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Von Kopenhagen nach Island.
ОглавлениеSonntag den 4. Mai trat endlich günstiger Wind ein; Herr Knudson ließ mich benachrichtigen, gegen Mittag bereit zu sein, um mich auf der schönen Brigg „Johannes“ einzuschiffen.
Ich ging daher sogleich an Bord. — Die Anker wurden gelichtet, und die Segel entfalteten sich gleich herrlichen Flügeln, die uns mit sanften Schwingungen aus Kopenhagens Hafen trugen. — Kein schwerer Abschied von Kindern, Verwandten oder lang bewährten Freunden trübte diese Stunde, — ich verließ die Stadt mit leichtem, fröhlichem Gemüthe, und lebte nur der frohen Hoffnung, mein lange geträumtes, lange ersehntes Ziel nun bald zu erreichen.
Der heiterste Himmel lächelte uns zu, der günstigste Wind schwellte unsere Segel. Ich saß auf dem Verdecke und schwelgte in dem Anblicke der nie geschauten Bilder. — Hinter mir lag die herrlich ausgebreitete Stadt, vor mir der Sund, ein prachtvolles Wasserbecken, das ich einem großen schönen Schweizer-See vergleichen möchte, und links und rechts die Küsten von Dänemark und Schweden, die sich so zu einander neigen, daß sie dem kühnen Schiffer die Weiterfahrt zu verweigern scheinen.
Bald fuhren wir an dem schwedischen Städtchen Carlskrona vorüber, und bald an der öden Insel Hreen, auf welcher Tyho de Brahe den größten Theil seines Lebens zubrachte, und den Lauf der Gestirne beobachtete und verfolgte. — Und nun kam eine etwas gefährliche Stelle, der Ausgang des Sundes in das Kattegat. — Die eingeengte See und die starke Strömung erforderten des Schiffers ganze Behutsamkeit.
Die beiden Küsten treten hier bis auf eine viertel Meile Entfernung zusammen. Auf schwedischer Seite liegt das hübsche Städtchen Helsingborg, auf dänischer Helsingör, und an der Spitze einer hervortretenden Erdzunge die Festung Kronburg, die den durchziehenden Schiffen den Zoll abfordert, und für den Weigerungsfall eine große Zahl drohender Feuerschlünde weist. Wir hatten schon bei Zeiten in Kopenhagen unsere Abgabe entrichtet, waren genau signalisirt und segelten furchtlos vorüber.
Diesen Durchgang überwunden, gelangten wir in das Kattegat, das schon mehr ein Bild der großen See gab; — die Ufer wichen immer mehr zurück, und die meisten Schiffe und Barken, die uns im Sunde von allen Seiten umgaukelt hatten, sagten uns „Lebewohl!" Die einen zogen gegen Westen, die andern gegen Osten, nur wir — allein auf der weiten verlassenen Bahn — segelten nach dem kalten, starren Norden. — Die Dämmerung begann erst nach neun Uhr Abends einzubrechen, und bald flimmerten die Sterne gar herrlich am Himmel, und an den Küsten blitzten die Feuer der Leuchtthürme auf, dem nächtlichen Schiffer die gefährlich hervorragenden Klippen bezeichnend.
Nun sagte ich Gott meinen innigen Dank für all seine bisherige Güte, bat ihn um seinen ferneren Schutz, stieg hinab in die Kajüte, wo mich eine bequeme Koje — an der Schiffswand festgemachte Schlafstätte — aufnahm , und bald sank ich in tiefen erquickenden Schlaf.
5. Mai.
Mit voller Gesundheit wachte ich auf, erfreute mich ihrer aber nur kurze Zeit. — Wir hatten in der Nacht das Kattegat und das Skagerak verlassen , und trieben nun auf der bewegteren Nordsee herum. Ein gar zu emsiger Wind, der beinahe in Sturm ausgeartet war , warf unser armes Schiff dermaßen herum, daß man schon ein tüchtiger Tanzkünstler hätte sein müssen, um sich nur einigermaßen auf den Füßen erhalten zu können; — ich war leider schon in meiner Jugend keine Verehrerin Therpsichorens gewesen, und also erst jetzt! — Unerbittlich erfaßten mich die Najaden dieser stürmenden See, und taumelten mit mir so lange herum, bis sie mich in die Arme des schrecklichsten der Schrecken — zwar nicht nach Schillers Deutung aber nach meiner Empfindung, — der Seekrankheit warfen, Anfangs achtete ich ihrer nicht sehr, und dachte, dieß Uebel würde von einer, so wie ich, an Alles gewohnt sein sollenden Reisenden, bald überwältigt. Umsonst war mein Kampf; — ich wurde immer leidender und mußte endlich in meiner Koje liegen bleiben, wo mich nur der einzige Gedanke tröstete, daß wir heute auf offener See waren, und ich ohnehin nichts hätte sehen können.
— Doch den folgenden Tag schifften wir im Angesichte der Küste Norwegens; die mußte ich sehen.
— Halbtodt schleppte ich mich auf das Deck, begrüßte eine Reihe schöner, ziemlich hoher Gebirge, deren Gipfel in so früher Jahreszeit noch in hellem Silber erglänzten, und eilte dann, beinah erstarrt durch die Kälte des eisigen Windes, in mein gutes, warmes Federbett zurück. — Niemand, der es nicht selbst erprobte, kann sich einen Begriff von der schneidenden, durchdringenden Kälte eines nordischen Sturmwindes machen. — Die Sonne stand glänzend am Himmel, der Thermometer wies drei Grad —ich rechne stets nach Reaumür— Wärme, und obwohl ich doppelt so viel warme Kleider anhatte, als in meinem Vaterlande bei einer Kälte von 6-8 Grad, so fror es mich doch bis in das Innerste, — ja es kam mir gerade so vor, als hätte ich gar keine Kleider an.
In der Nacht vom 4. auf den 5. Tag segelten wir glücklich an den Schetlands-Inseln vorüber und noch denselben Tag gegen Abend kamen wir so nahe an die herrlichen Felsgruppen der Faröen, daß wir ordentlich fürchten mußten, beiden unausgesetzten Stürmen an sie geschleudert zu werden.
Am siebenten Tage schon erreichten wir Islands Küste — eine unerhört schnelle Fahrt. Die Schiffer versicherten auch, daß ein günstiger Sturm dem Dampfe selbst vorzuziehen sei, und wir dießmal gewiß jeden Dampfer überflogen hätten. — Doch ich arme Seele hätte gerne auf Sturm und Dampf Verzicht geleistet, um nur einige Stunden Ruhe zu gewinnen. Mein Leiden nahm dermaßen zu, daß ich am fünften Tage beinah zu unterliegen wähnte. Eiskalter Schweiß durchnäßte meine Glieder; ich war im höchsten Grade schwach, mein Mund ausgetrocknet und die Uebelkeiten unausgesetzt. Ich fühlte die Nothwendigkeit entweder einen Gewaltstreich vollführen oder erliegen zu müssen. Ich raffte mich also auf, schleppte mich mit Hilfe des Schiffsjungen zu einem Sitze und versprach jedes Mittel zu nehmen, das man für gut fände. — Da gab man mir feine Grütze in Wasser gekocht, mit Wein und Zucker gemischt; davon mußte ich so lange genießen, bis es mein Magen behielt. Doch nicht genug, auch kleine Stückchen rohen Speck, tüchtig mit Pfeffer gewürzt, und sogar einige Tropfen Rum mußte ich verschlucken. — Welch ein herzhafter Entschluß zu solch einer Cur gehört, brauche ich wohl nicht zu sagen. Mir blieb aber keine Wahl; es hieß mich bezwingen oder unterliegen. Mit Ruhe und Ergebung verschluckte ich die mir gereichten Gaben, so oft, bis endlich nach vielen Stunden mein verwünschter Magen eine kleine Dosis davon behielt. Diese Cur wurde zwei ewig lange Tage fortgesetzt, — da fing ich erst an mich ein wenig zu erholen.
Ich beschreibe meine Krankheit und deren Heilart so genau, weil leider so viele Menschen daran leiden, und sich in diesem Zustande so schwer entschließen, eine Nahrung zu nehmen. Ich aber rathe Jedermann es nicht so lange anstehen zu lassen, wie ich es that, sondern gleich Anfangs Nahrung zu nehmen, und zwar so lange bis sie der Magen behält.
In der Reconvalescenz suchte ich meinen nicht minder krank gewordenen Geist durch ein emsiges Studiren des Lebens und Treibens der nordischen Seeleute auch wieder auf die Beine zu helfen.
Meine Schiffsgesellschaft bestand aus Herrn Knudson, Herrn Brüge, einem Kaufmann, den wir an den Westmanns-Inseln absetzen sollten, dem Capitan, dem Steuermann und sechs bis sieben Matrosen. — Die Lebensweise in der Kajüte war folgende: Des Morgens um 7 Uhr ward schwarzer Kaffee gereicht, — aber was für einer? — das wissen die Götter. — Ich verkostete ihn durch eilf Tage, und war nie so glücklich auf die Spur seines Vaterlandes zu gerathen, — Um 10 Uhr wurde Butter, Brod, Käse, nebst etwas kaltem Ochsen- oder Schweinefleisch genossen; — alles herrliche Gerichte — für gesunde Leute. — Den Schluß dieses Vormittags-Essens machte holländisches Theewasser— in Skandinavien und auch auf Island sagt man nie: „ich trinke Thee," man setzt immer „Wasser" hinzu: Ich trinke Theewasser — wenn möglich noch schlechter als sein Vorgänger , der unvergleichliche Kaffee. — Ich fiel also überall durch; die Gerichte waren mir zu stark, die Getränke zu — ich finde eigentlich gar keinen Ausdruck — vermuthlich zu verkünstelt. Mein Trost blieb die Mittagstafel. — Ach wie bald zerrann dieser schöne Traum! — Am sechsten Tage zum erstenmale setzte ich mich an den gedeckten Tisch, Da fiel mir gleich das darüber gebreitete Tuch in die Augen. — Bei unserer Einschiffung mochte es vielleicht weiß gewesen sein, — jetzt keineswegs mehr. Das unaufhörliche Rollen und Werfen des Schiffes hatte alle genossenen Gerichte und Getränke darauf verzeichnet. Eine Art Netz von Holz wurde nun darüber gespannt, die Teller und Gläser darein gesetzt, um so gegen das Hinabrollen gesichert zu sein. Ehe aber der gute Schiffsjunge dieß that, nahm er jedes einzelne Teller und Glas und reinigte es an einem in der Nähe Hangenden Handtuche, welches zwar an Farbe nicht einem Regenbogen wohl aber an Schmutz dem Fußboden glich; und dieß wäre noch zu ertragen gewesen, — aber des Morgens diente es wirklich als Handtuch und zu den andern Zeiten des Tages auch als Handtuch — für Teller und Gläser.
Bei dergleichen Operationen wandte ich immer die Augen ab, und dachte mir, daß vielleicht gerade mein Glas und mein Teller am zartesten, oder wohl gar nicht damit berührt worden sei, und wandte meine ganze Aufmerksamkeit auf die nun zu erwartenden Speisen.
Eine Suppe machte den Anfang; aber statt der Rindsuppe war es eine Wassersuppe, mit Reis und getrockneten Pflaumen verkocht. Darein wurde bei Tische noch etwas rother Wein und Zucker gemischt, und nun war für dänische Gaumen eines der kostbarsten Gerichte bereitet; — mir behagte es durchaus nicht. — Die zweite und letzte Speise bestand aus einem tüchtigen Ochsenbraten, an dem ich nichts aussetzen konnte, als, daß er für meine noch schwache Gesundheit zu schwer war. — Der Abend bot dasselbe, was wir zum Vormittags-Imbiß gehabt hatten. Jede Mahlzeit wurde noch überdieß mit Theewasser beschlossen. Im Anfange behagte mir diese Lebensweise gar nicht; doch siehe, schon nach einigen Tagen meiner Besserung gewöhnte ich mich daran, und konnte die Schiffskost recht gut vertragen. [Es würde mir sehr leid thun, wenn ich etwa durch diese meine Beschreibung, „Lebensweise auf dem Schiffe," den wackern Herrn K. beleidiget hätte. Allein ich setze voraus, daß Jedermann weiß, daß das Leben auf einem Schiffe ganz anders ist, als auf dem festen Lande, im Kreise der Seinigen, So kann ich ebenfalls versichern, daß Herr K. nicht nur in Kopenhagen, sondern, was viel mehr sagen will, auch auf Island sehr angenehm zu leben wußte, und sich aller Comforts, wie man sie nur in den großen Städten Europas haben kann, erfreute.]
Da der reiche Schiffsherr selbst am Bord war, so fehlte es auch nicht an den besten Weinen, und selten verging sogar ein Abend, ohne daß nicht auch Punsch gekostet worden wäre, — Freilich fand man für jede zu trinkende Flasche Wein oder Bowle Punsch irgend eine besondere Veranlassung, z. B, bei der Abfahrt, oder wenn der Wind günstig war, da trank man ihm zu, mit der Bitte so zu bleiben; war er ungünstig, mit der Bitte anders zu werden; — sah man Land , so mußte es mit einem Gläschen Wein begrüßt werden; — es mochten wohl oft auch mehrere gewesen sein, zum Zählen war ich aber zu seekrank — verloren wir es wieder, mußte ihm „Lebewohl" gesagt werden, — und so gab es täglich drei, vier ganz besondere Veranlassungen.
Die Matrosen bekamen Morgens und Abends Theewasser ohne Zucker, und ein Gläschen Brandwein, des Mittags Hülsenfrüchte, Grütze oder Kartoffeln , dazu Stockfisch, Speck oder gesalzenes Fleisch; Schiffszwieback, der recht gut schmeckt, konnten sie nehmen, so viel sie wollten.
Uebrigens ist die Nahrung noch nicht das Schlechteste, was diese armen Leute haben, deren Leben ein beständiger Kampf gegen die Elemente genannt werden könnte, da sie gerade bei den fürchterlichsten Stürmen , bei Regen und schneidender Kälte fortwährend auf das Deck gewiesen sind. — Ich bewunderte wirklich den Gleichmuth, ja ich möchte sagen, die Heiterkeit und Unverdrossenheit mit der sie ihre schwere Pflicht erfüllen. — Und was haben sie dafür? — Einen kargen Lohn, die eben beschriebene Nahrung, und zur Schlafstelle den kleinsten, unbrauchbarsten Raum im Schiffe, der nicht selten voll Ungeziefer, finster und sehr übelriechend ist, denn da werden außerdem Oelfarben, Firniß und Theer, Stock- und Trockenfische u.s.w. aufbewahrt.
Um dabei zufrieden zu sein, muß man wirklich sehr genügsam und herzensgut sein. — Die dänischen Matrosen sind es aber auch. — Häufig, im Laufe der Reise auf diesem und auf andern Schiffen, hatte ich Gelegenheit mich davon zu überzeugen.
Doch nun, nach all diesen ausführlichen Beschreibungen, ist es höchste Zeit, zur Reise selbst wieder zurückzukehren.
Leider setzten die günstigen Stürme, die uns schon am siebenten Tage bis in die Nähe der isländischen Küste getrieben hatten, plötzlich um, und schlugen uns zurück. Wir lavirten hin und her auf dem sturmbewegten Meere, das mit mancher spanischen Woge [Spanische Wogen oder Wellen nennen die Schiffer jene, welche von der Westseite her aufspringen, und sich durch ihre Größe auszeichnen.] unser Schiff ganz überdeckte. Zweimal versuchten wir den Westmanns-Inseln (zu Island gehörig) nahe zu kommen, um da bei günstiger Gelegenheit Anker zu werfen, und unsern Reisegefährten Herrn Brüge abzusetzen; — doch vergebens, immer wieder wurden wir zurückgeschlagen. — Endlich am Schlusse des eilften Tages erreichten wir Havenfiord, einen sehr guten Hafen, zwei Meilen von Reikjavik, der Hauptstadt Islands, entfernt.
Trotz diesen, sehr ungelegenen Umsetzen des Sturmes hatten wir eine unerhört schnelle Fahrt gemacht. — Man rechnet von Kopenhagen nach Island in gerader Linie 300 geographische Meilen; — für ein Segelschiff, das hin und her laviren und so viel möglich immer mit dem Winde gehen muß, 350 bis 400. — Hätte der uns Anfangs so günstige Sturm am siebenten Tage nicht umgesetzt, und nur noch 30-40 Stunden angehalten, so würden wir schon am achten oder neunten Tage in Island gelandet haben, — eine Fahrt die selbst ein Dampfer nicht so schnell hätte machen können.
Die Gestade Islands erschienen mir ganz anders, als ich sie den Schilderungen nach, die ich gelesen, mir vorstellte. Ich dachte sie mir kahl, ohne Strauch, ohne Baum, wüst und öde, — und da sah ich Rasenhügel, Gesträuche, ja sogar Waldgruppen kleiner, wie es mir schien, verzwergter Bäume; — doch wir kamen näher und näher, und ich konnte deutlicher unterscheiden. — Da wurden die Rasenhügel zu menschlichen Wohnungen mit kleinen Thüren und Fensterchen, und die Baumgruppen entwirrten sich in 10-15 Fuß hohe Lavamassen, die mit Moos und Gras ganz überwachsen waren. Alles war für mich neu und überraschend; kaum konnte ich erwarten zu landen.
Endlich wurden die Anker ausgeworfen — doch erst am folgenden Morgen schlug die Stunde der Erlösung und Ausschiffung.
Noch eine Nacht dann war Alles überstanden, dann konnte ich Island, das lange ersehnte, betreten, und schwelgen in den Wundern dieser kunstarmen, aber dafür naturreichen Insel.
Bevor ich nun Island betrete, sei es mir erlaubt, einige Bemerkungen über diese Insel vorauszuschicken. Ich entnehme sie der Beschreibung Islands von Makenzie, einem Buche, dessen gediegener Werth überall anerkannt ist.
„Man schreibt die Entdeckung Islands dem Unternehmungsgeiste einiger norwegischer und schwedischer Seeräuber um das Jahr 860 n. Chr. G. zu. Sie wurden dahin verschlagen, als sie nach den Faröer-Inseln segelten. Aber erst im Jahre 874 wurde sie von freiwilligen Auswanderern, die sich unter der Regierung Harald des Schönhaarigen unglücklich fühlten, unter der Anführung Ingolfs bevölkert. Diese Ankömmlinge sollen nirgends Spuren von Wohnungen gefunden haben, und so waren also sie die ersten, welche die Insel in Beschlag nahmen."
„Bei ihrer Ankunft soll die Insel noch so mit Dickicht bedeckt gewesen sein, daß an einigen Orten erst Durchwege geöffnet werden mußten. — Die Norweger brachten ihre Sprache, Religion, Sitten und historischen Denkmäler mit herüber, nebst einer Art von Lehns-Verfassung, welche aber ungefähr um das Jahr 928 etwas aristokratisch wurde, obwohl sie republikanisch hieß. — Die Insel wurde da in vier Provinzen getheilt, und über jede ein erblicher Landvogt oder Richter gesetzt."
„Die General-Versammlung von Island (All-Sing genannt) wurde jährlich an den Küsten des See's Thingvalla gehalten. Sie hatten ein treffliches Gesetzbuch, das für alle Vorfälle in der Gesellschaft gesorgt hatte. — Diese Verfassung währte über 300 Jahre, und man möchte diese Periode „Islands goldenes Zeitalter" nennen. Erziehung, Literatur und selbst verfeinerte Poesie waren unter den Einwohnern in Blüthe. — Sie nahmen Theil an dem Handel und an den Abenteuern zur See, welche die Norweger unternahmen, um neue Entdeckungen zu machen."
Die Sages oder Geschichten des Landes enthalten manche Erzählung persönlicher Tapferkeit. Ihre Barden und Geschichtschreiber besuchten andere Länder, wurden die Günstlinge der Monarchen, und kehrten bedeckt mit Ehre und beladen mit Geschenken in ihre Insel zurück.— Die Edda von Sämund ist eine der geschätztesten Dichtungen Island's älterer Zeit; der zweite Theil der Edda, Skalda genannt, stammt aus neuerer Zeit, und wird von Vielen dem berühmten Snorri Sturluson zugeschrieben. — — Isleif, der erste Bischof von Skalholt, war der früheste isländische Geschichtschreiber , dann folgte der berühmte Snorri Sturluson, welcher 1173 geboren der reichste und mächtigste Mann in Island wurde.
„Zu den Generalversammlungen Islands begleitete ihn häufig ein glänzendes Gefolge von 800 bewaffneten Männern. — Er war ein großer Geschichtschreiber und Dichter, besaß eine genaue Kenntniß der griechischen und lateinischen Sprache, und war ein bewunderungswürdiger Redner. Außer der Edda schrieb er auch noch die Haimskringla."
„Die erste Schule wurde zu Skalholt um die Mitte des 11. Jahrhunderts unter Isleif, dem ersten Bischof zu Island, gestiftet, dann folgten noch vier andere Schulen und einige Klöster, Poesie und Musik scheint zu einem Zweige der Erziehung gehört zu haben."
„Es scheint, daß das Clima einst in Island minder rauh war als jetzt; es scheint, daß ehemals Korn wuchs, daß Bäume und Sträucher höher und dicker wurden, als es jetzt der Fall ist. — Die Bevölkerung Islands soll damals beträchtlich stärker gewesen sein wie jetzt, doch gab es auch damals weder Orte noch Dörfer; die Einwohner lebten zerstreut im Lande herum. Die jährliche Volksversammlung wurde zu Thingvalla unter freiem Himmel gehalten."
„Die Hauptbeschäftigung der Einwohner war Fischfang. Ihre Kleidung bestand aus der verarbeiteten Wolle ihrer Schafe; — eine fernere Beschäftigung gewährte ihnen ihr Handel mit dem Auslande."
„Im Jahre 981 wurde die Lehre des Christenthums zuerst durch Friedrich, einen Bischof zu Sachsen, eingeführt. Es wurden nun viele Kirchen errichtet , und Zehnten zum Unterhalte der Geistlichkeit eingeführt. — Isleif, der erste Bischof zu Skalholt wurde im Jahre 1057 ordinirt. Nach Einführung des Christenthums erfreuten sich die Isländer beinahe zwei Jahrhunderte lang einer einfachen aber ungestörten Religionsübung."
„Grönland und der nördlichste Theil Amerika's soll von Isländern entdeckt worden sein."
„In der Mitte des 13. Jahrhunderts ging Island in die Gewalt der norwegischen Könige über. — Im Jahre 1380 wurde Norwegen mit der dänischen Krone vereinigt, und Island ohne Widerstand der dänischen Monarchie einverleibt. — Seit dem Uebertritte an Norwegen und dann an Dänemark folgte Ruhe und Sicherheit auf die innern Unruhen, welche vor dieser Zeit häufg statt hatten; doch dieser ruhige Zustand brachte Apathie und Indolenz hervor. — Die Seeabenteuer wurden durch die neue Regierung gehemmt, der Handel gerieth nach und nach in die Hände der Eingebornen anderer Reiche. — Es scheint sich auch das Clima verändert zu haben, oder die verminderte Industrie und nicht genug Fleiß der Einwohner haben den Ackerbau gänzlich in Verfall gebracht."
Im Jahre 1402 brach auf der Insel die Pest aus und verminderte die Bevölkerung um zwei Dritttheile."
„Die erste Buchdruckerpresse wurde zu Hoolum um's Jahr 1530, unter der Aufsicht des Bischofs John Areson, nach Island gebracht."
„Die Reformation in der isländischen Kirche kam nicht ohne Unruhe zu Stande, Im Jahre 1551 wurde die Reformation gesetzlich eingeführt."
„Die Isländer litten im 15. Jahrhundert viel von den seeräuberischen Einfällen der Fremden. Selbst noch im Jahre 1616 hatte die französische und englische Nation Theil an dieser Gräuelthat. Der traurigste Vorfall aber dieser Art ereignete sich im Jahre 1627. als ein großer Haufe algierischer Seeräuber Islands Küsten überfiel, bei 50 Einwohner ermordete, und bei 400 mit in die Gefangenschaft führte."
„Das 18. Jahrhundert hob mit einer fürchterlichen Sterblichkeit durch die Pocken an, daß mehr als 16,000 Einwohner dadurch aufgerieben wurden. Im Jahre 1759 raffte eine Hungersnoth bei 10,000 Menschen dahin."
„Das Jahr 1793 zeichnete sich durch die schrecklichsten vulkanischen Ausbrüche aus, welche im Innern der Insel statt hatten. Ungeheure Ströme Lava bedeckten Alles vor sich her, große Flüsse wurden in ihrem Laufe gehemmt und bildeten Seen. Länger als ein Jahr bedeckte eine dichte Rauchwolke und vulkanische Asche ganz Island, und verdunkelte beinah das Sonnenlicht. Hornvieh, Schafe und Pferde wurden aufgerieben, Hungersnoth mit ihren begleitenden Krankheiten, und abermal die bösartigen Pocken, rafften in einigen Jahren mehr als 11,000 Menschen dahin, ein Viertel der ganzen gegenwärtigen Bevölkerung."
„Die Insel Island liegt im atlantischen Ocean; ihre größte Breite beträgt 60 geographische Meilen und ihre Länge 35 geographische Meilen. — Die Einwohnerzahl rechnet man auf 48,000, den Flächeninhalt auf 1800 Quadrat-Meilen.