Читать книгу Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 17

Kapitel 13

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Wärme war vom Süden hergekommen und Tauwetter hatte sich im Laufe der Nacht über das ganze Land gelegt – erst mit Schneeregen, der dann in einen heftigen Regenschauer übergegangen war. Es war daher an diesem Morgen keine besonders angenehme Fahrt nach Horsens. Die Scheibenwischer schnellten an der Windschutzscheibe hin und her, um mit dem Regen mitzuhalten.

Das Hauptgebäude der Polizei von Südostjütland war nach der Polizeireform einer umfangreicheren Erweiterung unterzogen worden. Das Ganze war unter anderem während des Umzugs ins HUC-Gebäude geschehen, welches auch das Ausbildungszentrum Horsens beherbergte. Es war modern und verglast und passte mit seiner Aussicht auf den Bygholmer Fluss gut in die Landschaft neben dem Kreisverkehr. Es waren sogar eine Ausnüchterungszelle, ein Wartezimmer und ein Waffenraum im Gebäude eingerichtet worden. Die Hausgemeinschaft mit der Erwachsenenbildung war durch ein gemeinsames Foyer verbunden, es gab eine Kantine und eine Rezeption mit Malereien an den Wänden und Mobiles an der Decke, die von einer Künstlerin aus Viborg kreiert worden waren.

Roland Benito meldete ihre Ankunft an der Rezeption und sie wurden ins Büro des Polizeidirektors geleitet.

Thor Isaksen erhob sich schnell von seinem Schreibtisch und übernahm.

„Was für ein Wetter“, rief er.

„Ja, nun kommt doch endlich noch der Wetterumschwung. Die Meteorologen haben ja schon einen verfrühten Frühling angekündigt – es war also an der Zeit“, antwortete Roland.

Isaksen nickte und gab höflich zuerst Karina Ottesen, dann Roland die Hand.

„Ja, Roland, wir kennen uns jetzt schon viele Jahre lang. Ich muss gestehen, dass es mich ziemlich überrascht hat, zu hören, dass du bei der Polizeibeschwerdestelle angefangen hast. Was sagt Kurt Olsen dazu?“

Er zog Karina einen Stuhl am Konferenztisch zurecht, der mit Tassen, Thermoskanne und Brötchen gedeckt war. Karina setzte sich.

„Er hatte nicht besonders viel dazu zu sagen. Im Übrigen geht er ja selbst bald in Pension.“

„Ja, da wird in der Mordkommission am Aarhuser Polizeipräsidium wohl gründlich umbesetzt. Den Neuen – wie heißt er noch mal, Anker Dahl? – habe ich noch immer nicht begrüßt.“

„Ja genau, so heißt er“, bestätigte Roland und setzte sich neben Karina. Er hatte nicht so wirklich darüber nachgedacht, dass jetzt ein anderer auf dem quietschenden Bürostuhl in seinem Büro im Präsidium saß, obwohl er sich doch eigentlich nicht anmaßen konnte, es als seines zu bezeichnen, selbst wenn es sich viele Jahre lang so angefühlt hatte. Es war ein eigenartiger Gedanke, der einen Anflug von Eifersucht oder etwas ähnlich Seltsames in ihm hervorrief, denn es war ja sein freier Wille gewesen, zu gehen und es war nur selbstverständlich, dass er ersetzt worden war.

Thor setzte sich ihnen gegenüber.

„Man kann sagen, dass er ziemlich schnell ins kalte Wasser geworfen worden ist. Es gehen Gerüchte um, dass der Sohn des Polizeipräsidenten an einem Raub in einem Sportladen beteiligt gewesen ist und ermordet in einer Schlachtanlage gefunden wurde. Ziemlich ungemütlich. Eine Schlachtanlage! Und obendrein hat ein Polizist einen Schuss gegen zufällig vorbeikommende Zivilisten abgefeuert.“

Es war deutlich zu erkennen, dass Thor Isaksen es auf Informationen abgesehen hatte, und dann hatte er auch noch behauptet, ihn zu kennen, darum hätte er es eigentlich besser wissen müssen. Karina antwortete, jedoch mit nur wenigen Richtigstellungen.

„Die Schlachtanlage ist nicht mehr in Betrieb, das Gebäude steht also leer. Und es waren keine Zivilisten, sondern die Täter, denen der Schuss galt. Der Beamte hat aus Notwehr gehandelt.“

Roland schielte zu ihr hinüber. Es war nicht richtig, dass sie jetzt schon so entschieden ihre Meinung äußerte.

„Na ja, gut, das ist wohl ein Fall, an dem die DUP arbeitet“, antwortete Isaksen scharfsinnig.

„Wir aber nicht, wir haben eine andere Aufgabe. Was wolltest du uns erzählen, Isaksen?“, antwortete Roland und schenkte seiner Kollegin Kaffee ein, die ihm verwundert dankte. Auch sie kannte ihn offenbar noch nicht gut genug.

Thor Isaksen legte sich ein halbes Brötchen auf den Teller. Die Enttäuschung darüber, nicht mehr zu erfahren, war ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

„Ich habe eine unangenehme Angelegenheit beobachtet, nämlich dass vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit geraten sind … und der Maulwurf scheint aus unserer eigenen Abteilung zu kommen. Meine Theorie ist, dass Informationen aus unserem Kriminalregister und dem CPR-Personenkennzahl-Register durchsickern.“

Sorgfältig strich Isaksen Butter über sein Brötchen, sodass nichts mehr von dem Weißbrot zu sehen war.

„Um welche Informationen handelt es sich? Und an wen werden sie weitergegeben?“, fragte Roland und Karina nickte, als hätte sie gerade dasselbe fragen wollen.

„Es handelt sich zum Beispiel um Zeugen, die bereits kontaktiert und verhört worden sind, wenn wir auftauchen. Sie sagen, dass sie schon von einem uniformierten Beamten besucht worden sind und er sich die Informationen geholt hat, die wir brauchen.“

„Und ihr ward darüber nicht informiert?“, fragte Karina und nahm das Messer entgegen, das ihr Roland reichte.

„Nein“, bekräftigte Isaksen.“

„Kannst du uns ein Beispiel geben?“

Isaksen wischte sich mit einer Papierserviette Butter vom Kinn und faltete sie danach sorgfältig zusammen, während überlegte.

„Es haben sich einige verdächtige Vorfälle gehäuft, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

„Welcher Vorfall ist am ältesten, dann können wir dort beginnen“, sagte Roland, um ihm ein bisschen auf die Sprünge zu helfen.

„Hmm, vor zirka einem halben Jahr hatten wir eine Zeugin in einem Gewaltdelikt, bei dem ein Mann eine Passantin Frau auf einem Fußweg am Bygholmer See zusammengeschlagen hat. Die Zeugin hat eine so genaue Beschreibung vom Täter abgegeben, dass wir fast sofort wussten, wer er war – was wir so auch im Bericht festgehalten haben. Er war nämlich aktenkundig. Villum Bern. Gegen ihn gab es schon mehrere andere Anklagen wegen Pädophilie. Er soll sich an einem siebenjährigen Mädchen vergangen haben, was nie bewiesen wurde und er hat seine Schuld abgestritten. Unser Wissen darüber ist selbstverständlich innerhalb unserer vier Wände geblieben. Aber als wir die Zeugin noch einmal verhören wollten – sie war sich wegen des Schocks beim ersten Mal ein wenig unsicher gewesen – sagte sie, dass bereits ein Beamter bei ihr gewesen war, der alle Informationen eingeholt hätte. Wir haben Villum an seinem letzten Wohnort aufgesucht, doch plötzlich war er spurlos verschwunden und niemand in der Szene hatte ihn gesehen. Irgendjemand muss ihm also gesagt haben, dass wir ihn im Visier hatten.“

„Von welcher Szene sprechen wir?“

„Von der Drogenszene“, antwortete Isaksen.

„Und er kann nicht einfach von allein untergetaucht sein?“, fragte Roland.

„Warum sollte er? Er hatte keine Ahnung davon, dass wir ihn im Verdacht hatten und vorher war er schließlich auch nie geflüchtet oder hat sich versteckt.“

„Wenn sein Strafregister so lang war, weshalb sitzt er dann nicht hinter Gittern?“, fragte Karina und kaute an ihrem Brötchen.

„Ach, ihr kennt das doch. Wenn wir ihn erst eingebuchtet haben, dann kriegt er einen guten Verteidiger und das Oberste Gericht erteilt ihm 60 Tage Freiheitsentzug. Und schon ist er wieder draußen.“

„Doch nicht für schwere Gewaltverbrechen?“, wandte Roland ein.

„Das letzte Urteil, das er bekommen hat, bei dem es sich unserer Meinung nach um schwere Körperverletzung handelte, hat ihm ein Jahr und sechs Monate Gefängnis beschert. Nach einem Jahr war er wegen guter Führung wieder auf freiem Fuß. Ich glaube nicht, dass er das Gefängnis als eine Strafe sieht, eher im Gegenteil. Er bekommt eine Unterkunft und leichteren Zugang zu Drogen, leider.“

„Du glaubst also, die Informationen sickern zu den Kriminellen durch, bevor ihr sie erwischt?“

Isaksen schlug hilflos mit den Armen aus.

„Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht, aber es behindert uns jedenfalls in unserer Arbeit und es ist bedauerlich, dass die Informationen, wie gesagt, nur aus dieser Abteilung kommen können. Deshalb habe ich mit der Reichspolizei gesprochen, die meinte, ich solle mich an euch wenden.“

„Und du verdächtigst einen bestimmten Beamten?“

„Es ist natürlich schwer, seine vertrauten Mitarbeiter anzuschwärzen und ich wäre geneigt zu sagen, dass es keiner von ihnen gewesen sein kann.“

„Hat keiner der Zeugen eine Beschreibung von dem Beamten abgeben können, der sie verhört hat?“, fragte Karina. Sie schenkte sich Kaffee nach. Roland hatte noch nie eine Frau so viel Kaffee trinken sehen, wie sie.

„Keine eindeutige. Wie kann ich euch also helfen?“

Karina ergriff das Wort, bevor Roland hinunterschlucken konnte.

„Du könntest uns eine Liste mit Namen der Polizeibeamten geben, die aus dienstlichen Gründen Zugang zu den Registern und Rapporten hatten.“

Isaksen nickte gehorsam.

„Was passiert, wenn ihr ihn findet?“, fragte er und benutzte die Serviette noch einmal, diesmal eher aus einem nervösen Reflex heraus.

Roland hatte fertig gekaut und einen Schluck Kaffee genommen.

„Die Regeln sind hier ziemlich klar. Polizeibeamte dürfen keine Register oder vertrauliche Informationen einsehen, es sei denn, es gibt einen dienstlichen Anlass dazu. Ein Verstoß zieht normalerweise eine Geldstrafe nach sich, aber in diesem Fall und mit einer derart groben Übertretung wird er wohl einer Freiheitsstrafe nicht entkommen“, antwortete er.

Das Einzige, was Roland an seiner früheren Arbeit vermisste – abgesehen von Isabella – war sein eigenes Büro, in das er sich zurückziehen, die Tür verriegeln, die Beine auf den Schreibtisch legen und nachdenken konnte. Jetzt teilte er das Büro mit Karina Ottesen und Mark Haldbjerg, der ihm Tisch an Tisch direkt gegenübersaß. Karina hatte ihren eigenen Tisch in der Ecke und obwohl es ein großes Büro mit Kunst an den Wänden war, war es ihm schwergefallen, sich an das neue Arbeitsumfeld zu gewöhnen. Es war jedoch praktisch, dass sie miteinander reden konnten und immer wussten, woran der andere gerade arbeitete. Trotzdem beneidete er Viktor Enevoldsen, der als Ermittlungsleiter sein eigenes, großes Büro hatte.

Sobald sie aus Horsens zurückgekehrt waren, hatte Roland den Koncern IT kontaktiert, der zur Reichspolizei gehörte. Dort konnte man Protokoll-Daten in den Systemen der Polizei nachverfolgen lassen.

„Nach welchen Kriterien soll ich suchen?“, hatte ihn der Mitarbeiter der IT Abteilung mit einer so jungen Stimme gefragt, dass Roland sich im ersten Moment einen Schüler vorgestellt hatte.

„Welche Möglichkeiten gibt es? Ich bin neu, deswegen …“

„Oh ja, sicher.“

Es klang, als würde der junge Mann spöttisch lächeln, während er es sagte, was Roland ein wenig ärgerte. Dann fuhr der IT-Mann mit normaler Stimme fort.

„Wir können mehrere Suchoptionen durchführen, zum Beispiel können wir nach der Einsichtnahme eines bestimmten Beamten innerhalb einer festgelegten Periode suchen, oder danach, welcher Beamte etwas Konkretes, wie eine Personenkennzahl oder einen Fall nachgeschlagen hat.“

Wenn Thor Isaksen nichts Genaueres sagen konnte, würde die Arbeit umfangreich werden müssen.

„Dann nehme ich das gesamte Paket“, antwortete Roland und bemerkte zu seinem Vergnügen, dass sich der IT-Mann ärgerte.

„Das ganze Paket, aber …“

„Leider wissen wir weder, aus welchen Registern Informationen gezogen worden sind, noch von wem, wann oder warum. Darum müssen wir wohl einen Rundumschlag machen.“

„Von wann ausgehend?“

„Das letzte halbe Jahr – mindestens.“

„Das wird dauern, und die Gesamtliste wird ziemlich lang werden.“

Falls der IT-Mitarbeiter ihn abzuschrecken oder zu manipulieren versuchte, hatte er keinen Erfolg.

„Na, dann sollten wir lieber schnell in die Gänge kommen, nicht wahr?“, sagte er abschließend.

Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8

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