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Umzug

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Es ist vier Uhr früh, und ich schlafe noch immer nicht. Meine Gedanken halten mich ebenso wach wie die unbequeme Lage auf der Matratze, die auf dem Boden liegt. Die Betten stehen bereits abgebaut unten in der Diele. Als ich endlich doch eindämmere, werde ich durch unterdrücktes Weinen wieder aufgeschreckt. Die neunjährige Viola, die neben mir auf zwei zusammengeschobenen Sesseln liegt, schluchzt heftig in ihre Kissen. Sie will nicht umziehen. Sie will hier bleiben. Hier hat sie alle ihre Freundinnen und ihre Schildkröte, Lieschen die Dritte.

»Wenn du nicht mitziehst«, sage ich, »dann musst du morgen in die Schule gehen. Nur wer umzieht, hat schulfrei.«

»Na gut«, schluckt sie, »aber nur, wenn Lieschen mitdarf.«

»Das haben wir doch lang und breit besprochen«, beschwöre ich sie. »Da, wo wir hinziehen, haben wir nur einen Balkon, und auf dem wächst kein Gras. Das gefällt deinem Lieschen bestimmt nicht.«

»Nein«, schluchzt meine jüngste Tochter nun wieder laut auf, »wenn sie hier bleibt, dann erkennt sie mich nachher nicht mehr.«

Seufzend erhebe ich mich. Und weil ich die anderen nicht auch noch wecken will, nehme ich eine Taschenlampe und taste mich in deren dürftigem Schein die Treppe hinunter. Luci, unsere Dackelhündin, erkennt mich nicht sofort und fährt mir wütend an die Waden.

»Bist du noch zu retten, du dummer Köter«, zische ich aufgebracht. Und während Luci mir, ob ihres Irrtums völlig gebrochen, die nackten Füße leckt, suche ich in den bereits gepackten Kisten nach Stofflieschen mit Knopf im Ohr. Als ich den Seelentröster endlich gefunden habe, schleiche ich leise wieder nach oben, klettere zu Viola auf die Sessel und krieche unter ihre Bettdecke. Ich will mich gerade ausstrecken und ihr den Lieschen-Ersatz in die Arme drücken, da stößt sich meine geschädigte Bandscheibe unsanft an einem raschelnden Riesenstein.

»Himmelarmundzwirn!« Ich ziehe den Stein unter mir hervor und wundere mich überhaupt nicht mehr: Es ist echtes Lieschen in Tragetasche. Geschlagen und sprachlos über so viel Hartnäckigkeit und Einfallsreichtum überlasse ich den beiden die Sessel, verkrümele mich wieder auf meine Matratze und schlafe mit dem Stofftier im Arm endlich ein.

Um sieben reißt mich der Wecker aus unruhigen Träumen und veranlasst Luci, wie eine Irre kläffend, über unsere sämtlichen Bäuche zu springen. Nun sind wir alle wach.

Um acht Uhr fährt der Möbelwagen vor.

»Mann«, sagt die zwölfjährige Corinna enttäuscht, »bloß so ’n kleiner. Und die ganze Siedlung guckt zu!«

»Wir nehmen doch gar nicht viel mit«, gebe ich zu bedenken. »Die großen Möbel werden ja vom Möbelhaus direkt in die neue Wohnung geliefert.«

Das könne ich nicht verstehen, mault Corinna. Ihre Freundin, die Ursula, die hätte einen schicken Riesenwagen mit Anhänger gehabt. Wie stände sie denn jetzt da!

Unsere Sachen sind schnell eingeladen, und die Kinder überstehen den Abschied vom Vater mit tapferem Lächeln. Nächstes Wochenende werden sie ihn bestimmt besuchen. Nächstes Wochenende ist ja bald.

Als wir in unserer neuen Wohnung ankommen, sind die Möbelleute schon da und frühstücken flüssig. Der Kasten Bier, den Christoph und ich gestern noch in die neue Küche geschleppt haben, zeigt bereits große Lücken. Dann werden auch die gekauften Möbel geliefert. Als alle großen Teile stehen, verabschieden sich die Möbelträger nach einem Riesentrinkgeld (die Wohnung liegt im 14. Stock eines Hochhauses!) mit Handschlag, und wir fangen an, die Kisten auszupacken. Zum Abendbrot sind wir beinahe fertig. Sogar ein paar Bilder strahlen schon Wohnlichkeit von den Wänden. Und wir kommen gerade noch zurzeit, um den Anfang des Werbefernsehens nicht zu verpassen.

Anschließend lege ich meine armen Füße auf den Couchtisch. Luci springt zu mir aufs Sofa, rollt sich zusammen und schläft auf der Stelle ein. Sie ist nervlich völlig auf dem Hund und stockheiser. Schließlich musste sie den ganzen Tag unsere Möbel gegen fremde Leute verteidigen.

Als die Kinder dann endlich in ihren frisch bezogenen Betten liegen, schaue ich noch einmal in ihre Zimmer. Die Mädchen haben die Liegen aneinander geschoben. Auf der Besucherritze schläft Lieschen die Dritte. Und in Christophs Zimmer finde ich Luci schnarchend am Fußende der blütenweißen Bettdecke. Na, ab morgen wird das alles wieder anders. Ich habe ja noch acht Tage Urlaub, um uns alle einzugewöhnen.

Haste Töne

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