händen. Zahllos ist das Heer der Hungrigen, und man hat große Mühe, in dieser breiten Straße sich während der allgemeinen Futterungszeit durch die Menge zu drängen. Nicht weit von dieser Volksstraße sind zwei Theater mit Pulcinellos aufgeschlagen. Die Marionetten des einen haben eine Höhe von anderthalb, jene des zweiten gar von drei Fuß.
Dann gibt es noch ein Volkstheater, in welchem Komödien lustigen und traurigen Inhalts aufgeführt werden, in jeder muß der Hanswurst vorkommen. Die übrigen Theater, als nuovo, Carlini u.s.w. haben ungefähr die Größe des Leopold- und Josephstädter-Theaters, und mögen etwa acht hundert Personen fassen. Ihr Aeußeres wie ihr Inneres ist unansehnlich, aber man singt und spielt in einigen recht gut. In einem derselben muß man, um in die Logen ersten Ranges und in das Parterre zu gelangen, statt über Treppen hinauf, hinabsteigen.
Kirchen und Kapellen zählt man in Neapel über dreihundert. Ich besuchte sehr viele davon, denn ich trat in jede, an welcher mich mein Weg vorbeiführte. Besonders gefiel mir St. Fernando, eine Kirche, die zwar nicht sehr groß ist, aber einen freundlichen Anblick gewährt. Die Decke ist voll Fresken, die Wände sind ziemlich reich mit Marmor belegt. An den beiden ersten Seitenaltären findet man ein Paar recht schöne Brustbilder von Heiligen.
St. Jesu nuovo, eine sehr schöne Kirche, steht auf dem Largo maggiore, und ist voll herrlicher Fresken, die mit gemahlten Arabesken reich umgeben sind. Diese Arabesken sehen aus, als wären sie übergoldet, und machen einen wunderbar schönen Effekt. Die sehr breite Kirche enthält eine Menge Nebenkapellen, die durch große Gitter geschlossen sind. Sie hat eine schöne Hauptkuppel, und über jede größere Nebenkapelle wölbt sich wieder eine eigene Kuppel.
St. Jesu maggiore, ist dem Namen widersprechend, eine kleine, im Innern unansehnliche Kirche, von außen aber mit herrlichen gothischen Verzierungen geschmückt.
St. Maria di Piedigrotta, ist ebenfalls eine kleine Kirche, wird am meisten besucht, weil die Leute das größte Zutrauen zu diesem Bilde der heil. Maria haben. Sie ist der Besichtigung nicht werth.
In ihrer Nähe liegt die unermeßlich lange Grotte von Pausilipp, jetzt Puzzoli genannt. Sie ist in einen Berg gehauen, bei 1200 Schritte lang, 50 bis 60 Fuß hoch und so breit, daß zwei Wagen sich bequem ausweichen können. In ihrer Mitte befindet sich eine kleine, in Felsen gehauene Kapelle. Sie und die Grotte sind immerwährend, bei Tag und bei Nacht, beleuchtet. Letztere ist, wie ganz Neapel, mit der Lava des Vesuvs gepflastert.
Gleich oberhalb der Grotte auf der Seite der Stadt Neapel siebt man einen einfachen Grabstein von weißem Marmor, er ist das Monument Virgil's. Viele Stufen führen auf den Hügel zu dem Garten, der dieß Denkmal in sich schließt, welches aber die Asche des Dichters nicht in sich birgt. Den Ort, wo er selbst ruht, wußte man nicht mehr mit Bestimmtheit anzugeben, der Grabstein wurde nur zu seinem Gedächtnisse gesetzt. Die Aussicht auf dieser Höhe ist eben so lohnend, als der Durchgang durch die Grotte von Pausilipp. Lange wandelt man in tiefer Finsterniß, die nur hie und da durch eine Lampe spärlich erleuchtet wird, und plötzlich — kömmt man in das hellste Tageslicht, und sieht sich von der herrlichsten Natur umgeben.
Der öffentliche Garten Neapels befindet sich auch in dieser Gegend. Er zieht sich bis zu dem untern Theil der Straße Chiaja, ist äußerst lang, nicht sehr breit, und enthält viele schöne Statuen, Aussichten und Gewächse; an die eine Seite desselben schließt sich eine breite, schöne Straße, in welcher viele große Häuser stehen. Ich ritt auch nach dem Vomero, auf welchem ein königl. Lustschloß mit einem Garten, und noch höher ein Kamaldulenser-Kloster erbaut ist. Von diesem hat man die entzückendste Aussicht. — Neapel mit seinen Golfen, Puzzoli, mehrere der schönsten Inseln, der See Agnano, die ruhenden Krater der Solfatara, Baja, den Vesuv mit der ganzen Kette von Bergen und das unermeßliche Meer liegen in der schönsten Zusammenstellung, in der wunderbarsten Farbenmischung vor den staunenden Blicken. Dieß ist der Ort, von dem die Neapolitaner mit Recht sagen: „Hieher muß man kommen — sehen — und sterben."
Und dennoch gefiel mir die Aussicht vom Rosalienberg und dem königl. Lustschloß Favorita bei Palermo besser, die Schönheiten der Natur sind dort mehr zusammengedrängt, sie sind dem Beschauer näher, er kann sie leichter überblicken, und an der Prachtfülle und Abwechslung stehen sie jenen Neapels nicht nach. —
In der Akademie degli Studii brachte ich mehrere halbe Tage zu, so viel gibt es dort zu sehen. Der Eintritt in dieses Gebäude ist über alle Beschreibung schön. Der Portikus, so wie die herrlichen Treppen sind mit kunstvollen Statuen und Büsten geziert. Rechts führt eine Thür in den Saal, in welchem die Gemälde aus Herculanum und Pompeji aufgestellt sind; man findet darunter noch manche sehr schöne, deren Farben größtentheils wunderbar erhalten sind. In dem großen Saale am Ende des Hofes steht auf der einen Seite die kolossale Statue des Farnesischen Herkules, auf der andern die Gruppe des Farnesischen Stieres, beide von dem Athenienser Glycon verfertigt. An beiden Stücken, besonders an letzterem, ist sehr viel restaurirt worden.
Die Gallerie der großen Broncen soll die vorzüglichste in der Welt seyn, das Trefflichste des Alterthums in dieser Gattung findet man hier vereint. Es gibt so viele ausgezeichnete Stücke, daß ich gar nicht wüßte, wo ich anfangen und aufhören sollte mit dem Herzählen derselben.
Dem Saale der Broncen gegenüber liegt jener der Marmorstatuen, unter welchen ganz besonders eine Venus bemerkenswerth erscheint.
Auch in der Gallerie der Flora ist die Statue dieser Göttin, unter dem Namen der „Farnesischen" das Vollendeste.
Im Saale der mehrfärbigen Marmorarten ist der sitzende, leierspielende Apollo aus Porphyr das größte Meisterwerk.
In der Gallerie der Musen ist ein Bassin von atheniensischem Porphyr das Großartigste.
Im Zimmer des Adonis fällt die schöne Venus Anadyomene am meisten auf, so wie im Kabinet der Venus die Venus Kallipygos das merkwürdigste Seitenstück zur Venus von Medicis ist.
Die obern Räume dieses großartigen Akademie-Gebäudes enthalten die bändereiche Bibliothek und die Bildergallerie.
Ich besuchte auch die Katakomben des heil. Januarius, die in drei Stockwerken durch einen Berg laufen, und größere und kleinere Nischen, oft fünf bis sechs übereinander enthalten.
In der Kapelle Sa. Maria della Pietà, im Pallaste S. Severino, bewunderte ich die drei schönsten und werthvollsten Marmorstatuen, welche man sehen kann, „die Unschuld im Schleier" „die Bosheit im Netze" und „einen liegenden Christus in einen Schleier gehüllt". Sie sind von Bernini gearbeitet.
Die größte Kirche der Stadt ist die Kathedrale des heiligen Januarius, sie ruht auf hundert und zehn Säulen aus ägyptischen und afrikanischen Granit, die immer zu dreien in den Pilastern der Kirche eingemauert sind, was ihr eben sein sehr imposantes Aussehen gibt. Der Hauptaltar, unter welchem der Körper des heil. Januarius liegt, ist mit vielen kostbaren Steinarten ausgeziert. In dieser Kirche gibt es sehr viele und meistens gute Gemälde. Die Kapelle des heil. Januarius, auch die Kapelle des Schatzes genannt, ist das Herrlichste, was man sehen kann. Das Volk ließ sie nach Aufhörung der Pest als Dankopfer bauen. Sie soll über eine Million Dukaten gekostet haben und enthält den größten Kirchenschatz der Christenheit. Ihre Form ist rund, an ihre sieben Altäre ist Alles, was die Kunst vermag, verwendet worden. Jedes Fleckchen bedecken Schätze und Kunstwerke, und zwei und vierzig korinthische Säulen von dunklem Stein tragen die Decke. Die Verzierungen des Hochaltars, die ungeheuern Leuchter und Blumengefäße sind von Silber. Bei einem großen Feste, wo Alles reich erleuchtet ist, muß hier eine blendende Pracht herrschen. In dieser Kapelle werden der Kopf und zwei kleine Fläschchen Blut des heil. Januarius aufbewahrt; Letzteres wird, wie das Volk behauptet, alle Jahr fließend. Die Fresken an der herrlichen Decke sind vortrefflich. Auf dem Platze vor der Kirche steht ein schöner Obelisk mit der Statue des heil. Januarius.
St. Jeronimo ist überraschend, wenn man eintritt. Die ganze Decke dieser Kirche ist bis herab an die Säulen voll der herrlichsten Arabesken und Figuren. Sie enthält schöne Gemälde, und ist wegen ihrer Architektur berühmt.
St. Paula maggiore, eine große ebenfalls sehr sehenswerthe Kirche, hat auch schöne Fresken und großartige Arabesken; einige hübsche Monumente und Statuen von Marmor sind nicht zu übersehen. Vor der Kirche stehen zwei sehr alte Säulen.
St. Chiara, eine große, schöne Kirche, umfängt mehrere schöne Monumente und Oelgemälde.
Unter den Ausflügen in die Umgegend Neapels ist unstreitig Puzzoli der interessanteste. Man fährt durch die große Grotte und kömmt dann in die alte ziemlich bedeutende Stadt Puzzoli mit 8000 Einwohnern. Cicero nannte sie das kleine Rom. In ihrem Mittelpuncte steht die Kirche des heiligen Proculus, die aus einem heidnischen Tempel in einen christlichen umgeschaffen wurde, und mit hübschen korinthischen Säulen geziert ist.
Besonders merkwürdig ist die Ruine des Tempels des Seropis. Man sieht noch beinahe die ganze Anlage und Größe dieses Prachtgebäudes. Es stehen noch einige Säulen, die die Kuppel trugen, so wie auch noch einige Zellen, welche den Tempel umgaben und einst zu Bädern eingerichtet waren. Alles ist von schönem weißen Marmor. Das Meiste von den Ruinen wurde zum Bau des königlichen Lustschlosses Caserta verwendet.
Der Hafen von Puzzoli soll der schönste in Italien gewesen seyn. Von hier ließ Caligula eine Brücke erbauen, welche nach Baja führte, und gegen 4000 Schritte lang war. Er unternahm dieß Riesenwerk, weil man ihm prophezeit hatte, er werde eben so wenig Kaiser werden, als er zu Pferde nach Baja reiten könne. Er widerlegte die Prophezeihung und wurde Kaiser. Vom Amphitheater und Kolosseum ist nichts mehr zu sehen. Jetzt steht ein Kapellchen da, und zwar an dem Orte, wo man der Sage nach einst den heil.Januarius den Bären vorwarf.
Unweit dieser Kapelle zeigt man das Labyrint des Dädalus, von welchem noch verschiedene Gänge existiren, aus denen man sich schwer ohne einen leitenden Cicerone herausfinden würde.
Wir bestiegen den Hügel, gleich außerhalb der Stadt, auf welchem noch einige Reste der Villa Cicero's zu sehen sind, und genossen da eine der schönsten Aussichten.
In dieser Gegend wandelt man auf lauter Ruinen und sieht überall nichts als Reste der Vorzeit. So kamen wir nach einer kurzen Wanderung von Cicero's Villa zu den Ruinen dreier Tempel, der Venus, der Diana und des Mercurs. Vom ersten sieht man nur noch eine Seite nebst einigen Kämmerchen, die man die Bäder der Venus nennt. Vom Tempel des Merkurs steht ein Theil der Rotunde. Er war akustisch gebaut, denn was man an der einen Seite leise an die Wand spricht, hört derjenige, der auf der entgegengesetzten Seite das Ohr an dieselbe hält. Vom Dianen-Tempel blieben einige Bruchstücke der Rotunda übrig.
Die Schwitzbäder des Nero, in Felsen gehauen, bestehen in mehreren Gängen, in welchen man aber nicht weit vordringen kann, weil die Hitze zu drückend ist. Ein Junge lief zur Quelle und brachte uns siedend heißes Wasser, er selbst war ganz roth im Gesichte und troff vor Schweiß. Diese armen Jungen bleiben gewöhnlich so lange an der Quelle, bis sie einige Eier gekocht haben, allein ich verbat mir diese Menschenquälerei, ich wollte mir nicht einmal das Wasser holen lassen, doch Herr Bretschneider that es nicht anders.
Von da fuhren wir auf dem Meere nach Baja hinüber. Hier hatten einst viele Vornehme ihre Villen. Es soll aber so sittenlos zugegangen seyn, daß es zuletzt eine Schande wurde, sich einige Zeit da aufzuhalten. Die Lage, Fruchtbarkeit und Schönheit dieser Gegend erfüllt jeden Reisenden mit Entzücken. Ein Schloß, neuerer Zeit als Kaserne für Invaliden benutzt, liegt auf einem vorspringenden Berge. Von einem Tempel des Herkules sieht man nur unbedeutende Spuren. Etwas Mauerwerk, ein Grabmahl, bezeichnet die Stelle, wo Agrippina, wie man mir sagte, auf Befehl ihres Sohnes ermordet und begraben wurde.
Das ungeheure Reservoir, welches einst Kaiser Augustus anlegen ließ, um die Flotte mit Süßwasser zu versehen, liegt in der Nähe von Baja und heißt Piscina. Dieser Wasserbehälter umfaßt mehrere sehr große Räume, deren Wölbungen von vielen Säulen getragen werden. Man muß über eine Treppe hinuntersteigen.
Unweit dieses Reservoirs gelangt man zu den cento camerelle, einem Gefängnisse, das aus lauter kleinen Zellen besteht.
Im Rückwege besuchten wir die Solfatara, jene berühmte Krater-Ebene, die bei tausend Fuß lang und achthundert breit, rings herum mit Hügeln umgeben und noch nicht gänzlich ausgebrannt ist. An vielen Orten brennt noch Schwefel, von dem sie den Namen führt, und überall steigen Rauchsäulen auf, die einen garstigen Schwefel-Geruch um sich verbreiten. Wenn man mit einem Stocke auf den Boden stößt, so hört man einen Schall, woraus man schließen kann, daß Alles unterhöhlt ist. Dieser Gang ist daher sehr schauerlich, man schreitet immer wie über eine gespannte Decke, die jeden Augenblick einbrechen kann. Hier ist eine Schwefel- und Alaun-Fabrik angelegt. Ein Kirchlein der Kapuziner, in welchem man den Stein zeigt, auf welchem der heilige Januarius, nachdem ihn die Bären nicht zerreißen wollten, enthauptet wurde, steht oberhalb der Solfatara auf einem Hügel.
Zur Hundsgrotte kamen wir erst gegen Abend. Ein Jagersmann vom k. Jagdrevier Astroni begleitete uns und holte den Mann herbei, der den Schlüssel zur Grotte verwahrt. Dieser Mann brachte ein Paar Hunde mit, um uns an einem dieser Thiere das Experiment der Zuckungen, die durch die in der Höhle enthaltene Luft entstehen, zu zeigen. Allein ich ließ dieß nicht zu, und begnügte mich, die Grotte anzusehen. Sie ist durch eine Thüre verschlossen und sehr klein, etwa acht bis zehn Fuß lang, die Hälfte so breit und sechs oder acht Schuh hoch. Ich ging hinein, und fühlte in aufrechter Stellung gar keine Beängstigung. Allein als ich mich gegen den Boden neigte, und mir die untere Luftschichte in das Gesicht fächelte, empfand ich ein abscheuliches, beängstigendes Gefühl des Erstickens.
Nachdem wir diese Merkwürdigkeiten besehen hatten, führte uns der Jägersmann zu dem nahe gelegenen Jagdschlößchen, und den kleinen See, auf welchen eine Unzahl Wasserenten gemästet werden. Dieser Mann erzählte uns noch von einer andern viel merkwürdigeren Grotte, wozu er den Schlüssel besitze, und zu der er uns mit Vergnügen geleiten wolle. Obwohl es schon sehr stark dämmerte, gingen wir dennoch hin, da sie sehr nahe war. Er sperrte auf und sagte, wir möchten nur Beide hineingehen, uns tief hinab neigen, den Mund öffnen, und wie wir es in der Hundsgrotte gemacht hätten, mit den Händen die Luft von unten recht hinauf fächeln — dieß sei ein ganz besonders gutes Mittel für den Magen. Da uns aber der Mann mit seiner außerordentlichen Beredsamkeit ein Bischen verdächtig vorkam, und es uns ganz besonders auffiel, daß er uns Beide zugleich in der Höhle haben wollt, so gingen wir gerade nicht zusammen hinein. Hr. Brettschneider blieb mit dem Manne außen stehen, und ich trat allein hinein und that, wie er mir gesagt hatte. War nun schon die untere Luftschichte ind er Hundsgrotte erstickend, so fand ich diese noch viel ärger, mit Blitzschnelle eilte ich hinaus, und nun erriethen wir die Absicht dieses Kerls. Wären wir Beide hineingegangen, so hätte er gewiß die Thüre zugemacht, und in einigen Augenblicken wären wir erstickt. Wir ließen von unserer Vermuthung nichts merken, sondern sagten ihm nur, daß wir uns heute nicht länger aufhalten könnten, da es schon spät sei. Der Mann begleitete uns durch die wilde, schauerliche Gegend, mit dem Gewehre auf dem Rücken, und flößte uns immerwährende Angst ein, denn er sprach beständig von seiner Ehrlichkeit und den guten Absichten, die er mit uns habe. Wir hielten uns knapp an seiner Seite, ließen ihn nicht aus den Augen, und zeigten uns munter und furchtlos; so gelangten wir endlich glücklich auf die offene Straße.
Das k. Lustschloß Portici liegt ungefähr 4 Miglien von Neapel, wir fuhren auf der Eisenbahn dahin. Schloß und Garten sind schön und ziemlich groß. Von da gingen wir nach Resina. Portici und Resina sind durch Villen und Häuser der Art verbunden, daß man sie für einen Ort hält. Unterhalb Resina liegt das im Jahre 79 nach Christi Geburt verschüttete Herculanum. Im Jahre 1689 grub ein Marquese in seinem Garten nach einem Brunnen, und bei dieser Gelegenheit stieß man in der Tiefe von fünf und sechzig Fuß auf Marmorstücke mit verschiedenen Inschriften. Erst im Jahre 1720 ließ ein Prinz Nachgrabungen vornehmen, aber freilich mit großer Vorsicht, weil leider Resina über Herculanum erbaut ist, und daher der Einsturz der obern Häuser zu befürchten war.
In Resina nimmt man einen Führer mit Fackeln und steigt in die Tiefe, um das unterirdische Herculanum zu besuchen. Wir sahen das Theater, viele Häuser, einige Tempel und das Forum. An den Wänden der Zimmer bemerkt man noch schöne Fresken. Die Fußböden sind mit Mosaik belegt, doch sieht man hier kaum zum zehnten Theile so viel Merkwürdiges, als das gleichzeitig mit Herculanum verschüttete Pompeji bietet.
Pompeji ist das Interessanteste, was man der Art sehen kann. — Ein großer Theil dieser Stadt ist mit Mauern umgeben, ganze Reihen von Häusern, mehrere Tempel, das Theater, das Forum, kurz, eine Menge Gebäude, Gassen und Plätze liegen da vor uns aufgedeckt — ausgegraben. Je mehr ich in den Gassen und Plätzen umherging, desto befremdender kam es mir vor, so allein zu wandeln, und nicht überall auf Bewohner und Arbeitsleute zu stoßen, die sich mit Ausbesserung der beschädigten Häuser beschäftigten. Es schien mir kaum denkbar, daß so viele schöne Häuser und wohlerhaltene Gemächer unbewohnt seien. — Diese Leerheit machte einen recht düstern Eindruck auf mich.
Obwohl ein großer Theil der Stadt bereits ausgegraben ist, fand man bisher noch nicht mehr als 300 Gerippe, ein Beweis, daß die Mehrzahl der Einwohner sich rettete.
In vielen Häusern sieht man die prächtigsten Mosaikböden, Blumen, Kränze, Thiere oder Arabesken vorstellend; sogar die Vorhallen und Höfe fanden wir mit einer größeren Gattung Mosaik ausgelegt. — Die Wände und Gemächer sind mit einem schönen, festen und glänzenden Mörtel überzogen, der oft wie Marmor aussieht, und darauf sind die herrlichsten Fresken gemalt. Im Hause des Sallustius sieht man im Keller noch eine ganze Reihe von Weinkrügen. Im Innern der Häuser erkennt man noch deutlich die Eintheilung und Bestimmung der Gemächer. Die meisten derselben sind sehr klein. Die Fenster gehen selten der Straße zu. In den Gassen bemerkt man die tiefen Geleise der Wägen. Alles, was man von transportablen Kunstschätzen fand, als: Statuen, Gemälde u.s.w. wurde nach Neapel gebracht und im Museum aufgestellt.