Читать книгу Urlaub mit Herz und Handschellen - Ilona Hoffmann - Страница 12

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Robert stand am Fenster und stierte mit blutiger Nase auf die Skyline von Berlin. Seine Wut auf Marco war grenzenlos. Er hatte sich wie ein Schuljunge von ihm nieder schlagen lassen. Und das Schlimmste: Marco hatte den Stick. Das Taschentuch, das er sich unter die Nase hielt war schon blutdurchtränkt. Die geheimnisvolle Person stand noch immer im Halbdunkeln hinter der Bar und schaute zu ihm rüber. Bevor Marco ins Büro stürzte, konnte sie gerade noch hinter der Bar in Deckung gehen. Nicht auszudenken, wenn er sie bei Robert erwischt hätte.

Nachdem Marco fluchtartig das Büro verlassen hatte, war Conny ihm gefolgt, doch Marcos schnellen Schritten hatte sie nicht folgen können. Robert hatte geistesgegenwärtig die Tür abgeschlossen.

„Marco hat dich ganz schön ausgetrickst. Die Szene war ja schon fast filmreif.“

Dunkel und rau klang die Stimme des Unbekannten.

Mit einem Schluck kippte es seinen Cognac runter. Geschmeidig wie eine Raubkatze glitt das Phantom vom Barhocker trat hinter Robert und flüsterte ihm höhnisch ins Ohr:

„Du hast versagt, Robert. Er hat den Stick und wird uns fertig machen, wenn du nicht etwas unternimmst.“

Robert drehte sich blitzschnell um und fasste seinen Komplizen fest am Arm. Fast berührten sich ihre Gesichter.

„Sag nie wieder, dass ich ein Versager bin, nie wieder. Sonst wirst du es bitter bereuen.“

Seine Stimme klang gefährlich leise. Der Unbekannte entwand sich ihm mit einem kurzen Ruck.

„Und was wirst du nun unternehmen?“ lenkte es das Gespräch in eine andere Richtung.

„Wir holen uns den Stick zurück, ganz einfach. Aber zuerst müssen wir heraus finden, wo Marco sich aufhält. Nach Hause wird er wohl nicht gegangen sein. Ich denke, sein Bruder Tobias könnte uns da weiter helfen.“

Robert grinst hämisch, war sehr zufrieden mit sich und schenkte sich nun auch einen Cognac ein und stürzte ihn in einem Zug runter. Seine Augen funkelten gefährlich und seine Nasenflügel bebten.

„Und dann werden wir eine Privatdetektei einschalten, die uns den Stick zurück bringt.“

Er schaute ins Halbdunkel der Bar rüber und lächelte triumphierend.


*



Das heruntergekommene Haus im Berliner Nikolaiviertel, direkt an der Spree gelegen, hatte schon schönere Tage gesehen. Der Putz blätterte von der Fassade und das Treppenhaus war zugestellt mit Kinderwagen, Fahrrädern und um her liegenden Prospekten.“ Berger u. Berger: Privatdetektive“ prangte sauber und stolz rechts neben einer Reihe von Klingelknöpfen. Wenn man von der schäbigen Gegend absah, sollte man doch meinen, das es regen Anklang fand. Dieser Umstand strafte jedoch Lügen, wenn man bedachte, das seit einem Jahr niemand die Dienste von „Berger u. Berger“ in Anspruch genommen hatte. Wollte man ehrlich sein, so konnten die beiden noch nie einen richtigen Fall bearbeiten, denn dazu mangelte es einfach an Auftraggeber.

Um das Kind beim Namen zu nennen, hinter “Berger & Berger“ verbarg sich Kalle und Kudde. Zwei verkrachte Existenzen, Mitte dreißig, die sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielten. Beide stammten aus Hamburg und hatten sich vor zwanzig Jahren in Berlin niedergelassen. Kalle, der Chef, hatte einige Jahre bei der Bundeswehr gedient und war seitdem der Meinung das die zivile Bevölkerung ein Anrecht auf seine erlernten Fähigkeiten hatte. Dass er nach der Grundausbildung Handlanger im Fuhrpark der Bundeswehr war, verschwieg er vorsorglich. Jedoch erwies es sich als sehr nützlich, dass er einfache Reparaturen an seinem alten VW Bus Baujahr ´74 durchführen konnte. Er war ein großer Fan von James Bond und einige Kampftechniken hatte er sich selbst beigebracht. Seinen Freund Kudde, hatte er vor sechs Jahren während eines Gefängnisaufenthalts kennen gelernt. Kalle war der einzigste gewesen, der Kudde nicht wegen seines Sprachfehlers gehänselt hatte. Wenn er erregt oder verärgert war, fing Kudde an zu Stottern. In der Gefängnisküche hatte Kudde seine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt. Nach seiner Entlassung hatte er dieses Talent durch Kurse und Kochsendungen verfeinert. Wann immer sich die Gelegenheit bot, zauberte er selbst aus einfachen Zutaten ein exquisites Menü. Als Kalle ihm von seinen Zukunftsplänen, eine Detektei zu eröffnen, erzählte, war er sofort begeistert und seitdem warteten sie auf ihren ersten größeren Auftrag. Kalle saß gelangweilt in seinem Bürostuhl und spielte Solitaire am Computer. Schnell und zügig schob er die Karten über den Bildschirm. Kudde aß genüsslich die Reste einer Pizza vom Vorabend. Wieder einmal hatten sie ihren Job verloren. Kisten schleppen war auch nicht eine ausfüllende Arbeit für zwei Detektive, entschuldigte Kalle ihren Rausschmiss. Penetrant laut klingelte es plötzlich an der Tür. Beide zuckten zusammen, da dieses Geräusch in ihrem Büro selten war. Sie schauten sich überrascht an.

„Nun mach schon auf.“ herrschte Kalle Kudde an.

Er würgte noch den letzten Bissen Pizza hinunter und öffnete die Tür. Mit schwingenden Hüften stolzierte Stina an Kudde vorbei. Dieser folgte ihr, sein Blick festgeheftet auf Stinas enganliegender Jeans. „Mensch Kalle, du meldest dich überhaupt nicht mehr.

Du wolltest doch gestern Abend in den Keller kommen. Wo warst du?“ maulte sie.

Seit Jahren schon bediente sie im Keller, eine rauchgeschwängerte Kneipe, nur ein paar Straßen entfernt von Kalles Büro. Sie setzte sich auf Kalles Schreibtisch und sah ihn mit schmachtenden Blick an. Sie war ein hübsches Persönchen, etwas oberflächlich, aber keck in ihrer Art. Sie war eine waschechte Berlinerin und hatte das Herz auf dem rechten Fleck.

„Stina, Mäuschen, wir sind ein Detektivbüro und arbeiten Tag und Nacht. Gestern

Abend haben wir observiert, das ist harte Arbeit.“

Kalle tätschelte Stinas Wangen und gab ihr einen Kuss auf ihren Schmollmund. Solche kleinen Notlügen waren für Kalle ganz normal. In Wirklichkeit waren er und sein Freund Kudde mal wieder im Hinterzimmer dubioser Pokerspieler gewesen. Nicht sehr erfolgreich, wie er im Stillen zugeben musste. Stina brauchte das nicht zu wissen, sie regte sich immer so schnell auf.

„Ja, das ist wirklich harte Arbeit.“ meldete sich jetzt auch Kudde.

Er saß auf der Couch und stocherte mit einem Zahnstocher in seinen Zähnen herum.

„Du sollst mir nicht immer alles nachquatschen.“ tadelte Kalle ihn.

Kudde senkte die Augen und war gekränkt. Im gleichen Augenblick klingelte das Telefon. Alle drei schauten sich abwechselnd an und starrten dann gebannt auf den Apparat. Kudde erwachte zuerst aus der Erstarrung.“

Es klingelt, Chef.“ stellte er trocken fest.

„Wäre mir jetzt nicht aufgefallen.“ gab Kalle ironisch zurück.

„Stina, komm geh du ran und melde dich mit Berger und Berger, tu einfach so als wärst du unsere Sekretärin. Komm mach schon.“

Kalle wirkte nervös. Stina zog eine Augenbraue hoch, ließ lässig die Beine baumeln, nahm den Hörer ab und meldete sich mit zuckersüßer Stimme:

„Berger und Berger, einen schönen guten Tag, was kann ich für sie tun?“

„Ja, ja guten Tag, Köhler mein Name von der Werbeagentur Cosmos, verbinden sie mich sofort mit einen der Herren Berger. Es eilt.“ bellte Robert ins Telefon.

Er hatte im Telefonbuch gleich die erstbeste Telefonnummer unter „Privatdetektive und Personenschutz“ angerufen. Stina schaute Kalle irritiert an.

„Einen Augenblick, bitte.“ flötete sie zurück.

Sie hielt den Hörer mit ihrer Hand zu und

berichtete Kalle wer da am Telefon war und was er wollte. Kalle konnte es kaum glauben. Nach einer Schrecksekunde hatte er sich wieder gefangen und riss Stina den Telefonhörer regelrecht aus der Hand.

„Ja, hier Berger, wie kann ich zu Diensten sein, Herr Köhler?“

Kalle war aufgestanden und wirkte jetzt richtig geschäftlich.

„Mir wurde etwas gestohlen und ich weiß auch von wem. Wären sie in der Lage es mir wieder zurück zu bringen?“

Robert wirkte nervös.

„Aber selbstverständlich, Herr Köhler, ich werde mich persönlich um ihre Angelegenheit kümmern, wenn es ihnen recht ist?“

Kalle überschlug sich fast in seiner Geschäftstüchtigkeit.

„Könnten sie in einer Stunde bei mir in der Firma sein?“ antwortete Robert sehr zufrieden.

Kalle konnte es kaum glauben.

„Selbstverständlich, Herr Köhler.“

Er ließ sich die Adresse geben und legte auf.

„Wir haben einen Auftrag.“

Kalle atmete mit Stolz geschwängerter Brust tief ein und genoss diesen für ihn historischen Moment. Zum ersten Mal seit die Firma „Berger und Berger“ existierte, brach ein regelrechter Tumult aus.

„Stina, Mäuschen, kannst du uns dein Auto leihen? Mit unserem alten VW Bus können wir unmöglich zu Herrn Köhler fahren, das verstehst du doch?“ schmeichelte Kalle.

„Nur, wenn ich mitfahren darf.“

Stina war vom Schreibtisch aufgesprungen und drängte sich aufreizend an Kalle. Dieser musste schweren Herzens nachgeben.

„Aber zu Herrn Köhler kann ich dich nicht mitnehmen, das verstehst du doch?“

Kalle strich sich seinen Anzug glatt, erfrischte sich an dem alten Waschbecken an der Wand und wirkte mit einem letzten Blick in den Spiegel, sehr zufrieden.

„Wir müssen noch schnell zu mir, ich muss mich umziehen.“ meldete sich nun Kudde.

„Ich gebe dir höchstens fünf Minuten.“

Kalle nahm seine Jacke vom Hacken und alle drei stürzten auf die Straße, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her.


Urlaub mit Herz und Handschellen

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