Читать книгу Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer - Страница 41

Ausflug nach Suez.

Оглавление

26. August 1842.

Mein ursprünglicher Plan war, höchstens acht Tage in Kairo zuzubringen, und dann wieder zurück nach Alexandrien zu gehen. Allein je mehr ich sah, desto mehr wurde meine Neugierde erregt, und es drängte mich immer weiter und weiter. Beinahe in allen Formen und Arten hatte ich nun das Reisen versucht, nur eine Excursion per Kameel blieb mir noch übrig. Ich erkundigte mich nach der Entfernung, nach der Sicherheit und den Kosten einer Reise nach Suez an dem rothen Meer. Die Entfernung betrug 36 Stunden, die Sicherheit verbürgte man mir, und die Kosten wurden auf 250 Piaster angeschlagen.

Ich miethete also zwei tüchtige Kameele, eines für mich, das andere für den Diener und den Kameeltreiber, und nahm nichts mit, als Brot, Datteln, ein Stückchen gebratenes Fleisch und hart gesottene Eier. Auf beiden Seiten des Kameeles wurden Schläuche mit Wasser gepackt, da wir uns für die Hin- und Rückreise damit versehen mußten.

Diese Partie macht man gewöhnlich, wenn man jeden Tag zwölf Stunden reitet, hin und zurück in sechs Tagen. Allein ich konnte erst am 26. August nach Tisch fort, und mußte, um das Dampfschiff nach Alexandrien nicht zu versäumen, längstens am 30. wieder in Kairo seyn, hatte also nur fünfthalb Tage Zeit, daher war diese Reise die anstrengendste, die ich je unternommen hatte.

Um 4 Uhr Nachmittags ritt ich vor das Stadtthor, wo die Kameele uns bereits erwarteten; wir bestiegen sie und traten unsere Reise an.

Die Wüste beginnt gleich außer dem Stadtthore, allein noch hat man zur Linken durch etwa anderthalb Stunden den Anblick des fruchtbarsten Landes, bis man endlich Stadt und Baum, und alles Grün hinter sich läßt, und auf allen Seiten von einem Sandmeere umgeben ist.

Die ersten vier, fünf Stunden gefiel mir diese Art des Reisens nicht übel. Ich hatte so viel Raum auf meinem Kameele, konnte mich bald vor, bald rückwärts setzen, hatte eine Flasche Wasser und Lebensmittel an meiner Seite, die Hitze war nicht mehr drückend, ich fühlte mich recht behaglich, und sah ordentlich stolz von meinem hohen Throne herab, auf alle vorüberziehenden Karavanen. Selbst die schaukelnde Bewegung des Kameeles, welche manchen Reisenden dieselben Übelkeiten und Erbrechen verursacht, wie auf dem Meere, schadete mir nichts. Aber nach mehreren Stunden fing ich an, das Unbequeme und höchst Beschwerliche einer solchen Reise zu fühlen. Das Schaukeln ward mir peinlich und ermüdend, da ich mich nirgends stützen oder anlehnen konnte. Das Bedürfniß des Schlafes gesellte sich auch dazu, und man kann sich vorstellen, welchen Strapazen ich mich unterzog. Allein ich wollte nach Suez, und wäre alles noch ärger gewesen, ich wäre dennoch nicht umgekehrt. Ich nahm alle meine Geduld zusammen und ritt unausgesetzt fünfzehn Stunden, von 4 Uhr Nachmittag bis 7 Uhr früh des andern Tages.

Wir kamen in der Nacht an vielen, theils gehenden theils ruhenden Kameelzügen, die oft hundert Stücke zählten, vorüber. Es stieß uns nicht die geringste Unannehmlichkeit zu, obwohl wir uns an keine Karavane schlossen und unsern Weg ganz allein verfolgten.

Von Kairo bis Suez sind von sechs zu sechs Stunden Wachtposten ausgestellt; bei jedem solchen Posten steht ein kleines Häuschen mit zwei Zimmerchen für Reisende. Diese Häuschen ließ ein englischer Wirth, der in Kairo etablirt ist, erbauen. Doch können da nur sehr reiche Reisende eintreten, denn Alles hat einen ungemessenen Preis. So z. B. zahlt man für ein Bett über Nacht 100 Piaster, für ein Hühnchen 20 Piaster, für eine Flasche Wasser 2 Piaster. Die meisten Reisenden kampiren vor dem Hause. Auch ich machte es so, und legte mich, während die Kameele ihr mageres Frühstück verzehrten, auf eine Stunde in den Sand. Meine Gesundheit und Körperkraft sind, Gott sei Dank, wirklich so vortrefflich, daß ich nur wenig Ruhe brauche, um neu gestärkt aufzustehen. Nach dieser Stunde der Erholung bestieg ich mein Kameel wieder und setzte meine Reise fort.

27. August 1842.

Man kann sich leicht einen Begriff machen von der Stille, Ruhe und Ausgestorbenheit der ganzen Natur, von der man hier umgeben ist. Das Meer, wo man doch nichts als Wasser um sich hat, bietet ungleich mehr Abwechslung und Leben. Schon das Rauschen und Durchgreifen der Räder, die heran nahenden Wogen das Aufhissen und Herablassen der Segel, das Gedränge und Leben auf dem Schiffe u.s.w. bringt doch immer wechselnde Bilder in das im Ganzen einförmige Leben. Selbst der Ritt durch Steinwüsten, wie ich deren doch mehrere in Syrien gemacht hatte, ist nicht so einförmig; man hört doch wenigstens den Tritt des Pferdes, den Laut manches rollenden Steines, und die Aufmerksamkeit des Reisenden wird wenigstens in so fern in Anspruch genommen, daß er jeden Schritt des Pferdes gehörig leiten muß, um den Gefahren des Stürzens zu entgehen. Doch nichts von all' dem findet man auf einer Reise in einer Sandwüste. Kein Vogel durchkreiset die Luft, kein Schmetterling erfreut unser Auge, kein Insekt, kein Wurm kriecht auf dem Boden, man sieht kein lebendes Geschöpf, als die kleinen Aasgeier auf den Kadavern der gefallenen Kameele. Selbst die Tritte der schwerfüßigen Kameele ersterben im tiefen Sande, und nie hört man etwas Anderes, als höchstens das Gebrüll dieser Thiere, welches sie gewöhnlich anstimmen, wenn sie der Führer zum Niederlegen zwingt, um sie ihrer Last zu entladen; diese Bewegung muß den armen Thieren vermuthlich wehe thun. Der Führer schlägt das Kameel auf die Knie und zieht es mit dem Strick, welcher um den Kopf befestiget ist, zu Boden. Bei dieser Operation muß man sich sehr fest halten, um nicht herabzustürzen, den plötzlich läßt sich das Thier auf die Vorderknie, dann auf die Hinterbeine und setzt sich endlich gänzlich auf den Boden. Wenn man auf dies Thier hinauf klettert, muß man ebenfalls Acht geben und sehr flink seyn, denn wie es nur merkt, daß man den Fuß auf seinen Hals setzt, will es auch schon aufspringen.

Wie gesagt, sieht man auf dieser Reise nichts, als viele und lange Züge von Kameelen, von denen Eines hinter dem Andern schreitet, und deren Treiber sich den Weg mit eintönigen, unharmonischen Liedern verkürzen. Überall liegen ganze oder halb aufgezehrte Kadaver dieser „Schiffe der Wüste" zerstreut umher, und Schakale oder Aasgeier nagen daran. Selbst noch lebende Kameele sieht man manchmal umher schwanken, die, zum Dienste schon unfähig, von ihren gefühllosen Herren dem Hungertode Preis gegeben werden. Wohl nie wird das Bild eines solchen armen Thieres aus meinem Gedächtnisse schwinden, das ich in der Wüste sich hinschleppen und ängstlich nach Nahrung und Wasser suchen sah. Wie grausam ist doch der Mensch! Könnte er den Leiden eines solchen Wesens nicht mit einem Messerstiche ein Ziel setzen?

Man sollte glauben, die Luft in der Nähe dieser gefallenen Thiere müsse verpestet seyn, allein dieß ist hier viel weniger der Fall, als in minder heißen Gegenden, da die Kadaver hier durch die reine Luft und den heißen Wind mehr austrocknen als verfaulen.

Auch unser Stück gebratenes Fleisch hatte selbst am fünften Tage noch keinen Geruch. Die hartgesottenen Eier, die mein Diener so ungeschickt eingepackt hatte, daß sie in der ersten Stunde gleich zerquetscht wurden, geriethen nicht in Fäulniß. Fleisch und Eier waren zusammengeschrumpft und ganz ausgetrocknet. Das Weißbrot war am dritten Tage hart wie Schiffszwieback, so daß wir es zerschlagen und in Wasser tauchen mußten. Unser Trinkwasser wurde täglich schlechter und von den ledernen Schläuchen, in welchen wir es bei uns führten, täglich übelriechender. Die armen Thiere bekamen bis Suez keinen Tropfen zu trinken; zur Nahrung gab man ihnen nur einmal des Tages eine Gattung schlechter Hülsenfrüchte.

Von 8 Uhr Morgens zogen wir wieder fort, bis ungefähr 5 Uhr Nachmittags. Eine Stunde früher erblickte ich auf einmal das rothe Meer und dessen Umgebung. Ich war über diesen Anblick sehr erfreut, denn in höchstens einer Stunde, schien es mir, könnten wir es erreichen, und da wäre denn die beschwerliche Reise nach Suez geendet. Ich rief meinen Diener, wies ihm das Meer, und äußerte meine Verwunderung, daß wir schon so schnell in die Nähe von Suez gekommen seyen. Er behauptete, dieß sei nicht das Meer, sondern eine Fata Morgana. Ich wollte ihm nicht glauben, weil ich es gar zu natürlich und zu nahe sah. Aber nach einer Stunde waren wir noch eben so weit davon entfernt, und endlich verschwand dieses Trugbild ganz und ich sah erst des folgenden Tages gegen 6 Uhr früh das wirkliche Meer, gerade so und mit denselben Umgebungen, wie ich es Abends zuvor gesehen hatte.

Um 5 Uhr Nachmittags machten wir endlich Halt. Ich legte mich beinahe ganz erschöpft auf den Sand, wo ich über drei Stunden herrlich schlief. Da weckte mich mein Diener und sagte, es sei eine Karavane vor uns, an welche wir uns anschließen müßten, da die noch folgende Wegesstrecke nicht so sicher sei, wie jene, die wir die vorige Nacht durchzogen hätten. Ich war gleich bereit, bestieg mein Kameel, und um 8 Uhr Abends ging es wieder weiter.

In kurzer Zeit hatten wir die Karavane eingeholt, und unsere Thiere wurden den vorangehenden angereiht, so daß jedes an seinen Vorgänger mit einem Stricke gebunden war. Es war schon ganz dunkel, und ich konnte von den Leuten, die vor mir auf einigen Kameelen saßen, nur so viel erkennen, daß es eine arabische Familie war. Sie reisten in Verschlagen, die gleich Hühnersteigen ungefähr 1½ Fuß hoch, 4 Fuß breit und eben so lang waren. In einem solchen Kasten saßen zwei, drei Menschen mit kreuzweis unterschlagenen Beinen. Manche hatten sogar ein leichtes Zelt über den Verschlag gespannt. Plötzlich rief eine Weiberstimme meinen Namen.

Ich stutzte und meinte nicht recht gehört zu haben, denn wer in der Welt sollte hier mit mir zusammentreffen, der noch dazu meinen Taufnamen wußte? Doch abermals rief es sehr verständlich „Ida! Ida!" Da kam ein Diener herbei und sagte mir, auf dem vordern Kameele säßen einige Araberinnen, welche mit mir die Reise auf der Nilbarke von Atfé nach Kairo gemacht hätten. Sie ließen mir sagen, sie seien jetzt auf dem Wege nach Mekka, und hätten eine große Freude mich nochmals zu sehen. Ich war wirklich äußerst überrascht, so fest im Gedächtniß dieser guten Menschen zu leben, daß sie sogar meinen Namen noch nicht vergessen hatten.

In dieser Nacht sah ich eine herrliche Naturerscheinung, die mich so überraschte, daß ich im ersten Augenblick unwillkührlich einen leisen Schrei ausstieß. Es mochte ungefähr gegen eilf Uhr gewesen seyn, da erhellte sich plötzlich links vor mir der Himmel, als ob Alles in Feuer stünde; eine große feurige Kugel durchfuhr mit Blitzesschnelle die Luft, senkte sich zur Erde, im selben Augenblicke erlosch das Leuchten der Atmosphäre und das vorige Nachtdunkel war wieder über die Gegend gebreitet. — Ich ritt heute abermals die ganze Nacht durch.

28. August 1842.

Um 6 Uhr Morgens erblickte ich das rothe Meer. Schon früher zeigt sich rechts die Gebirgskette des Mokkatam. Ungefähr anderthalb Stunden vor Suez kamen wir an einen Brunnen, der schlechtes, salzig schmeckendes Wasser enthält. Dessen ungeachtet ging es hier äußerst lebhaft zu. Die Leute lärmten und schrien, zankten und balgten sich; Kameele, Esel, Pferde und Menschen drängten und stürmten zu den Brunnen, und wer ein Bischen Wasser erobert hatte, fühlte sich überglücklich.

Gleich neben diesem Brunnen liegt eine Kaserne, an dem Brunnen selbst ist beständig Militär aufgestellt, um mit dem Stocke Frieden zu stiften.

Das Städtchen Suez sieht man von hier aus sehr deutlich am Meere ausgebreitet liegen. Die bedauernswürdigen Städter müssen ihren Wasserbedarf entweder hier, oder zwei Stunden unterhalb Suez an der Meeresküste holen lassen. Ersterer Transport geschieht durch Kameele, Pferde und Esel, letzterer zu Meer aus Booten und kleinen Schiffen.

Das Meer zeigt sich hier ziemlich schmal und eingerahmt in gelbbräunlichen Sand, dann gleich über der Meerenge selbst ist die Fortsetzung der großen lybischen Flugsandwüste. Der Gebirgszug des Mokkatam zieht auf der rechten Seite der Wüste von Kairo an das rothe Meer. Man verliert diese Kette ganz aus dem Gesichte, bis auf die letzten zehn, zwölf Stunden, bevor man Suez erreicht Dieses Gebirg ist nicht hoch und ganz kahl, ober dennoch ruht der Blick mit Vergnügen auf den verschiedenartigen Formen seiner Felsen.

Nachdem wir über eine Stunde am Brunnen geruht hatte, ohne für unsere armen Thiere Wasser erlangen zu können, beeilten wir uns, die Stadt zu erreichen. Um 9 Uhr früh befanden wir uns bereits in ihren Mauern. Über Stadt und Gegend ist nichts zu sagen, als daß beide einen höchst traurigen Anblick gewähren. Von einem Garten oder auch nur von einigen Bäumen ist nirgends etwas zu sehen.

Ich machte dem Herrn Konsul meine Aufwartung und stellte mich ihm als österreichische Unterthanin vor. Er war so gütig, mir in seinem Hause ein Zimmer anzuweisen, und ließ mich durchaus in keinem Gasthofe absteigen. Schade, daß ich nur durch einen Dragoman mit ihm sprechen konnte. Als geborner Grieche sprach er nur seine Muttersprache und arabisch. Er ist der reichste Kaufmann in Suez (man schätzt ihn auf 150,000 Collonati), was viel sagen will, und bekleidet die Stelle eines Konsuls von Oesterreich und Frankreich nur als Ehrenposten.

In dem Städtchen selbst ist gar nichts Merkwürdiges zu sehen. Am Meere zeigte man mir die Stelle, wo Moses die Israeliten hindurch führte. Das Zurücktreten des Meeres zur Ebbezeit ist hier so außerordentlich, daß ganze Inseln zum Vorschein kommen, und daß zu dieser Zeit auch heutigen Tages noch immer ganze Karavanen durchziehen, weil dann das Wasser den Kameelen nicht einmal bis an den Bauch reicht. Die Beduinen und Araber gehen sogar durch. Da es gerade Ebbezeit war, so ritt auch ich durch, um wenigstens sagen zu können: ich habe es den Israeliten gleich gethan. Am Ufer fand ich einige hübsche Muscheln, doch fischt man die wahren Schätze dieser Art erst einige Tagesreisen höher hinauf bei Ton. Von Perlmuttermuscheln sah ich ganze Ladungen transportiren.

Ich blieb bis vier Uhr Nachmittags in Suez, wo ich durch eine herrliche Mahlzeit und ziemlich gutes Wasser meine Kräfte wieder vollkommen hergestellt hatte. Der Konsul läßt den Bedarf des Trinkwassers sechs Stunden weit herbringen, denn alles nähere Wasser schmeckt salzig. Er war so gütig, mir eine Flasche Wasser mit auf dem Weg zu geben. Im Gasthofe zu Suez kostet eine Flasche Wasser zwei Piaster.

Die erste Nacht meiner Rückreise brachte ich theils in einem Beduinen-Lager, theils auf dem Wege in Gesellschaft der einen oder andern Karavane zu. Die Beduinen lernte ich als gute, gefällige Menschen kennen, ich konnte mich ungestört hinbegeben wo ich wollte, und wurde von ihnen nie im Geringsten beleidigt. Im Gegentheile brachten sie mir, als ich mich in ihrem Lager befand, eine Kiste und eine Strohmatte, um mir einen guten Sitz zu bereiten.

Die Rückreise war eben so einförmig, langweilig und ermüdend wie die Hinreise, mit dem einzigen Unterschiede, daß ich am letzten Tage noch einen Zank mit meinen Leuten hatte. Ich war nämlich durch einen sehr anhaltenden Ritt äußerst ermüdet und befahl meinem Diener die Kameele einzuhalten, weil ich einige Stunden schlafen wolle. Allein der Spitzbube wollte nicht gehorchen und gab vor, die Gegend sei unsicher, und wir müßten trachten, eine Karavane zu erreichen. Dieß war jedoch nichts als eine Ausrede, um so schnell als möglich nach Hause zu kommen. Ich ließ mich aber nicht abschrecken, und bestand auf meinem Begehren. Ich gab vor, mich neuerdings beim Konsul in Suez wegen der Sicherheit erkundigt und erfahren zu haben, daß durchaus nichts zu fürchten wäre. Dessen ungeachtet gehorchten sie nicht und zogen fort. Nun wurde ich böse und befahl dem Diener abermals, mein Kameel stehen zu lassen, indem ich fest entschlossen sei, keinen Schritt weiter zu gehen.

Kameele und Leute, sagte ich ihm, hätte ich gemiethet, folglich hätte ich auch zu befehlen; wolle er nicht gehorchen, so möge er nur sammt dem Kameeltreiber weiter ziehen. Ich würde mich dann an die erste Karavane, die käme, anschließen, und ihn, sollte mich die Klage noch so hoch kommen, schon vor Gericht zu finden wissen. Der Kerl ließ nun mein Kameel stehen und zog mit den Andern und mit dem Treiber fort. Vermuthlich dachte er, mich auf diese Art zu schrecken, so, daß ich ihm gleich folgen würden; — aber da irrte er sich; — ich blieb fest auf meinem Platze stehen, und so oft er sich umsah, winkte ich ihm, nur fort zu gehen, ich würde da bleiben. Da er nun meine Unerschrockenheit und Festigkeit sah, kehrte er um, kam zu mir, ließ mein Kameel niederknien, half mir herab und bereitete mir auf dem Sande ein Plätzchen, wo ich bei fünf Stunden unvergleichlich schlief. Dann ließ ich zusammenbacken, stieg wieder auf und zog fort.

Durch dieß Benehmen schreckte ich die Kerls so, daß sie mich stets nach einem Ritte von mehreren Stunden fragten, ob ich rasten wolle oder nicht. Der Kameeltreiber wagte es nicht einmal bei der Ankunft in Kairo, um den gewöhnlichen Backschisch zu bitten, und der Diener bat um Verzeihung und zugleich, daß ich dem Herrn Konsul nichts von diesem Auftritte sagen möchte.

Die größte Hitze auf dieser Reise betrug 43 Grad R., und wenn kein Luftzug ging, war es so glühend heiß, daß man zu ersticken fürchten mußte.

Die Reise von Kairo nach Suez kann man auch zu Wagen, und zwar in zwanzig Stunden machen. Der englische Wirth, welcher in Kairo etablirt ist, ließ eigens zu dieser Reise einen äußerst leichten viersitzigen Wagen bauen, welcher von vier Pferden gezogen wird. Ein Platz darin kostet aber fünf Pfund Sterling für die Hinreise, und eben so viel für die Rückkehr.

Den folgenden Tag fuhr ich wieder wie früher auf einer arabischen Barke nach Alexandrien.

Vor meiner Abreise hatte ich noch einen tüchtigen Streit mit meinem gewöhnlichen Eseltreiber. Diese, wie überhaupt alle Fellahs, betrügen und übervortheilen die Fremden, wo sie nur können, besonders aber mit dem Gelde. Da haben sie meistens falsche Münzen bei sich, welche sie im Augenblicke der Bezahlung geschickt wie ein Taschenspieler umtauschen. So machte es mein Eseltreiber, als ich zur Barke ritt, ebenfalls; weil er nun wohl wußte, daß ich seiner nicht mehr bedürfe, wollte er mich zu guter Letzt noch prellen. Dieser Betrug ärgerte mich dermaßen, daß ich, obwohl ganz allein unter diesem Volke, mich doch nicht enthalten konnte, ihm mit der Reitgerte, die ich noch in der Hand hielt, ernstlich zu drohen. Dieß wirkte, er trat seinen Rückzug an, und ich hatte meinen Prozeß gewonnen.

Man würde sich sehr irren, wenn man dächte, ich theile dergleichen Begebenheiten mit, um etwa mit meinem Muthe zu prahlen. Ich glaube, wer es weiß, daß ich die mühevolle Reise allein unternahm, der wird mich schwerlich unter die Furchtsamen zählen. Man möge aus solchen kleinen Erlebnissen nur entnehmen, wie man mit diesen Leuten umgehen muß. Nur durch festen Willen kann man ihnen imponiren, und ich bin überzeugt, sie fanden dieß Benehmen an einer Frau so außerordentlich, daß sie sich dadurch nur um so mehr einschüchtern ließen.

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke

Подняться наверх