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Cavalcade nach Vatne.

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(2 Meilen von Reiljavik.)

25. Mai.

Stiftsamtmann v. H. war so gütig mir einen Besuch zu machen, und mich für heute Nachmittag zu einer Reit-Partie nach dem großen See Vatne einzuladen. — Mit Vergnügen nahm ich die Einladung an; denn nach den Äußerungen des Stiftsamtmannes dachte ich ein wahres Eden zu sehen, dabei die Erholungen der hiesigen höhern Stände kennen zu lernen, und meine Sammlung an Pflanzen, Schmetterlingen und Käfern bedeutend bereichern zu können. Auch mit den Eigenschaften der isländischen Pferde hoffte ich hier vertrauter zu werden, als auf meiner ersten Tour von Havenfiord hierher, denn damals mußte ich, meiner alten Begleiterin wegen, immer im Schritte reiten.

Die Stunde des Ausfluges war für zwei Uhr festgesetzt. — Ich, die Pünktlichkeit selbst, war schon lange vorher bereit, und wollte zur bestimmten Stunde an den Versammlungsort eilen; da sagte mir meine Hausfrau, es sei noch lange Zeit, denn Herr v. H. sitze noch beim Speisen. — Kurz: aus zwei Uhr ward es drei Uhr, und auch da saßen wir noch ein Viertelstündchen zu Pferde, bis sich der Zug in Bewegung setzte. — O syrische Eile und Pünktlichkeit! Dich begrüßte ich auch hier, beinah am entgegengesetzten Ende der Welt.

Die Gesellschaft bestand aus dem hier anwesenden Adel, und aus den Honoratioren. — Zu Ersterem gehörten der Stiftsamtmann v. H. sammt Gemahlin, ein Kammerherr H. v. B. der von Kopenhagen herüber gesandt worden war, um dem Althing (politischen Verhandlungen) beizuwohnen, und ein dänischer Baron, der den Kammerherrn begleitet hatte. — Zu den Honoratioren gehörten die Gemahlin des Apothekers, und die Töchter einiger hier ansässigen Kaufleute. — Ein Diener schloß den Zug.

Der Weg führte über Lavafelder, Sümpfe und höchst dürftige Grasstellen, in einem großen öden Thale fort, das von sanften Hügeln durchzogen war. Von drei Seiten war dieß Thal von Bergen umkränzt, die, in mehreren Reihen aufgethürmt, in den mannigfaltigsten Formen in die Lüfte stiegen. Einige Jokuln (Gletscher) erhoben in noch weiterer Ferne ihre Häupter, und sahen mit stolzer Miene auf diese Vorgebirge, und schienen sie zu fragen: „was wollt denn ihr die Aufmerksamkeit auf euch ziehen, wo wir in unserm Silberschmucke prangen?" — — Schön waren die Gletscher noch in dieser Jahreszeit; denn Schnee deckte nicht nur die Höhen, er deckte sie so tief herab, als sie unsern Blicken blosgestellt waren. — Die vierte Seite des Thales war von der See umgeben, die in unendlicher Ferne mit dem Himmel verschwamm. Viele Buchten schnitten in das Land, die dann eben so viele Seen zu bilden schienen.

Der Pfad war gut, so daß wir größtentheils schnell reiten konnten, und höchst selten trafen wir auf kleine Stellen, wo das isländische Pferd seine Geschicklichkeit und seinen Scharfsinn erproben konnte. Mein Pferd war fromm und gut; es trug mich vollkommen sicher über Steingerölle und Felsenrisse; was ich aber durch seinen Trapp litt, ist nicht zu beschreiben. — Man sagt, für Leberkranke sei das Reiten sehr zweckmässig. Es ist möglich, aber auf solch einem Edel-Pferde, und noch dazu auf einem isländischen Frauensattel durch vier Wochen denselben Ritt zu machen, und ich glaube ganz gewiß, man hätte keine Leber mehr; — sie müßte zu Brei zusammengerüttelt worden sein.

Die ganze Gesellschaft hatte gute englische Sättel, nur der meinige war ein vaterländisches Product. Er war wie ein Stuhl mit einer Lehne; man mußte nach der Quer auf dem Pferde sitzen , und hatte gar keine feste Haltung; nur mit vieler Mühe trottete ich den Andern nach, denn in Galopp war mein Pferd durchaus nicht zu bringen.

Endlich nach ein einer halben Stunde kamen wir in ein Thal. — Da lag in der Mitte einer ziemlich frischen Wiese ein für Island recht ansehnlicher Bauernhof, [So viel, als in unserm Lande ein Pacht - oder Freihof.] und unweit davon ein ganz kleiner See. Ich wagte nicht zu fragen, ob dieß der große See Vatne, und ob dieß die herrliche Gegend sei? Man hätte wahrscheinlich meine Frage für Ironie gehalten. —

Um so mehr erstaunte ich, als Herr v. H. diese Landschaft für herrlich, den Anblick des Sees für hinreissend erklärte. — Ganz begeistert stimmte ich bei, noch nie eine schönere Gegend, noch nie einen grösseren See gesehen zu haben.

Hier wurde nun Halt gemacht, und bald lagerte sich die Gesellschaft auf die Wiese. Während nun Anstalten zu einem frölichen Mahle getroffen wurden, begann ich meine Wißbegierde zu befriedigen.

Vor Allem fesselte das Bauernhaus meine Aufmerksamkeit. — Ich fand darin eine große und zwei kleine Stuben, eine Vorrathskammer, und ausgedehnte Stallungen, von welchen man auf den bedeutenden Viehstand des Eigners schließen konnte. Ich erfuhr später, daß dieser fünfzig Schafe, acht Kühe und fünf Pferde besaß, und für einen der wohlhabendsten Besitzer in der ganzen Umgebung gehalten wurde. Die Küche befand sich ganz am Ende des Gebäudes, der Schornstein in derselben schien aber nur ein Schutzmittel gegen Regen und Schnee zu sein, denn der Rauch verbreitete sich in der ganzen Küche, räucherte die aufgehangenen Fische, und stieg nur theilweise und äußerst langsam dem Luftloche zu.

n dem großen Gemache stand eine hölzerne Bücherstelle, die bei vierzig Bücher enthielt. Ich blätterte sie durch, und brachte, trotz meiner geringen Kenntniß der dänischen Sprache, doch so viel heraus, daß sie größtentheils religiösen Inhaltes waren. — Doch auch Gedichte schien der Bauer zu schätzen; ich las die Namen Kleist, Müller und selbst Homers Odyssee. — Von den isländischen Büchern verstand ich nichts; als ich mich aber nach dem Inhalte derselben erkundigte, sagte man mir, daß sie Alle von religiösen Gegenständen handelten.

Nach dieser Musterung ging ich auf die Wiese, um Blumen und Kräuter zu suchen; von ersteren fand ich in dieser Jahreszeit noch Unbedeutendes, von letzteren etwas mehr, und sogar einigen wilden Klee. — Schmetterlinge oder Käfer sah ich keine, hörte aber zu meiner nicht geringen Verwunderung zwei wilde Bienen summen, und war auch so glücklich eine davon zu erhaschen, die ich mit nach Hause nahm, und in Spiritus setzte.

Nun kehrte ich wieder zu meiner Gesellschaft zurück, die noch immer wohlgemuth auf der Wiese um einen Tisch lagerte, der mittlerweile reichlich mit Butter, Käse, Brod, Kuchen, Lammsbraten, Rosinen, Mandeln, einigen Orangen und Wein besetzt war. — Stühle oder Bänke waren keine vorhanden, denn selbst wohlhabende Bauern besitzen höchstens in ihren Zimmern an Ort und Stelle festgenagelte Bänke; — wir saßen alle auf dem Rasen, und sprachen dem köstlichen Kaffee, der das Mahl eröffnete, tüchtig zu. — Fröhlichkeit und Scherz herrschten dabei in solchem Maße, daß ich unter lebhafte Italiener und nicht unter kalte Nordländer gerathen zu sein dachte. —

Auch Witz mangelte nicht; nur war dießmal ich Unglückliche die Zielscheibe desselben. — Und was war Schuld daran? — Meine alberne Bescheidenheit. Das Gespräch wurde dänisch geführt; — einige Mitglieder der Gesellschaft sprachen zwar deutsch oder französisch, allein ich benützte absichtlich ihre Sprachkenntnisse nicht, um sie ihren heitern Gesprächen nicht zu entziehen. Still und ruhig saß ich in ihrer Mitte, und fand reichlichen Ersatz an ihrer Munterkeit. Doch dieß Benehmen wurde wohl als Albernheit gedeutet, denn bald entnahm ich ihren Reden, daß sie mich mit dem steinernen Gaste aus Mozarts „Don Juan", verglichen, — Hätten die guten Leute die wahre Ursache meines Schweigens geahndet, würden sie mir gewiß nur Dank dafür gezollt haben.

Während wir bei unserm Mahle sassen, vernahm ich vom Bauernhause her, einen isländischen Gesang. — Er glich in der Ferne dem Gesumme einiger Bienen; in der Nähe klang er eintönig, schleppend und melancholisch.

Als wir uns zum Abschiede anschickten, reichte der Bauer, sein Weib und seine Knechte Jedem von uns die Hand. Dieß ist der übliche Gruß gegen so hohe Personen, wie wir in unserer Gesellschaft zählten, Der ganz eigenthümliche Gruß besteht in einem recht herzhaften Kusse. —

Zu Hause angekommen fühlte ich die Wirkungen des starken Kaffee's; ich konnte nicht schlafen, und so hatte ich volle Zeit, genaue Bemerkungen über die Tageslänge und die Dämmerung anzustellen. — Bis eilf Uhr Nachts konnte ich in meinem Stübchen gewöhnlichen Druck lesen. — Von eilf bis ein Uhr dämmerte es, doch nie so stark, daß ich im Freien nicht hätte lesen können. Im Zimmer nahm ich auch den kleinsten Gegenstand, ja die Stunde auf meiner Taschenuhr wahr. Um ein Uhr konnte ich schon wieder im Zimmer lesen.

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke

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