Читать книгу Ein Leben für den Wein - Inge Elsing-Fitzinger - Страница 13
ОглавлениеUnwetter und Missernten
Die Wachau war seit jeher von Gewittern und Unwettern betroffen. Das eisenhaltige Gestein der Region zieht Blitze besonders stark an. Tobende Unwetter sind meist unausbleiblich.
Schon im 13., 14. und 15. Jahrhundert kämpften die Menschen gegen die Unbilden der Natur. Diese Schrecken blieben auch in den kommenden Jahrhunderten den Einwohnern des Engtales nicht erspart. Unwetter und Missernten wiederholten sich mit frappierender Regelmäßigkeit. Hagelwetter mit hühnereigroßen Körnern, Heuschreckeninvasionen. Raupen zerstörten 1731 die gesamte Obsternte. Die Bewohner des Donautals hatten nicht nur unter den schweren Kriegswirren, Seuchen, Unwettern und Bränden zu leiden. Der meist ruhig dahinfließende Strom brachte im Laufe der Jahrhunderte oftmals mit seinen reißenden Wassermassen schreckliches Unheil über die Ufergemeinden.
Am 2. Februar 1862, wurde die Straße bei Haus Buxbaum in Joching 210 Zentimeter hoch überschwemmt. Weitere schwere Überschwemmungen folgten in den Jahren 1869, 1882, 1897, 1899.
Im Jahre 1868 vernichtete ein Hagelschlag die gesamten Früchte in Wösendorf und Joching. Auch in den Jahren 1881 und 1887 tobten grausige Unwetter in der Region. 1904 folgte eine fürchterliche Trockenperiode. Die Ernte war schlecht. Es gab fast keinen Wein.
Schon Vater Anton Jamek hatte mit diesen Naturkatastrophen zu kämpfen. Hagelschlag, Vermurungen, Überschwemmungen. 1929 gab es arge Frostschäden. Ein grauenvolles Gewitter im Jahre 1930 richtet massiven Schaden in Weißenkirchen an. Die Ernte wurde zu 100 Prozent vernichtet.
Zwei Jahre später zerstörte ein Hagelschlag auch in Wösendorf und Joching mehr als 80 Prozent der Weinernte. Sämtliche Wege wurden ausgewaschen. Die Verbindung zu den Nachbarhäusern war völlig lahm gelegt. Ein letzter Versuch mit Raketen dieser Naturgewalt zu Leibe zu rücken schlug fehl.
Der Schreckenstag allerdings war der 15. Juli 1951. Ein zerstörerisches Unwetter hatte den Grubbach in Weißenkirchen vermurt. Das Wasser strömte querfeldein. Alle sonst wirksamen Rettungsmaßnahmen waren vergeblich gewesen. Die Keller wurden innerhalb kürzester Zeit völlig überschwemmt. Wege und Straßen waren unbefahrbar, der Bahnkörper mit Geröll überschüttet. Ein fürchterlicher Schaden in den Wein – und Obstgärten, in Kellern und Häusern.
Josef Jamek erinnert sich als ob es gestern gewesen wäre:
„Strömten die Wassermassen von den Hängen ins Tal, schlüpfte ich hastig in meine Gummistiefel und stürmte zum rückwärtigen Tor. Dort hatten wir eine breite Wasserrinne angelegt, die mit einem Eisendeckel überdeckt war. „Bei normalen Gewittern hatten wir eine wirksame Lösung. Vier eingefräste Löcher an jeder Ecke, ließen die herkömmlichen Regenmengen anstandslos in den Kanal fließen. Bei starken Güssen und großen Wassermassen hievte ich den schweren Deckel hoch. Das Wasser konnte ungehindert in den Schacht und in folge auch abfließen.
Berge von Rebstöcken, angeschwemmtes Erdreich, Steine und sonstigen Unrat trieb das Wasser immer wieder mit sich. Mit Krampen und Schaufeln ausgerüstet, versuchten wir oft in letzter Minute einem Schicksalsschlag zu entgehen. Meist floss das Wasser dann durch das vordere Tor hinaus und weiter in die Donau.“
„Jahre später, im Jahre 1954 glich das gesamte Gebiet einem riesigen, brodelnden See. Ein Horrorszenario. Einzige Chance war die Zille, die am Eingangstor befestigt wurde. Ein von der Ortschaft her gespanntes starkes Seil bot die letzte Verbindungsmöglichkeit. An diesem Seil konnte man sich bis zum Ort hinhandeln und auch wieder zurückkommen. Solcherart konnten wir das Nötigste für den Hausrat heranschaffen. Wenigstens unsere Schlafräume waren trocken geblieben.“
„Während der Kriegsjahre war sonderbarer Weise kein einziges Hochwasser! Scheinbar hat der Herrgott gemeint, wir wären ohnedies schon genug bestraft!“
Edeltrau Jamek, geborene Eigl
Edeltraud Eigl wurde am 10. März 1923 in Els geboren.
„Der Vater war Oberlehrer einer dreiklassigen Volksschule in der kleinen Bauerngemeinde oben in den Bergen des nördlichsten Zipfels der Wachau. Ziemlich stürmisch war es im Winter, aber wunderschön friedlich.
Mein Bruder Gerhard kam vier Jahre später zur Welt.
In Els habe ich auch eine dreijährige Volksschule besucht, wo mich der Vater selbst unterrichtete. 1934 zog ich dann zu meinen Großeltern nach Mautern, um in Krems vier Jahre lang die Hauptschule am Hafnerplatz zu besuchen. Anschließend trat ich ins Realgymnasium auf der Ringstrasse ein, wo ich 1941 maturierte.
Während der Schulzeit habe ich meine besten Freundinnen gefunden. Wir waren fünf Mädeln, die wie Pech und Schwefel zusammen hielten und so ziemlich alles Mögliche und auch Unmögliche gemeinsam machten. Eislaufen, schwimmen, Ausflüge. Es war eine schöne Zeit voll unbeschwerter Heiterkeit. Zum Geburtstag schenkten wir einander Freundschaftsringe. Meinen habe ich bis heute wohlbehütet in einem „Schatzkisterl“ aufbewahrt.
1937 sollte auch mein Bruder in die höhere Schule nach Krems kommen. Da die Großeltern aber nun auch für das zweite Kind Essensgeld forderten, überstieg dies die finanziellen Mittel meiner Eltern gewaltig. Eine Entscheidung musste getroffen werden.
Der Vater nahm den Posten in der einklassigen Volksschule in Wösendorf an. Für ihn ein beruflicher Abstieg, aber dennoch die einzige Lösung, uns Kindern die Möglichkeit des Studiums zu geben.“
Die erste Begegnung, Traudl erzählt:
„Es war mein 15. Geburtstag. Die Freundinnen waren selbstverständlich zu Besuch nach Wösendorf gekommen. Es wurde gealbert und gescherzt. Die Zeit war viel zu schnell vergangen. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zur Bahnstation in Weißenkirchen.“
Ausgelassen marschierte die fröhliche Schar beim „Hotel Wachau“ der Familie Jamek in Joching vorüber.
Josef, der jüngste Sohn des Hauses, stand am Fenster und erkannte eine der fünf Hübschen.
„Na was führt Euch denn in unsere schöne Gegend“, lachte er übermütig.
„Die Traudl Eigl aus Wösendorf hat doch heute Geburtstag, den mussten wir unbedingt zusammen feiern!“ Scheckerte eine der Freundinnen.
Josef, mittlerweile ein gestandenes Mannsbild von 19 Jahren, blickte kritisch zu besagter Traudl hinüber. Ein verdammt hübsches Mädel, dachte er. Die zierliche Figur, die frechen Locken, die funkelnden Augen, die ihn nur eine Sekunde lang anblitzten.
„Ich stand damals wie gebannt da und versuchte immer wieder den feschen Burschen zwischen meinen wirren Haarsträhnen hindurch zu erspähen. Das Blut schoss mir in die Wangen. Innständig hoffte ich, daß er es nicht bemerkte. Josef war Gottlob ziemlich weit von uns entfernt. Am nächsten Morgen lag vor unserer Haustür ein kleiner Blumenstrauß mit Geburtstagswünschen. Absender unbekannt.“
Lehrer Eigl war nicht nur ein ausgezeichneter Pädagoge, er war auch künstlerisch sehr engagiert. 1937 / 38 gründete er einen Jugend- und Männergesangsverein. Das Ausschlaggebenste allerdings war die Gründung einer Theatergruppe. Die jungen Leute aus der näheren Umgebung wurden eingeladen in den Stücken mitzuwirken.
Auch Josef Jamek war selbstverständlich zur Stelle. Groß gewachsen, rank und schlank, war er der ideale Liebhaber-Typ.
„Ich war völlig aus dem Häuschen und setzte alles daran den weiblichen Hauptpart übernehmen zu dürfen.“ Traudl spielte die „Liesel“ und sollte den Männern die Jause in den Weingarten bringen. Zufällig begegnete ihr „Toni“, ihr Versprochener. Edeltraut Jamek erinnerte sich Wort für Wort an ihren damaligen Text.
„Guat, das i di triff! I dank dir auch schön für deine Begleitung.“ Ein hinreißender Blick traf damals den hübschen Josef.
„I siach’s alleweil mehr und mehr ein, daß’d a herzguada Mensch bist, und daß i an dir a war’s Goldmandl kriegen werd.“
„Heute, 64 Jahre später weiß ich’s mit Sicherheit, lächelt Frau Jamek. Die Worte von damals haben noch immer ihre Richtigkeit.“
Der langen Rede kurzer Sinn: Traudl und Josef spielten das Liebespaar mit solcher Überzeugung und das Publikum war hellauf begeistert.
„Kein großes Kunststück“, meint die liebenswerte Frau heute. „Ich war über beide Ohren in Josef verliebt, und ihm ging es, glaube ich, genauso. Allerdings hatte ich ein schwerwiegendes Problem“, fügte sie etwas zögernd hinzu. „Mein damaliger Freund, ein Student, hatte absolut kein Verständnis für meinen plötzlichen Stimmungswandel. Die beiden Burschen rangelten des Öfteren und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Zwei rivalisierende Kampfhähne.“ Jetzt lachte Edeltraut verblüffend jugendlich. „ Als Student war mein verschmähter Freund der festen Überzeugung als Sieger hervorgehen zu müssen. Josef hatte ja „nur“ die Weinbauschule besucht und arbeitete bereits nach besten Kräften in der Wirtschaft seines Vaters mit, was mich persönlich keinesfalls daran hinderte ihn vom ganzen Herzen zu lieben.
Erst später erfuhr ich, dass Josefs große Leidenschaft die Medizin gewesen wäre. Doch die finanziellen Mittel der Familie hatten nicht ausgereicht, dem Sohn das Studium zu finanzieren. Ich musste mich also entscheiden. Gegen die wirklich große Liebe kann man einfach nichts machen.“
Josef Jamek ergänzte schlicht: „Hätte ich die Möglichkeit gehabt, wäre ich tatsächlich am liebsten Arzt geworden. Medizin hat mich immer fasziniert: Sie bringt einen an Ursprung und Ende des Lebens.“
Der gestrenge Vater
Endlich schien dem Glück von Josef und Traudl nichts mehr im Wege zu stehen. Fast nichts. Die beiden waren sich einig, hatten sich gefunden. Die offensichtlich große Zuneigung Josefs zu diesem jungen, in Vaters Augen völlig verwöhnten Mädchens, erregte bei Anton Jamek Ärgernis und Misstrauen.
„Pepi! Mach mir das Madl net unglücklich. Was willst mit so einem studierten Lehrerstöchterl. Was kann die schon einem Mann an Arbeitskraft bringen. Junge, schau dich nach einem festen Mädel um, das auch kraftvoll zupacken kann.“
Verzweiflung und Trauer mischten sich in das junge Glück, doch die beiden hielten zusammen und schworen sich ewige Treue. Allen Wirren zum Trotz.
Während Traudl brav zur Schule ging schuftete Josef in der Wirtschaft des Vaters aus Leibeskräften. Er hatte stets ein großes Ziel vor Augen. Jetzt, da er auch noch die richtige Frau gefunden hatte, wie er innständig hoffte, schien ihn nichts mehr daran zu hindern, einer der besten, wenn nicht gar der beste Winzer der Region zu werden.
In der Schule hatte er ordentlich aufgepasst und aus Geschichts- und Fachbüchern vieles über die Entwicklung des Weinbaus erfahren.