Читать книгу Tiefe Schreie - Ингер Фриманссон - Страница 7
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ОглавлениеDer Feuerqualm war dick und beißend, aber sie waren alle aus dem Haus gekommen und hatten Fernsehapparat, CD-Player und die Scheiben retten können. Sie standen in dem trockenen, struppigen Gras, das noch nicht für den Sommer gesäubert worden war. Was jetzt auch keiner mehr machen würde. Sie sahen zu, wie sich die Flammen an dem einen Giebel durch die Ritzen zwischen dem Dach und der Wand fraßen. Freddi war ganz weiß im Gesicht. Josefina sah das und sie drückte sich die Nägel in die Handflächen. Dadurch entstanden kleine, rissige Dellen, die Wunden davon waren auch später noch da, wurden zu kleinen Verhärtungen. Sie jammerte leise, klagte stumm, war nicht mehr betrunken, aber der Boden schwankte und bebte dennoch unter ihr.
Sie standen dicht beieinander, als suchten sie bei den anderen Schutz, aber das hier war etwas, womit niemand fertig werden konnte, das Feuer war ein Monster und es schluckte alles, was sich ihm in den Weg stellte. Freddis Ferienhaus, in dem er als kleines Kind gewesen war, die Tapeten, das Sofa, die Gardinen, es ließ die Fensterscheiben springen und Kunststoffteile schmelzen und sich verformen. Dicht beisammen standen sie, und ihre Augen klebten fest an dem Haus und was damit geschah, und ihre Ohren waren aufs Äußerste gespitzt. Kommt die Feuerwehr nicht bald? Und wenn sie es nicht finden!
Da geschah es, als sie alle beisammenstanden wie kleine, geschnitzte Spielfiguren eines Brettspiels, dass eine der Spielfiguren ausbrach und aufs Haus zulief. Johan.
Josefina sah es zunächst nicht, hörte aber, wie jemand seinen Namen rief.
»Johan! Wo willst du hin?«
Sie richtete ihren Blick auf die Treppe, die bis jetzt noch ganz heil und normal dalag, unversehrt, unzerstört. Es gab ein Foto drinnen im Haus, ein Foto von Freddi, als er noch sehr klein war, er saß mit baumelnden Beinen auf der Treppe. Jetzt lief Johan die Treppe hinauf und verschwand im Haus. Josefina hörte die eigene Stimme.
»Johan, sag mal, spinnst du, Johan!«
Und sie wollte sich aus der Gruppe lösen, aber Arme packten sie, hielten sie fest.
»Er will nur was holen, sein Manuskript, er will die Tasche mit dem Manuskript holen.«
Johan schrieb. Johan war dabei, ein Theaterstück zu schreiben. Er hatte ihnen das Stück im Laufe des Abends vorgelesen. Es war ein Fantasy-Stück. Es handelte von der Suche nach Geylon, dem Reich der Guten. Es war fast fertig, er hatte von ihnen wissen wollen, wie sie es fanden, und alle waren von seinem Können beeindruckt. Er hatte gesagt, er wolle es zu einem Wettbewerb einschicken, den er im Internet gefunden hatte. Jetzt lief er zurück ins Haus, um die Tasche mit dem Stück zu holen, sicher hatte er es zu Hause auf seinem Computer, aber heute Abend hatte er wohl einige wichtige Änderungen per Hand eingefügt.
Sie erinnerte sich daran, dass die Gruppe auseinanderfiel. Sah Jakob zur Treppe laufen und einige ums Haus herum verschwinden. Sie dachte, dass es jetzt wirklich gefährlich wurde, ihre Arme und Beine zitterten, sie schrie hinauf in den Himmel und dann war die Feuerwehr da.
Ihre Kleidung stank nach Rauch. An diesem Abend hatte sie ihre neue schwarze Hose und einen gestreiften kurzärmligen Pullover angehabt. Ihre Mutter musste alles wegwerfen. Sogar die Jacke, sie konnte sie nicht mehr sehen.
Die Feuerwehrmänner in Stiefeln, mit Reflektorstreifen. Weiße Helme mit Nummern drauf. Später ein Krankenwagen. Jemand lag auf einer Bahre, das war Johan, aber sie sah ihn nicht, sie wandte sich ab, sie glaubte, er wäre tot. Als der Krankenwagen den Waldweg entlang verschwand, fiel die eine Giebelseite des Hauses zusammen und die Funken wirbelten wie Flocken. Sie hörte jemanden weinen, es klang wie ein erwachsener Mann.
Später sollte sie immer wieder nachts genau von diesem Weinen aufwachen. Zuerst Marias Schrei, es brennt. Dann das Weinen. Es war Freddi gewesen, der da weinte, er brach hustend und weinend im Gras zusammen. Josefina lag nachts in ihrem Bett und sah, wie der hübsche, coole Freddi zusammenbrach und sich zu verstecken versuchte, wie er um all die Erinnerungen an früher trauerte. Sie wollte zu ihm laufen und sich hinter seinen Rücken legen, aber ihre Beine zitterten so, dass sie nicht laufen konnte. Stattdessen kam Sara, sie ließ sich neben ihm nieder und zog ihn weg vom Haus. Als Josefina sie in dieser Nacht sah, erschien sie ihr bärenstark, ihre Brust quoll aus dem Ausschnitt und die Arme wuchsen. In dieser Nacht wurde Sara so stark, dass sie Freddi vom Boden heben und weit, weit wegtragen konnte.
In Wirklichkeit waren sie mit dem Auto nach Hause gebracht worden. Die Polizei war da gewesen und hatte mit ihnen geredet. Die Polizei und eine wütende Ärztin. Warum war sie so wütend?
Sie hatte ihren Namen gesagt und ihren Blick in Josefinas Augen gebohrt.
»Ich heiße Lilian Ferm und ich bin Ärztin. Was habt ihr hier bloß angestellt?«
Sollte eine Ärztin es nicht gut mit einem meinen?
Der beißende Geruch nach Krankenhaus, Josefina war auf dem Weg in den Schrei, aber die Spritze ließ sie verstummen, nahm ihr und dem Schrei die Kraft.
Und dort, in dieser Stille, blieb sie.