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Die Entschuldigung

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Mittwochmorgen, sieben Uhr früh. Christoph und Corinna sind bereits mit ihren Fahrrädern unterwegs zur Schule. Ich sitze am Frühstückstisch und will noch in Ruhe meinen Kaffee austrinken, da legt mir die neunjährige Viola Block und Kugelschreiber neben die Tasse.

»Was soll das?« Ich sehe beides höchst misstrauisch an.

»Du musst mir noch ’nen Entschuldigungszettel schreiben wegen gestern«, sagt meine Tochter mit nicht ganz fester Stimme.

»Wieso?«, frage ich erstaunt. »Ich denke, ihr hattet schulfrei, weil Lehrerausflug war.«

»Nee«, Viola schaut angestrengt an mir vorbei, »ich hab bloß Spaß gemacht. Eigentlich hatten wir ja Unterricht.«

»Waas?« Mein geschiedenes mütterliches Gewissen bimmelt Alarm. »Schule schwänzt man doch nicht einfach so zum Spaß!«

»Sag ich doch. Darum sollst du mir ja auch was Richtiges schreiben«, und sie tritt verlegen von einem Fuß auf den anderen.

»Ja, aber du kannst doch nicht einfach erzählen, du hast frei wegen Lehrerausflug, wenn das gar nicht stimmt!«

»Ach«, antwortet sie nun, ohne mit der Wimper zu zucken, »das Gymnasium von Christoph und Corinna hatte diese Woche auch frei wegen Ausflug, nur unsere Schule nicht … Scheißschule! Wenn ich auf meiner Schule geblieben wäre, brauchte ich jetzt keine Entschuldigung.«

Ich fühle mich sehr unbehaglich und schuldbeladen. Schließlich war für Vio der Umzug am schlimmsten, weil sie auch die Schule wechseln musste. Den beiden Großen, schon auf dem Gymnasium, blieb das erspart. Das schlechte Gewissen zwingt mich zur Kapitulation, und ich greife zur Feder.

»Was soll ich denn schreiben?«

So auf die Schnelle fällt mir nichts Gescheites ein, schon gar nicht um sieben Uhr früh.

»Bloß nicht wieder Darmgrippe, die hatte ich erst letzte Woche«, beschwört mich meine Tochter.

Es ist zum Verrücktwerden. Wo nehme ich nur einen halbwegs plausiblen Krankheitsgrund her, der ein kleines, unglückliches Mädchen für einen Tag ans Haus fesselt. Ich kann doch nicht die Wahrheit schreiben: »Lieber Herr Jansen, meine Tochter musste leider die Schule schwänzen, weil sie sich noch nicht bei Ihnen eingelebt hat.« Das nimmt mir doch kein Lehrer ab!

Ich will mir gerade verzweifelt die Haare raufen, da hat Vio eine Idee. »Schreib, ich hatte Migräne«, sagt sie.

»Migräne bei Kindern, das gibts nicht«, stöhne ich, »und außerdem dauert bei mir Migräne immer drei Tage.«

»Ich könnte ja noch zwei Tage länger fehlen«, bietet mir Vio hilfreich an.

»Kommt überhaupt nicht infrage. Schlimm genug, dass du einen Tag geschwänzt hast«, werde ich nun pädagogisch.

»Na gut, na gut«, schreit sie da plötzlich wütend, »gehe ich eben zum Papi. Der schreibt mir bestimmt ’ne Entschuldigung!«

»Mach doch, was du willst«, knalle ich den Kugelschreiber ärgerlich auf den Tisch. Ich werde mich doch nicht erpressen lassen. Wo käme ich denn da hin?!

Aber als sie heulend ihren Ranzen schnappt und zur Tür läuft, tut mir meine Heftigkeit Leid, und ich füge ruhiger hinzu: »Ich an deiner Stelle würde dem Lehrer die Wahrheit sagen. Das macht bestimmt einen guten Eindruck!«

Aber sie ist schon draußen und hat mich wohl nicht mehr gehört.

Als ich am Abend vor lauter Gewissensbissen etwas früher nach Hause komme, fliegt Viola mir bereits unten am Hauseingang strahlend um den Hals und gibt mir einen dicken Kuss.

»Na«, frage ich erleichtert, »wie ist es denn gegangen?«

»Och«, sagt Vio lässig, »in Zukunft brauchst du mir überhaupt keine Entschuldigungszettel mehr zu schreiben. Ich habe dem Herrn Jansen alles erzählt.«

»Und?«

»Da hat er gelacht und gesagt, ich wäre goldrichtig und ich solle ja so bleiben … Freust du dich jetzt?«

Haste Töne

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