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Eine echte technische Begabung

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Bringst du mir nun mein Regal an oder nicht?«, fragt Christoph ungehalten zwei Minuten, bevor ich aus dem Haus muss.

»Ich habe keine Zeit«, trete ich nervös von einem Fuß auf den anderen. Ich muss mich beeilen, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Es sind Osterferien, und meinen Kindern fällt jeden Tag etwas sagenhaft Interessantes ein, womit sie ihre arme, berufstätige Mutter nerven können.

»Dann mach ich das eben allein«, entscheidet mein Sohn ungnädig.

»Lass ja die Finger vom elektrischen Bohrer. Bitte meinetwegen den Hausmeister um Hilfe, ja?«, sage ich schon auf der Treppe und sause los.

Als ich abends heimkomme, nimmt mich Christoph bei der Hand. »Mach mal die Augen zu«, sagt er und führt mich in sein Zimmer. »Und jetzt wieder auf.«

Stolz zeigt er auf das Bücherregal. Es hängt vorschriftsmäßig gedübelt und leicht schräg an der Wand.

»Wie schön«, sage ich erleichtert, »da war der Hausmeister ja schon hier.«

»Nee«, kommt es da sehr verlegen, »der hatte keine Zeit. Das habe ich selbst gemacht.«

Geschlagen lasse ich mich auf sein Bett sinken. »Also, da hört sich doch alles auf. Ruf mal die Mädchen!« Als ich alle meine Kinder um mich versammelt habe, halte ich ihnen eine lange, mütterlich ängstliche Standpauke über die Gefährlichkeit des Löcherbohrens in Wänden, da man nie wissen könne, wo die elektrischen Leitungen durchgehen.

»Ich schon«, trumpft mein kluger Sohn auf. »Sieh mal, hier links unten an der Tür ist die Steckdose für die Nachttischlampe. Genau einen Meter darüber liegt der Lichtschalter für die Deckenbeleuchtung. Und da rechts, auf der anderen Seite beim Fenster, also drei Meter entfernt, befinden sich die Steckdosen für die Schreibtischlampe, das Radio und die Fernsehantenne. Nach meinen Berechnungen kann dazwischen unmöglich irgendeine Leitung liegen.«

»Trotzdem«, beharre ich eigensinnig, da technisch völlig unbedarft, »trotzdem könntest du auf eine nicht berechnete Strippe treffen. Also, ich bitte dich inständig, das Dübeln in Zukunft besser einem Fachmann zu überlassen. Hattet ihr wenigstens die Sicherungen raus?«

»Wozu denn?«, werde ich erstaunt gefragt. »Ich sagte doch, dass es nach meinen Berechnungen völlig ungefährlich war.«

Eine echte technische Begabung, mein Sohn, möchte ich meinen. Von mir hat er das bestimmt nicht. Wenn ich bloß das Licht in meinem Auto einschalten will, setze ich grundsätzlich erst einmal den Scheibenwischer in Gang, drücke auf die Hupe und irritiere nachfolgende Fahrer mit der Warnblinkanlage. Da nehme ich einen elektrischen Bohrer erst gar nicht in die Hand. So fühle ich mich auch verpflichtet, meine drei noch einmal nachdrücklich auf die Gefahren im Umgang mit Strom hinzuweisen.

»… und sollte trotz aller eingehaltener Vorschriften doch mal einer irgendwo an einer Leitung hängen, darf man ihn auf keinen Fall anfassen. Nichts wie die Sicherungen raus und anschließend den Arzt oder mich anrufen, kapiert?!«

Sie nicken zustimmend, und ich gehe in die Küche, die heute wie ein Schlachtfeld aussieht, weil Dübeln mit dem elektrischen Bohrer selbstverständlich interessanter ist, als mit der bloßen Hand Geschirr abzuwaschen. Wütend packe ich den Geschirrspüler voll und setze ihn in Gang. Dann nehme ich einen feuchten Lappen und wische mit Eifer alles, was mir in der Küche so in die Quere kommt, auch das kleine Radio, aus dem es gerade beziehungsreich »Das bisschen Haushalt« trällert. Da bekomme ich einen gewischt, dass mir der Lappen nur so aus der Hand fliegt. Ich stoße einen Schmerzensschrei aus, flitze an den erschreckten Kindern vorbei zur Tür hinaus zum Sicherungskasten auf dem Flur und schalte mit fliegenden Händen sämtliche Sicherungen aus. Schlagartig wird es in der ganzen Wohnung duster. Ich lehne zitternd an der Flurwand und kann die fragenden Gesichter vor mir nur erahnen.

»Was war denn?«, will Corinna wissen, und Vio drückt sich ängstlich an mich.

»Nichts, Herrgott noch mal!« Der Schreck und der Elektroschock stecken mir noch in allen Gliedern. »Ich habe bloß einen Stromschlag bekommen.«

»Und warum hast du alles dunkel gemacht?«, fragt Vio neugierig.

»Weil Vorsicht was ganz Wichtiges ist«, höre ich da Christoph buchstäblich grinsen, »vorausgesetzt, man beachtet die Reihenfolge … Fasst sie also bloß nicht an. Und soll ich jetzt den Arzt anrufen oder deine Mutter?«

Haste Töne

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