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Ein Hundeleben

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Von meinem Schreibtisch aus kann ich durch die geöffnete Balkontür nach draußen sehen. Was ich sehe, gefällt mir überhaupt nicht. Seit Tagen liegt Luci auf dem kalten Beton und nimmt übel, die Schnauze durch den Spalt zwischen Geländer und Boden geschoben, den Blick sehnsüchtig auf die Straße gerichtet. Sie hat gewaltige Schwierigkeiten mit der neuen Umgebung und empfindet den Umzug von Garten auf Balkon ganz eindeutig als sozialen Abstieg. Da unten gibt es so viele neue Gerüche und Fährten – und das alles unerreichbar. Beim täglichen Gassi gehen in den Wald um die Ecke muss sie wegen Tollwutgefahr an die Leine. Rennen, dass die Ohren fliegen, Löcher buddeln, dass es Schimpfe hagelt, Leute ankläffen, die es wagen, am Gartenzaun vorbeizugehen, all das gehört leider herrlicher Vergangenheit an. Außerdem vermisst sie ihre Schwester Gesi, die zu Tante Eva übersiedeln musste, weil zwei Hunde in der Mietwohnung nicht erlaubt sind.

Ich leide Tantalusqualen, wenn ich sie so daliegen sehe, mit kaltem Bauch und vorwurfsvollem Blick, und beschließe, meine Freundin Eva mit ihren Kindern und Dackelin Gesi für heute einzuladen. Die sagt gerne zu, da auch Gesi die Trennung von der Hundeschwester anscheinend noch nicht ganz überwunden hat. Wir freuen uns alle riesig auf das Treffen.

Als es läutet, jagt Luci kläffend an die Wohnungstür. Ich öffne, und in Erwartung, dass die beiden Dackel vor lauter Wiedersehensfreude völlig außer sich geraten werden, vergessen wir anderen ganz, uns zu begrüßen.

Sie geraten auch außer sich, aber mit gesträubtem Nackenhaar und gefletschten Zähnen. Und bevor wir uns alle von dem Schrecken erholt haben, wälzen sich die Dackeldamen bereits grollend und ineinander verkeilt auf dem Fußboden. Ich versuche, die Bestien auseinander zu reißen, und werde schmerzhaft in die Hand gebissen. Fassungslos sehen die anderen zu. Nur Christoph schleppt geistesgegenwärtig einen Eimer Wasser heran und schüttet ihn über die Dackel auf den teuren Parkettboden. Sofort fahren sie auseinander und schütteln sich entrüstet.

Bevor sie sich so weit erholt haben, um erneut aufeinander loszugehen, kommen sie in Einzelhaft. Ich rase zum Doktor, der mir eine Tetanusspritze verpasst und die schmerzende Hand verbindet. Den Hundelieblingen ist, abgesehen von ein paar Schrammen und herausgerissenen Haarbüscheln, nichts passiert.

Beim Kaffeetrinken bekommen sich die Gören dann fast in die Wolle über die heikle Frage, wer mich denn nun gebissen hat. Ich halte mich da raus! Ich werde mich hüten zu verraten, dass es unser eigener Köter war, der sich so schamlos an mir vergriffen hat.

Als Tante Eva samt Nachwuchs und Dackel Gesi uns verlässt, holen wir Luci aus Christophs Zimmer, und ich zeige ihr vorwurfsvoll meine verbundene Hand. Sie ist kein bisschen zerknirscht, beschnuppert nur äußerst interessiert den Verband und schlägt mir dann liebevoll ihre lange Zunge um die Ohren.

Aber auf dem Balkon liegt sie nun nicht mehr stundenlang. Sie hat andere, wichtigere Aufgaben gefunden. Die erfolgreiche Verteidigung der neuen Wohnung hat ihre Probleme mit der fremden Umgebung schlagartig und endgültig gelöst.

Haste Töne

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