Читать книгу Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 13

Kapitel 9

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Die Pflanzenlampen im Gewächshaus leuchteten mit einem warmen, gemütlichen Schimmer in der zunehmenden Nachmittagsdunkelheit. Roland parkte auf dem schneegeräumten Hofplatz. Es hatte aufgehört zu schneien.

Hafid Ahmed saß schweigend neben ihm, und Roland überlegte, ob er vielleicht doch Probleme mit seinem neuen Chef hatte wegen seiner früheren Arbeit bei der Polizeibehörde. Er hatte sicher Berichte von all den Kollegen gehört, gegen die Roland ermittelt hatte, was zu ernsten Abmahnungen, Bußgeldern, Entlassungen und Gefängnisstrafen geführt hatte. Während der Fahrt hatte Hafid nur kurz und unmotiviert auf Rolands Fragen nach den Ursprüngen des Beamten in Marokko geantwortet. Er hatte über seine eigenen neapolitanischen Wurzeln erzählt in dem vergeblichen Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen.

Roland öffnete die Tür und stieg aus. Es knirschte unter den Schuhsohlen, und sein einer Fuß rutschte auf dem glatten Eis.

„Pass auf, hier kann es glatt sein“, warnte er Hafid, der gerade die Autotür öffnete.

Die Gärtnerei Waldschatten war verhältnismäßig klein. Roland zählte drei mittelgroße Gewächshäuser in einer Reihe. Ein schwarzgescheckter Hofhund begrüßte sie, ohne zu bellen, dann lief er zum mittleren Gewächshaus, wo Roland hinter dem Glas den Schatten eines Mannes sehen konnte. Sie folgten ihm und Roland öffnete die Tür.

„Der Hund darf hier nicht rein! Der macht die Blumen kaputt!“, knurrte ein Mann mittleren Alters in blauem Jeansoverall über einem dicken, karierten Holzfällerhemd. Roland scheuchte den Hund mitleidig wieder raus in die Kälte und schloss die Tür.

„Wenn ihr von den Zeugen Jehovas seid, könnt ihr gleich wieder abhauen“, sagte der Gärtner, der über einen blauen Blumenkopf gebeugt war, den er vorsichtig in seinen dicken Fingern hielt und intensiv beäugte, als wäre es ein wertvolles Gemälde.

„Sind Sie Laurits Kjeldsen?“, fragte Roland und stellte sie vor. Sie zeigten ihre Dienstmarken als Nachweis dafür, dass sie definitiv nicht von den Zeugen Jehovas kamen.

„Die Polizei! Ihr kommt ja auch nicht jeden Tag vorbei, nicht mal, wenn wir Vandalismus und Einbruch hatten“, stellte Laurits verdrossen fest.

„Wir kommen von der Mordkommission, Diebstahl und Vandalismus fallen nicht in unsere Zuständigkeit“, antwortete Roland freundlich. Es war ganz normal, dass die Leute glaubten, die Polizei sei eine Gesamteinheit, die sich um alles kümmerte und nicht untergliedert war in Spezialabteilungen. „Wir sind wegen Ihrer Iris-Blumen gekommen.“

Der Ausdruck in Laurits’ fleischigem Gesicht wechselte mit einem Mal von Entrüstung zu offensichtlicher Verblüffung.

„Meinen Iris-Blumen?“, wiederholte er in einem Ton, der eine Erklärung forderte.

„Verkaufen Sie an Privatpersonen?“ „Nein, meistens an Blumenläden, die sie in Buketts verwenden. Normalweise verkaufe ich nicht an Privatpersonen. Warum in aller Welt interessiert sich die Mordkommission für meine Iris-Blumen?“

„Darauf können wir leider nicht näher eingehen. Haben Sie sie an die Askholt Privatschule verkauft? Wir haben Ihre Adresse vom Hausmeister bekommen.“

„Konrad? Konrad Tønnesen? Ja, der hat Iris gekauft. Ob das für die Schule war, weiß ich natürlich nicht, aber … Ah, jetzt verstehe ich, es ist wegen des Mordes an dem Teenagermädchen, stimmt’s?“

„Haben Sie Iris in Verbindung mit dem Gedenkgottesdienst verkauft?“

„Nein, wie schon erwähnt, verkaufe ich nicht an Privatpersonen. Konrad ist eine Ausnahme, weil er mal hier gearbeitet hat. Er wollte Gärtner werden, aber dann bekam er den Job als Hausmeister an der Schule.“

Roland sah über das Meer aus hübschen, blauen Blumenköpfen hinweg. Die Üppigkeit und die feuchte, beinahe tropische Hitze wirkten deplatziert im Verhältnis zu dem dunklen, kalten Winternachmittag und den Schneewehen, die das Gewächshaus umgaben. Der Hund glotzte durch die Fenster neben der Tür durch einen dünnen Schattenvorhang. Das Glas hier sah neuer aus als das übrige, dem Wind und Wetter zugesetzt hatten.

„Diese Entscheidung war ein Glück für ihn“, fuhr der Gärtner fort. „Es ist heutzutage nicht leicht, eine Gärtnerei zu betreiben. Viele mussten wegen der hohen Strompreise und extrem harter Konkurrenz dran glauben. Früher hatte ich viel mehr Gewächshäuser mit Tomaten und Gurken, aber die sind jetzt dichtgemacht. Es konnte ja nicht rund laufen, wenn die großen ausländischen Gärtnereien Dänemark mit billigen, nicht-dänischen Produkten versorgen, die meistens in Steinwolle gezogen werden, sodass alle Nährstoffe verschwinden, und ab und zu auch mit allen möglichen giftigen Chemikalien gespritzt werden, aber wenn es den Verbrauchern egal ist, dann …“

„Sind jetzt in allen Gewächshäusern Iris?“

„Nur in dem einen hier, und das kann nur überleben, weil ich Absprachen mit einigen großen Blumenhändlern getroffen habe bezüglich frischer täglicher Lieferungen für ihre Buketts. Die Blumen kommen auch für billiges Geld aus dem Ausland. Diese verdammte EU!“ Laurits spuckte auf den Boden. „In den anderen beiden Häusern habe ich Topfrosen. Eine neue Variante, die ich selbst mit entwickelt habe. Nur auf diese Weise kann man heutzutage als Gärtner Erfolg haben.“

Roland nickte. Er konnte die Logik nachvollziehen, dass hiesige Gärtnereien Gemüse für die Dänen liefern sollten und nicht riesige Industrien, die im Blitztempo genmanipuliertes und gespritztes Obst und Gemüse in Massenproduktion anbauten. Er hatte mal eine Fernsehsendung über die vielen großen Gewächshäuser gesehen, die ein Areal von 26.000 Hektar unfruchtbarer Erde bei der Stadt Almeria im südöstlichen Spanien bedeckten.

„Welche Art Iris sind diese blauen hier?“, fragte er. „Soweit ich weiß gibt es viele.“

„Ja, es gibt circa 300 Arten der Iris-Familie in Europa, Nordamerika, dem Nahen Osten und Asien. Die Art hier heißt Iris spuria oder ganz einfach Blaue Iris. Der Gattungsname Iris kommt von dem alten griechischen Namen, der Regenbogen bedeutet, und man meint, dass er darauf hindeutet, dass es die Blumen in so vielen Farben gibt. Der Artname spuria bedeutet unecht und das kommt vermutlich daher, weil man sie leicht mit anderen Iris-Arten wie zum Beispiel der Echten Schwertlilie und Sibirischer Iris verwechseln kann.“

Roland nickte interessiert, während er eine der hübschen, tiefblauen Blüten betrachtete, die sich mit sonnengelben Zungen auf den Kronblättern auffaltete wie zu einer intensiven Umarmung.

„Könnten wir eventuell ein paar mitnehmen?“, fragte er.

Laurits nickte überrascht. „Wie viele wollen Sie haben?“

„Bloß ein paar“, antwortete Roland und sah zu, während der Gärtner ein kleines Messer aus der Tasche holte und den Stängel von drei blauen Iris abschnitt, die er ihm reichte.

„Reicht das?“

„Das ist prima, danke. Dann wollen wir nicht länger stören. Danke für Ihre Hilfe“, sagte er und verließ das feuchtwarme Gewächshaus mit Hafid auf den Fersen.

Der Gärtner begleitete sie hinaus und sorgte dafür, dass der Hund nicht hineinschlüpfte, bevor die Tür wieder geschlossen wurde.

„Hat der Sturm eine Scheibe eingedrückt?“, fragte Roland und schaute auf das neue Fensterglas.

Laurits schüttelte den Kopf.

„Nein, die verdammten unerzogenen Jugendlichen schmeißen Scheiben ein. Der hier ist halt kein Wachhund“, sagte er und tätschelte den Hund trotzdem liebevoll, als er an ihm hochsprang. „Und wie ich schon sagte, hat es hier auch mehrere Einbrüche gegeben.“

„Wurde etwas gestohlen?“, fragte Hafid.

„Nicht, soweit wir sehen konnten. Die Tür zum Abstellraum war aufgebrochen, aber es schien nichts zu fehlen. Was sollten die hier auch stehlen?“

„Wie oft ist das passiert, das mit den eingeworfenen Scheiben?“

Roland zog den Schal fest, die Frostluft wirkte nach dem Aufenthalt im Gewächshaus besonders beißend.

„Öfter, letztes Mal eines Abends vor ungefähr drei Tagen. Da habe ich es gehört und bin rausgestürmt. Ich konnte nur noch die Rücklichter eines Mopeds sehen, das schnell weggefahren ist.“

„Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, könnten Sie dann eine Liste anfertigen, wann es Vandalismus im Gewächshaus gab?“

Laurits unterdrückte ein Lächeln. „Ich dachte, das fällt nicht in Ihre Zuständigkeit.“

Am Spätnachmittag rief Roland das Team zum letzten Durchgang des Tages ein. Es gab einiges zusammenzutragen und die Aufgaben des nächsten Tages mussten geplant werden, sodass sie direkt in den Morgenstunden loslegen konnten.

„Die Schulleiterin der Askholt Privatschule konnte uns nichts erzählen, das uns einem Täter näher brächte. Wie es scheint, war Iris der dominante und flirtende Typ, daher können wir nicht ausschließen, dass die Rede von Eifersuchts- oder Rachemord sein könnte. Die Blumen könnten auf Ersteres hindeuten, sie müssen ja von jemandem hingelegt worden sein, der sie mochte“, stellte er dar. „Hafid und ich haben einem Gärtner einen Besuch abgestattet, der blaue Iris in seinem Gewächshaus hat. Er verkaufe nicht an Privatpersonen, behauptete er.“

„Nur an den Hausmeister der Askholt“, fügte Hafid hinzu.

„Das ist korrekt. Er bestätigte, dass Konrad Tønnesen blaue Iris gekauft hatte. Er hat früher in der Gärtnerei gearbeitet, aber ansonsten sind wir nicht weitergekommen, ob die Blumen von dort stammen. Ich habe einige blaue Iris beim Nationalen Kriminaltechnischen Zentrum abgeliefert, sodass sie untersuchen können, ob es sich um den gleichen Typ Iris handelt wie im Boot“, fuhr er fort und sah, wie Hafid ein Licht aufging. Er war sichtlich verwundert gewesen, als er um das kleine Bukett gebeten hatte, das vom Rücksitz aus auf dem Weg ins Polizeipräsidium einen schwachen, undefinierbaren Duft abgegeben hatte.

„In der Gärtnerei gab es Vandalismus, wobei Scheiben eingeschmissen wurden, und einen Einbruch in einem Abstellraum, ohne Anzeichen für Diebstahl. Aber war jemand in dem Gewächshaus? Wir wissen nicht, wie lange Blumen ins Boot gelegt wurden. Die, die dort lagen, waren frisch, anscheinend wurden sie öfters ausgetauscht. Vielleicht wurde das Boot als eine Art Grabstätte genutzt. Laurits Kjeldsen wird eine Liste der Daten anfertigen, wann die Sachbeschädigung stattgefunden hat.“

„Hast du Mira Evaldsen erreicht?“, fragte er Emily, da er in seinen Notizen sehen konnte, dass sie sich dieser Aufgabe angenommen hatte.

„Sie war nicht zu Hause, aber ich habe ihre Mutter gebeten, mit der ich telefoniert habe, ihrer Tochter Bescheid zu geben, dass ich gerne mit ihr sprechen würde. Sie wurde fast hysterisch und schärfte mir ein, dass ihre Tochter nichts Ungesetzliches getan habe. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist ihr zu erklären, dass ich nur mit Mira reden wollte.“ Emily schüttelte den Kopf, sodass ihr Pferdeschwanz tanzte. „Sie sollte morgen in der Schule sein.“

„Dann sprechen wir dort mit ihr.“

Roland befragte erneut seinen Notizblock und überlegte im Stillen, ob er allmählich ein schlechtes Gedächtnis bekam.

Natürlich war es Kim gewesen, der versuchen wollte, den Besitzer des Ruderbootes ausfindig zu machen.

„Das ist mir leider noch nicht gelungen. Es ist ein altes Glasfaserboot ohne besondere Kennzeichen, darüber hinaus etwas rostig am Vordersteven, wahrscheinlich von einer rostigen Kette. Ich habe eine Suchmeldung auf unserer Homepage und bei Twitter und Facebook eingestellt, aber wir sollten uns nicht allzu große Hoffnungen machen. Die meisten wissen wohl aus der Presse, dass darin eine Leiche gefunden wurde, und dann hat man ja nichts davon, sich als Besitzer auszuweisen.“

„Aber die Ruder waren doch ziemlich neu“, meinte Liam.

Kim nickte und schaute auf den Bildschirm seines Tablets, das er immer dabeihatte.

„Ja, das sind neue Holzruder der Marke Lahna; man sieht das rote Logo auf dem Ruderblatt. Die Marke hat dieses Jahr 50-jähriges Jubiläum und exportiert in 20 Länder, das sagt ja auch was darüber aus, wie viele verkauft worden sein können. Sie vertreiben auch im Internet, was das Ganze noch unüberschaubarer macht. Die finnische Firma Lahnakoski produziert sie, aber …“ Kim nahm den Blick vom Bildschirm und sah Roland durch die runde Harry-Potter-Brille an. „Ich habe den Norsminde Ruderklub kontaktiert und es war ein bisschen überraschend.“

„Das sind ja wohl nicht gerade die Art Boote, die sie in einem Ruderklub benutzen“, schätzte Liam mit einem schiefen Grinsen.

„Nein, aber vielleicht kennen sie es trotzdem, oder?“

„Was war überraschend?“, unterbrach Roland.

„Der Vorsitzende des Ruderklubs war wegen eines Todesfalls in der Familie nicht anzutreffen. Wie sich herausstellte, ist es Iris’ Bruder, Jakob Bøgh Lykkegaard.“

„Hat niemand mit ihm gesprochen?!“ rief Isabella.

„Doch, wir waren zu Hause bei seinen Eltern, als wir sie darüber informiert haben, dass Iris gefunden wurde“, sagte Roland.

Er sah wieder die Gesichter der Eltern vor sich, als er ihnen die furchtbare Mitteilung überbracht hatte. Ganz offensichtlich hatte es sie nicht überrascht, dass ihre Tochter tot war, aber der kleine, schwache Funken Hoffnung war mit einmal gelöscht und durch eine Ohnmacht ersetzt worden, die so deutlich durchschien, dass es ihn tief in der Brust schmerzte.

„Aber natürlich war das nicht der richtige Zeitpunkt um Fragen zu stellen, die sie als Verdächtige hätten dastehen lassen“, fuhr er fort und hob gleichzeitig die Hände, um die aufkommenden Proteste abzuwehren. „Ich weiß, dass sich der Täter oft in der näheren Familie findet, aber deswegen kann man trotzdem Rücksicht nehmen. Außerdem hat die Familie eine Menge durchgemacht, sowohl Verdächtigungen als auch Ermittlungen, als Iris verschwand, daher sollte man glauben, dass sie davon reingewaschen wurden. Emily und Bjarke, ihr redet morgen trotzdem noch mal mit ihnen. Denkt daran, sie zu fragen, ob Iris Unfälle gehabt hat, die die alten Knochenbrüche in ihrem Arm erklären können, auf die Natalie aufmerksam gemacht hat. Ich werde mich wohl um den Sohn und die Klassenkameraden inklusive ihrer Freundin Mira kümmern. Du kommst mit, Isabella.“

Er sah sie an und sie nickte, ohne seinen Blick zu erwidern. Sie hatte offenbar angefangen, alles in einen Kalender in ihr Handy einzugeben, und ihre Augen waren die ganze Zeit darauf geheftet.

„Es ist noch eine Suche nach dem Taxifahrer rausgegangen, den müssen wir finden, und Niels und Hafid, kümmert ihr euch um die restlichen Schüler der Askholt? Denkt dran, sie auch nach Martha Bæk zu fragen.“

„Gibt es was Neues aus dem NKZ wegen der Schuhabdrücke im Schnee?“, fragte Emily.

„Leider hat das nichts gebracht. Das Schneetreiben hat die Spuren zerstört, wie wir befürchtet haben.“

Roland leerte seine Kaffeetasse und sah Liam und Kim an, die nebeneinandersaßen.

„Ihr beide macht damit weiter, den Eigentümer des Ruderbootes zu finden. Das ist unsere dichteste Verbindung zum Täter, da es in seinem Besitz gewesen sein muss. Geht jetzt nach Hause und ruht euch aus, dann machen wir morgen früh frisch weiter.“

Roland setzte sich und sah seinen Mitarbeitern nach, die im Nebenbüro zusammenpackten, und einer nach dem anderen zur Tür hinaus verschwanden. Er hatte noch Papierkram zu erledigen, bevor er in der Halle Marianna treffen sollte, mit der er jeden Mittwochabend Tennis spielte.

Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11

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