Читать книгу Freundinnen und der Segelmord - Ingrid Magellan - Страница 10

8:Heikel! Heikel!

Оглавление

Das Morddezernat von Cap Mondrian lag in der Fresienstraße, die zur Promenadenallee führte. Das Haus in dem sich das Dezernat befand, war aus Sandstein. Äußerlich geradezu mittelalterlich, zeigte es sich im Inneren restauriert mit modern eingerichteten Amtsräumen. Es gab keine Großraumbüros, sondern ein Arbeitszimmer für jeden Mitarbeiter. Am Samstag erkundigte sich Rufus Vogl nach den Ermittlungen. Er spazierte zu Fabian Alt, der Kriminalkommissar war und sein eifriger Kollege. Er befand sich gerade im Kriminallabor.

> Frühestens am Montag gibt es erste Anhaltspunkte<, rief Fabian ihm laut zu. >Verschwinde! Du kannst nichts machen.<

So verbrachte Rufus ein frauenloses Wochenende zu Hause. Er widmete sich ausführlich dem Hausputz. Abends lief ein Relaxvideo. Der Gepard sauste in der Savanne umher.

Am Montag um 8 Uhr öffnete Rufus mit ausgelassenem Schwung die Türe des Polizeigebäudes. Mit riesigen Schritten lief er in den ersten Stock, auf dem sich sein geräumiges Büro und die Zimmer seiner Mitarbeiter befanden. Die Zimmer sahen hell und aufgeräumt aus. Seit der Renovierung vor ein paar Monaten gaben ihnen moderne, weiße Möbel eine freundliche Atmosphäre. Zum Erfahrungsaustausch trafen sich Rufus, sein Mitarbeiter Fabian Alt und seine Assistentin Freddy Schönli im Besprechungszimmer, im internen Sprachgebrauch „Interview“ genannt. Es lag am Kopfende des langen Ganges. Der Weg dorthin führte am Kaffeeautomaten vorbei. Daneben stand seit ein paar Wochen eine Gefriertruhe. Für alle Beamten des Dezernats lagen darin eisgekühlte Leckereien in Form von Eis am Stiel, Schokoladeneis in der Waffel und diverse Fruchtsorbet-Eis-Sorten. Die Truhe war immer gut bestückt und schnell geleert. Rufus bevorzugte Schokoladenkrokanteis, Freddy Schönli das kalorienarme Mangosorbet und Fabian Alt war Eiswaffelfan. Der Kaffee, der per Knopfdruck aus dem Automaten in die Becher strömte, schmeckte aromatisch und war heiß. Man konnte sich wohl fühlen im Morddezernat. Eine Tatsache, die der zuständige Kriminaldirektor, Dr. Glattmeyer, bei jeder Gelegenheit betonte: „Goldene Arbeitsbedingungen bieten wir hier, ich hoffe sie arbeiten engagiert, damit die Ermittlungsergebnisse auch golden sind.“

Rufus zog seine blaue Leinenjacke aus, hängte sie über die Lehne und setzte sich an seinen Schreibtisch, der schmucklos und akribisch aufgeräumt war. Wenn da nicht der Gepard wäre. Direkt vor ihm an der Wand hing das Foto eines Geparden. Es stammte aus einer Fotogalerie von Cap Mondrian, in der er es gekauft hatte. Er las seine E-Mails und beantwortete sie. Wie immer bei einem neuen Fall brauchte er morgens eine Stunde für sich allein. Im Gedächtnis rekonstruierte er den Tatort. Er besaß ein fotografisches Gedächtnis, sodass er sich Einzelheiten genau einprägen konnte. Ein Mord in sogenannten, besseren Kreisen auf einer Yacht im Hafen. Was mag es wohl für ein Motiv geben, den gut situierten Händler für Segelzubehör Torston Frey zu ermorden? Ob er so gut situiert war, wie es den Anschein gab, würde er mit seinen Mitarbeitern noch herausfinden müssen.

Er hatte vor, mit seiner Assistentin Friederike Schönli, genannt Freddy zu sprechen. Freddy stellte in ihrem Büro gerade eine Vase mit frischen gelben Rosen auf ihren Schreibtisch. Sie trug einen gut geschnittenen, engen Hosenanzug aus dunkelgrüner Baumwolle. Die Farbe harmonierte mit ihren brünetten, kurzen Haaren, der braunen Iris ihrer Augen und betonte die sportliche Figur der 29-Jährigen. Ihr war es gelegen, Rufus zu gefallen. Seitdem sie im Morddezernat arbeitete, tat sie alles, um sein Interesse zu wecken. Rufus behandelte sie stets höflich und sachlich.Wenn die Nerven blank lagen und der Fall verzwickt war, auch einmal kurz angebunden. Freddy nahm es hin und gönnte sich abends in ihrem Stammbistro einen Cocktail. Bei ihrer Figur kein Kalorienproblem. Manchmal waren ihre romantischen Anwandlungen, die sie sich auf Rufus einbildete, einfach zu viel für sie. Ihr sentimentales Chaos im Kopf bekämpfte sie daher mit gelegentlichen Affairen. In letzter Zeit immer häufiger mit wahllosen Männerbekanntschaften. Einen festen Freund hatte sie nicht. >Na, wie geht es heute morgen? Meine Mails schon gelesen<, rief Rufus, der ins Zimmer von Freddy kam. Er stellte sich mit durchgedehnten Beinen kerzengerade ans Fenster und schaute schräg zu Freddy. >Nein, noch nicht<, flüsterte sie und schmachtete ihn mit einem Lächeln an. >Seit Freitag haben wir einen neuen Fall. Es ist eine Segelleiche<, antwortete Rufus unbeeindruckt. >Ist ein Boot gekentert? Ist es eine Wasserleiche?< >Nein, Nein, vom Wasser verschluckt in unserem schönen See wurde niemand. Der Tote ist ein bekannter Händler für Segelzeug. Er heißt Torston Frey und wurde erstochen auf seiner Yacht gefunden.< Rufus stand die ganze Zeit dicht vor dem Schreibtisch von Freddy. Ihr war seine Nähe nicht unangenehm, sondern sie genoß seine körperliche Präsenz. Die Nachricht hatte einen durchschlagenden Effekt. Freddy starrte mit offenem Mund ins Leere, so erschrocken war sie. Sie ließ den Kopf in ihre Hände sinken und unterdrückte nur mit großer Anstrengung ihre Tränen. Der oberste Knopf ihrer weißen Bluse saß verdächtig stramm, sodaß sich der Stoff an der Reverskante kräuselte. Rufus senkte den Kopf und blinzelte sie an. Eine solche Reaktion war er von ihr nicht gewohnt. Es überraschte ihn.

>Du darfst dir unsere Fälle nicht so zu Herzen nehmen, Freddy. Das schafft dich sonst und verwirrt die Psyche. Für die Recherche des Mordhergangs brauchen wir alle einen klaren Kopf<, sprach er sie an. >Natürlich, mache ich. Mir geht es heute Morgen einfach nicht besonders. Mein Magen revoltiert einmal wieder. Ich mache mir einen Kamillentee und lasse den Kaffee weg<, entgegnete Freddy kleinlaut. >Gut, Freddy.< Rufus wippte von einem Bein auf das andere. >Nichts Ernsthaftes<, versicherte sie. Mit fahrigen Bewegungen stand sie auf und marschierte zusammen mit Rufus aus dem Zimmer. Im Flur trafen sie auf Kommissar Fabian Alt. Er widmete sich im Dezernat neben den Ermittlungen auch der Kriminaltechnik. Während Rufus und Freddy betont seriös gekleidet ins Büro kamen, zeigte Fabian sich extravagant. Er erschien meist bunt wie ein Papagei. Heute trug er eine Hose mit großen blau-roten Karos, passendem roten Hemd und lila Fliege. Dazu gesellten sich dunkelblaue Turnschuhe. Zudem machte Fabian immer ein fröhliches Gesicht. Er lachte stets aus seinem 30-jährigen runden Gesicht auch wenn er sich übereifrig den Ermittlungen widmete. >Hallo, Chef, Hallo Freddy<, begrüßte er die beiden. >Der Wind blies am Freitag ideal, nicht zu schwach und nicht zu steif.< Seine Laune konnte nicht mehr gesteigert werden, weil er die letzte Regatta als Zuseher mitverfolgen konnte. Er hielt sich für einen Supersegler. >Vielleicht spielt das Segeln eine Rolle beim Frey Mord. Gehen wir ins „Interview“ und besprechen die Sachlage<, warf Rufus ein. >Hast du schon mit unserem Gerichtsmediziner Dr. Arend Torberg gesprochen, Fabian?<

>Ja, habe ich. Er will uns heute erste Informationen geben<, beeilte sich Fabian zu sagen. Rufus öffnete die Türe, alle drei betraten den Raum und versammelten sich um einen großen ovalen Holztisch. Rufus setzte sich an das Kopfende, rechts flankiert von Freddy, während Fabian links Platz nahm. Freddy schaltete das Notebook vor sich ein und schaute deprimiert in die Runde. >Wir spekulieren frisch und frei über die Tat. Unsere Fantasie hilft uns anfangs am besten Anhaltspunkte zu finden. Freddy alles klar zum Mitschreiben?< >Alles O.K..< Freddy machte einen verzweifelten Eindruck. Rufus begann jede Morduntersuchung mit einem Brainstorming. Kreativität ist ein grundlegender Ermittlungshelfer betonte er immer wieder. Einen hektischen Start schätzte er gar nicht. >Los geht es. Denkt bitte laut. Ich fange gleich an. Dann macht ihr weiter: >Welchen Eindruck macht die Yacht? Ist sie bezahlt?< >War Frey deprimiert? Hatte er Feinde?< >Wie lief die Regatta?< Nachdem jeder seine Ideen laut in den Raum gesprochen hatte, warf Fabian ein:>Fakt 1: Streit mit Jens Wegener. Wir brauchen eine Zeugenbefragung und sein Alibi. Wir müssen den dritten Mann der Crew finden.< Fabian ergänzte: >Was ist mit seiner Frau Hilda? Gibt es andere Frauen, etwa Geliebte in seinem Privatleben? Vielleicht kein Segelmord sondern ein Eifersuchtsdrama?< An dieser Stelle hörte Freddy plötzlich auf zu tippen. Sie saß nur ruhig da.

>Sind wir zu schnell, Freddy, kommst du mit?<,fragte Rufus sofort. >Entschuldigung Chef, es geht schon<, bemerkte die Assistentin. >Ein weiterer Punkt ist seine Firma „Canvas“. Da müssen wir in die Tiefe gehen. War er erfolgreich, welche Kontakte hatte er<, fügte Fabian an und machte ein bedeutungsvolles Gesicht. >Am wichtigsten ist die Frage: Was für ein Mensch war er, sonst finden wir den Täter nie.< Nach dieser Bemerkung von Rufus lehnten sich alle in ihren Stühlen zurück. Jeder brütete vor sich hin. Fabian malte mit seinem Stift Kringel in die Luft. Rufus betrachtete die Schäfchenwolken am Himmel, den er durch das Fenster sah. Freddy hielt den Kopf gesenkt. Ein Klopfen an der Türe unterbrach ihr gemeinsames Schweigen.

>Herein<, rief Rufus. Zwei Sekunden später kam der Gerichtsmediziner Dr. Arend Torberg gemächlich in den Raum. >Ich wollte persönlich mit Ihnen über Frey sprechen und nicht per Mail.< Der Arzt nahm sich ohne zu fragen einen Stuhl und setzte sich an die Seite neben Rufus. >Wissen Sie, es ist es so: Ich habe das Schiffszubehör für mein Ein-Mann-Segelbadeboot bei ihm gekauft. Dieser Fall ist wirklich ein Schock. Jemanden als Leiche zu untersuchen, der vor ein paar Tagen noch munter herumlief und den man persönlich kannte.< Hier hielt Dr. Torberg inne. Er war wegen seines schnellen und präzisen Arbeitsstils bei allen beliebt. >Unser Dr. Torberg offenbart seine Gefühlswelt. Das ist etwas ganz Neues.< Fabian reizte mit seiner kumpelhaften Art und seinen Kommentaren die Nerven des Arztes ganz gerne. Es gab eine Pause. >Was ich momentan sagen kann, ist die Tatsache, dass Frey mit einem spitzen, scharfkantigen Metallmesser erstochen wurde. Sein Körper macht einen gut trainierten Eindruck. Er ist auch kein Alkoholiker. Mehr kann ich noch nicht sagen.Für Sie Herr Alt: Ich bin doch kein Eiszapfen, nur weil ich in der Pathologie arbeite<, schnaubte Dr. Torberg. Fabian schaute überrascht. Seine Wangen leuchteten im gleichen Rot wie sein Hemd. Er sah aus, als ob er gleich platzen würde. >Bei der Mordwaffe handelt es sich wahrscheinlich um ein Segelmesser. Die Klinge ist aus Edelstahl mit einem Kunststoffgriff. Der Todeszeitpunkt liegt etwa gegen 16 Uhr.< Das hätte ich jetzt beinahe vergessen, kam es aus Dr. Torbergs Mund. Fabian erhielt einen düsteren Blick. >Fantastisch, beste Neuigkeiten für unsere Ermittlung. Die Mordwaffe ist bekannt, nur finden müssen wir sie noch! <Rufus dachte laut in die Runde

Er freute sich. >Dr. Torberg<, warf er ein, >Sie haben Herrn Frey im Geschäft erlebt. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht? Wir brauchen ein Charakterbild des Mannes, damit wir die Tätersuche eingrenzen können.< >Ja, nun. Ich habe ihn als Fachmann geschätzt, seine Segeltaue waren von bester Qualität. Das garantiert eine lange Haltbarkeit. Überhaupt, wenn ich es mir überlege, bietet er nur Segelbedarf im hochpreisigen Segment. Das ist mir schon aufgefallen, wenn ich bei ihm im Laden war. Billigware führte er nicht. Das ist keine Ramschbude.< Dr. Torberg schwieg und nickte mehrere Male mit dem Kopf. >Sie meinen, es gäbe nicht genügend Abnehmer für seine Waren, weil sie zu teuer sind.< Rufus wollte es ganz genau wissen. >Ich habe mich gewundert. Nicht jeder Wassersportler kann sich derart teures Zeug leisten. Die Segel stehen auch , wenn das Material billiger ist<, meinte Dr. Torberg.

>Wir müssen die Praktiken von Frey prüfen.< Wenigstens plappert Fabian nicht dazwischen, registrierte Rufus.Er fragte: >Wie verhielt er sich gegenüber Kunden, Herr Dr. Torberg.< >Aufmerksam, immer eifrig darin, das Angebot zu zeigen. Einen deprimierten Gesichtsausdruck mit herabhängenden Mundwinkeln habe ich bei ihm nicht gesehen. Immer höflich, aber nicht herzlich, durch und durch Geschäftsmann. Gelacht hat er nie. Das waren meine Eindrücke<, beeilte sich Dr. Torberg zu sagen. >Für uns sind das wertvolle Hinweise. Vielen Dank, daß Sie für uns Zeit hatten<, sagte Rufus und hoffte, die richtige Wortwahl getroffen zu haben. Es war ihm an einem harmonischen Kontakt zu dem Mediziner gelegen. >Prima, wenn ich helfen konnte<, antwortete Dr. Torberg, erhob sich von seinem Stuhl und schlich leise aus dem Zimmer.

>Freddy, du hast alle Antworten von Dr. Torberg, da brauche ich nicht weiter zu fragen?< Freddy öffnete ihre Augen weit: >Klar Chef, wir haben alles komplett.< >Vielen Dank<, kam es kurz von Rufus. Fabian rutschte auf seinem Stuhl herum. >Dann können wir loslegen. Ich kümmere mich um die Auswertung der Fotos von der Yacht. Auf dem Boot haben wir ein Notebook entdeckt. Es ist anzunehmen, daß es Frey gehört. Ich bin gespannt, was die Dateien hergeben. < >Gute Idee, Fabian. Kümmere dich um die Spurensuche.< Rufus regte die emsige Geschäftigkeit von Fabian gerne an. Dann konnte er in seinem langsamen Tempo bleiben. >Was wir nicht gefunden haben, ist sein Handy oder irgendwelche Kleidungsstücke oder Persönliches. Nicht einmal Taschentücher oder eine Wasserflasche. Das ist seltsam<, beeilte sich Fabian zu bemerken. >Ein kleines Rätsel, wir lösen es. Die Ehefrau von Torston Frey müssen wir in den nächsten Tagen befragen. Freddy, zu diesem Gespräch begleitest du mich. Mich interessiert ihre Stimmung. Vielleicht findest du mit deiner Intuition einen Weg zu ihrem Innenleben. Alles bei Hilda Frey ist wichtig. Die Spekulation läuft in Richtung tatverdächtig.< Kaum hatte Rufus den Satz beendet, stand Freddy auf, schaute schweigend auf die beiden Männer und verschwand eilig aus dem „Interview“.

Draußen auf dem Gang lehnte sie sich an die kalte Wand. Im Kopf war ihr schwindelig, beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren. Ihre Gedanken kreisten um ihr Privatleben. Zu sich selbst sagte sie: Rufus und Fabian haben mich schon beobachtet. Sie merken meinen Stress. Ich muß Theater spielen, die Situation ist so verdammt heikel. Wie komme ich aus diesem Mist nur wieder heraus?

>Was ist mit Freddy passiert? So habe ich sie noch nie erlebt. Auf ihr scheint eine Zentnerlast zu liegen<, bemerkte Fabian verwundert. >Ja, ich habe Freddy gefragt. Sie hat wohl ein kleines Magenproblem.< So kommentierte Rufus den durcheinander geratenen Zustand von Freddy und spazierte mit Fabian zügig aus dem „Interview“. >Die Tätersuche ist noch völlig offen. Ich meine, ob ein Mann oder eine Frau beteiligt ist. Stimmt doch Chef?<, war es von Fabian zu hören. >Und was ich noch fragen wollte: Was ist mit der Zeugin Tea Sommerda. Du kennst sie, Chef?< Rufus verzog keine Miene bei dem neugierigen Einwand von Fabian. Darauf hatte er schon gewartet. >Tea Sommerda ist mir bekannt.< Mehr sagte er dazu nicht. Sein Verhältnis zu Tea präsentierte er nicht auf dem Silbertablett. Fabian setzte ein reichlich unbefriedigtes Gesicht auf und bog in sein Zimmer ab. In diesem Augenblick klingelte das Handy von Rufus. Er nahm das Gespräch sofort an: >Hallo, Rufus. Hast du Lust übermorgen zum Abendessen zu kommen<, fragte Tea. >Ja, mache ich gern. Bei deinen Kochexperimenten kann ich nicht widerstehen. Nur nicht zu früh, du weißt warum.< >Gegen 8 Uhr.< > Alles klar, Tea<, antwortete Rufus.

Im Hintergrund auf dem Flur stand Freddy, die kurz ihren Kopf drehte und alles mithörte. Ihr Gesicht verfinsterte sich schlagartig.

Im ersten Stock von „Petrus Goods“ stand Mike Petrus am Fenster seines Studios und betrachtete die Passanten auf der Promenadenallee. Die Import & Export Firma befand sich in einem Bürogebäude mit knallroten Wänden. Die Büros erstreckten sich über zwei Stockwerke. Am Empfang im Erdgeschoß saß Teres Leer hinter einem Mahagonitresen und bediente die Telefonanlage. >Herr Petrus ist bei einem Geschäftstermin außer Haus. Er kommt heute leider nicht mehr zurück<, sprach die 30-jährige Sekretärin mit blonder Ponyfrisur und opulent gerundeter Figur in den Hörer. Sie hatte sich daran gewohnt, für Mike Petrus am Telefon zu lügen. Er honorierte ihre Diskretion mit einem überaus großzügigen Gehalt und diversen Extras, wie einem kostenlosen Aufenthalt im Fitnessclub. Mike Petrus wollte in Ruhe nachdenken. Die Zeit war reif dafür. Nicht daß seine Geschäfte mies liefen, aber der Unterhalt für seine Exfrau und das Kleingeld für seine wechselnden Geliebten, strapazierten seine Finanzen. Er machte Geld mit allem, was sich zu Geld machen ließ. Im letzten Jahr fanden seine Jutesäckchen mit Sand, selbstverständlich aus der Karibik, als exotisches Utensil für die mondäne Inneneinrichtung rege Käufer. Fieberhaft hatte er auf das Ende der Regatta gewartet. Über die Nachrichten war er hoch erfreut. Als er vom Tode Torston Freys hörte, rieb er sich die Hände. Von den Segeltauen, die er in seiner Firma an Händler verkaufte, konnte „Petrus Goods“ langfristig nicht existieren. Aber der Futterhandel für Heimtiere, den er seit einiger Zeit betrieb, schien der Ausweg zu sein. Der Handel lief finanziell noch nicht rund. Hier kam Torston Frey ins Spiel. Seit Jahren saßen sie zusammen auf dem Boot. Bei Wind und Wetter waren sie draußen auf dem Azursee, einmal in seinem einmal in Torstons Boot. Sie fachsimpelten über Segelgrößen, Segelmaterial und Tauwerk. Gerade dieses Material entwickelte sich in den letzten Jahren rasant weiter. Und nicht zuletzt spielten sie gelegentlich eine Partie Poker mit anderen Geschäftsleuten. Torston Frey verlor immer. Als er daran dachte, lachte er lauthals auf. Besser könnte der Augenblick nicht werden, um mit Hilda Frey zu sprechen, dachte er. Sofort wählte er Hilda Freys Nummer auf seinem privaten Handy. Sie nahm Sekunden später ab:

>Hallo, wer ist es denn?< >Hier Mike Petrus.< >Ach so. Sie sind es. Wissen Sie, sie machen mich depressiv. Traurig bin ich schon nach Torstons Tod<, antwortete sie. >Ich möchte Ihnen zum Tode von Torston mein Beileid aussprechen. Wir haben uns seit Jahren gekannt. Ich habe lukrative Geschäfte mit ihrem Mann gemacht. Oft saßen wir auf dem Boot zusammen<, redete Mike Petrus auf Hilda Frey ein. >Vielen Dank. Weitere Vertraulichkeiten müssen wir nicht austauschen, wir werden schließlich nicht intim, wir machen keine Geschäfte zusammen<, antwortete Hilda Frey kurz angebunden. >Ich denke schon<, fuhr Mike Petrus fort, >Ich möchte unverbindlich über dies und das mit Ihnen sprechen.< >Was ich mit Torstons Firma vorhabe, geht sie erst einmal überhaupt nichts an. Sie sind der Letzte, mit dem ich darüber sprechen möchte<, erwiderte Hilda Frey. >Nicht so voreilig. Seien Sie doch offen für eine kleine Plauderei. Es gibt etwas ganz Besonderes, worüber ich mich mit Ihnen austauschen möchte.< >Was soll das sein?<, fragte Hilda Frey mit spitzer Zunge. >Wie wäre es, ein unverbindliches Treffen bei einem kleinen Happen und einem Drink<, fragte Mike Petrus. Er traf Hildas wunden Punkt, ihre stets vorhandene Neugierde und hatte damit Recht. >Einverstanden, am Donnerstag im „Azuro“. An diesem Tag gibt es Mangoldtarte.< >Perfekt. Bis zum Donnerstag. Vielen Dank<, lächelte Mike Petrus hoch zufrieden über sein ganzes Gesicht. Er erreichte seine Ziele immer.

Jetzt hatte er sich eine Belohnung verdient. Er machte ein paar Schritte zu dem kleinen Barschrank aus Chrom und goß sich ein halbes Glas voll mit Gin. Mit dem Glas in der Hand schlenderte er zum großen Spiegel an der Stirnseite des Zimmers. Er betrachtete sich ausführlich von allen Seiten. Schließlich wollte er Iris gefallen. Vor zwei Monaten hatte ihm ein stadtbekannter plastischer Chirurg die Tränensäcke entfernt. Der Mann war gut. Mike strahlte sichtlich zufrieden. Mit knapp sitzenden weißen Jeans und blauem Shirt gab er sich ein jugendliches Aussehen. Er hatte panische Angst vor dem Älterwerden. Jetzt wartete er auf Iris. Sie war eine zwei Wochen alte Bekanntschaft mit langen schwarzen Haaren, Modelfigur, aber großer Oberweite und runden Hüften zum hübschen herzförmigen Gesicht. Iris wollte ihn im Büro abholen. Er nahm noch einen großen Schluck Gin, setzte sich behutsam auf seinen Sessel an den weißen Schreibtisch. Gedankenverloren nahm er einen Tintenschreiber zur Hand und malte Strichfiguren auf das Papier. Sie ähnelten Hunden. Die Türe ging auf und Iris stürmte auf gefährlich hohen Pumps ins Zimmer Sie strahlte ihn aus kornblumenblauen Augen an, umarmte ihn und hauchte ihm einen Kuß auf die Backe. >Mike, super. Ich freue mich auf den Abend mit dir. Wartest du schon lange?.< >Ich bin gerade mit den Tagesterminen fertig<, entgegnete Mike Petrus. >Vom richtigen Zeitpunkt verstehe ich etwas<, hauchte sie, setzte sich auf seinen Schoß und senkte den Blick auf das Blatt Papier auf dem Schreibtisch. >Machst du neuerdings in moderner Kunst. Sehen aus wie Strichhunde. Ist das eine neue Rasse?< >Davon verstehst du nichts.< Mike reagierte ungehalten. Er berührte ihren Arm und wollte sie vom Schreibtisch wegziehen. Iris blieb aber in ihrer Position, wobei sie ein Bein in die Luft hob. >Nicht daß du auf die Idee kommst, mir einen Hund zu schenken. Ich reagiere allergisch auf Hundehaare. Außerdem finde ich Hunde unhygienisch.< >Du denkst zu viel, Iris. Machst du hier Yogaübungen?<, fragte Mike Petrus, als er sie betrachtete.

>Harmlose Kritzeleien? Hundestrichcode? Oder ein Anfall von Altersschwäche?<, setzte Iris nach. Mike rollte mit den Augen. Iris überraschte ihn mit Geistesblitzen, die er nicht mochte. >Wir amüsieren uns heute Abend. Wir fangen mit dem Abendessen an. Das Restaurant darfst du wählen, ganz nach deinem Wunsch. Das süße Dessert gibt es in meiner Wohnung.< Mike Petrus war daran gelegen seine neue Eroberung bei Laune zu halten. So hatte er am meisten davon. Ihm war nach einer intensiven Party im Bett zumute. Den Zettel mit den Strichhunden steckte er in die Seitentasche seiner schwarzen Jacke als sie das Büro verließen.

Freundinnen und der Segelmord

Подняться наверх