Читать книгу Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 6

Kapitel 2

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Das Büro war anders eingerichtet als in den vielen Jahren, in denen er es innehatte und die Zustände bloß normal und nie besser geworden waren. Das Büro hatte der nun ausgeschiedene Vizepolizeidirektor Anker Dahl mit seiner Übernahme geändert. Es war ein kleiner Konferenztisch in die eine Ecke gekommen und ein Whiteboard, sodass sie für ihre Briefings nicht in den Konferenzraum gehen mussten. Warum war er da nicht draufgekommen? Aber da hatte ja der große Kasten von einem Drucker gestanden, fiel ihm ein. Der war nun durch ein kleineres Tischmodell ersetzt worden.

Roland nickte zufrieden. Er hatte darauf bestanden, sein altes Büro zu bekommen, obwohl der Polizeipräsident ihm ein größeres angeboten hatte, jetzt, da er zum Hauptkommissar ernannt worden war. „Es wird mehr Papierkram“, hatte er gesagt, und Roland hatte betont, dass er dann ja kein großes Büro bräuchte, wenn er nur an seinem Schreibtisch sitzen sollte. Diese Einstellung hatte Birger Gudbergsen nicht, was sich auch deutlich in den Büros der Führungsriege widerspiegelte; je mehr Papierarbeit sie hatten, desto größer das Büro.

Roland lehnte sich ein paarmal prüfend auf dem Stuhl zurück, sodass das Leder knarzte. Warum hatte er damals nicht auch um einen neuen Stuhl gebeten? Der alte war so abgenutzt, dass die Gaspatrone nicht mehr funktionierte. Selbstverständlich, weil er gar nicht so viel gesessen hatte. Er fühlte sich draußen im Einsatz am wohlsten. Dieser Stuhl war echt bequem. Viel Papierkram? Er hoffte trotzdem, dass er nicht den lieben langen Tag auf seinem Hintern sitzen würde. Er schaute auf die Uhr. Wo blieben die Mitarbeiter? Er hatte alles für die morgendliche Besprechung vorbereitet. Die Fotos von Martha Bæk, dem Hund und dem Mädchen unter dem Eis hingen an der Pinnwand, auf dem Tisch standen Tassen und Thermoskannen.

Am Abend zuvor war niemand hier gewesen, als er von der Pressekonferenz zurückgekommen war, die er gemeinsam mit dem Vizepolizeidirektor abgehalten hatte. Eine weitere Sache, an die sich Roland wieder gewöhnen musste. Die Presse. Er musste an das Nützliche denken, das die Journalisten trotz allem taten, sie als seinen Schlüssel zur Bevölkerung sehen, wie es der Vizepolizeidirektor ausgedrückt hatte. Glücklicherweise hatte er den Chef überreden können, nicht allzu offen zu sein. Unter anderem hatten sie sich darauf geeinigt, die frischen, blauen Iris-Blumen, die auf dem Eis über der Leiche gelegen hatten, nicht zu erwähnen.

Natürlich war es spät geworden, bis er zurück in der Abteilung war, aber wie viel hatte sich im Laufe der Jahre im Polizeipräsidium geändert? Seinerzeit war es selten gewesen, dass die Leute einfach nach Hause gingen, wenn sie an einem großen Fall arbeiteten. Sie arbeiteten in der Gruppe, aber vielleicht hatten sie sich an etwas anderes gewöhnt unter Anker Dahl, den die Polizeibehörde nun hinter Gitter gesteckt hatte. Wenn es jemand verdiente, dort zu sitzen, dann er.

Der Erste, der auftauchte, war Hafid Ahmed. Er wünschte Roland einen guten Morgen und setzte sich auf seinen Platz im Nachbarbüro.

„Wann kommen die anderen?“, rief Roland ihm zu und sah wieder auf die Uhr.

„Die müssten eigentlich schon hier sein. Wenn nicht, sind sie bestimmt auf dem Weg“, antwortete Hafid und schaute sich um, als glaubte er, sie versteckten sich alle unter den Tischen.

Arbeitsniederlegung, war Rolands erster Gedanke. Alle waren so unzufrieden damit, einen Verräter als Chef zu bekommen, dass sie sich weigerten, zur Arbeit zu erscheinen. Vielleicht hatte Viktor Enevoldsen recht damit, dass es nicht leicht für ihn werden würde.

Glücklicherweise trudelten sie nach und nach ein. Zuerst kam einer der Neuen, Liam Eklund, den er auch ein wenig kannte aus alten Zeiten, als Liam bei der Spezialeinheit gearbeitet hatte und anschließend, nach einer Schussverletzung, durch die er nicht mehr für ebendie härteste Einheit der Polizei arbeiten konnte, in die Abteilung für organisierte und Wirtschaftskriminalität versetzt worden war. Sie hatten letzten Sommer zusammen an dem großen Terrorfall in Aarhus gearbeitet, wo Roland erneut involviert war, obwohl er für die Polizeibehörde gearbeitet hatte. Als nächstes setzte sich Bjarke Svane auf seinen Platz. Svane war ein ehemaliger Angestellter des PET, hatte sich aber entschieden, den Job zu wechseln und im Polizeipräsidium anzufangen, als die Abteilung des PET in Aarhus 2013 schloss und die Mitarbeiter nach Søborg ziehen sollten. Dann tauchten Isabella, Niels Nyborg und Kim Ansager auf, seine drei alten, langjährigen Kollegen, die einzigen Alten, die noch da waren. Zum Schluss kam die neue Beamtin, Emily Strand, von deren schulmädchenhaftem Aussehen man sich nicht täuschen lassen durfte. Sie hatte vorher in der Spezialeinheit der Bereitschaft gearbeitet. Ihr Job bestand hauptsächlich darin, Schulen und Volksschulen abzuklappern und in das raue Nachtleben zu Diskotheken und Nachtclubs zu fahren, wo Drogen im Umlauf waren, um zynische Dealer zu verhaften. Anker Dahl hatte Liam, Bjarke und Emily in Verbindung mit dem Terroranschlag in die Abteilung gebracht und anschließend hatten sie selbst den Wunsch geäußert zu bleiben.

Falls diese nachlässige Eintreffen am Arbeitsplatz Usus war, musste sich das wieder ändern, aber darum würde er sich nach und nach kümmern.

Roland stand auf und ging zu ihnen ins Nachbarbüro. Wenn der Berg nicht zum Propheten kam …

„Hmm, guten Morgen zusammen. Wir haben drei Mordfälle, würdet ihr daher mit in mein Büro kommen? Ich habe Brötchen besorgt.“

Er hatte beim Bäcker überlegt, ob es vielleicht wie Bestechung wirkte, aber falls er seine Mitarbeiter mit Brötchen und Gebäck dazu bringen konnte, ihm freundlich gesonnen zu sein, war er noch billig davongekommen.

„Sind es nicht nur zwei Morde?“, fragte Emily.

„Ja, zwei Menschen – und ein Hund“, antwortete Roland. An dem Tisch war geradeso Platz für die sieben Beamten. Roland setzte sich auf den Rand seines Schreibtisches. Zu seiner Freude nahmen alle die Bestechung an und schenkten sich Kaffee ein. Jedoch schweigend und ohne ihn anzusehen. Er räusperte sich. Die Routine bei Morgenbesprechungen musste auch wieder aufgefrischt werden. Er umklammerte seinen Kaffeebecher fester als notwendig.

„Das Ruderboot wurde gestern Abend in die Rechtsmedizin gebracht. Das Eis sollte von allein auftauen, sodass eventuelle Spuren nicht zerstört werden. Das hat natürlich eine Weile gedauert“, legte er dar. „Aber jetzt ist das Mädchen unter dem Eis identifiziert. Es handelt sich um Iris Bøgh Lykkegaard, die seit dem 5. November verschwunden war – also gut und gerne zwei Monate. Die Eltern haben sie identifiziert.“

Nun sahen ihn alle aufmerksam an. Der Fall des verschwundenen Mädchens aus Malling war in allen Medien gewesen, seit sie nach einem Abend mit ihren Freundinnen in Aarhus, wo sie ihren 16. Geburtstag feierte, verschwunden war. Der Fall hatte alle beschäftigt und berührt. Es war spät geworden, und Iris und eine Freundin, die in die gleiche Richtung musste, hatten sich darauf geeinigt, mit dem Taxi heimzufahren, aber Iris hatte aus unbekannten Gründen die verhängnisvolle Wahl getroffen, bei der Egelund Station aus dem Taxi zu steigen. Ihre Freundin hatte der Polizei während der Suche im vergangenen Jahr erzählt, sie habe gesehen, wie sie den Nymarksvej entlanggegangen sei und daher damit gerechnet, dass sie die Unterführung unter dem Oddervej nehmen und dem Nymark folgen würde, von wo aus es nicht mehr weit bis nach Hause war. Niemand hatte sie mehr gesehen, nachdem sie um 1:30 Uhr das Taxi verlassen hatte. Durch das heftige Schneegestöber in dieser Nacht waren alle Spuren beseitigt. Die Suche durch Polizei, Freunde, Familie, Missing People und im Großen und Ganzen alle in der Umgebung blieb erfolglos. Es war in Wasserläufen, Mooren und Seen gesucht worden, wo sie ins Eis eingebrochen sein konnte, und je mehr Zeit in diesem harten Winter verging, desto geringer waren die Chancen, die junge Frau lebend zu finden. „Wie ist sie gestorben?“, fragte Isabella schwach.

„Wir haben den endgültigen rechtsmedizinischen Bericht noch nicht vorliegen. Aber Natalie meint, dass sie heute Nachmittag damit fertig ist. Die Leiche ist gut erhalten, da sie die ganze Zeit gekühlt war; daher glaubt Natalie, dass die Chancen nicht schlecht stehen, Spuren zu finden.“

„Ja, wenn das Wasser sie nicht zerstört hat“, warf Bjarke ein.

Roland nickte und trank von dem Kaffee. Er war nicht so gut wie der, den er aus der Polizeibehörde gewohnt war, und er versuchte eine Grimasse zu unterdrücken.

„Aber, was sie sagen kann, ist, dass Iris an Händen und Füßen gefesselt war und grob misshandelt wurde.“

„Vergewaltigt?“, fragte Isabella. Die Abscheu leuchtete deutlich in den Augen. Roland erinnerte sich plötzlich an eine der letzten Bemerkungen von Mikkel Jensen ihm gegenüber, bevor er festgenommen worden war, nämlich, dass Isabella von jemandem vergewaltigt worden war, der frei herumlief, ihr drohte und andere Frauen vergewaltigte. Er hatte gesagt, dass sie ihren Namen hatte ändern und umziehen müssen, um dem Vergewaltiger zu entkommen. Aber hatte Mikkel Jensen das damals nur gesagt, um seine eigenen Taten zu rechtfertigen?

„Das konnte Natalie vor der Obduktion auch noch nicht sagen, aber Iris war nackt, daher müssen wir das Schlimmste befürchten“, antwortete er.

Eine Weile herrschte Schweigen.

„Iris war eine aktive junge Frau. Sie hatte gerade ihren eigenen Rekord als Freitaucherin unter dem Eis gebrochen, bevor sie verschwand“, fuhr Roland fort.

„Und dann wird sie tot unter dem Eis in einem Ruderboot gefunden. Ob darin wohl eine Symbolik liegt?“, fragte Liam und fasste damit Rolands Gedanken in Worte.

„Wir werden selbstverständlich mit ihrem Bekanntenkreis im Tauchklub reden“, antwortete er.

„Die wurden doch bestimmt schon befragt, als das Mädchen im November verschwunden ist“, meinte Niels.

„Das ist klar, aber jetzt muss ein Mörder gefunden werden, daher sprechen wir noch mal mit allen.“

„Was ist mit dem Taxifahrer? Wurde der nicht ausfindig gemacht?“

„Nein, er hat sich nie gemeldet, daher haben wir auch hier eine Aufgabe. Ich kann dem Bericht entnehmen, dass geschlussfolgert wurde, dass es sich um ein Schwarztaxi gehandelt hat.“

„Was bedeuten die Blumen?“, fragte Isabella und betrachtete das Foto des Bootes an der Pinnwand.

„Das sind Iris. Frische, daher deutet einiges darauf hin, dass sie gerade erst hingelegt wurden“, erläuterte Roland und schaute ebenfalls einen Augenblick auf die Pinnwand. Die starrenden, hübschen blauen Augen, die er unter dem Eis gesehen hatte, erschienen immer noch vor seinem inneren Auge.

„Blaue Iris? Ob das wohl eine Anspielung auf ihren Namen ist?“ Emily lehnte sich auf dem Stuhl zurück.

„Oder auf ihre Augen. Die sind ungewöhnlich hübsch und blau“, meinte Isabella und sah fast neidisch auf das Foto von Iris, das ihnen von den Eltern ausgehändigt worden war, als sie gesucht wurde. Iris lächelte und das lange, strohblonde Haar glänzte in der Sonne und umrahmte ihr hübsches, ovales Gesicht. Das gleiche Foto hatte Iris für ihr Facebook-Profil verwendet. Isabella hatte recht. Roland hatte noch nie so unglaublich schöne blaue Augen gesehen, wenn sie denn echt und keine farbigen Kontaktlinsen waren. Heutzutage wusste man ja nie.

„Aber es kann ja eigentlich fast nur der Mörder gewesen sein, der die Blumen dorthin gelegt hat“, schätzte Niels und Roland hatte das Gefühl, dass sie sich alle langsam in dem Fall engagierten.

„Jedenfalls jemand, der wusste, dass sie in diesem Boot lag. Warum sollte er sie sonst hinlegen?“, meinte er.

„Aber man legt doch wohl nur Blumen für jemanden hin, den man mag“, murmelte Isabella fast zu sich selbst und schaute immer noch nur auf die Pinnwand und die Tafel, nicht zu Roland.

„Vielleicht hat die Frau, die tot aufgefunden wurde, sie hingelegt“, überlegte Liam. „Wissen wir, wer sie ist?“

„Ja, Martha Bæk. Frisch verwitwet. Sieht so aus, als ob sie gerade mit dem Hund Gassi war.“ Roland deutete auf das Foto des toten Hundes. „Aber natürlich werden wir überprüfen, ob sie Iris kannte. Einiges deutet darauf hin, dass der Hund, bevor er erstochen wurde, den mutmaßlichen Täter angegriffen hat. Die Kriminaltechniker haben Fasern zwischen seinen Zähnen gefunden. Sieht nach blauem Jeansstoff aus, daher können wir davon ausgehen, dass er – oder sie – eine Jeans trug.“

„Hurra. Alle laufen in Jeans rum“, bemerkte Kim trocken.

„Martha Bæk starb an Blutverlust aufgrund von fünf Messerstichen in die Brust“, fuhr Roland fort. „Eine Sehne in dem einen Knie war gerissen, sodass sie sich nicht auf das Bein stützen konnte. Die Spur im Schnee zeigt, dass sie ausgerutscht ist, und da die Verletzung frisch erscheint, meint Natalie, dass sie bei dem Sturz passiert sei. Sie konnte sich also nicht von der Stelle bewegen.“

„Wann wurde der Hund getötet?“, fragte Niels, der lange in die Luft gestarrt hatte.

„Kurz vor seiner Besitzerin“, antwortete Roland, nachdem er den Bericht des Tierarztes zu Rate gezogen hatte.

„Was hat sie überhaupt auf diesem Feld gemacht? Ist das nicht in Privatbesitz? Ich dachte, man darf nicht einfach so auf dem Eigentum anderer herumlaufen“, sagte Liam.

„Vielleicht kannte sie den Hofbesitzer“, schlug Bjarke vor.

Roland erhob sich vom Tisch und ging zu der Pinnwand. „Ich habe gestern Abend mit den Hofbesitzern in der Umgebung gesprochen, aber die kannten sie nicht.“

„Dann war sie also ziemlich auf sich gestellt. Insgesamt ist der Norsminde Fjord ja nicht besonders stark besucht“, sagte Isabella.

Bjarke schüttelte den Kopf. „Nein, und dafür sind die Naturschutzbehörde und der Dänische Naturschutzverband sicher dankbar. Der Norsminde Fjord ist ein Wildreservat, das viele Zugvögel als Rastplatz nutzen. Es ist nicht so leicht, an den Fjord zu kommen. Man muss beim Norsminder Hafen parken, einem Pfad auf dem Deich in Richtung der Aarhuser Bucht folgen, am alten Pumphaus vorbei und ins Reservat, das Das Herrenlose heißt. Das dauert circa drei Stunden“, informierte Bjarke.

Emily zog das Haargummi um den blonden Pferdeschwanz fest. „Kein Wunder, dass dann jemand eine Abkürzung über die Felder nimmt.“

„Der Fjord ist nicht besonders tief“, erläuterte Bjarke weiter. „Ich glaube, die Maximaltiefe beträgt nicht mehr als ein paar Meter.“

„Dann ist es wohl auch nicht normal, dort Boot zu fahren?“ Isabella runzelte die Stirn.

„Es gibt strenge Regeln für Schifffahrten auf dem Fjord. Ich weiß, dass Regatten mit Ruder- oder Segelbooten auf jeden Fall verboten sind.“

Bjarke segelte selbst viel und hatte ein kleines Boot in der Marselisborg Marina liegen, sicher hatte er daher das Wissen.

„Ist es nicht merkwürdig, dass sie so lange in diesem Boot gelegen hat, ohne entdeckt zu werden? Wem es wohl gehört?“

„Das finden wir heraus, Isabella“, versprach Roland.

„Haben wir Zugang zu ihrem Facebook-Profil?“, fragte Emily.

„Das wurde während der Suche bereits in Augenschein genommen. Es war nicht sehr aufschlussreich, da das Profil seit Iris’ Verschwinden nicht in Benutzung war. Es wurde von der Familie gelöscht, nachdem es drei Wochen lang kein Lebenszeichen von ihr gegeben hatte. Allerdings ist es erst vor Kurzem vollständig aus dem Netz verschwunden, aber das ist offenbar normal, wenn ein Facebook-Konto geschlossen wird.“

Roland wusste nicht besonders viel über so etwas. Er war nicht bei Facebook. Seine Enkelin Marianna schon und sie war die ganze Zeit mit ihren Updates, Statusmeldungen oder, wie auch immer sie das nannte, beschäftigt.

„Was ist mit dem Handy? Heutzutage kann ja kein Jugendlicher ohne leben, also muss sie doch eins gehabt haben“, behauptete Liam.

„Es ist leider trotz intensiver Suche in der Umgebung nicht aufgetaucht. Hafid und ich sind gestern Abend noch mal ihr Zimmer durchgegangen, als wir mit ihren Eltern gesprochen haben. Ihr Vater, August Bøgh Lykkegaard, ist Augenarzt und hat eine Klinik hier in Aarhus. Seine Frau hilft in der Klinik als Sekretärin. Sie waren nicht der Meinung, dass es notwendig wäre, dass wir das Zimmer ihrer Tochter sehen, da es schon untersucht wurde, als sie vor zwei Monaten verschwand, aber wir bekamen trotzdem die Erlaubnis. Hat leider nichts gebracht.“

Hafid schüttelte den Kopf. „Es sah aus, als hätte sie die wichtigsten Dinge bei sich. An der Wand hingen fast nur ihre eigenen Zeichnungen. Offenbar war sie ziemlich talentiert.“

Roland nickte.

„August Bøgh Lykkegaard?“, wiederholte Emily. „Ist das nicht der, der neulich wegen der Erforschung der Regenbogenhaut im Fernsehen war?“

„Ja, stimmt. Er forscht in Iridologie.“

„Iridologie? Was soll das sein?“, fragte Hafid.

Kim räusperte sich. „Diese Technik lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückführen; doch Mitte des 19. Jahrhunderts machte ein ungarischer Junge eine Entdeckung bei einer Eule. Ihr linker Flügel war gebrochen und er bemerkte einen Strich im entsprechenden Auge. Als der Flügel verheilt war, verschwand der Strich im Auge. Dieses Erlebnis vergaß er nie. Als er später Mediziner geworden war, fing er an, menschliche Augen zu untersuchen, um herauszufinden, ob man anhand der Iris Krankheiten erkennen konnte.“ Kim rückte seine Brille zurecht. „Das nennt man auch Irisanalyse.“

Roland schmunzelte unmerklich. Manches in der Abteilung hatte sich nicht verändert; Kim Ansager war immer noch das allwissende Orakel des Polizeipräsidiums.

„Ja, ich weiß das nur, weil meine Oma Heilpraktikerin ist und diese Methode auch nutzt“, fügte Kim beinahe verlegen hinzu.

„Irisanalyse, und dann nennt er seine Tochter Iris – ist das nicht ein bisschen …?“ Emily gestikulierte mit der Hand vor sich in der Luft und kam nicht auf das Wort.

„Also kein Handy“, fasste Liam zusammen.

„Nein, aber wir haben auch noch nicht den Tatort gefunden. Sie wurde nicht im Boot getötet, meinen die Techniker. Wir wissen nicht, ob es derselbe Täter ist wie der, der Martha Bæk getötet hat. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Iris ging auf die Askholt Privatschule. Wir müssen mit all ihren Klassenkameraden reden. Sie hat auch einen Bruder.“ Roland schaute wieder in die Unterlagen. „Er heißt Jakob, ist 24 Jahre alt und Geschäftsführer bei ‚Security Scan‘, einer Firma, die fortschrittliche Sicherheitssysteme unter anderem für Flughäfen und das Militär entwickelt.“

„Ganz schön jung, um Geschäftsführer in so einer Firma zu sein“, fand Emily.

Roland nickte. Das hatte er auch gedacht.

Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11

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