Читать книгу Der Zweck heiligt den Mord - Imre Szabo - Страница 9
Mittwoch 17.11. 2011 morgens
Оглавление„So, Chef, jetzt haben wir einen Namen zu unserm Hackfleisch“, polterte Melchisedech in Hansens Büro. So viel Schnelligkeit und Dynamik war sonst gar nicht seine Art. Aber vermutlich wollte er, dass Hansen rechtzeitig seinen verdienten Ruhestand antreten konnte.
„Wie heißt denn unser Kunde?“, kam es etwas müde zurück. „Wird Dir nichts sagen, Chef. Bentlin heißt er und ist – und nun halte Dich fest – ein höheres Tier bei der KLAR-Zeitung. Das heißt, dass du ihn dann eigentlich doch kennen müsstest. Du bist doch der einzige, der das Käseblatt liest, also der einzige bekennende KLAR-Leser. Das ist wie mit den Puffs. Da geht auch nie einer hin. Aber immer sind sie rammelvoll und die Zuhälter wissen nicht schnell genug an Nutten zu kommen.“
„Iss ja gut, Melchi“, kam es von Hansen genervt zurück. „Also Bentlin heißt unser Schmuckstück. Nie gehört. Aber weißt du, was das bedeutet, wenn der von der KLAR ist? Hast du eine Vorstellung davon? Das bedeutet, dass wir auf sehr dünnem Eis ermitteln. Ein falscher Schritt und wir brechen ein, zumal bei unserem Gewicht. Die werden höchst pingelig darauf achten, dass sie nicht mit der Geschichte in Verbindung gebracht werden. Egal, ob die was damit zu tun haben oder nicht. Die werden jeden unserer Schritte genau beobachten und einen Eimer Jauche über uns ausgießen, wenn die sich in irgendeiner Weise von uns angepisst fühlen. Wir müssen also sehr vorsichtig sein. Und wenn die in der Sache mit drinhängen, dann ist das Eis noch dünner. Ich kann mir das zwar nicht vorstellen, ist ja schließlich ein staatstragender Verein, also eine Stütze unserer demokratischen Ordnung, aber so richtig wissen tut man das ja nie. Also, höchste Vorsicht, Melchi! Oberster Porzellankisten-Alarm! Unseren Mordverdacht halten wir so lange wie möglich zurück. Setze dich mal gleich in Verbindung mit denen in Berlin und versuche herauszufinden, ob der Bentlin an einer Geschichte dran war, die ihn vielleicht den Hals gekostet haben könnte. Nein, lass, ich mach es selbst. Ich will sehen, wie die reagieren. Ich mach es selbst. Kümmere du dich um sein Umfeld, also Familie, Freunde, Geliebte, falls vorhanden. Wer bei der KLAR arbeitet hat bestimmt Feinde. Finde heraus, ob es da ganz konkrete Hinweise gibt. Also Vorfälle, wo derbe Drohungen ausgestoßen wurden, die wirklich ernst genommen werden müssen. Sachen, wo richtiger Schaden entstanden ist, und das bei Leuten, die keinen Spaß verstehen. Also nicht diese normale zahnlose Aufgeblasenheit und Empörung, sondern Kerle, wo man sich fürchten muss. Und dann, Melchi, ganz wichtig! Suche nach einer Möglichkeit, wie wir das Ding abwimmeln können. Du verstehst? Es jemand anderem aufs Auge drücken, irgend so einem Nassforschen, der noch nach oben will, irgendeinem Karrieregeilen. Sei dir nicht zu schade, die dämlichsten Argumente zu bringen. Ich habe keine Lust, kurz vor der Pension an so einem Kuckucksei mir einen Herzinfarkt zu holen. Und schon gar keine Lust habe ich darauf, die KLAR-Zeitung am Arsch zu haben. Mann, Mann, Mann, dass ich auf meine letzten Tage noch so tief in die Scheiße fassen musste. Die KLAR, das hat mir gerade noch gefehlt. Ich hoffe nur, dass die Geschichte mit dem Bentlin nichts mit denen zu tun hat. Dann aber gute Nacht, Marie. Dann werden die uns auf die Finger gucken und bei der kleinsten Kleinigkeit, die denen nicht passt, uns die Hölle heiß machen. Die treiben uns beim dünnsten Urinstrahl, den wir denen ans Bein pissen, durch all ihre Käseblätter, dass kein gutes Haar mehr an uns bleibt. Da redet nachher sogar dein Goldfisch kein Wort mehr mit dir. Ich hab da so ein ganz, ganz beschissenes Gefühl, so ein Reißen in den Därmen wie vor einer Magen-Darm-Grippe. Also, nimm dir, wen du kriegen kannst, und gehe Familienverhältnisse und Umfeld des Opfers durch. Und wenn dir einer blöd kommt, also einer von oben, über uns, gleich anbieten, die Kiste abzugeben an Leute, die von so etwas mehr verstehen als wir hier in unserer unbedarften Provinz. Bloß keinen falschen Ehrgeiz, Melchi, bloß keinen Ehrgeiz. Ehrgeiz kann wunde Finger bringen. Wäre doch schade bei deinen schönen Patschhändchen.“
Melchisedech wälzte sich durch die Tür von Hansens Büro, nicht sonderlich entschlossen und dienstbeflissen nach diesen Einlassungen seines Chefs. Alleine in seinem Büro schlug Hansen die Hände über seinem Kopf zusammen. Sein leerer Blick ruhte für einige Momente auf der grünen Gummimatte seiner Schreibtischplatte. Sein Atem sackte weg und seine Schultern brachen ein. „Herr im Himmel! War das nötig, mich so zu versuchen? Hab ich dir nicht immer schön gespendet bei der sonntäglichen Kollekte? War es Dir nicht genug, dass du mich nun so heimsuchst? Hätte ich dir meinen Erstgeborenen zum Opfer anbieten sollen oder wenigstens ihn ins Kloster schicken? Oh, Herr, deine Wege sind nicht nur manchmal unerforschlich, manchmal sind sie einfach auch ganz beschissen geteert. Darauf kann doch kein Schwein laufen.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf und griff müde zum Telefonhörer, um in Berlin anzurufen.