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Prag

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erreichten wir Nachts um 11 Uhr.

Ich wollte schon nach zwei Tagen meine Reise fortsetzen, und mein erster Gang war am folgenden Morgen auf das Polizeiamt, um nebst dem Paß das viel wichtigere Dokument eines Passirscheines zu holen, — mein zweiter auf die Hauptmauth, um ein Kistchen in Empfang zu nehmen, das ich fünf Tage vor meiner Abreise aufgegeben hatte und nach des Spediteurs Zusicherung bei meiner Ankunft vorfinden würde. [Ich erzähle diese Kleinigkeit, um dadurch jeden Reisenden zu warnen, sich von seinen Effekten zu trennen.]

— Ach Herr Spediteur! das Kistchen war nicht da.

— Auf Samstag folgt Sonntag; Sonntags aber ist die Mauth geschlossen. — Ein Tag also war verloren, ein ganzer Tag, in dem man hätte nach Dresden fahren, und sogar noch die Oper besuchen können.

Aber Montag Früh eilte ich auf die Mauth, in banger Erwartung — das Kistchen war noch nicht da. Es standen jedoch mehrere beladene Wagen hier, auf deren einem es sich befinden konnte. — Ach, wie sehnte ich mich mein Theuerstes zu erblicken, um es, zwar nicht an's Herz zu drücken, wohl aber um es aufzuschließen, und — vor den Zollbeamten auszukramen. —

In Prag hielt ich nur schnelle Uebersicht, da ich schon vor mehreren Jahren Alles genau besehen hatte. Ich bewunderte den schönen Graben und Roßmarkt, und die breiten, mit netten Häusern eingefaßten Straßen der Neustadt. — Mit einem eigenen Gefühle betrat ich die alte Steinbrücke, von welcher der heilige Johann von Nepomuck in die Moldau gestürzt wurde, weil er das Sündenbekenntniß der Gemahlin des Königs Wenzel nicht veröffentlichen wollte. Am jenseitigen Ufer bestieg ich den Hradschin und besuchte den Dom, in welchem ein großer Sarkophag, von Engeln umgeben und getragen, und von einem Baldachin aus dunkelrothem Damast überwölbt, dem Andenken dieses Heiligen gewidmet ist. — Das Monument ist von Silber, und der Werth des dazu verwendeten Metalles allein wird auf 80,000 fl. geschätzt. Die Kirche selbst ist nicht groß, aber im edlen gothischen Style gehalten, gegen welchen leider die Nebenaltäre mit ihren zahllosen, hölzernen, vergoldeten Figuren und Verzierungen sehr kleinlich abstechen. — In den Seiten-Capellen sind viele Sarkophage, auf welchen Bischöfe und Ritter, in Stein gehauen, ruhen, aber so beschädigt sind, daß Hände und Füße, ja Manchem sogar der Kopf fehlt. — Rechts am Eingange der Kirche, ist die berühmte St. Wenzeslaus-Capelle, deren Wände mit Fresken, wovon Farben und Zeichnungen beinahe verschwunden, geschmückt, und mit kostbaren Steinen ausgelegt sind.

Unweit des Domes steht der ungemein fensterreiche Pallast des Grafen Czernin, er zählt nicht mehr und nicht weniger Fenster, als das Jahr Tage. Ich war in einem gewöhnlichen Jahre da, folglich sah ich 365; — wie es sich in einem Schaltjahre verhält, weiß ich nicht. — Die Aussicht auf dem Belvedere dieses Pallastes ist sehr lohnend. Man übersieht die Alt- und Neustadt, den schönen Strom mit seinen beiden Brücken (der antiken, ehrwürdigen Steinbrücke und der zierlich hängenden 600 Schritt langen Kettenbrücke) und die Hügel rings umher, besä't mit Gärten und niedlichen Landhäusern.

Die Gassen der Kleinseite sind nicht besonders schön, meist enge, krumm und hügelich; doch findet man auch hier manch merkwürdigen Pallast, worunter wohl jener des Wallenstein-Friedland den ersten Platz behaupten mag.

Nachdem ich noch die St. Nicolaus-Kirche, die sich durch die Höhe ihres Schiffes und die schön gewölbte Kuppel auszeichnet, besucht hatte, ging ich auf die Wimmerischen Anlagen, und auf die Bastei, die gewöhnlichen Versammlungsorte des Prager Publikums.

Von da aus sah ich die Verheerungen, die das Wasser kurz vor meiner Ankunft hier angerichtet hatte. — Die Moldau hatte ihre Ufer so ungestüm überstiegen, daß sie manch' Häuschen, ja unweit Prag ein ganzes Dörfchen in ihren Fluthen begraben und alle Häuser, die an ihren Ufern standen, mehr oder minder beschädiget hatte. Das Wasser war zwar schon gefallen, doch waren die Mauern der Häuser durch und durch naß, die Thüren fehlten, und aus den zerbrochenen Fenstern blickte Niemand nach den Vorübergehenden. Die Höhe des Wasserstandes betrug um zwei Schuh mehr als im Jahre 1784, wo die Moldau auch eine ungewöhnliche Höhe erreichte.

Von demselben Standpunkte aus übersah ich den großen, erst kürzlich angekauften Platz, welchen bald die Bahnhöfe der Wiener- und Dresdner-Eisenbahnen zieren werden. — Obwohl viele darauf stehende Häuser erst niedergerissen wurden, und von wenigen Bauten die Grundlagen angefangen waren, versicherte man mich doch, daß Alles binnen sechs Monaten beendet sein würde.

Noch muß ich einer Sache erwähnen, die mir auf meinen Morgenwanderungen auffiel, nämlich die seltsame Art und Weise, auf welche hier Milch, Gemüse und andere Lebensmittel zur Stadt gebracht werden. Ich glaubte mich nach Lapp- oder Grönland versetzt, als ich überall Karren begegnete, mit zwei drei bis vier Hunden bespannt; ein Paar derselben zieht in der Ebene drei Centner. Geht die Fahrt über einen Hügel, so hilft der Kutscher mit; außerdem sind sie sorgsame Wächter, und ich würde Niemanden rathen, einem solchen Karren nahe zu kommen, wenn er vor der Schänke steht, in welcher der Eigenthümer das so eben eingenommene Geld verzecht.

Prag verließ ich am 15. Morgens 5 Uhr und fuhr mit dem Postwagen drei Meilen, bis Obristwy an der Elbe wo ich mich auf dem Dampfboote „Bohemia", von 50 Pferdekraft, einem elenden alten Schiffe, dem Luxus und Pracht schon in der Jugend fremd waren, nach Dresden (22. M.) einschiffte. — Der Preis für diese kurze Fahrt von 8 bis 9 Stunden ist entsetzlich theuer; doch werden die übertrieben fordernden Unternehmer bald an den Reisenden durch eine Eisenbahn gerächt, auf der man diese Strecke mit viel weniger Zeit- und Geldaufwand wird zurücklegen können.

Aber anziehender ist jedenfalls die Fahrt auf dem Strome, da man theilweise an wunderschönen Partien, und endlich an jenen der sächsischen Schweiz vorüberschifft. — Anfänglich ist die Fahrt freilich nichts weniger als schön, rechts sieht man kahle Hügel und links große Ebenen, über die sich in diesem Frühjahre der Strom noch fessellos ergoß, die Bäume bis zu ihren Kronen, die Hütten bis zu ihren Dächern bedeckend. Hier übersah ich die Zerstörungen erst recht; viele Häuser waren durch die Gewalt der Fluthen gänzlich niedergerissen, die Saaten sammt dem Erdreiche weggeschwemmt, — — eine schauerliche Scene verschwand, um einer noch schauerlicheren Platz zu machen.

So ging es fort bis Melnick; da wurden die Hügel höher und zwischen den zahllosen Weingärten standen Gruppen von Häusern. Dem Städtchen gegenüber strömt die Moldau in die Elbe. — Links in weiter Ferne erblickt man den berühmten St. Georgsberg, von dem die Sage erzählt, daß von ihm aus, Czech Besitz von ganz Böhmen nahm.

Unterhalb des Städtchens Raudnitz werden die Hügel zu Bergen, und da viele Schwärmer nur jene Gegenden romantisch finden, wo die Berge mit halb verfallenen Burgen und Schlössern geschmückt sind, so hat die gute alte Zeit auch dafür Sorge getragen, und zwei schöne Ruinen, Hafenberg und Skalt, erfreuen das Auge solch empfindsamer Beobachter.

Bei Leitmeritz, einem Städtchen mit einem artigen Schlosse und einer Kirche sammt Kloster, strömt die Eger in die Elbe, auch verbindet da beide Ufer eine hochgewölbte hölzerne Brücke. — Unsere armen Matrosen hatten da viele Mühe mit dem Umlegen des Schornsteines und des Mastes.

Das ziemlich hübsche Dorf Groß-Czernoseck ist merkwürdig durch die großartigen, in Felsen gehauenen Keller. — Man kann mit einem Postzuge hineinfahren und ganz bequem darin umkehren. Die Fässer sind natürlich den Kellern angemessen, besonders die zwölf Apostel, von denen jeder 200 Eimer enthält. — Hier sollte doch füglich angehalten werden, um jedem tüchtigen Weinhelden das Vergnügen zu verschaffen, diese Palläste von Kellern zu beschauen, und den Aposteln eine Libation darzubringen, — doch das Schiff glitt vorüber, und man mußte sich an den Beschreibungen Jener laben, die in diesen Gegenden heimischer waren, und gewiß oft ganz begeistert jenen Tiefen entstiegen sind.

Die Fahrt wird nun immer reizender, — die Berge rücken näher und engen das Flußbett ein; romantische Felspartieen, deren Spitzen noch romantischere Ruinen krönen, thürmen sich dazwischen. Besonders schön ist die alte, ziemlich gut erhaltene Burg Schreckenstein, welche auf einem an der Elbe liegenden, schroff empor ragenden Felskogel erbaut ist, und den ganzen obern Raum deckt; — Schlangenpfade in Fels gehauen, führen hinauf.

Bei dem Städtchen Aussig sind die größten Stein- und Braunkohlen-Gruben von ganz Böhmen. — In der Nähe liegt auch ein kleines Felsgebiet Paschkal, auf welchem eine Weingattung wächst, die dem Champagner ähnlich sein soll.

Die Berge werden immer höher; über alle aber ragt der Gigant Jungfernsprung; und die Schönheit dieser Gegend wird nur durch die Lage des Städtchens und Schlosses Tetschen übertroffen. Das Schloß steht auf einem 20 bis 30 Fuß hohen Fels, der sich aus der Elbe zu erheben scheint. Er ist von Gewächshäusern und schönen Garten-Anlagen umgeben, die sich zu dem Städtchen hinabziehen, das an einem kleinen Hafen in einem blühenden Thale liegt. Letzteres ist von einer hohen Bergkette umschlossen, und scheint dadurch wie von der übrigen Welt ganz abgeschieden zu sein.

Das linke Ufer ist dermaßen von Felsen und Felswänden eingenommen, daß nur hie und da für einen einzelnen Bauerhof oder eine Hütte Raum bleibt. — Da sieht man plötzlich zwischen den hohen Felsen die Spitzen von Masten emporragen, eine Erscheinung die jedoch bald natürlich wird, da ein großer Einschnitt in eine der Felsenwände das schönste Wasserbecken bildet.

Und nun kamen wir nach Schandau, das nur aus einigen Häusern besteht, und der sächsische Grenzort ist. — Zollbeamte, von einer Grenze unzertrennlich, kamen nun auf unser Schiff und stöberten Alles durch. — Mein, in einem Kistchen verschlossener Daguerrotyp-Apparat schien ihnen verdächtig, auf meine Versicherung aber, daß ich ihn nur zu meinem eigenen Gebrauche mitführe, wurde ich sammt ihm recht artig entlassen.

Auf der weiteren Reise sieht man Felsen von oft merkwürdigen Formen, denen auch ihre Namen entsprechen; so heißt einer Zirkelstein, ein anderer Lilienstein u.s.w. Der Königsstein besteht aus zackichten Felsmassen, auf welchen die Festung gleichen Namens liegt, und als Gefängniß für schwere Verbrecher dient. An den Fuß dieser Felsmassen lehnt sich das Städtchen Königsstein. — Unweit davon sieht man an der rechten Seite einen ungeheuren Felsblock auf andern ruhend, der die höchst natürliche Gestalt eines Kopfes bildet. — Die ferneren Felspartieen heißen jene von Rathen, welche aber schon zur sächsischen Schweiz gezählt werden. — Die Basteien dieser Schweiz, an welchen man nun unmittelbar vorübersegelt, sind eine der wunderbarsten Uebereinanderhäufungen hoher und seltsam gestalteter Felsmassen. — Leider trieb uns der Dampf so schnell dahin, daß während wir auf die eine Seite blickten, uns auf der andern die reizendsten Bilder schon wieder entschwunden waren. Viel zu schnell kamen wir an dem Städtchen Pirna vorüber, das an den Ausläufern dieses Gebirgszuges liegt. Ueber alle Gebäude dieses Städtchens ragt das sehr antike Stadtthor hoch empor.

Noch sieht man das große Schloß Sonnenstein auf Felsen liegend, das jetzt als Narrenhaus dient.

Das Reizende und Schöne dieser Stromfahrt war nun vorüber, und kleinlich nimmt sich gegen diese großartige Natur, das königliche Lustschloß Pilnitz mit seinen zahllosen chinesischen Dachspitzchen aus. — Daran reiht sich eine Kette von Hügeln, bedeckt mit den Landsitzen der Städter, und rechts eine große Ebene an deren fernem Ende uns Sachsens Hauptstadt entgegen schimmerte. — Doch was ist jetzt Ferne? — Kaum hatten wir Zeit das Gepäck zu ordnen, und schon war, unfern der schönen Dresdner Brücke, der Anker ausgeworfen.

Auch diese Brücke ließ das tobende Element nicht unbeschädigt. Einer der mittleren Pfeiler gab nach, und das Kreuz und Schildhäuschen, die darauf standen, wurden in die Fluthen gestürzt. Anfänglich konnte sie noch befahren werden, erst später entdeckte man die große Beschädigung dieser Brücke, und das Fahren wurde auf viele Monate eingestellt.

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke

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