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Der Vesuv.

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In der angenehmen Gesellschaft derMadame Brettschneider und des Herrn M. ritt ich um eilf Uhr Vormittags von Resina ab. Ein angenehmer Weg, durch lauter Weinpflanzungen, führte uns in einer Stunde in die Nähe des großen Lavafeldes Torre del Greco. Ein fürchterlicher Anblick ist es, die ungeheuren Massen von Lava in allen Formen um sich her aufgethürmt zu sehen. Jede Vegetation ist verschwunden, weit und breit erblickt man nichts als die erstarrten Massen, die sich einst als glühende Ströme von allen Seiten den Berg herabwälzten. Ein prächtig gebahnter Weg führt ohne die geringste Beschwerde mitten durch diese Verwüstung zudem gewöhnlichen Ruhepunkte, nämlich zum „Eremiten".

Wir hielten an, begaben uns in das obere Stockwerk, und ließen uns eine Flasche Lacrimae Chiristi reichen. Die Aussicht von diesem und von mehreren andern Punkten der Exkursion ist wundervoll.

Der Einsiedler aber scheint eben kein gar zu einsames Leben zu führen, denn selten vergeht ein Tag, an dem nicht Fremde einsprechen, die sich seiner Aufmerksamkeit in um so höherem Grade zu erfreuen haben, je größere Zeche sie machen. Der geistliche Herr ist eigentlich nichts als ein recht gemeiner Wirth; er sieht auch so feist und dick aus, wie die meisten dieses Geschäftes. Wir blieben drei Viertelstunden bei diesem Einsiedler-Wirthe, und ritten dann auf schönen Wegen, zwischen Lavafeldern, der Höhe zu. Nach einer halben Stunde aber waren wir von Lavafeldern eingeschlossen; der Weg war zu Ende. Wir stiegen ab und traten die Wanderung zu Fuße an. Von dem Bilde, welches sich uns hier zeigte, ist es schwer, sich eine Vorstellung zu machen. Rund umher Verwüstung. In Schollen über Schollen, in den abenteuerlichsten Formen, bedeckt Lava die ganze Gegend. Hier thürmt sich ein Hügel auf, von allen Seiten wie abgeschnitten; dort sieht man einen ganzen Strom, wie er einst vom Berge gestürzt und nach und nach erstarrt sein mag. Da sind ungeheure Räume angefüllt mit übereinander geworfener Lava, die öde und erloschen, viele, viele Jahre hier in Ruhe und Frieden liegt, und vielleicht noch eben so lange liegen wird — ihre Kraft hat ausgetobt! —

Die Lava hat verschiedene Farben, je nachdem sie durch längere oder kürzere Zeit der Luft ausgesetzt ist. So hat die älteste Lava die Farbe des Granits und auch beinahe seine Härte, weßhalb man sie zum Baue der Häuser und zur Pflasterung der Straßen verwendet.

Von der Stelle, wo wir die Esel stehen ließen, hatten wir beinahe noch eine Stunde lang über Lava zu klettern, um bis an den Krater zu gelangen. Diese Partie ist zwar etwas beschwerlich, da man bei jedem Schritte genau Acht geben muß, um nicht mit dem Fuße zwischen die Schollen zu kommen; aber doch lange nicht so schrecklich, als die Leute davon faseln. Man muß nur tüchtige Stiefletten anziehen, dann geht es herrlich. Je höher man kommt, aus desto mehr Spalten sieht man Rauch aufsteigen. Wir legten in eine solche Spalte Eier, und fanden sie in vier Minuten vollkommen gut gekocht. In der Nähe solcher Orte war der Boden teilweise so heiß, daß man den Fuß kaum einige Minuten hätte ruhen lassen können. Aber von Sohlen verbrennen und dergleichen spürten wir nichts.

Am Krater angelangt, wurden wir von einem solchen Nebel umgeben, daß wir nicht zehn Schritte vorwärts sehen konnten. Wir mußten uns setzen und geduldig warten, bis die Kraft der Sonne wieder durchdrang, und Licht und Heiterkeit um uns verbreitete. Dann stiegen wir in den Krater, und gingen so nahe als möglich zu der Stelle, aus welcher die Rauchsäule empor wirbelt. Der Weg dahin war schauerlich, denn man war wie in einen Kessel eingeschlossen, und sah nichts um sich als Berge von Lava, und vorne stieg die ungeheure Rauchsäule auf, die uns alle Augenblicke einzuhüllen drohte, denn der Wind trieb manche Wolke davon in unsere Nähe. Wenn man mit einem Stocke auf den Boden stieß, gab es einen so dumpf dröhnenden Ton, wie in der Solfatara. In der Nähe der Rauchsäule sahen wir auch nicht mehr, als am Rande, von dem wir hinab geklettert waren — eine Verwüstung sonder Gleichen, ein Bild ganz eigener Art. Der Krater scheint noch denselben Umfang zu haben, wie ihn Herr Lewald vor einigen Jahren angegeben hat, nämlich bei fünftausend Fuß. Nachdem wir wieder heraufgestiegen waren, umgingen wir auch von außen einen großen Theil dels Kegels.

Nun begleitete uns der Führer auf ausdrückliches Begehren des Herrn M., welchem alle merkwürdigen Stellen des Vesuvs bekannt sind, zur sogenannten „Hölle", einem kleinen Krater, der sich erst im Jahre 1834 gebildet hat. Wir stiegen, um dahin zu gelangen, ungefähr eine halbeStunde auf Lavaschichten umher. Der Anblick dieser „Hölle" überraschte mich ganz besonders. Etwa fünfzehn Schritte vor uns erhob sich plötzlich eine unebene Wand von Lava, an deren hervorragenden Bildungen ganze Schichten des reinsten Schwefels, so wie auch andere schön gefärbte Substanzen hingen. Eine derselben war weiß wie Schnee, leicht und sehr porös. Ich nahm ein Stück mit mir, doch als ich es des andern Tages sorgfältig verpacken wollte, war mehr als die Hälfte davon aufgelöst, ganz weich und feucht, so daß ich das Ganze wegwerfen mußte. Eben so ging es mir mit einer ähnlichen hellroth gefärbten Substanz. Letztere machte sich an den Wänden und Spalten über alle Beschreibung schön, sie sah aus, wie glühende Lava. An eine der in dieser Wand befindlichen Spalten hielten wir Stückchen Papiere hin, die gleich in Flammen aufgingen. Herr M. warf eine Cigarre hinein, sie brannte augenblicklich an. Die Hitze, welche da heraus dunstete, war so groß, daß wir die Hand gleich zurückziehen mußten. An einer Stelle, unweit einer Spalte, konnten wir das Ohr an den Boden halten, da hörten wir ein Rauschen und Brausen, wie wenn es unter uns kochte. — Bei dieser Hölle war wirklich viel zu sehen, und noch dazu ohne die Unannehmlichkeiten, von der schrecklich nach Schwefel stinkenden Rauchsäule eingehüllt zu werden, wie es am Hauptkrater geschehen kann.

Nach einem Aufenthalt von mehreren Stunden in und um den Krater verließen wir diesen und stiegen auf der steilsten Seite, nämlich über den Aschenkegel, hinab. Es geht beinahe senkrecht, und man würde schwerlich mit heiler Haut hinabkommen, wenn man nicht bei jedem Schritte fast Fuß tief in Asche und Sand einsänke.

Man mußte den Körper recht zurücklegen und mit der Ferse auftreten, um das Hinabstürzen zu vermeiden. Auf diese Art setzt man sich höchstens einige Mal zu Boden, was weder schmerzt noch gefährlich ist. In zwölf Minuten waren wir auf dem Platze, wo unsere Esel standen. Wir erreichten Resina bei stockfinsterer Nacht, und hatten zu der ganzen Partie acht Stunden gebraucht.

Mein letzter Ausflug galt dem Schlosse Caserta, welches sechzehn Miglien von Neapel entfernt, gegen Capua liegt. Es gilt für eines der schönsten Lustschlösser Europa's, mich überraschte es außerordentlich. Seine Form ist viereckig, der Portikus ist fünfhundert sieben Fuß lang und wird von acht und neunzig Säulen aus dem schönsten Marmor getragen. Das Stiegenhaus und die Hallen im obern Geschoß allein müssen unermeßliche Summen gekostet haben, nicht minder die Kapelle im ersten Stock, die ungemein schön und reich ist. Die Säle und Gemächer sind mit seltener Pracht, mit einem Überflusse an Fresken, Oelgemälden, Sculpturarbeiten, Vergoldungen, schweren Seidenzeugen, Marmor u.s.w. geschmückt. Sogar ein niedliches Theater mit artigen Dekorationen befindet sich im Schlosse. Der Garten ist groß, besonders dehnt er sich in die Länge. An seinem Ende erhebt sich ein Berg, von welchem sich ein bedeutender Fluß rauschend und schäumend, über zum Theil geschaffene Felsen, in die tiefer gelegene Abtheilung des Gartens stürzt. Kaum bat dieser Fluß hier wieder Ruhe erlangt, und fließt langsam und stattlich in seinem aus Quadersteinen gebauten Flußbette dahin, so muß er neuerdings eine Kaskade bilden, und dann nochmals und nochmals, bis er beinahe das Schloß erreicht, in dessen Nähe ein großes Wasserbecken angelegt ist, von welchem das Wasser in Leitungen der Stadt zugesandt wird. Der Anblick vom Porticus auf diese Wasserfälle ist reizend. Von Caserta fuhren wir noch zehn Miglien weiter zur berühmten Wasserleitung, die ganz Neapel mit Trinkwasser versieht. Ein prachtvolles Werk! — Drei unermeßlich hohe, über einander gebaute Bogengänge führen dieß Element über Berg und Thal den Städtern zu.

Dieß war mein letzter Ausflug; Tags darauf den 7. November Morgens 3 Uhr verließ ich Neapel. Nebst den schönen Erinnerungen an die herrliche Natur, an die vielen angenehmen Stunden, die ich hier verlebte, wird das Andenken an Hrn. Brettschneider und seine Frau stets in meinem Gedächtnisse fortleben. Ich war ihnen ganz fremd, als ich mein Briefchen abgab, und sie behandelten mich gleich so gütig und herzlich, als gehörte ich zu ihrer Familie. Wie viele Stunden, ja Tage, schenkten sie mir, um mich bald da, bald dort hinzuführen, wie emsig bemüht waren sie, mir alle Schätze dieser an Kunst und Natur überreichen Stadt zu zeigen. Mit wahrer Freude und stolz, solche Freunde gefunden zu haben, sage ich diesen guten Menschen meinen innigsten Dank.

7. November 1842.

Ich fuhr mit dem Eilwagen. Um 7 Uhr früh waren wir in Caserta und eine Stunde später in Capua, einer lebhaften, niedlichen Stadt, an einem Flusse. Wir fuhren auf den schönsten Straßen, in den herrlichsten Ebenen, zwischen Wein und Gartenpflanzungen fort. Rechts lagen Gebirge, die sich immer mehrten, näher rückten und der Gegend eine reizende Abwechslung verliehen. Mittags hielten wir vor einem einsam gelegenen Gasthofe. Von da an wird die Gegend immer zauberischer. Auf allen Seiten erheben sich die schönsten und fruchtbarsten Höhen, und im Thale schlängelt sich die beste Fahrstraße durch angenehme Gärten. Oft verengen sich die Berge, als wollten sie einen undurchdringlichen Paß bilden, und Ruinen, die Spitzen der Berge krönend, verleihen dem Ganzen ein romantisches Ansehen. Um drei Uhr kamen wir in das Städtchen Jeromania, welches mitten in Gemüsegärten liegt. Oberhalb dieses Städtchens auf einem Berge steht das schöne Kloster Monte Cassino, und in dessen Nähe unterhalb des Berges erblickt man noch bedeutende Ruinen eines Amphitheaters.

Das Wetter war heute gar nicht italienisch, sondern rauh und düster, wie es um diese Zeit gewöhnlich in Oesterreich zu seyn pflegt. Am gestrigen Tage war es in Neapel so kalt, daß der Vesuv durch mehrere Stunden mit Schnee bedeckt blieb.

Die Kleidung des Bauernvolkes ist in diesen Gegenden etwas eigenthümlicher, als ich sie bisher traf. Die Weiber tragen kurze enge Röcke vom blauem oder rothem Tuche, einen kurzen knappen Spenser und eine farbig gestreifte Schürze. Der Kopf ist mit einem weißen Tuche bedeckt, über welches sie noch ein zweites in der Form eines länglichen, flachen Viereckes legen. Die Männer haben ein wahrhaft räuberisches Aussehen; mit den langen dunkelblauen oder braunen Mänteln, in welche sie sich vom Kopf bis zu den Füßen so einhüllen, daß man selten ihre Gesichter sieht, und mit den hohen, spitzen, schwarzen Hüten, ähneln sie ganz den so häufig abgebildeten Räubern in den Abruzzen. Sie steigen auch Alle so gespensterartig umher und gaffen die Reisenden so verstohlen an, daß einem fast unheimlich wird.

Von Jeromania hatten wir noch einige Stunden in das römische Gebiet, welches wir bei Ceprano betraten.

Im Neapolitanischen, so wie in ganz Italien ist man einer beständigen Paß-Besichtigung ausgesetzt, — für den Reisenden eine große Last. Heute allein bekam mein Paß fünf Visa's, denn wir passirten eben so viele Städtchen.

In Ceprano blieben wir über Nacht bei einem recht schurkischen Wirthe. Als ich Abends um den Preis für Zimmer und Frühstück fragte, hieß es: für's Erste zwei Paul (24 kr. C.M), und für's Letztere einen halben Paul; doch als es zum Zahlen kam, forderte der Kerl für das Zimmer drei Paul und für eine Tasse des schlechtesten Kaffee's, den ich noch je getrunken, einen Paul; und so machte er es der ganzen Gesellschaft. Es wurde gestritten und gezankt, aber endlich erhielt der Wirth dennoch, was er forderte.

8. November 1842.

Die Gegend bleibt sich gleich, doch sehen die Städtchen und Dörfer bei weitem nicht so freundlich, so nett und wohlhabend aus, wie im Neapolitanischen. Die Tracht des Bauernvolkes ist so wie jene, welche wir gestern sahen, nur tragen die Weiber hier statt des Spensers ein steifes Mieder, das rückwärts einen rothen Latz hat. Die Kleidung der Männer besteht aus kurzen Hosen bis an die Knie, braunen Strümpfen, derben Schuhen und einem dunkelfarbigen Spenser. Manche haben auch eine rothe Weste an und eine grüne Binde um die Mitte. Auf dem Kopfe sitzt ein spitzer Hut. An kalten Tagen fehlt auch jener dunkle Banditen-Mantel nicht.

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke

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