Читать книгу Und in fünf Jahren schreib ich Buchkritiken - Inga Lüders - Страница 8
LITERATURWISSENSCHAFT
ОглавлениеDer zweite große Bereich in der Germanistik ist die Wissenschaft von der deutschen Literatur. Hier geht es in allererster Linie um die Auseinandersetzung mit Büchern, Gedichten, Theaterstücken und vielem mehr. Auch in diesen Bereich hat man in der Schule schon reingeschnuppert, aber zum Glück erschöpft sich das Studium nicht in unserem Schulwissen.
Ein Trugschluss sollte gleich zu Beginn ausgeräumt werden. Literaturwissenschaft ist Wissenschaft und damit nicht das, was manche Leseratten erwarten mögen, wenn sie ihr Hobby zum Beruf machen wollen. Ab jetzt wird nicht mehr zum Spaß gelesen, sondern aus streng wissenschaftlichen Motiven. Dabei müssen wir methodisch und strukturiert arbeiten. Die Frage »Was will uns der Autor damit sagen?« kann man getrost vergessen, es geht nun um die theoretische, historische und poetologische Erschließung von Texten.
Was tut man also, wenn man Literaturwissenschaft betreibt? Vor allem interessieren der Prozess und das Produkt, also beispielsweise die Entstehung von Büchern und das Buch selbst. Literaturwissenschaft besteht also aus Literaturgeschichte und Edition, Literaturkritik und Kulturgeschichte, Literaturtheorie sowie aus der Analyse und Interpretation von Literatur. Nachdem wir fleißig Einführungsveranstaltungen zu allen Bereichen besucht haben, den Zusammenhang zwischen Novalis, der blauen Blume und der Romantik kennen und die Gattungen Prosa, Drama und Lyrik auseinanderhalten können, geht es los mit dem wilden Interpretieren und Analysieren. Von Gryphius bis Rothmann ist alles erlaubt, Hauptsache, es liegt irgendwo zwischen dem 16. Jahrhundert und der Neuzeit. Und hier können wir dann auch endlich wieder unser Schulwissen einsetzen: Gedichte werden auf Jambus und Trochäus geprüft, als Alexandriner oder Knittelvers klassifiziert, nach Ellipsen und Alliterationen abgesucht, Adressaten und Sprecher werden (wenn wir Glück haben) gefunden, die Entstehungszeit wird als Kontext herangezogen, der werkgeschichtliche Zusammenhang analysiert, Satzbau und Konnotationen unter die Lupe genommen und am Ende muss etwas herausgekommen sein, was objektiv nachvollziehbar ist – sonst ist es nicht wissenschaftlich und damit an der Uni fehl am Platz. Ähnlichem unterziehen wir Prosatexte, zum Beispiel Romane oder Novellen, von Grimmelshausen bis Felicitas Hoppe und Dramen, also Theaterstücke, von Gotthold Ephraim Lessing bis Heiner Müller.
Es drängt sich die Frage auf, warum wir uns und den Büchern so etwas antun. Reicht es denn nicht, dass ein Buch spannend ist, ein Gedicht schön und ein Theaterstück kurzweilig? Die Antwort ist wahrscheinlich, dass wir als Philologen Freude an der Vermittlung, der Sicherung und dem Verständnis von sprachlichen Zeugnissen und deren Kontexten haben. Und dass wir es einfach interessant finden, hinter die Oberfläche eines Textes zu blicken und die darin versteckten Botschaften zu erforschen.