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Hamburg.

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18. April.

Endlich ward es Morgen, und bald erreichten wir die große Handelsstadt, die, durch den fürchterlichen Brand im Jahre 1842 halb eingeäschert, prächtiger und herrlicher als früher aus dem Schutte erstanden war. — Ich stieg hier bei meiner Base ab, die an den königl. würtembergischen Consul und Kaufmann Schmidt verheirathet ist, und verlebte da volle acht Tage in Freude und Vergnügen. Mein Vetter war so gütig mich selbst herum zu führen, und mir die Haupt-Merkwürdigkeiten Hamburgs zu zeigen.

Vor Allem besuchten wir die Börse und zwar zwischen 1 und 2 Uhr, wo sie am belebtesten ist, und daher dem Fremden den richtigsten Begriff von der Größe und Wichtigkeit des hiesigen Handelsverkehres geben kann.— Das Gebäude enthält einen sehr großen Saal mit Arkaden und Gallerieen, und mehrere große Gemächer, die theils zu Besprechungen dienen, theils Erfrischungen spenden. — Das Interessanteste ist aber unstreitig, sich auf die Gallerie zu setzen, das Anschwellen der Menge, ihr Umhertreiben in dem ungeheuern Saale, in den Bogengängen und Gemächern zu beobachten, und das Summen und Lärmen der tausend untereinander schreienden Stimmen zu hören. Um halb 2 Uhr erreicht das Gedränge im Saale den Höhepunkt, und das Lärmen wird wahrhaft betäubend; — es wird nämlich der Cours angeschrieben, nach welchem Alle ihre Geschäfte ordnen.

Von der Börse wanderten wir nach dem großen Hafen, und durchkreuzten ihn auf einem Boote in allen Richtungen. Ich wollte hier nur die Dreimaster zählen, hörte aber bald auf, denn ihre Anzahl erdrückte mich ordentlich, dazu noch die Menge der prachtvollsten Dampfer, Briggen, Schaluppen und anderer Schiffe, — — kurz: ich sah nur und staunte, denn es lagen da wohlgezählte 900 Fahrzeuge.

Nun denke man sich eine Spazierfahrt zwischen 900 Schiffen und Schiffleins, die an beiden Ufern der Elbe in drei- und mehrfachen Reihen aufgestellt waren, das Hin- und Herkreuzen der zahllosen Boote, die die Fracht von den Schiffen holten oder dahin brachten, das Lärmen und Jubeln der Matrosen, das Aufwinden der Anker, das Vorbeibrausen der Dampfer, — — und man wird ein Bild sehen, wie es nur die Weltstadt London noch großartiger bieten mag.

Die Ursache dieser ungewöhnlichen Belebtheit des Hafens war in der Strenge des Winters gelegen. Seit 70 Jahren hatte man keinen solchen Winter gesehen; Elbe und Ostsee lagen Monate lang in starrer Unthätigkeit gefangen und kein Schiff konnte die eisbedeckten Flächen durchziehen, keines Anker lichten oder Anker werfen. Erst kurz vor meiner Ankunft war die Bahn wieder frei geworden.

In der Nähe des Hafens liegen die meisten der sogenannten Höfe. Ich hatte so manches darüber gelesen, daß sie von Außen gewöhnlichen Häusern gleichen, im Innern aber ganze Quartiere mit Sackgäßchen bilden und der Aufenthalt unzähliger Familien sein sollen. — Ich besuchte daher mehrere solche Höfe und kann versichern, daß ich gar nichts Außerordentliches fand. — Häuser mit zwei langen Seitenflügeln die ein Sackgäßchen von 80-10 Schritten bilden, findet man in jeder größern Sladt, und daß so viele Familien in einem solchen Hause wohnen, ist auch nicht merkwürdig, wenn man weiß, daß sie Alle arm sind, und jede einzelne nur ein Zimmerchen besitzt.

Der beliebteste Spaziergang in der Stadt ist der Jungfernstieg, eine breite Allee, die sich um ein großes und schönes Wasserbecken der Alster zieht, und an deren einen Seite die prachtvollsten Gasthöfe, an denen Hamburg durchaus keinen Mangel hat, so wie auch viele nicht minder schöne Privathäuser stehen. Andere Spaziergänge sind: der Wall, der sich um die Stadt zieht, und der botanische Garten, der einem schönen Parke gleicht.

Das herrlichste Gebäude, ausgezeichnet durch Alles, was Luxus, Kunst, Dauerhaftigkeit und Zierlichkeit betrifft, ist der Bazar. Ein wahres Riesenwerk, um so mehr anzustaunen, da es nicht auf Actien, sondern auf Kosten eines einzigen Mannes, Herrn Carl Sillem, erbaut wurde. Der Architekt heißt: Overdick. Es ist ganz aus Quadersteinen aufgeführt. Die Wände des großen Saales und der Halle sind mit Marmor ausgelegt. Eine hohe Kuppel und ungeheure Wölbungen mit Glas gedeckt, überspannen Saal und Halle; — schöne Statuen, aus Stein gehauen, zieren die oberen Balustraden. Abends ist Alles reich mit Gas erleuchtet, dazu denke man sich noch die schönen Ausstellungen der herrlichsten Waaren aus allen Ländern der Welt, und man wird sich in einen Feentempel versetzt glauben.

Ueberhaupt besteht in Hamburg ein sehr großer Luxus in den Auslagen. Die Waaren liegen höchst geschmackvoll ausgebreitet hinter ungeheuren Glaswänden, die oft 5—6 Fuß breit, und 8—10 Fuß hoch sind, und aus den schönsten reinsten Spiegelgläsern bestehen, von denen oft die einzelne Tafel bei 600 fl. CM. kostet. Dieser Spiegelglas-Luxus erstreckt sich aber nicht nur auf die Auslagen, sondern auch auf die Fenster, und nicht blos auf Hamburg, sondern auch auf Altona und auf die geschmackvollen Landhäuser der Hamburger. — Manche Fensterscheibe kostet 5—10 fl. Sie werden aber so gegen das Zerschlagen assecurirt, wie die Häuser gegen den Brand.

Der Aufwand an Spiegelgläsern entspricht auch jenem an Möbeln; — alle sind von Mahagoni. Dieß Holz ist hier so allgemein, daß man in den sehr eleganten Häusern sogar die Treppengeländer daraus verfertigt sieht. Ja selbst die Lootsen haben gar häufig Mahagoni-Möbel.

Die schönste und belebteste Straße ist der neue Wall, Was mir in allen Straßen Hamburgs auffiel, waren die vielen Verkaufsläden und Wohnungen unter der Erde, zu denen sechs bis acht Stufen hinabführen, und vor welchen ein Eisengeländer an der Seite der Treppe angebracht ist, um die Vorübergehenden vor dem Hinabstürzen zu bewahren.

Eine sehr zweckmäßige Einrichtung ist das große Schlachthaus, in welchem sämmtliches Stechvieh an bestimmten Tagen der Woche geschlachtet wird.

Von der Stadt Altona bemerke ich nur, daß sie mir eine Fortsetzung Hamburgs schien, und auch nur durch eine einfache hölzerne Pforte davon getrennt ist. Eine schöne, sehr breite Straße, oder eigentlich besser gesagt — ein in die Länge gezogener Platz mit doppelten Reihen mächtiger Bäume — ist das Merkwürdigste in dieser Stadt, die der dänischen Regierung zugehört, und nach Kopenhagen die bedeutendste im ganzen Reiche sein soll.

Die Fahrt nach dem zwei Meilen entfernten Dorfe Blankenese ist allerliebst; man kömmt an lauter herrlichen Landhäusern und großen parkähnlichen Gärten vorüber, — Blankenese selbst ist in recht malerischen Gruppen um den Sülberg gelegen, von dem man eine weit ausgebreitete Fernsicht hat, da er in dem großen ausgedehnten Flachlande die einzige Erhöhung ist. Man kann den Lauf der Elbe, die in gemäßigter Eile der Ostsee zuzieht, beinahe bis Kurhaven, ihrem Mündungsorte, verfolgen. — Die Breite der Elbe mag bei Blankenese über eine halbe Meile betragen.

Ein anderer interessanter Ausflug ist nach den neuen Mühlen; es ist dieß ein Dörfchen knapp an der Elbe gelegen, höchstens eine Viertelstunde von Altona entfernt, und nur von Fischern und Lootsen bewohnt. — Hierher muß man gehen, wenn man einen Begriff von holländischer Niedlichkeit und Reinlichkeit bekommen will. — Man kann sich unmöglich etwas idyllenartigeres denken. — Die Häuschen sind meist stockhoch, zierlich und nett gebaut, an den Thüren blinken die schönsten messingenen Handgriffe, die Fenster sind spiegelblank geputzt und über Letztere hängen weiße Vorhänge, malerisch drapirt.

Schon in Sachsen sah ich manche Wohnungen der Bauern recht nett und ordentlich, und jedenfalls mehr Wohlstand verrathend, als man gewöhnlich bei dieser Menschenrasse findet, doch mit diesem Dörfchen können sie nicht in die Schranken treten.

Solch ein Bild des Aeußeren muß Aug und Herz erfreuen, denn es läßt auch auf Glück und Zufriedenheit im Innern schließen.

Von ländlichen Trachten die ich hier sah, gefiel mir nur jene der Vierländerinen. Sie tragen kurze, faltenreiche Röcke von schwarzem Zeuge, weiße, feine Hemden mit langen, weiten Aermeln und färbige Leibchen, die mit Seidenschnüren oder Silberspangen leicht zusammengehalten werden. — Gar komisch sehen ihre Strohhüte aus; — die Ränder sind viel höher als die Mitte, so daß der eigentliche Gupf des Hutes ganz eingesunken erscheint. — Viele hübsche junge Mädchen, der Art gekleidet, kommen als Blumenverkäuferinen nach Hamburg, und schlagen an der Börse ihren Hauptsitz auf.

Der 26. April, der festgesetzte Tag meiner Abreise rückte nur zu schnell heran. Doch Scheiden ist das beständige Loos des Reisenden; nur scheidet man manchmal leicht und manchmal schwer. Hier braucht es wohl keines Commentars, um zu sagen, wie mir in der Stunde der Trennung zu Muthe war; — es waren ja die letzten Verwandten, die letzten Freunde, von denen ich schied. — Nun ging es hinaus in die weite Welt, unter lauter — Fremde.

Um acht Uhr Morgens also fuhr ich von Altona auf der Eisenbahn nach Kiel. — Auf dieser Bahn sah ich mit Vergnügen, daß sogar die dritte Classe herrlich gedeckte mit Glasfenstern versehene Wagen hatte, die sich von denen der ersten und zweiten Classe im Mustern nur durch die Farbe, und im Innern durch die nicht gepolsterten Bänke unterschieden.

Wir legten die ganze Strecke von 15 Meilen in drei Stunden zurück, — eine schnelle, aber auch nur durch die Schnelligkeit angenehme Fahrt, denn die ganze Gegend bot nichts als ungeheure Ebenen, Torf- und Moorgründe, sandige Stellen und Haiden und nur gar wenig Wiesen- oder Ackerland. Das Wasser in den Gräben und auf den Feldern sah, in Folge des dunkeln Grundes, so schwarz aus, wie Tinte.

Bei Binneburg bemerkt man einige verkrüppelte Waldpartieen. Von Elmsholm geht eine Seitenbahn nach Glücksstadt, und von Neumünster, einem großen Orte mit bedeutenden Tuchfabriken, eine nach Rendsburg. — Nun sieht man aber auch nichts mehr als ein Kloster, in welchem mehrere Herzoge von Holstein begraben liegen, und mehrere unbedeutende Seen, als den Bernsholmer, den Einfelder und den Schulhofer. — Das Flüßchen Eider würde mir gar nicht aufgefallen sein, hätten nicht einige der Reisenden großes Aufheben davon gemacht. — In den herrlichsten Ländern fand ich die Eingebornen lange nicht so entzückt über wirklich Schönes und Großartiges, als sie es hier über ein Nichts waren. — Ja, eine recht artige Frau, meine Reisenachbarin, konnte in Lobpreisung ihres so wunderschönen Vaterlandes gar nicht ermüden. Der verkrüppelte Wald schien ihr ein herrlicher Park, die öde Fläche ein unermeßlicher Spielraum für das Auge, — jede Kleinigkeit wußte sie groß zu deuten. — Ich wünschte ihr zu dieser reichen Fantasie im Stillen Glück, konnte aber leider meinem kalten Gemüthe nichts davon einhauchen.

Gegen Kiel zu gestaltet sich die Ebene zu einem niedrigen Hügellande. — Kiel selbst liegt recht artig an der Ostsee, die von hier gesehen, einem mittelgroßen See gleicht. Der Hafen soll gut sein, doch lagen nur wenige Schiffe davor, darunter das Dampfboot, das mich weiter nach Kopenhagen bringen sollte, und von dem ich mir nicht dachte, daß es mir so unvergeßlich bleiben würde.

Durch die liebevolle Fürsorge meines Vetters Schmidt empfing mich bereits an der Eisenbahn Einer seiner Verwandten, Herr Brauer, welcher mich gleich in den Kreis seiner Familie einführte, und mir die paar Stunden meines Aufenthalts recht angenehm vergehen machte.

Kiel hat ein hübsches königliches Schloß, das gegenwärtig von der jüngern Tochter des letzt verstorbenen Königs bewohnt wird. Der daran stoßende öffentliche Park ist mehr durch seine Lage an der See, als durch sonst etwas ausgezeichnet. — Die Umgebung besteht aus Hügelketten, auf und an welchen die Landhäuser und Gärten der Städter liegen. Eine der schönsten Villa's gehört Herrn Brauer, Die höchsten Punkte sind mit Kiosken oder Lauben geziert, von welchen aus man eine schöne Fernsicht über die nicht sehr breite See bis an's jenseitige Ufer genießt. — Seit ich Dresdens Umgebung Lebewohl gesagt hatte, war dieß die lieblichste Landschaft, die mir bis jetzt zu Gesichte gekommen war.

Kiel gehört eben nicht zu den größeren Städten Dänemarks, sieht aber nett und freundlich aus. Viele der Häuser sind nicht mit Kalk und Sand beworfen, was ihnen das Ansehen gibt, als wären sie noch nicht fertig gebaut; die Dachungen bestehen aus Ziegeln, die oft noch mit einer Art Firniß überzogen sind, der ihnen nebst einem schönen Glanz auch eine größere Dauerhaftigkeit verleiht. — Auch hier bemerkte ich hin und wieder jene theuern Hamburger Spiegelgläser; es scheint, daß sich dieser Luxus sehr weit verbreitet.

Der Abend und mit ihm die Stunde der Einschiffung rückte heran. Die liebenswürdige Familie Brauer geleitete mich an Bord, wo ich mit Dank erfülltem Herzen Abschied von ihnen nahm.

In dem Dampfschiffe „Christian VIII." von 1 Pferdekraft lernte ich ein so schmutziges und unbequemes Schiff kennen, wie es mir auf all meinen bisherigen See-Reisen noch nicht vorgekommen war. Scheuern und Fegen schien hier durchaus nicht Sitte zu sein. Die Treppe, welche in die Kajüte führte, war so abschüssig, daß man sehr auf der Hut sein mußte, nicht gar zu eilig z. B. durch einen Sturz hinab zu gelangen. Von Abtheilungen für Herren und Frauen war auf dem zweiten Platze gar keine Rede. — Kurz, Alles war darauf eingerichtet, jedem Reisenden dieses Schiff für immer unvergeßlich zu machen.

Um neun Uhr verließen wir Kiel. — Da der Tag und die Dämmerung hier schon länger währen, als in den westlich und südlich gelegenen Ländern, so war es mir noch möglich die Festung Friedrichsort, an der wir gegen 10 Uhr vorübersegelten, aus dem Schatten des sie umhüllenden Dunkels zu scheiden.

27. April.

Heute stand ich noch mit der Sonne auf, bald wird dieß aber eine sehr schwere Sache sein, da die gute Göttin des Lichtes dem Norden im Frühjahre und Sommer vergilt, was sie ihm im Winter entzieht. — Ich ging auf das Deck und überblickte die weite endlose Meeresfläche. Es war kein Land zu sehen; doch bald erschien eine Küste, die dann wieder verschwand, bis eine neue, fernere aus dem Meere auftauchte. Gegen Mittag erreichten wir die Insel Möen, die ungefähr 40 Meilen [Zur See rechne ich Seemeilen, wovon vier auf eine geographische gehen.] von Kopenhagen liegt. Sie bildet eine kleine wunderschöne Felsgruppe, deren Wände weiß wie Kreide, glatt und glänzend, schroff dem Meere entsteigen. Die höchste dieser Wände ragt 400 Fuß über dem Meeresspiegel empor.

Bald sahen wir auch Schwedens Küste, dann die Insel Malmö und endlich Kopenhagen, wo wir um 4 Uhr nach Mittag landeten. — Die Entfernung von Kiel bis Kopenhagen beträgt 136 See-Meilen.

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke

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