Читать книгу Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 15

Kapitel 11

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Der Schweiß tropfte von seiner Stirn, lief in die Augen und ließ sie brennen. Sein T-Shirt war vorne und am Rücken nass und klebte unangenehm am Körper. Er schnappte nach Luft. Der Arm schmerzte, als der Schläger den harten Tennisball traf und ihn über das Netz schickte, wo Marianna schnell vorsprang und ihn zu ihm in die entgegengesetzte Richtung zurückschickte. Er schaffte es nicht, das Gleichgewicht zu finden, streckte nur den Schläger vor, ohne den Ball zu erwischen und hörte seine Enkelin laut lachen. Das war der Grund, warum er sich das antat. Er war Marianna nähergekommen, seit sie begonnen hatten, einmal pro Woche Tennis zu spielen. Rikke hatte sich über den Hang ihrer Tochter beschwert, immer vor ihrem Computer oder am iPhone zu kleben, ohne irgendetwas Aktives zu unternehmen. Roland hatte Marianna gefragt, ob es denn gar keinen Sport gäbe, den sie gut fände, und sie hatte ganz sicher geantwortet: „Doch, mit Opa Tennis zu spielen“, weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass er diesen Wunsch erfüllen würde. Aber er hatte sie beim Wort genommen. Ob er damit sie oder sich selbst bestrafte, ist seither eine ihm häufig wiederkehrende Frage.

„Na! Was ist, Opa? Brauchst du eine Pause?“

Roland sah auf die Uhr in der Halle. Zu seiner Erleichterung war die Zeit fast um, sodass sie den Platz bald den nächsten Spielern überlassen sollten. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und traf Marianna am Netz. Sie schwitzte nicht annähernd so viel wie er. Als sie sich runterbeugte, um ihr Handtuch aufzuheben, fiel der dunkle Zopf vor über die weiße Nike-Schirmmütze, die hier drinnen in der Halle gar nicht notwendig war, mit der sie sich aber bestimmt wie ihr Idol Caroline Wozniacki fühlte. Sie wischte sich die Stirn ab und warf das Handtuch über die Schulter. Roland rubbelte ebenfalls sein schweißnasses Gesicht ab und lächelte, so gut er es in seiner Atemnot vermochte. Der Arm tat weh und sein Mund war trocken. Sie gingen zusammen zu den Umkleideräumen. Erst duschen, anschließend eine Limo im halleneigenen Kiosk, dann war die herausforderndste Verpflichtung dieser Woche überstanden.

Marianna hatte auch Lust auf ein Hühnchen- und Bacon-Sandwich, das er bezahlte. Er balancierte das Tablett an den Tisch, wo Marianna mit nassen Haaren und roten Wangen wartete. Er erwischte sie mit ihrem Smartphone.

„Hey, hattest du nicht eine Absprache mit deiner Mutter?“, fragte er und stellte das duftende Sandwich vor ihr ab. Jetzt konnte sie all die Kalorien zu sich nehmen, die sie gerade während des Spiels verloren hatte. Aber sie konnte es vertragen. Roland fand, sie war viel zu dünn geworden. Als Kind war sie pummelig gewesen.

Marianna lächelte und legte das Handy zurück in die Sporttasche.

„Ich musste nur gerade Solveig antworten. Ich übernachte morgen bei ihr.“

„Ach, macht man das immer noch? Übernachten?“, fragte Roland und nahm einen Schluck von seinem Mineralwasser.

Vielleicht war es nur sein Polizistenhirn, aber er hatte immer den Verdacht gehegt, dass so etwas immer etwas völlig anderes kaschierte, aber er hatte trotzdem nie angerufen und überprüft, ob Rikke oder Olivia wirklich bei der angegebenen Freundin schliefen oder ob sie mit den Jungs in der Stadt waren. Rikke schon. Sie hatte sogar mal darüber gesprochen, GPS für Marianna zu besorgen, sodass sie sehen konnte, wo sie sich befand. Das hatte Roland ihr ausgeredet und gesagt, sie müsse ihrer Tochter vertrauen. Aber die Zeiten änderten sich und er verstand ihre Sorge.

„Ja klar, das ist toll.“

Plötzlich bemerkte er, dass etwas anders war.

„Hast du Ohrlöcher?“

Marianna berührte abwesend einen der Silberstecker, die fest in ihren Ohrläppchen steckten. Es waren kleine, fliegende Schwalben.

„Ja.“

„Bist du nicht ein bisschen zu jung für so was? Ich hätte nicht gedacht, dass deine Mutter das erlaubt.“

„Hat sie auch nicht, aber als die Löcher gestochen waren, konnte man ja nicht mehr viel dagegen machen, oder?“, entgegnete sie eingeschnappt.

„Also hast du das einfach machen lassen ohne Erlaubnis?“

„Opa, ich bin doch kein kleines Kind mehr, das für alles die Erlaubnis von Mama und Papa braucht.“

„Das ist mir schon klar, Schatz. Aber woher hattest du das Geld?“

„Mein Taschengeld. Das hat 300 Kronen gekostet – inklusive der Ohrstecker. Sind die nicht süß?“

„Doch, die sind sehr süß.“

Trotz allem war er froh, dass es keine kleinen Totenköpfe oder Schlimmeres war. Er hatte schon alles Mögliche in den Ohrlöchern junger Menschen hängen sehen.

„Habt ihr denn irgendwas vor?“

„Was meinst du?“

„Na, morgen Abend. Wollt ihr in die Stadt oder so?“

„Jetzt klingst du genau wie Mama“, meinte Marianna und verdrehte die Augen.

„Du solltest froh sein, dass wir uns Sorgen um dich machen, Schätzchen. Nicht alle haben jemanden, der das tut.“

„Als ob das ein Trost wäre.“

Roland lächelte. Er ging es vorsichtig an, wenn er mit seiner Enkelin sprach. Teenager waren wie Landminen: wenn man drauftrat, explodierten sie. Obwohl seine Töchter längst aus diesem Alter heraus waren, hatte er nicht all die Kämpfe vergessen, an denen er oft selbst schuld gewesen war, wie er rückblickend leicht sehen konnte.

„Solveig, das war doch die, die gestern Abend mit dir bei dem Gedenkgottesdienst war, oder?“

Marianna nickte mit vollem Mund.

„Du kanntest Iris also überhaupt nicht?“

„He, hattest du nicht auch eine Absprache mit Oma?“, gab Marianna zurück.

Roland schüttelte leicht den Kopf und nickte. Es stimmte, er hatte Irene versprochen, in seiner Freizeit nicht über die Arbeit zu sprechen – und schon gar nicht mit Marianna. Sie sollte nichts von all den schrecklichen Dingen hören, mit denen er zu tun hatte, aber sie lebte ja selbst in dieser Welt. Kein Jugendlicher heutzutage war unwissend. Durch das Internet und die sozialen Medien waren sie über alles auf dem Laufenden und seiner Meinung nach war es besser, mit den Kindern über die furchtbaren Dinge, die passierten, zu sprechen, als sie die Informationen durch die Medien bekommen zu lassen, die sie oft in eine bestimmte Richtung verdrehten.

„War ja nur eine Frage, Marianna.“

„Okay. Nein, ich kannte Iris nicht. Solveig schon ein bisschen, weil sie auf die Askholt Privatschule geht.“

„Deine Mutter erwähnte, dass du dir vorstellen könntest, auch auf diese Schule zu gehen. Ist es wegen Solveig?“

Marianna schaute auf die Essensreste auf ihrem Teller. Es waren nur noch ein Salatblatt und eine halbe Tomate übrig.

„Mama kapiert gar nichts“, murmelte sie.

„Was kapiert sie nicht? Warum du die Schule wechseln willst?“

„Das auch.“

Marianna stocherte in der Tomate.

„Aber warum willst du es denn, Marianna?“

„Ich hab bloß gehört, dass das ’ne gute Schule ist“, wich sie mürrisch aus.

„Ist das deine Schule nicht auch?“

„Ich weiß nicht …“

„Was stimmt denn mit deiner Schule nicht?“

„Es sind zu viele in der Klasse und es ist viel Lärm. In Solveigs Klasse nicht, sagt sie, und außerdem machen sie viel mehr draußen in der Natur als wir.“

„Du bist doch in der Schule, um etwas zu lernen. In der Natur kannst du etwas machen, wenn du frei hast.“

Marianna verdrehte wieder die Augen. Er wusste, dass er altmodisch klang. Viele der modernen Schulen kombinierten die beiden Dinge. Gingen raus in die Natur und studierten dort heimische Vögel und Insekten und besuchten Zoos, um auch Raubtiere und Exoten beobachten zu können.

„Mama und Papa sagen beide, ich soll auf dieser Schule bleiben, bis ich aufs Gymnasium gehe. Aber wenn ich das nicht will? Wenn ich was anderes will?“

„Willst du das denn?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Vielleicht will ich einfach Mordermittler werden wie du, Opa.“

„Einfach? Und du glaubst nicht, dass du dafür eine Ausbildung brauchst?“, fragte er gespielt beleidigt.

„Dann muss ich doch nur auf die Polizeischule, oder?“

„Ja, schon, aber erst musst du eine gymnasiale oder eine Berufsausbildung gemacht haben, um bei der Polizeischule aufgenommen zu werden. Es reicht nicht, so klug wie dein Opa zu sein.“

Marianna lächelte leicht gequält. Sie schwieg eine Weile, drehte die Colaflasche und pulte am Etikett.

„Was hast du über Iris herausgefunden? Wie ist sie denn gestorben?“

„Du weißt genau, dass ich so etwas nicht erzählen darf, Marianna. Nicht mal dir.“

Sie nickte.

„Aber die sagen, sie wurde nackt unter dem Eis in einem Boot gefunden. Ist sie ertrunken? Sie soll doch aber eine ziemlich gute Schwimmerin gewesen sein.“

„Ich kann es dir nicht erzählen, Schatz.“

„Was ist mit der, die sie tot auf dem Feld bei dem Boot gefunden haben? Hat sie auch etwas damit zu tun?“

„Nein, das glauben wir nicht. Sie war sicher nur mit ihrem Hund Gassi gegangen. Vielleicht hat sie etwas gesehen, dass sie nicht hätte sehen sollen.“

„Aber Iris hatte ja lange in dem Boot gelegen, stimmt’s?“

Roland nickte.

„Dann kann sie den Mord doch wohl nicht gesehen haben?“

„Das gehört zu den Dingen, die wir untersuchen, Schatz.“

„Und irgendwer hat den Hund getötet. Hat ihm ein Messer in den Hals gesteckt. Das muss doch eine total geisteskranke Person sein, die auf so was kommt. Einen unschuldigen Hund zu töten!“ Mariannas Gesicht war vor Abscheu verzerrt.

„Woher weißt du das?“

„Stand im Internet. Wenn jemand Angolo etwas tun würde, dann würde ich denjenigen töten.“

„Und so führt ein Mord zu weiteren Morden. So breiten sie sich aus wie Ringe im Wasser.“

„Aber ganz ehrlich, Opa!“

„Angolo passiert nichts, Marianna. Wir passen schon gut auf ihn auf.“

Roland leerte sein Mineralwasser.

„Aber versprich mir, dass du morgen Abend auf dich aufpasst, ja!“

„Wir sind nur bei Solveig. Das ist bloß ein Stück die Straße runter. Selbst Mama macht sich keine Sorgen“, behauptete Marianna und warf sich ihre Sporttasche über die Schulter, als sie aufstanden.

Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11

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