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1991 - Rabea Akbar – Blutige Rache
ОглавлениеAls es klingelte, öffnete der General selbst die Tür.
Seit dem Tod seiner Tochter Clara waren vier Wochen vergangen. Vier Wochen, ein Tag und zwei Stunden.
Sofort, nachdem er die Nachricht erhalten hatte, waren er und seine Frau in die Krankenstation der Kaserne geeilt, in die man Claras Leichnam gebracht hatte.
Er hatte einen letzten Blick auf seine Tochter geworfen, jedoch seine Frau davon abgehalten, es ihm gleich zu tun. Es war das schlimmste Weihnachten und der einsamste Jahreswechsel gewesen, den sie je erlebt hatten.
Yasin hatte er in all der Zeit nicht gesehen. Er war nicht einmal zur Beerdigung gekommen. Doch der General war sich nicht sicher, welche Sitten in seinem Stamm bezüglich Ehrung der Toten üblich waren und so versuchte er, es dem Jungen nicht übel zu nehmen.
Auch in der Kaserne hatte ihn seit dem Tag niemand mehr gesehen und seinen Job als Führer hatte er nicht mehr angetreten. Der zuständige Sergeant bedauerte es zwar, einen so guten Mann so plötzlich verloren zu haben, jedoch war er es von den Vorgängern gewohnt, schnell einen Ersatz finden zu müssen. Im Vergleich zu anderen Jobs bezahlte die Armee mittelmäßig bis gut und vor allem pünktlich und so waren die Jobs begehrt.
Jack hatte fast allen Bediensteten freigegeben, denn was seine Frau in ihrer tiefen Trauer brauchte, war Ruhe.
Und so kam nur mehrmals in der Woche die Haushälterin, die auch für sie kochte.
Julie saß manchmal vor sich hin starrend im Garten, wenn er sie dazu nötigte, an die frische Luft zu gehen. Sonst verließ sie ihr Zimmer nicht.
Ab und zu kam der Arzt vorbei, um nach ihr zu sehen, doch außer ihr ein Beruhigungsmittel zu verabreichen, konnte er nichts für sie tun.
Was den General am meisten beschäftigte, war, dass alle Recherchen nach den Hintermännern der Tat ins Leere verlaufen waren.
Das ging ihm durch den Kopf, als er die Tür aufzog.
Zu seinem Erstaunen stand Yasin vor ihm. Aber er erkannte ihn kaum wieder. Er musste sich seit Wochen nicht rasiert, geschweige denn gewaschen haben. Die Kleidung war zerlumpt und fleckig, die Haare struppig. Auch schien er nicht viel gegessen zu haben, denn er hatte Gewicht verloren, sodass seine Kleidung noch verwahrloster um seinen Körper hing.
Die Augen lagen tief in den Höhlen, hatten aber einen wachen, fast irren Glanz.
Trotzdem Yasins Erscheinen nach so vielen Wochen und in diesem Zustand mehr als eigenartig war, lies sich der General nichts anmerken und winkte ihn wortlos durch die Tür ins Innere.
Er war froh, dass sich seine Frau oben im Schlafzimmer hingelegt hatte. Dieser Auftritt wäre für ihre angespannten Nerven definitiv zu viel.
Kaum waren sie im Wohnzimmer angekommen, platzte es aus Yasin heraus. Er sprach dabei eine eigenartige Mischung aus Arabisch mit Englisch, die ebenfalls ein Anzeichen seines völlig verwirrten Geisteszustandes war.
Stammelnd flüsterte er heißer: „Ich habe sie gefunden – die Schweine! Wollten gerade eine neue Bombe bauen … das hab ich ihnen ausgeredet …“ er kicherte irre. „Ich habe sie alle getötet!“
Dann packte er plötzlich und mit unerwarteter Kraft den General von vorne am Hemd und zog ihn zu sich heran: „Verstehen Sie?! Ich habe sie gerächt!! Ich habe Clara gerächt!“
Jack packte seinerseits Yasins Hände und löste sie vorsichtig von seinem Hemd. Es drang langsam zu ihm durch, was das Gestammel bedeutete. Konnte das wirklich wahr sein?
Er wollte Yasin weiter befragen, doch ohne ein weiteres Wort zu sagen, sackte dieser bewusstlos in sich zusammen.