Читать книгу Der Zweck heiligt den Mord - Imre Szabo - Страница 4
Dienstag 16.11. 9:30 Uhr
ОглавлениеAlle Ergebnisse der Ermittlungen deuteten auf Selbstmord hin bis auf den Umstand, dass der Tote den weiten Weg bis zur Sauertalbrücke zu Fuß zurückgelegt haben soll. Aber das alleine war kein Grund, an der Selbstmordtheorie zu zweifeln. „Auch wenn’s unwahrscheinlich klingt, werden wir die Taxiunternehmen der Umgebung anrufen, ob es einen Fahrgast gab, der sich um die Zeit hat in Richtung Luxemburg fahren lassen. Wir werden auch die Luxemburger einbeziehen. Vielleicht hat ja jemand an der Raststätte an der Grenze etwas Ungewöhnliches gesehen. Noch Vorschläge oder Ideen, vielleicht ne Theorie, was passiert sein könnte? Aber keine psychologischen Abhandlungen ausm realitätsfernen Uni-Universum. Wenn dann muss es abgedeckt sein durch die Erkenntnisse, die uns vorliegen, also durch Fakten.“ Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl an seine Lieblingspraktikantin, der es immer wieder gefiel, sich mit ihrem Seminarwissen hier aufzuspielen. Aber sie schien verstanden zu haben und schluckte runter, was sie so gerne zum Besten gegeben hätte.
„Gut, dann alle an die Arbeit. Jeder weiß, was er zu tun hat. Wir treffen uns noch einmal hier nach der Mittagspause um auszuwerten, was es an neuen Erkenntnissen gibt. Vielleicht haben wir bis dahin ja auch was Neues von unserem Leichenfledderer.“ Hansen wollte nicht so lange warten, bis der Pathologe ihm einen Bericht rüberreichte. Er hatte das seltsame Gefühl, das Ergebnis seiner langjährigen Erfahrung war, dass die Sache doch nicht so eindeutig war, wie man den Eindruck gewinnen konnte.
„Was sagen Ihre Abstriche, Doc?“ polterte er ins Labor des Pathologen. „Gibt’s was Hilfreiches, das mir das Leben erleichtern und die Sache zu einem erfreulich schnellen Abschluss bringen könnte? Mein Urlaub steht vor der Tür und dahinter lauert meine Rente. Und bis dahin will ich die Sache aus der Welt haben. Will nicht noch in meiner freien Zeit daran denken. Mir reichen schon die Bilder, die mich nachts immer noch verfolgen, obwohl ich doch mittlerweile alles gesehen haben müsste, was das Kabinett des Grauens so alles anzubieten hat. Aber ich glaube, daran werde ich mich nie gewöhnen. Also, Doc, was können Sie mir sagen? Aber sagen Sie bloß nicht, dass Sie nichts sagen können. Meine Laune ist im Begriff, sich aufzuhellen. Schieben Sie mir keine Wolken davor, sonst können Sie sich gleich neben Ihren Kunden da legen.“
Doc mochte Hansen mit seiner leicht cholerischen Art und seiner drastischen Ausdrucksweise. Er brachte immer etwas Frische und Schwung in diese Totenhalle, Leben halt, auch wenn seine Art sicherlich nicht jedermanns Sache war und schon gar nichts für zart besaitete Gemüter. Doc grinste leicht zu Hansen Ausbrüchen und Wortwahl. „Viel ist ja nicht übrig von dem guten Mann. Geschätzte 50 Jahre, plus, minus 5 Jahre. Bis auf die Tatsache, dass er tot ist, war er anscheinend kerngesund. Knochen sind so ziemlich alle gebrochen, kein Wunder bei dieser Fallhöhe. Also schlechte Prognose für Sie und Ihre Ermittlungen, Hansen, bisher.“ Der Pathologe schien aber noch nicht fertig. Das klang mehr nach einer Pause als nach einem Schlusspunkt.
„Was mich aber stutzig machte, sind die Abschürfungen in den Handinnenflächen. Habe deshalb mal einige Proben genommen. Fanden sich Partikel von Lack drin. Passt nicht zum Selbstmord. Vielleicht hat er aber zu Hause Malerarbeiten gemacht. Könnte aber auch vom Metallgeländer der Brücke herrühren. Nehmen Sie mal Proben von dem Material der Brücke. Ich vergleiche das dann mit dem, was ich in der Handinnenfläche gefunden habe. Wir fanden auch Spuren von Beton in seiner Kleidung. Jedenfalls stammt es nicht vom Sturz. Wo ihr ihn gefunden habt, war kein Beton. Und dann haben wir noch Blut und Hautpartikel unter den Fingernägeln, die nicht von ihm selbst stammen. Vielleicht hatte er vorher eine körperliche Auseinandersetzung oder sehr wilden Sex gehabt. Aber egal was es von beiden war, die andere Person wird auf jeden Fall deutliche Kratzspuren aufweisen.“
Hansen telefonierte sofort. „Fahr mal einer von Euch raus an die Brücke und nehmt ne Probe vom Material der Brüstung. Was? Erzähl ich dir später. Und bring das Material gleich zum Doc ins Labor. Mach schnell. Habt ihr schon was rausgekriegt über den Toten? Gar nichts? Scheiße! Und auch bei den Taxis nichts? Habt Ihr die schon alle durch? Dann beeilt Euch mal! Lass das die Prinzessin machen. Die telefoniert doch so gerne. Aber sag ihr genau, was sie fragen muss. Das ist ne Intellektuelle. Die wissen nicht, worauf es ankommt im richtigen Leben.“ Hansen legte auf.