Читать книгу Kalter Zorn - Ilja Albrecht - Страница 10
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ОглавлениеDer Übungsplatz liegt im Morgendunst. Der Wind zerrt an den Bäumen um sie herum und doch ist kein Geräusch zu hören in der Sandmulde, in der sie liegen und auf ihren Einsatz warten. Die Stille ist allgegenwärtig. Vom feindlichen Team ist nichts zu sehen. Kiran beobachtet das Gelände vor sich und muss die Augen im grellen Morgenlicht zusammenkneifen, um überhaupt etwas sehen zu können. Ein Stoß von der Seite lässt ihn herum fahren. Er blickt in das Gesicht von Dave Morrison. Der schreit ihm etwas zu, er sieht den Mund Worte formen. Dave stößt ihn noch einmal an, dann springen sie auf und rennen los.
Kiran sieht die Zielattrappen vor sich und will schneller rennen, aber der Sand unter ihnen macht jede Bewegung zu einer Qual. Sie sind die ganze Nacht gelaufen. Seine Beine sind schwer, der weiche Boden scheint jeden Schritt aufzusaugen.
Die Pistole liegt unförmig in seiner Hand. Heute ist sie scharf geladen. Er mag nicht daran denken, dass sei ne Waffe kein Übungsgerät mehr ist. Jetzt kann sie töten. Ein sonderbares Gefühl, schwerelos und erdrückend zu gleich.
Ein stechender Schmerz fährt durch seinen Oberschenkel. Im Laufen blickt er an sich hinunter und sieht rosa Flecken auf seinem Kampfanzug. Ein weiterer Stich am Arm. Sie sind umzingelt. Dave neben ihm schreit wieder etwas und sackt zusammen.
Kiran hält inne und beugt sich über Dave. Dessen Schutzbrille ist verrutscht, die Augen feuerrot. Er wälzt sich am Boden, streckt die Hände nach Kiran aus und scheint vor maßloser Wut zu brüllen. Rauschen, noch immer ist nichts zu hören. Kiran versucht, die Farbe aus Daves Augen zu bekommen, aber seine Hände und sein Anzug sind voller Sand. Dave schlägt wild um sich.
Aus den Augenwinkeln sieht Kiran eine Bewegung. Das andere Team greift an. Er fährt herum, will etwas rufen aber es kommt kein Ton aus seiner Kehle. Er be kommt einen Schlag ans Kinn. Dave ist aufgesprungen und in die falsche Richtung losgelaufen, direkt auf das Team zu, das nur mit Farbmunition bewaffnet ist. Kiran rappelt sich hoch und will ihm folgen, aber sein Partner ist viel zu schnell. Er stolpert, taumelt durch den Sand.
Dave rennt mit gezogener Waffe auf das andere Team zu, Farbkugeln kommen von allen Seiten und zerplatzen auf seinem Körper. Im nächsten Moment speit sein Revolver Feuer. Alles verlangsamt sich vor Kiran. Der Kopf eines Gegners verwandelt sich in eine blutrote Masse, ein Sekundenbruchteil später wird ein weiterer zerfetzt. Die anderen versuchen davonzurennen. Dave bleibt stehen und legt auf den nächsten Gegner an.
Auf einmal geht alles sehr schnell. Kiran hat seine eigene Waffe gezogen. Er legt an, schießt und trifft seinen Partner ins Bein. Dave hält inne und dreht sich schmerz verkrümmt um. In seinen Augen mischen sich irrsinnige Wut und Fassungslosigkeit.
Dann hebt er seine Waffe und zielt.
Kiran sieht die Mündung auf sich gerichtet. Er denkt nicht. Er reagiert, wie er es tausende Male geübt hat. Die Schüsse fallen aus einer einzigen fließenden Bewegung. Sein Arm scheint sich zu verlängern und seinen Partner direkt zu berühren. Kiran sieht die Kugeln ein schlagen, mitten in die Stirn. Vor seinen Augen verwandelt sich Dave in einen Toten. Er fällt mit dem Gesicht voraus in den Sand...
Kiran erwachte schweißgebadet. In ihm pulsierte das Adrenalin des Albtraums. Die Orientierungslosigkeit dauerte an. Nach einer Ewigkeit begann sich die Realität wieder einzustellen, quälend langsam. Er erkannte die Konturen des Frachtraums, in dem er saß. Die Motoren dröhnten in seinen Ohren, während seine Gedanken rasten. Er versuchte, ruhig zu atmen.
Schließlich stand er auf und tapste blind um die Ecke, um sich zu erleichtern. Toiletten gab es in Militärflugzeugen keine. Vielleicht würde ein Schluck Tee helfen. Schlafen würde er nicht mehr. Wie immer, wenn er diesen Traum gehabt hatte.