Читать книгу Hilfe, ich werde Großmutter! - Inge Helm - Страница 6
Namensgebung
ОглавлениеDer Tag der Geburt rückt immer näher. Bevor es richtig losgeht, hat meine Tochter uns, das heißt Großmutter und Großvater in spe sowie alle werdenden Tanten und Onkel mütterlicherseits, da gleich um die Ecke, noch einmal eingeladen, zu Marmorkuchen, Kaffee, Knabbereien und Wein. Kaum habe ich den Mund nur noch halb voll, frage ich: »Habt ihr denn nun endlich einen Namen für den Jungen?«
»Wieso Junge?«, will der zukünftige Onkel Christoph wissen. »Woher weißt du, dass es ein Junge wird?«
Ich erröte, ziehe das neueste Ultraschallfoto meines Enkels verschämt aus der Tasche und reiche es in die Runde. Felix sieht mich grinsend an: »Unverkennbar ein Baby mit Zipfelchen … und wem hast du das sonst noch gefragt oder ungefragt gezeigt?«
Bevor ich etwas Geistreiches erwidern kann, springt mir der hochschwangere Vater zur Seite: »Wir dachten an Paul«, sagt er und sieht uns Beifall heischend an, »ein schöner alter Name, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht«, gibt die baldige Tante Pia zu bedenken, »eigentlich erinnert mich das mehr an die Jünger Peter und Paul aus der Bibel. Dabei sind wir doch allesamt evangelisch.«
Da fällt mir meine Freundin Monika ein. Die war mal mit einem Paul liiert. Der ging dann nach Brasi- lien, und sie musste sich ihren Weg mit einem Buschmesser durch den Urwald schlagen, ein ganzes halbes Jahr lang, dann hatte sie die Zivilisation endlich wieder. »Was haltet ihr denn von Carlos?«
»Na, hör mal«, sagt Felix, »guck dir die beiden doch genauer an, die brauchen einen blonden Namen für ihr Kind. Wie wäre es denn mit Jens oder Knut?«
»Bloß nicht«, stöhnt meine Tochter und stützt die Hände in den Rücken. Also, lange kann sie aber nicht mehr sitzen! Doch wir geben noch nicht auf, und der werdende Vater öffnet notgedrungen eine weitere Flasche Wein.
»Nennt ihn doch einfach nach seinen Großvätern.«
»Um Gottes willen«, kommt es da unisono von den hochschwangeren Eltern, »wie würde euch denn das gefallen: Wilhelm oder Otto, vielleicht auch noch als Doppelnamen: Wilhelm-Otto, haha!«
»Mein Großvater hieß August und war sehr zufrieden damit«, spinne ich weiter.
»Du spinnst wirklich«, sagt meine Tochter, »das erinnert mich sofort an Zirkus und den dummen August. Mein Sohn wird kein Clown, da kannst du Gift drauf nehmen!«
»Gene sind vererbbar«, fällt Felix dazu ein, »guck dir mal genau die werdende Großmutter an!« Alles lacht, und ich sehe den zukünftigen Großvater tadelnd an. Die Namenssuche droht ins Alberne abzurutschen. Kurz entschlossen blase ich zum allgemeinen Aufbruch, die Guter-Hoffnung-Mutter braucht ihre Ruhe und muss die Beine hochlegen. »Was sagen denn die zukünftigen Großeltern väterlicherseits dazu?«, frage ich noch zum Abschied.
»Die sind für Rudolf.«
»Was«, empöre ich mich, »das lasst ihr euch gefallen, wo es doch unser Kind ist!«
»Eben«, sagt der Guter-Hoffnung-Vater genervt, »deshalb heißt der Junge ja auch Paul.« Und damit bugsiert er uns endgültig zur Tür hinaus.
Nachts um zwei Uhr läutet das Telefon neben meinem Bett. Ein zu Tränen gerührter Jung-Vater teilt uns schniefend mit: »Wir haben einen gesunden Max!«
Ich gebe die Botschaft schniefend weiter an die Tanten und Onkel des Neugeborenen. Dann wende ich mich verwirrt an Felix: »Wie findest du denn das? Max! Der Junge sollte doch Paul heißen. Max erinnert mich so an Wilhelm Busch: Max und Moritz, diese beiden …«
Felix hat sich inzwischen den Brockhaus aus dem Bücherregal geklaubt und schlägt ihn auf. »Max«, sagt der funkelnagelneue Großvater, »Max kommt von Maximilian. Und das waren in vielen Epochen große Herrscher, wie zum Beispiel im fünfzehnten Jahrhundert Maximilian der Erste, König und Kaiser des römischen Reiches, oder …«
«… oder Max von Bayern«, fällt mir spontan ein, »du weißt doch, der Vater von der berühmten Sissi … Übrigens, wusstest du, dass Romy Schneider eine Schulkameradin von mir war? Und als ihr erster Film anlief, bekam die ganze Penne frei und durfte hin. Mann, waren wir vielleicht neidisch!«
»Na dann«, sagt Felix schmunzelnd und klappt das schlaue Buch wieder zu, »dann wird es dir sicher auch nicht schwer fallen, dich mit einem Enkel namens Mäxchen abzufinden.«